Stechlin
02.05.2007, 12:42
"Wir lassen uns nicht weiter ausplündern"
Diese Neuigkeit wurde termingerecht verkündet. Kein Datum schien geeigneter zu sein als der erste Mai, dem Internationalen Kampftag der Arbeiterklasse. Vor mehreren tausend Arbeitern im Teresa-Carreno-Theater (Caracas) verkündete Commandante Chávez unter dem Jubel seiner Zuhörer den Austritt der Sozialistischen Bolivarischen Republik Venezuela aus dem Internationalen Währungsfond (IWF) und der Weltbank.
Diesen Schritt begründete Commandante Chávez unter anderem damit, daß beide Institutionen "Mechanismen des Imperialismus" seien. Die beiden Brenton-Woods-Institutionen beuten die Länder des Südens massiv aus, wie es die Vergangenheit auf erschütternde Art und Weise unter Beweis gestellt hat. "Wir haben es nicht nötig, dort vertreten zu sein", sagte Chávez am Dienstagabend in Caracas, und "Wir werden zurückfordern, was sie uns schulden!".
Zugleich verkündete Commandante Chávez eine Anhebung des Mindestlohnes sowie der Renten um 20% an.
Im Juli 1944 beschlossen Experten aus 44 Ländern auf der Konferenz von Brenton Woods die Schaffung einer Institution, welche die Währungsbeziehungen unter einheitliche Regelungen stellen sollte. Dieses System beinhaltete feste Wechselkurse auf der Basis zweier Bezugsgrößen. Jedes neue Mitglied mußte den Wert seiner Währung beim Beitritt zum IWF in US-Dollar oder in Gold angeben. Nach anfänglichen Erfolgen endete dieses System Anfang der 1970er Jahre. Seit 1973 legt nun der "freie" internationale "Markt" die Wechselkurse fest.
Interessant die Struktur des IWF: Die Ziele dieser Institution werden bis heute von den 29 Ländern festgelegt, welche am 27.12.1945 das Gründungsübereinkommen des IWF unterzeichneten. Danach will er die internationale Zusammenarbeit in der Währungspolitik und stabile Wechselkurse fördern, ein Wachstum des Welthandels erleichtern, das Ungleichgewicht in den Zahlungsbilanzen der Mitglieder reduzieren und Mitgliedern mit bestimmten finanziellen Schwierigkeiten durch Kredite helfen. Dieses Geld ist weder zweck- noch projektgebunden. Die Empfängerstaaten müssen aber finanz- und wirtschaftspolitische Auflagen erfüllen. Üblicherweise werden die Kredite in Raten (so genannte Tranchen) ausgezahlt. Die nächste Tranche erhält nur, wer vorher die Auflagen des IWF erfüllt hat, zum Beispiel bestimmte Reformen. Oft zielen solche Forderungen auf eine Sanierung der Staatsfinanzen ab. Je nach Problem des Mitglieds stellt der Währungsfonds verschiedene Kredite mit jeweils eigenen Konditionen bereit, unter anderem zur Bewältigung von Naturkatastrophen (aus: polixea-Lexikon).
Dem IWF gehören mittlerweile 185, oh nein, 184 Staaten :D an, deren oberstes Entscheidungsorgan der Gouverneursrat mit je einem Gouverneur aus allen Mitgliedsländern ist. Wichtiger als dieses demokratische Feigenblatt ist vielmehr das Zugriffsrecht, der dem zugewiesenen Anteil, Quote genannt, enspricht. Danach richten sich die Einzahlungsverpflichtungen, die Zugriffsrechte auf den gesamten Fonds und auch die Stimmrechte (!) innerhalb des IWF. Größter Anteilseigner sind mit einer Quote von 17,14% die USA, gefolgt von Japan (6,14%) und Deutschland (6%). Bezogen auf die Stimmrechte verfügen die USA, Japan und die Europäische Union zusammen bereits über eine Stimmemmehrheit von 55%. Wirtschaftspolitik, an die IWF-Kredite stets geknüpft sind, wird also mitnichten in den Nehmerländern, also fast die gesamte dritte Welt und alle Schwellenländer, betrieben. Das ist der moderne Kolonialismus unserer Zeit.
Globalisierungsgegner werfen dem Währungsfonds vor, gerade mit den Kreditbedingungen Krisen erst auszulösen. Bestes Beispiel ist Argentinien, in dessen Fall sich die Regierung strikt an die Vorgaben des IWF gehalten hat. Aber die verlangten massiven Haushaltskürzungen in Zeiten einsetzender Rezession forcierten die Staatskrise immer noch weiter.
Mittlerweile hat Argentinien unter seinem tüchtigen Präsidenten Nestor Kirchner all seine Schulden in Höhe von 9,8 Milliarden Dollar mit Hilfe Venezuelas an den IWF zurückgezahlt.
Bisher konnte noch nirgendwo beobachtet werden, daß die Politik des IWF in igendeinem Lande zu spürbaren Fortschritten geführt hätte. In jedem Aspekt der IWF-Politik ist die Dominanz der großen Industriestaaten gegenüber den Entwicklungsländern stark zu spüren, was die Krisen in diesen Ländern nur verschärft, denn es geht um Absatzmärkte und Profit.
Der Austritt Venezuelas aus dem IWF und der Weltbank kam allerdings nicht überraschend. Der südamerikanische Kontinent befindet sich in einer Phase der Emanzipation gegenüber diesen Institutionen, denn die Vergangenheit hat vor allem eines deutlich gemacht, daß ein Großteil der IWF-Kredite nur noch zur Schuldentilgung genutzt wurden, also substantiell nichts mehr an der eigentlichen Lage im Land änderten. Seit dem Anstieg der Zinsen in Folge der Exportkrise nach 1989 verfielen immer mehr Länder in die Schuldenfalle des IWF und der Weltbank, zeitgleich knüpften aber beide Organisationen ihre Gelder an regide neoliberale Auflagen: Deregulierung, Privatisierung, Rückzug des Staates aus der Wirtschaft und des Sozialsystems.
Zur Politik und zur Zukunft des IWF dazu auch folgender Beitrag (http://www.politikforen.de/showthread.php?t=40308):
BERLIN. Venezuela, China und Russland betreiben mit ihren Milliardenüberschüssen Entwicklungspolitik und laufen den klassischen Finanzorganisationen so den Rang ab. Alles deute auf eine „Entmachtung des bisherigen Geberkartells“ hin, sagt Helmut Reisen vom OECD-Entwicklungszentrum in Paris.
Großer Verlierer dieser Entwicklung könnten die USA sein, da viele Schwellenländer ihre Exporterlöse nicht mehr in US-Staatsanleihen stecken und damit zur Deckung des gewaltigen US-Haushaltsdefizits beitragen, sondern sie vielmehr bei neuen regionalen Förderbanken anlegen oder in Entwicklungsländern investieren. Während China seine gewaltigen Handelsüberschüsse vor allem in rohstoffreichen Ländern Afrikas einsetzt, unterstützt Venezuela mit seinen Petrodollars in erster Linie lateinamerikanische Staaten. Handelsblatt
Der Satz hat es in sich: da viele Schwellenländer ihre Exporterlöse nicht mehr in US-Staatsanleihen stecken und damit zur Deckung des gewaltigen US-Haushaltsdefizits beitragen, sondern sie vielmehr bei neuen regionalen Förderbanken anlegen oder in Entwicklungsländern investieren. Die Dritte Welt soll das US-Handelsdefizit decken? So viel Offenheit und gleichzeitig auch Chuzpe hätte ich dem Handelsblatt gar nicht zugetraut. Dennoch glaubt man seinen Augen kaum. Hier offenbart der Kapitalismus seine eigenen Widersprüche und seine eigentlichen Ziele. Einen besseren Beweis, auf wessen Knochen der Wohlstand der Ersten Welt basiert, kann man gar nicht bekommen.
Doch die Verursacher der Krise werden auch genannt, und das ebenfalls in einer schonungslosen Offenheit:
Venezuelas Präsident Hugo Chavez fordert dabei die USA als Vormacht auf dem Kontinent und größter Anteilseigner an den internationalen Finanzorganisationen offen heraus: „Wir akzeptieren den Entwicklungsweg nicht, den uns IWF und Weltbank vorschreiben wollen“, sagte Chavez auf dem Gipfel der Blockfreien-Bewegung in Havanna. Argentinien hat den Geldsegen aus Caracas bereits genutzt, um seine Kredite bei Währungsfonds und Weltbank vorzeitig zu tilgen (siehe „Wer den Westen verdrängt“).
Im weiteren wird offenbart, was der Zweck des IWF ist, wenn behauptet wird, Auf diese Weise entgehen sie Reformforderungen, die westliche Geber mit ihren Krediten verknüpfen.
Wie diese Reformforderungen bisher aussahen, kann man in Lateinamerika überall ablesen. Der Westen vergibt Kredite an die sogenannten Schwellenländer mit der Bedingung, den einheimischen Markt für die Waren aus den reichen Industrieländern zu öffen (Marktliberalisierung). Die Folge ist, daß die einheimische Industrie natürlich preislich mit den massenhaft hergestellten Billigwaren nicht mithalten können. Am Ende werden die einheimischen Industrien dem Konkurenzdruck nicht mehr standhalten und die Waffen strecken. Arbeitslosigkeit und Armut sind die Folgen, der Staat beraubt sich seiner Einnahmen und ist auf noch mehr Kredite angwiesen. Eine Spirale ohne Ende. Das Spiel geht von vorne los. Das ist es, was sie mit "Demokratie und Marktwirtschaft" meinten.
Doch nun scheint endlich ein Ende dieser neoliberalen Logik in Sicht.
Neue Konkurrenz erwächst Weltbank und IWF durch die Banco del Sur, die in zwei Monaten aus der Taufe gehoben werden soll. Die gemeinsame Lateinamerika-Entwicklungsbank Venezuelas und Argentiniens soll den Ländern der Region nicht nur günstige Kredite gewähren. Höhere Zinsen sollen die Staaten Lateinamerikas darüber hinaus bewegen, ihre Gelder nicht mehr in US-Anleihen, sondern in höher verzinsten Papieren der neuen Südbank anzulegen. „Es gibt ein Leben nach dem IWF – und das wird ein gutes sein“, sagte Argentiniens Präsident Nestor Kirchner jüngst. Sein Land hat wie Brasilien seine Verbindlichkeiten beim IWF inzwischen getilgt.
Doch nicht nur in Südamerika verlieren die internationalen Finanzorganisationen an Boden: Thailand und Indonesien wollen dort keine neuen Kredite mehr aufnehmen. Soeben hat der IWF in Sri Lanka, das Ende der 70er-Jahre einer der Vorreiter für Reformen und freie Märkte in Südostasien war, sein Büro dichtgemacht. Das Land wünsche keine Einmischung von außen mehr und lasse sich lieber von anderen Ländern wie China, Indien oder Ungarn unterstützen, „die als Geber helfen wollen“, ließ das Finanzministerium in Colombo wissen.
In Afrika ist es vor allem China, das die traditionellen Geber verdrängt: „China sieht sich zunehmend nicht mehr als Empfänger von Entwicklungshilfe, sondern als Global Player und gleichwertiger Partner in einer multipolaren Weltordnung“, sagt Katarina Hofmann, China-Expertin der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Allerdings dürfte China als Geber in afrikanischen Ländern – nicht zuletzt wegen der dort herrschenden Eliten – böse Überraschungen erleben, warnt John Humphrey vom britischen Institute of Development Studies: „China wird nicht Afrika verändern, sondern sein Afrika-Engagement wird China verändern.“
Diese Entwicklung wird Folgen haben. Der IWF war in der Vergangenheit die stärkste Waffe der reichen Industrieländer, andere Regionen der Welt dem neoliberalen Diktat zu unterwerfen. Da die Länder nun endlich erkannt haben, daß der IWF nur dazu diente, sich in deren Politik einzumischen, schauen sie sich nach Alternativen um. Die Banco del Sur wird Beispielgebend für eine Globalisierung von unten sein. Denn deren Gelder sind an keine Bedingungen geknüpft. Eine Entwicklung, die hoffen läßt.
Wenn selbst das Handelsblatt, welches gänzlichst unverdächtig ist, Politikern wie Chávez das Wort zu reden, offen zugibt, daß der Einfluß dieser Institutionen schwindet, darf die vorsichtige Hoffung geäußert werden, daß die Zeiten, in denen in Washington und Brüssel Weltpolitik gemacht wurde, so langsam zu Ende gehen. Doch ist keine falsche Euphorie angesagt.
Hier eine kurze Aufstellung der größten Geldgeber außerhalb des IWF:
Venezuela: Aus den staatlichen Öleinnahmen spendierte Präsident Chavez Argentinien über drei Mrd. Dollar, so dass das Land 2005 seine Schulden beim IWF vollständig tilgen konnte. Bolivien will Chavez mit 1,5 Mrd. Dollar, Ecuador mit 500 Mill. Dollar unterstützen. Venezuela und Argentinien wollen zudem die Entwicklungsbank Banco del Sur ins Leben.
China: Die Volksrepublik engagiert sich verstärkt in Afrika, um sich Zugang zu Rohstoffen zu sichern. Finanz- und Entwicklungshilfen auf dem Kontinent stiegen von 700 Mill. Dollar in 2003 auf zuletzt drei Mrd. Dollar. Kürzlich verdrängte China die Weltbank bei einem Bahn-Finanzierungsprojekt in Nigeria: Die Weltbank bot fünf, Peking neun Mrd. Dollar Kredite – ohne sie an Bedingungen wie Ausschreibungen oder Reformen zu knüpfen. Auf den Philippinen verdrängte China die Asian Development Bank bei der Finanzierung eines Wasserprojekts. In Indonesien übernahm Peking den Ausbau der Stromproduktion und setzt dabei auf umweltschädliche Kohle-Technologie. „China schert sich nicht um Menschenrechte und fördert nur Projekte zur Ausbeutung von Rohstoffen“, kritisiert der Direktor der EU-Entwicklungsbehörde, Koos Richelle.
Indien: Im Kampf um Rohstoffe ist das Land der große Konkurrent Chinas, betont Shreekant Gupta. Der Professor an der Delhi School of Economics sieht Indien beim Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen mit Afrika aber in einer günstigeren Ausgangslage: „Seit den Kolonialzeiten kann Indien die dort lebende indische Diaspora, vor allem auch über den privaten Sektor nutzen.“
Russland: Moskau finanziert vor allem Projekte in den GUS-Staaten. Rohstoff-Riesen verleiben sich ganze Industriezweige in den Nachbarländern ein. In der Europäischen Entwicklungsbank (EBRD) gebärde sich der Kreml immer mehr als Großaktionär und nicht als Kreditnehmer, seit Moskau seine Schulden gegenüber dem Westen vorfristig abgelöst hat, berichtet ein Insider: „Nach monatelangen Vorarbeiten machen Beamte einfach einen Strich durch die Rechnung und sagen uns: Keine Finanzierung von Privatunternehmen, EBRD-Gelder nur noch für staatliche Infrastrukturprogramme.“ Dass Moskau langfristig Erfolg haben wird, glaubt Dirk Messner, Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik, nicht: Der „Energiemacht“ fehlten Innovationskraft, Modernisierungsdynamik, politische Ausstrahlung und Attraktivität.
Quelle: http://www.handelsblatt.com/news/Politik/International/_pv/_p/200051/_t/ft/_b/1252019/default.aspx/iwf-droht-die-bedeutungslosigkeit.html
http://img.timeinc.net/time/daily/2006/0605/chavez0508.jpg
Commandante Chávez - Motor des Sozialismus des 21.Jahrhunderts
Diese Neuigkeit wurde termingerecht verkündet. Kein Datum schien geeigneter zu sein als der erste Mai, dem Internationalen Kampftag der Arbeiterklasse. Vor mehreren tausend Arbeitern im Teresa-Carreno-Theater (Caracas) verkündete Commandante Chávez unter dem Jubel seiner Zuhörer den Austritt der Sozialistischen Bolivarischen Republik Venezuela aus dem Internationalen Währungsfond (IWF) und der Weltbank.
Diesen Schritt begründete Commandante Chávez unter anderem damit, daß beide Institutionen "Mechanismen des Imperialismus" seien. Die beiden Brenton-Woods-Institutionen beuten die Länder des Südens massiv aus, wie es die Vergangenheit auf erschütternde Art und Weise unter Beweis gestellt hat. "Wir haben es nicht nötig, dort vertreten zu sein", sagte Chávez am Dienstagabend in Caracas, und "Wir werden zurückfordern, was sie uns schulden!".
Zugleich verkündete Commandante Chávez eine Anhebung des Mindestlohnes sowie der Renten um 20% an.
Im Juli 1944 beschlossen Experten aus 44 Ländern auf der Konferenz von Brenton Woods die Schaffung einer Institution, welche die Währungsbeziehungen unter einheitliche Regelungen stellen sollte. Dieses System beinhaltete feste Wechselkurse auf der Basis zweier Bezugsgrößen. Jedes neue Mitglied mußte den Wert seiner Währung beim Beitritt zum IWF in US-Dollar oder in Gold angeben. Nach anfänglichen Erfolgen endete dieses System Anfang der 1970er Jahre. Seit 1973 legt nun der "freie" internationale "Markt" die Wechselkurse fest.
Interessant die Struktur des IWF: Die Ziele dieser Institution werden bis heute von den 29 Ländern festgelegt, welche am 27.12.1945 das Gründungsübereinkommen des IWF unterzeichneten. Danach will er die internationale Zusammenarbeit in der Währungspolitik und stabile Wechselkurse fördern, ein Wachstum des Welthandels erleichtern, das Ungleichgewicht in den Zahlungsbilanzen der Mitglieder reduzieren und Mitgliedern mit bestimmten finanziellen Schwierigkeiten durch Kredite helfen. Dieses Geld ist weder zweck- noch projektgebunden. Die Empfängerstaaten müssen aber finanz- und wirtschaftspolitische Auflagen erfüllen. Üblicherweise werden die Kredite in Raten (so genannte Tranchen) ausgezahlt. Die nächste Tranche erhält nur, wer vorher die Auflagen des IWF erfüllt hat, zum Beispiel bestimmte Reformen. Oft zielen solche Forderungen auf eine Sanierung der Staatsfinanzen ab. Je nach Problem des Mitglieds stellt der Währungsfonds verschiedene Kredite mit jeweils eigenen Konditionen bereit, unter anderem zur Bewältigung von Naturkatastrophen (aus: polixea-Lexikon).
Dem IWF gehören mittlerweile 185, oh nein, 184 Staaten :D an, deren oberstes Entscheidungsorgan der Gouverneursrat mit je einem Gouverneur aus allen Mitgliedsländern ist. Wichtiger als dieses demokratische Feigenblatt ist vielmehr das Zugriffsrecht, der dem zugewiesenen Anteil, Quote genannt, enspricht. Danach richten sich die Einzahlungsverpflichtungen, die Zugriffsrechte auf den gesamten Fonds und auch die Stimmrechte (!) innerhalb des IWF. Größter Anteilseigner sind mit einer Quote von 17,14% die USA, gefolgt von Japan (6,14%) und Deutschland (6%). Bezogen auf die Stimmrechte verfügen die USA, Japan und die Europäische Union zusammen bereits über eine Stimmemmehrheit von 55%. Wirtschaftspolitik, an die IWF-Kredite stets geknüpft sind, wird also mitnichten in den Nehmerländern, also fast die gesamte dritte Welt und alle Schwellenländer, betrieben. Das ist der moderne Kolonialismus unserer Zeit.
Globalisierungsgegner werfen dem Währungsfonds vor, gerade mit den Kreditbedingungen Krisen erst auszulösen. Bestes Beispiel ist Argentinien, in dessen Fall sich die Regierung strikt an die Vorgaben des IWF gehalten hat. Aber die verlangten massiven Haushaltskürzungen in Zeiten einsetzender Rezession forcierten die Staatskrise immer noch weiter.
Mittlerweile hat Argentinien unter seinem tüchtigen Präsidenten Nestor Kirchner all seine Schulden in Höhe von 9,8 Milliarden Dollar mit Hilfe Venezuelas an den IWF zurückgezahlt.
Bisher konnte noch nirgendwo beobachtet werden, daß die Politik des IWF in igendeinem Lande zu spürbaren Fortschritten geführt hätte. In jedem Aspekt der IWF-Politik ist die Dominanz der großen Industriestaaten gegenüber den Entwicklungsländern stark zu spüren, was die Krisen in diesen Ländern nur verschärft, denn es geht um Absatzmärkte und Profit.
Der Austritt Venezuelas aus dem IWF und der Weltbank kam allerdings nicht überraschend. Der südamerikanische Kontinent befindet sich in einer Phase der Emanzipation gegenüber diesen Institutionen, denn die Vergangenheit hat vor allem eines deutlich gemacht, daß ein Großteil der IWF-Kredite nur noch zur Schuldentilgung genutzt wurden, also substantiell nichts mehr an der eigentlichen Lage im Land änderten. Seit dem Anstieg der Zinsen in Folge der Exportkrise nach 1989 verfielen immer mehr Länder in die Schuldenfalle des IWF und der Weltbank, zeitgleich knüpften aber beide Organisationen ihre Gelder an regide neoliberale Auflagen: Deregulierung, Privatisierung, Rückzug des Staates aus der Wirtschaft und des Sozialsystems.
Zur Politik und zur Zukunft des IWF dazu auch folgender Beitrag (http://www.politikforen.de/showthread.php?t=40308):
BERLIN. Venezuela, China und Russland betreiben mit ihren Milliardenüberschüssen Entwicklungspolitik und laufen den klassischen Finanzorganisationen so den Rang ab. Alles deute auf eine „Entmachtung des bisherigen Geberkartells“ hin, sagt Helmut Reisen vom OECD-Entwicklungszentrum in Paris.
Großer Verlierer dieser Entwicklung könnten die USA sein, da viele Schwellenländer ihre Exporterlöse nicht mehr in US-Staatsanleihen stecken und damit zur Deckung des gewaltigen US-Haushaltsdefizits beitragen, sondern sie vielmehr bei neuen regionalen Förderbanken anlegen oder in Entwicklungsländern investieren. Während China seine gewaltigen Handelsüberschüsse vor allem in rohstoffreichen Ländern Afrikas einsetzt, unterstützt Venezuela mit seinen Petrodollars in erster Linie lateinamerikanische Staaten. Handelsblatt
Der Satz hat es in sich: da viele Schwellenländer ihre Exporterlöse nicht mehr in US-Staatsanleihen stecken und damit zur Deckung des gewaltigen US-Haushaltsdefizits beitragen, sondern sie vielmehr bei neuen regionalen Förderbanken anlegen oder in Entwicklungsländern investieren. Die Dritte Welt soll das US-Handelsdefizit decken? So viel Offenheit und gleichzeitig auch Chuzpe hätte ich dem Handelsblatt gar nicht zugetraut. Dennoch glaubt man seinen Augen kaum. Hier offenbart der Kapitalismus seine eigenen Widersprüche und seine eigentlichen Ziele. Einen besseren Beweis, auf wessen Knochen der Wohlstand der Ersten Welt basiert, kann man gar nicht bekommen.
Doch die Verursacher der Krise werden auch genannt, und das ebenfalls in einer schonungslosen Offenheit:
Venezuelas Präsident Hugo Chavez fordert dabei die USA als Vormacht auf dem Kontinent und größter Anteilseigner an den internationalen Finanzorganisationen offen heraus: „Wir akzeptieren den Entwicklungsweg nicht, den uns IWF und Weltbank vorschreiben wollen“, sagte Chavez auf dem Gipfel der Blockfreien-Bewegung in Havanna. Argentinien hat den Geldsegen aus Caracas bereits genutzt, um seine Kredite bei Währungsfonds und Weltbank vorzeitig zu tilgen (siehe „Wer den Westen verdrängt“).
Im weiteren wird offenbart, was der Zweck des IWF ist, wenn behauptet wird, Auf diese Weise entgehen sie Reformforderungen, die westliche Geber mit ihren Krediten verknüpfen.
Wie diese Reformforderungen bisher aussahen, kann man in Lateinamerika überall ablesen. Der Westen vergibt Kredite an die sogenannten Schwellenländer mit der Bedingung, den einheimischen Markt für die Waren aus den reichen Industrieländern zu öffen (Marktliberalisierung). Die Folge ist, daß die einheimische Industrie natürlich preislich mit den massenhaft hergestellten Billigwaren nicht mithalten können. Am Ende werden die einheimischen Industrien dem Konkurenzdruck nicht mehr standhalten und die Waffen strecken. Arbeitslosigkeit und Armut sind die Folgen, der Staat beraubt sich seiner Einnahmen und ist auf noch mehr Kredite angwiesen. Eine Spirale ohne Ende. Das Spiel geht von vorne los. Das ist es, was sie mit "Demokratie und Marktwirtschaft" meinten.
Doch nun scheint endlich ein Ende dieser neoliberalen Logik in Sicht.
Neue Konkurrenz erwächst Weltbank und IWF durch die Banco del Sur, die in zwei Monaten aus der Taufe gehoben werden soll. Die gemeinsame Lateinamerika-Entwicklungsbank Venezuelas und Argentiniens soll den Ländern der Region nicht nur günstige Kredite gewähren. Höhere Zinsen sollen die Staaten Lateinamerikas darüber hinaus bewegen, ihre Gelder nicht mehr in US-Anleihen, sondern in höher verzinsten Papieren der neuen Südbank anzulegen. „Es gibt ein Leben nach dem IWF – und das wird ein gutes sein“, sagte Argentiniens Präsident Nestor Kirchner jüngst. Sein Land hat wie Brasilien seine Verbindlichkeiten beim IWF inzwischen getilgt.
Doch nicht nur in Südamerika verlieren die internationalen Finanzorganisationen an Boden: Thailand und Indonesien wollen dort keine neuen Kredite mehr aufnehmen. Soeben hat der IWF in Sri Lanka, das Ende der 70er-Jahre einer der Vorreiter für Reformen und freie Märkte in Südostasien war, sein Büro dichtgemacht. Das Land wünsche keine Einmischung von außen mehr und lasse sich lieber von anderen Ländern wie China, Indien oder Ungarn unterstützen, „die als Geber helfen wollen“, ließ das Finanzministerium in Colombo wissen.
In Afrika ist es vor allem China, das die traditionellen Geber verdrängt: „China sieht sich zunehmend nicht mehr als Empfänger von Entwicklungshilfe, sondern als Global Player und gleichwertiger Partner in einer multipolaren Weltordnung“, sagt Katarina Hofmann, China-Expertin der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Allerdings dürfte China als Geber in afrikanischen Ländern – nicht zuletzt wegen der dort herrschenden Eliten – böse Überraschungen erleben, warnt John Humphrey vom britischen Institute of Development Studies: „China wird nicht Afrika verändern, sondern sein Afrika-Engagement wird China verändern.“
Diese Entwicklung wird Folgen haben. Der IWF war in der Vergangenheit die stärkste Waffe der reichen Industrieländer, andere Regionen der Welt dem neoliberalen Diktat zu unterwerfen. Da die Länder nun endlich erkannt haben, daß der IWF nur dazu diente, sich in deren Politik einzumischen, schauen sie sich nach Alternativen um. Die Banco del Sur wird Beispielgebend für eine Globalisierung von unten sein. Denn deren Gelder sind an keine Bedingungen geknüpft. Eine Entwicklung, die hoffen läßt.
Wenn selbst das Handelsblatt, welches gänzlichst unverdächtig ist, Politikern wie Chávez das Wort zu reden, offen zugibt, daß der Einfluß dieser Institutionen schwindet, darf die vorsichtige Hoffung geäußert werden, daß die Zeiten, in denen in Washington und Brüssel Weltpolitik gemacht wurde, so langsam zu Ende gehen. Doch ist keine falsche Euphorie angesagt.
Hier eine kurze Aufstellung der größten Geldgeber außerhalb des IWF:
Venezuela: Aus den staatlichen Öleinnahmen spendierte Präsident Chavez Argentinien über drei Mrd. Dollar, so dass das Land 2005 seine Schulden beim IWF vollständig tilgen konnte. Bolivien will Chavez mit 1,5 Mrd. Dollar, Ecuador mit 500 Mill. Dollar unterstützen. Venezuela und Argentinien wollen zudem die Entwicklungsbank Banco del Sur ins Leben.
China: Die Volksrepublik engagiert sich verstärkt in Afrika, um sich Zugang zu Rohstoffen zu sichern. Finanz- und Entwicklungshilfen auf dem Kontinent stiegen von 700 Mill. Dollar in 2003 auf zuletzt drei Mrd. Dollar. Kürzlich verdrängte China die Weltbank bei einem Bahn-Finanzierungsprojekt in Nigeria: Die Weltbank bot fünf, Peking neun Mrd. Dollar Kredite – ohne sie an Bedingungen wie Ausschreibungen oder Reformen zu knüpfen. Auf den Philippinen verdrängte China die Asian Development Bank bei der Finanzierung eines Wasserprojekts. In Indonesien übernahm Peking den Ausbau der Stromproduktion und setzt dabei auf umweltschädliche Kohle-Technologie. „China schert sich nicht um Menschenrechte und fördert nur Projekte zur Ausbeutung von Rohstoffen“, kritisiert der Direktor der EU-Entwicklungsbehörde, Koos Richelle.
Indien: Im Kampf um Rohstoffe ist das Land der große Konkurrent Chinas, betont Shreekant Gupta. Der Professor an der Delhi School of Economics sieht Indien beim Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen mit Afrika aber in einer günstigeren Ausgangslage: „Seit den Kolonialzeiten kann Indien die dort lebende indische Diaspora, vor allem auch über den privaten Sektor nutzen.“
Russland: Moskau finanziert vor allem Projekte in den GUS-Staaten. Rohstoff-Riesen verleiben sich ganze Industriezweige in den Nachbarländern ein. In der Europäischen Entwicklungsbank (EBRD) gebärde sich der Kreml immer mehr als Großaktionär und nicht als Kreditnehmer, seit Moskau seine Schulden gegenüber dem Westen vorfristig abgelöst hat, berichtet ein Insider: „Nach monatelangen Vorarbeiten machen Beamte einfach einen Strich durch die Rechnung und sagen uns: Keine Finanzierung von Privatunternehmen, EBRD-Gelder nur noch für staatliche Infrastrukturprogramme.“ Dass Moskau langfristig Erfolg haben wird, glaubt Dirk Messner, Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik, nicht: Der „Energiemacht“ fehlten Innovationskraft, Modernisierungsdynamik, politische Ausstrahlung und Attraktivität.
Quelle: http://www.handelsblatt.com/news/Politik/International/_pv/_p/200051/_t/ft/_b/1252019/default.aspx/iwf-droht-die-bedeutungslosigkeit.html
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Commandante Chávez - Motor des Sozialismus des 21.Jahrhunderts