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Vollständige Version anzeigen : Neues Kohlebergwerk



Don
25.03.2007, 12:28
Sah neulich auf Phoenix eine Reportage über die durchaus interessanten Absichten von Werner Müller, RAG Chef, der beabsichtigt nördlich von Hamm eine nagelneue, hypermoderne Kohlenzeche anzulegen.
Der Genehmigungsantrag ist bereits eingereicht.

Nebenkriegsschauplätze waren die stillgelegten und teils an China verscheuerten Koksereikapazitäten, bei denen mit neuen Anlagen sich Thyssen-Krupp und RAG derzeit einen kleinen Privatkrieg liefern.

Hintergrund der Geschichte ist die Weltmarktentwicklung, die durch die exponentiell gestiegene Nachfrage hauptsächlich aus China zu Preisexplosionen bei Kohle führten und deutsche Zechen wirtschaftlich wieder interessant erscheinen lassen, bereits heute wirft deutsche Kohle Gewinne ab, sogar wenn man die Subventionen rausrechnet. (Wobei ich mich frage, wozu die dann bezahlt werden, offenbar ein weiteres trauriges Beispiel absolut sinnloser Verschleuderung von Steuergeldern)


Meiner Meinung nach eins der vielen exemplarischen Beispiele, welchen Schaden politisch instrumentalisierter Subventionsirrsinn wirtschaftlich anrichtet.
Die Situation auf dem Weltmarkt ist volatil und kann sich entgegen politischer Langzeitpläne ziemlich schnell ändern. In der Wirtschaft bedeuten geänderte Bedingungen geänderte Pläne. Bin mal gespannt, wann das bei den Würdenträgern ankommt.

Frei-denker
25.03.2007, 12:50
Angeblich sind die Förderkosten deutscher Kohle deutlich über dem Weltmarktpreis. Das der Weltmarktpreis über Nacht auf deutsches Niveau gestiegen sein soll, kann ich mir nur schwer vorstellen.

Quelle, Zahlen?

BTW: Werner Müller - war das nicht der NRW-Minister, der das Kartellamt zugunsten von EON-Ruhngas überstimmte und sich dafür mit einem Vorstandsposten bei Ruhrgas schmieren ließ, Stichwort offene Vorteilsnahme?
Wenn der in Wirtschaftsentscheidungen involviert ist, darf mit weiteren Schweinereien auf Kosten der Steuerzahler gerechnet werden.

Praetorianer
25.03.2007, 13:12
Angeblich sind die Förderkosten deutscher Kohle deutlich über dem Weltmarktpreis. Das der Weltmarktpreis über Nacht auf deutsches Niveau gestiegen sein soll, kann ich mir nur schwer vorstellen.

Quelle, Zahlen?

BTW: Werner Müller - war das nicht der NRW-Minister, der das Kartellamt zugunsten von EON-Ruhngas überstimmte und sich dafür mit einem Vorstandsposten bei Ruhrgas schmieren ließ, Stichwort offene Vorteilsnahme?
Wenn der in Wirtschaftsentscheidungen involviert ist, darf mit weiteren Schweinereien auf Kosten der Steuerzahler gerechnet werden.

Werner Müller war Bundeswirtschaftsminister unter Schröder.

Frei-denker
25.03.2007, 13:21
Werner Müller war Bundeswirtschaftsminister unter Schröder.

Wundert mich auch nicht mehr. Die passen zusammen.

Hier noch mal der Hintergrund:

Müller war vor seinem Amtsantritt als Minister jahrelang Vorstand beim Energiekonzern Veba, der inzwischen zu E.ON gehört. Das Unternehmen hatte eine Ministererlaubnis für die Übernahme von Ruhrgas beantragt, nachdem das Bundeskartellamt die Fusionspläne aus Gründen des Wettbewerbs vorerst gestoppt hatte.


"Ich bin nicht befangen"

Der Minister betonte weiter: "Ich bin nicht befangen - aber ich möchte die unerfreuliche Diskussion darüber beenden." Seine Rentenansprüche bei E.ON hätten bei seiner Entscheidung ebenso wenig eine Rolle gespielt, wie Gerüchte, er könnte Chef des E.ON-Konkurrenten RWE werden.

http://www.wdr.de/themen/wirtschaft/wirtschaftsbranche/eon/mueller_fusion.jhtml

Kassiert Gelder und Vorstandsposten von den Konzernen und stellt sich mit dem Satz vor die Kameras: "Ich bin nicht befangen"! Diese Dreistigkeit bringt auch nur ein Politiker.

romeo1
25.03.2007, 13:28
Ich habe den Bericht ebenfalls gesehen und er hat mich nachdenklich gestimmt. Bisher war ich immer ein Gegener der Kohlesubventionen. Seit einiger Zeit hat bei mir aber ein teilweises umdenken eingesetzt. Kohle ist ein strategischer Rohstoff und wir müssen zwingend die Grundlagen dieser Technologie erhalten. Die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen können sich ändern, so daß auch die dt. Kohle wieder wirtschaftlich wird bzw. eine gewisse Unabhängigkeit gewährleistet. Kohle knn nicht nur verbrannt werden, sie kann auch zu Koks veredelt werden und dient als Grundlage für die chem. Industrie.

wtf
25.03.2007, 13:48
Solange australische Steinkohle für 80 Euro je Tonne mundgerecht vor die bundesdeutsche Haustür gekippt wird, macht es keinen Sinn, 50.000 SPD-Wähler zu subventionieren.

bernhard44
25.03.2007, 13:56
Bittere Pointe der Globalisierung

Die 650 Millionen Euro teure Anlage galt weltweit als die modernste ihrer Art.
Wie sich im Nachhinein herausstellte, waren die wirtschaftlichen Prognosen aus deutscher Sicht falsch und der Verkauf der Kokerei ein großer Fehler!

Der Preis pro Tonne Koks stieg in den Jahren nach der Stilllegung der Kokerei Kaiserstuhl von 30 auf 550 Dollar pro Tonne.

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/603803/

romeo1
25.03.2007, 14:04
Bittere Pointe der Globalisierung

Die 650 Millionen Euro teure Anlage galt weltweit als die modernste ihrer Art.
Wie sich im Nachhinein herausstellte, waren die wirtschaftlichen Prognosen aus deutscher Sicht falsch und der Verkauf der Kokerei ein großer Fehler!

Der Preis pro Tonne Koks stieg in den Jahren nach der Stilllegung der Kokerei Kaiserstuhl von 30 auf 550 Dollar pro Tonne.

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/603803/

Ich habe den Eindruck, daß die Chinesen in dieser Beziehung langfristiger denken.

bernhard44
25.03.2007, 14:08
Ich habe den Eindruck, daß die Chinesen in dieser Beziehung langfristiger denken.

dafür denken unsere "Experten" um so weniger und wenn dann sehr kurzsichtig!

lupus_maximus
25.03.2007, 14:13
Ich habe den Eindruck, daß die Chinesen in dieser Beziehung langfristiger denken.
Unsere denken überhaupt nicht, nur wie sie rechtzeitig ihre Pension erhalten und daß sie hoch genug ist!

wtf
25.03.2007, 14:14
Ich habe den Eindruck, daß die Chinesen in dieser Beziehung langfristiger denken.

Das ist in einer Demokratie nicht realisierbar, die Politiker vom Typus Beamter mit Landtagswahlblick hervorbringt.

kotzfisch
25.03.2007, 14:42
Es ist richtig Geld in die Fusion zu stecken.

Don
25.03.2007, 14:52
Angeblich sind die Förderkosten deutscher Kohle deutlich über dem Weltmarktpreis. Das der Weltmarktpreis über Nacht auf deutsches Niveau gestiegen sein soll, kann ich mir nur schwer vorstellen.

Quelle, Zahlen?

BTW: Werner Müller - war das nicht der NRW-Minister, der das Kartellamt zugunsten von EON-Ruhngas überstimmte und sich dafür mit einem Vorstandsposten bei Ruhrgas schmieren ließ, Stichwort offene Vorteilsnahme?
Wenn der in Wirtschaftsentscheidungen involviert ist, darf mit weiteren Schweinereien auf Kosten der Steuerzahler gerechnet werden.

Nun, die Kosten für Kohle stiegen innerhalb von zwei Jahren um ca. 120%, Tendenz anhaltend sollte China seinen Verbrauch für Kraftwerke und Stahlerzeugung bis 2020 nach Plan verdreifachen.

Die heutige Wirtschaftlichkeit bezog sich glaube ich auch auf Kokskohle, das ist noch ein etwas anderes Feld.

Der Marktpreis SK heute liegt bei ca. 60 - 65 Euro /Tonne.
Da Daten über echte Kosten deutscher Kohle schwer zu kriegen sind, einfach mal hochgerechnet:
Die derzeitige Förderung in D beträgt ca. 25 mio Tonnen/Jahr, der Import ca. 35 Mio. Tonnen.

Die Gesamtsubventionen für die Kohle liegen von Bund plus Land bei ca. 2,5 Mrd. Euro /Jahr. Das bedeutet, daß ca. 100 Euro/Tonne derzeit zugeschossen werden und die Kosten bei gesamt 160 Euro/Tonne liegen.

Nun ist es schwierig, Prognosen zu erstellen, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.
Da ich jedoch der Ansicht bin, daß der Vorstand eines Bergbaubetreibers über geringfügig bessere Informationen verfügen dürfte als ein arbeitsloser Forenphantast, erscheinen seine Überlegungen, die strategisch sind und nicht morgen Realität, durchaus nachdenkenswert.

Dies bedeutet nicht, daß ich Kohleabbau derzeit für sinnvoll halte. Wir hätten das vor 20 oder 30 Jahren dichtmachen sollen.
Dann wäre auch das Geld dagewesen sinnvolle Vorhaltungen zu treffen, um ggf. wieder loslegen zu können.

Es ist allerdings richtig, die Subventionen einzustellen. Vielleicht schaffen wir's ja dann einen wirtschaftlichen selbsttragenden Kohlebergbau wiederaufzunehmen, wenn der Marktpreis sich dementsprechend verändert.

Don
25.03.2007, 14:56
dafür denken unsere "Experten" um so weniger und wenn dann sehr kurzsichtig!

Sie dachten überhaupt nicht.
Ob die Chinesen sehr glücklich mit langfristigen Plänen sein werden, wird sich allerdings erst noch rausstellen.

Wir haben allerdings im Kohlebergbau bisher so um die 80 Mrd. Subventionen versenkt. Dafür wäre es ein Leichtes gewesen, erst mal zuzumachen und dann vieleicht 30 Jahre später bei Bedarf und Preiswürdigkeit wieder neu zu buddeln.

Trennung
25.03.2007, 14:57
Solange australische Steinkohle für 80 Euro je Tonne mundgerecht vor die bundesdeutsche Haustür gekippt wird, macht es keinen Sinn, 50.000 SPD-Wähler zu subventionieren.

Quarkos. Die modernen Zechen und Anlagen dienen als Musterbeisipiele um die Maschinen und Geräte an andere Länder verkaufen zu können.
Es geht um Machterhalt im Bereich der Märkte um Maschinen / Bergbautechnik und Geräte.

lupus_maximus
25.03.2007, 15:12
Quarkos. Die modernen Zechen und Anlagen dienen als Musterbeisipiele um die Maschinen und Geräte an andere Länder verkaufen zu können.
Es geht um Machterhalt im Bereich der Märkte um Maschinen / Bergbautechnik und Geräte.
Genauso ist es!

Sollen wir im Ausland die Maschinen ausprobieren, damit sie leichter kopiert werden können?

bernhard44
25.03.2007, 15:16
Sie dachten überhaupt nicht.
Ob die Chinesen sehr glücklich mit langfristigen Plänen sein werden, wird sich allerdings erst noch rausstellen.

Wir haben allerdings im Kohlebergbau bisher so um die 80 Mrd. Subventionen versenkt. Dafür wäre es ein Leichtes gewesen, erst mal zuzumachen und dann vieleicht 30 Jahre später bei Bedarf und Preiswürdigkeit wieder neu zu buddeln.

nur ist eine stillgelegte Grube nicht zu halten, sie säuft ab oder wird zerdrückt und kann auch nicht so einfach, nach Jahren....Jahrzehnten, wieder reaktiviert werden!

Da muss man dann schon neue Löcher buddeln!

Don
25.03.2007, 15:24
nur ist eine stillgelegte Grube nicht zu halten, sie säuft ab oder wird zerdrückt und kann auch nicht so einfach, nach Jahren....Jahrzehnten, wieder reaktiviert werden!

Da muss man dann schon neue Löcher buddeln!

Richtig. Um so besser. Man hält sich aus Nostalgie auch keine 100 Jahre alte verrottete Fabriken.
Was Müller da plant, ist mit alten Stollen nicht mehr zu vergleichen.

Praetorianer
25.03.2007, 16:28
Mal ne ganz abstrakte Frage, was hat Deutschland eigentlich für Energieträger in nenneswertem Umfang außer Kohle?

Wäre es nicht sinnvoller, die in Reserve zu halten? Ich meine, man muss nicht jedes Schreckensszenario glauben, aber setzt die Kohle nicht unserer Erpressbarkeit durcxh Erdöl und EErdgas eine Obergrenze (die Mehrkosten, die bei der Hydrierung von Kohlenstoff entstehen würden)?

Warum nicht eine gewisse Reserve halten, anstatt in großem Umfang zu fördern?

tommy3333
25.03.2007, 16:36
Mal ne ganz abstrakte Frage, was hat Deutschland eigentlich für Energieträger in nenneswertem Umfang außer Kohle?
Vielleicht die heiße Luft, die rauskommt, wenn grünrote Politiker ihren Mund aufmachen?

Frei-denker
25.03.2007, 16:43
Bei korrupten Politikern wie W. Müller befürchte ich, daß der seinem Konzern einen Staatsauftrag verschafft, der dem Konzern Miliardengewinne beschert, jedoch vom Steuerzahler bezahlt wird.

Genau das Gleiche passierte ja bei der Monopolstellung, die Müller dem EON-Konzern mit dem Überstimmen der Kartellbehörde zuschanzte.

klartext
25.03.2007, 17:06
Richtig. Um so besser. Man hält sich aus Nostalgie auch keine 100 Jahre alte verrottete Fabriken.
Was Müller da plant, ist mit alten Stollen nicht mehr zu vergleichen.
Die Nachfrage nach Hüttenkoks ist derart sprunghaft gestiegen, was in dieser extremen Form nicht vorhersehbar war. Innerhalb von wenigen Monaten hat China den Weltmarkt leergekauft.
Nach dem Prinzip des " Schweinezyklus" werden derzeit weltweit neue Kokereien gebaut. Deshalb vom heutigen Koskpreis auszugehen, wäre ein Fehler. Im Laufe der kommenden zwei Jahre werden diese Kokereien produzieren und der Preis entsprechend absinken. In D jetzt eine neue Kokerei zu bauen, wäre zyklisch, also nur bedingt richtig. Dafür ist es drei Jahre zu spät.
China ist dabei, seinen Energiebedarf im Land zu decken, es sind 22 AKW geplant, die ersten davon bereits im Bau. Die Bedarfsspitze am Weltmarkt, fast nur durch China verursacht, wird sich bald weitgehend verflachen.

Don
26.03.2007, 12:31
Die Nachfrage nach Hüttenkoks ist derart sprunghaft gestiegen, was in dieser extremen Form nicht vorhersehbar war. Innerhalb von wenigen Monaten hat China den Weltmarkt leergekauft.
Nach dem Prinzip des " Schweinezyklus" werden derzeit weltweit neue Kokereien gebaut. Deshalb vom heutigen Koskpreis auszugehen, wäre ein Fehler. Im Laufe der kommenden zwei Jahre werden diese Kokereien produzieren und der Preis entsprechend absinken. In D jetzt eine neue Kokerei zu bauen, wäre zyklisch, also nur bedingt richtig. Dafür ist es drei Jahre zu spät.
China ist dabei, seinen Energiebedarf im Land zu decken, es sind 22 AKW geplant, die ersten davon bereits im Bau. Die Bedarfsspitze am Weltmarkt, fast nur durch China verursacht, wird sich bald weitgehend verflachen.

Mit AKWs kann man keine Stahlwerke betreiben (bis auf Spezialfälle) , dafür brauchen sie die verkokte Kohle.
Die Kokereikapazitäten haben also mit der Energieversorgiung nur begrenzt etwas zu tun.
China baut auch Kohlekraftwerke. Und sie schließen derzeit Rahmenlieferverträge über Jahrzehnte, sowohl für Kohle als auch für Erz.

Daß die modernste Kokerei der Welt stillgelegt und nach China verscheuert wurde, ist ausschließlich in konzerninternen Rangeleien und Standortbetrachtungen zwischen Thyssen und RAG begründet.
Thyssen hat inzwischen eine eigene gebaut.

Wie gesagt, ich erachte die Zechenschließung für vernünftig. allerdings Jahrzehnte zu spät, es wurden gigantische Summen verjubelt.

Ich erachte es allerdings für ebenso vernünftig, Strategien und Pläne ausführungsreif vorzubereiten, um ggf. neue Zechen auflegen zu können ohne erst wieder 10 Jahre rumdiskutieren zu müssen.