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Vollständige Version anzeigen : Wie konnte das Christentum den Untergang Roms überleben?



Pandulf
14.03.2007, 22:52
In der Antike haben Menschen die Götter geehrt, weil sich sich davon Beistand im irdischen Leben erhofft haben. Niederlagen wurden mit der mangelnden Zuneigung der Götter oder aber mit der Impotenz dieser Götter erklärt.

In der Antike stieg eine unscheinbare Stadt, Rom im unbedeutenden Italien, zum Herrscher über die damals bekannte Welt auf. Dieses Weltreich war nicht von kurzer Dauer, sondern es existierte über 1000 Jahre lang. Für die Menschen der Antike war das Römische Reich der Fixpunkt überhaupt. Das Römische Reich war augenscheinlich die Ordnung, die die Götter für die Welt gewollt haben.

Aus der Sicht der Menschen damals stieg Rom auf, weil es gottgefällig war. Solange Rom seinen Göttern geopfert hat, wurde es reich und mächtig. Doch dann kam der Bruch: Die "Konstantische Wende". Rom wendet sich ab von seinen Göttern, unter denen es aufgestiegen ist und wendete sich einem neuen Gott zu, dem Gott der Christen. Dies war eine Revolution! Ein ungeheurer Schritt! Doch wie wurde dies belohnt? Nach dem das Christentum im Römischen Reich zur alleinigen Staatsreligion erklärt worden ist, wurde dieses nicht stärker, sondern das Imperium ging für immer unter.

Aus der Sicht der damaligen Menschen ist Rom groß geworden, als es seine eigenen Götter gehuldigt hat und untergegangen, als es einen neuen, fremden Gott angebetet hat. Aus dieser Perspektive stellt der Untergang Roms ein "Gottesurteil" dar. Der Zerfall des christlichen Roms bedeutet, daß der Gott der Christen entweder nicht existiert oder aber machtlos bzw. machtloser ist als die Götter der Eroberer. Die "Heiden" damals haben genau diese Schlußfolgerung gezogen, die logisch ist.

Warum also konnte das Christentum, dessen Gott den Untergang des Römischen Reiches nicht aufhalten konnte und der damit im Widerspruch zu den alten Götter Roms steht, die Rom groß und stark gemacht haben, diese Niederlage, die auch die Niederlage des Christentums bedeutet, überleben?

Ausonius
14.03.2007, 23:28
Das Römische Reich war augenscheinlich die Ordnung, die die Götter für die Welt gewollt haben.


Die Römer hatten ein entspannterese Verhältnis zur Religion (wenngleich man die Auseinandersetzungen mit den monotheistischen Religionen nicht ganz außer Acht lassen sollte). Sie hatten keine Schwierigkeiten damit, einheimische Götter der vielen Völker im Reich zu akzeptieren, und manche davon (wie Mithras) wurden so populär, dass sie im Reich verbreitet wurden. Obwohl die Religion gerade im Alltagsleben und in bestimmten Formen (Weissagungen) sehr bedeutsam war und auch politischen Einfluss hatte, erreichte dies nicht die Formen wie im Mittelalter. Die Römer vergaßenn nie, dass es nicht die Götter waren, die ihr Reich aufrichteten. In der römischen Gründungssage waren die Helden Menschen, wenngleich sie göttlicher Herkunft waren. Ebenso waren die Kaiser nie "automatisch" Götter (auch wenn sich viele vergöttlichen ließen), und ihr Recht beruhte darauf, erster unter Gleichen (Princeps) zu sein, nicht auf einem Gottesgnadentum.



Doch wie wurde dies belohnt? Nach dem das Christentum im Römischen Reich zur alleinigen Staatsreligion erklärt worden ist, wurde dieses nicht stärker, sondern das Imperium ging für immer unter.

Das ist ein häufiger, aber iirriger Schluss, zu sehr aus unserer deutschen Perspektive gesehen. 476 ging nur das weströmische Reich unter. Das oströmische - immerhin die Hälfte des Reiches - existierte noch Jahrhunderte lang weiter und blieb wenigstens bis zu den ersten Arabereinfällen die bestimmende Macht im Mittelmeer.
Für den Untergang des weströmischen Reiches sorgten andere Gründe (wirtschaftliche Schwäche, innenpolitische Intrigen, zunehmende Machtlosigkeit gegenüber äußeren Feinden) als die Religion.



Der Zerfall des christlichen Roms bedeutet, daß der Gott der Christen entweder nicht existiert oder aber machtlos bzw. machtloser ist als die Götter der Eroberer. Die "Heiden" damals haben genau diese Schlußfolgerung gezogen, die logisch ist.

Haben sie eben nicht. Alle germanischen Stämme, die auf dem Boden des Reiches ansässig wurden, wurden schon flugs darauf Christen; manche davon waren es sogar in Teilen schon vorher, wie die Goten. Die allgemeine Annahme ist, dass diese Völker mit Stammesführern in sehr starken Positionen sogar das arianische Christentum (in dem Jesus nicht von göttlicher Abkunft ist) sehr schnell schätzen lernten. Die Führer der Stämme konnten sich mit der arianischen Christus-Sicht sehr gut identifizieren.


Warum also konnte das Christentum, dessen Gott den Untergang des Römischen Reiches nicht aufhalten konnte und der damit im Widerspruch zu den alten Götter Roms steht, die Rom groß und stark gemacht haben, diese Niederlage, die auch die Niederlage des Christentums bedeutet, überleben?

Zum einen lebte vieles vom römischen Imperium im Christentum weiter, was auch noch viel Einfluss auf das deutsche Reich im Mittelalter haben sollte. Zum anderen aber war das Christentum nicht per sé römisch. Schon im frühen 5. Jahrhundert schrieb Augustinus seinen "Gottesstaat", indem er ausdrücklich darlegt, dass das wahre Reich im Himmel zu finden ist. Auch Jesus Christus verdeutlicht in seinem berühmten Satz "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist!", dass er das römische Reich als politische Ordnung akzeptiert, aber die wahre Erlösung woanders zu finden ist. So gesehen war der Untergang des römischen Reichs nicht automatisch eine Niederlage des Christentums. Vielmehr repräsentierten die Kirchenmänner sogar eine neue aufstrebende Schicht, die eben auch gegenüber den kriegerischen Germanenvölkern sich behaupten konnte, während die alten Oberschichten (besonders die Senatoren) rasch an Bedeutung verloren.

Schlumpf
15.03.2007, 11:55
Zudem war/ist das Christentum sehr gut darin Elemente heidnischer Religionen einzubauen.
Sämtliche christlichen Feiertage z.B. liegen auf germanisch/heidnischen Terminen

Schlumpf
15.03.2007, 11:56
Das weströmische Reich war übrigens nicht für 1000 Jahre ein Weltreich. eher würden 500 Jahre der Realität entsprechen.

Mark Mallokent
15.03.2007, 15:11
Rom ist ja gar nicht untergegangen, hat vielmehr erfolgreich die Germanen bekehrt. :]

Efna
15.03.2007, 15:31
Zudem war/ist das Christentum sehr gut darin Elemente heidnischer Religionen einzubauen.
Sämtliche christlichen Feiertage z.B. liegen auf germanisch/heidnischen Terminen


Römischen Heidentum war auch viel dabei ich erinnere mich an weihnachten, sind eigentlich die Saturnalien.

umananda
15.03.2007, 15:51
Warum also konnte das Christentum, dessen Gott den Untergang des Römischen Reiches nicht aufhalten konnte und der damit im Widerspruch zu den alten Götter Roms steht, die Rom groß und stark gemacht haben, diese Niederlage, die auch die Niederlage des Christentums bedeutet, überleben?

Nicht wenige Zeugnisse vermitteln den Eindruck, die Erinnerungsorte der Christen seien fast sämtlich außerhalb der Mauern Roms, also bei den Märtyrergräbern im suburbium, situiert gewesen... Die meisten frühchristlichen Kirchen Roms liegen wie S. Vitale an einer antiken Straße, häufig an der Stelle einer früheren domus. Im Grunde ist Rom nicht untergegangen, sondern es entwickelte sich ein neues geistiges Machtzentrum. Die Päpste residierten vor ihrem Exil in Avignon hauptsächlich im Lateran. Hier fanden auch 5 Konzile statt. San Giovanni in Laterano war im Mittelalter das Machtzentrum Roms, Sitz der Päpste und Gerichtsstätte.

http://www.travelcreek.com/laterano.jpg

Der Untergang war letztendlich eine Wiedergeburt mit Unterbrechungen...

Servus umananda

Der Patriot
15.03.2007, 16:03
1. Es ging "nur" Westrom unter, Ostrom nicht.
2. Armenien war der erste Staat mit dem Christentum als Staatsreligion.
3. Den "echten" Römer mags vielleicht auf den Sack gegangen sein, daß Rom unterging, dem christlichen Goten nicht.
4. Ist das Christentum staatsunabhänig ("Gibt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist.").

Schlumpf
16.03.2007, 12:56
Römischen Heidentum war auch viel dabei ich erinnere mich an weihnachten, sind eigentlich die Saturnalien.

Muss nicht sein, ist aber möglich. Um die Wintersonnenwende waren eine ganze Reihe heidnischer Feste gelegen.

Efna
16.03.2007, 13:06
Muss nicht sein, ist aber möglich. Um die Wintersonnenwende waren eine ganze Reihe heidnischer Feste gelegen.

Das war zu Zeiten Konstantins, Selber weiss man heute das Jesus nicht im Dezember geboren wurde. Konstantin hatt Weihnachten auf den 25 Dezember angesetzt da die Heiden die im römischen Reich lebten am 25. Dezember die Geburt der unbesiegten Sonnengottheit feierten. So hatten Christen und Heiden einen gemeinsamen Feiertag. Im Laufe der Zeit kann man sagen hatt sich das Christentum ziemlich stark mit den römischen Sonnenkulte vermischt vor allem in vielen rituelen Dingen.

Biskra
16.03.2007, 13:59
Rom ist ja gar nicht untergegangen, hat vielmehr erfolgreich die Germanen bekehrt. :]

So richtig erfolgreich sind wohl eher die Kelten bekehrt wurden, die dann wieder die Germanen bekehrten.

Krabat
16.03.2007, 15:51
Warum also konnte das Christentum, dessen Gott den Untergang des Römischen Reiches nicht aufhalten konnte und der damit im Widerspruch zu den alten Götter Roms steht, die Rom groß und stark gemacht haben, diese Niederlage, die auch die Niederlage des Christentums bedeutet, überleben?

Der Untergang Westroms war doch keine Niederlage des Christentums. Schließlich waren es Christen (Germanen) die Rom den Todesstoß veresetzt haben. Was damals geschah und schließlich im Heilig Römischen Reich (deutscher Nation) endete war eine Verlagerung der Macht auf die germanischen Völker.

Neutraler
16.03.2007, 18:21
Das Christentum war fest in der Gesellschaft im römischen Reich verwurzelt und viele germanische Stämme ließen sich bekehren. Staaten gehen unter, aber Gesellschaften können überleben, vor allem dann, wenn die neuen Herren den gleichen Glauben haben.

leuchtender Phönix
17.03.2007, 09:26
Der Untergang Westroms war doch keine Niederlage des Christentums. Schließlich waren es Christen (Germanen) die Rom den Todesstoß veresetzt haben. Was damals geschah und schließlich im Heilig Römischen Reich (deutscher Nation) endete war eine Verlagerung der Macht auf die germanischen Völker.

Zu dieser Zeit waren die meisten Germanen keine Christen. diejenigen die sich Teile vom weströmischen Reich eroberten nahmen selbst die christliche Rerligion. Diejenigtenj die in Germanien blieben, wurden erst lange nach dem Ende des weströmischen Reriches christianisiert.

Wobei da noch die Franken dazwischen waren. Ursprünglich war Deutschland ja nur der östliche Teil des frankenreiches. Frankreich ging aus dem westlichen Teil hervor. Diese Macht hatte man nur bis mitte des 13. Jahrhunderts. Dann verlor das Oberhaupt immer mehr an Macht. Letztendlich hatte man nur einen Kaisertitel, der bis 1806 kaum reale Macht inne hatte.

dr-esperanto
18.03.2007, 07:52
In der Antike haben Menschen die Götter geehrt, weil sich sich davon Beistand im irdischen Leben erhofft haben. Niederlagen wurden mit der mangelnden Zuneigung der Götter oder aber mit der Impotenz dieser Götter erklärt.

In der Antike stieg eine unscheinbare Stadt, Rom im unbedeutenden Italien, zum Herrscher über die damals bekannte Welt auf. Dieses Weltreich war nicht von kurzer Dauer, sondern es existierte über 1000 Jahre lang. Für die Menschen der Antike war das Römische Reich der Fixpunkt überhaupt. Das Römische Reich war augenscheinlich die Ordnung, die die Götter für die Welt gewollt haben.

Aus der Sicht der Menschen damals stieg Rom auf, weil es gottgefällig war. Solange Rom seinen Göttern geopfert hat, wurde es reich und mächtig. Doch dann kam der Bruch: Die "Konstantische Wende". Rom wendet sich ab von seinen Göttern, unter denen es aufgestiegen ist und wendete sich einem neuen Gott zu, dem Gott der Christen. Dies war eine Revolution! Ein ungeheurer Schritt! Doch wie wurde dies belohnt? Nach dem das Christentum im Römischen Reich zur alleinigen Staatsreligion erklärt worden ist, wurde dieses nicht stärker, sondern das Imperium ging für immer unter.

Aus der Sicht der damaligen Menschen ist Rom groß geworden, als es seine eigenen Götter gehuldigt hat und untergegangen, als es einen neuen, fremden Gott angebetet hat. Aus dieser Perspektive stellt der Untergang Roms ein "Gottesurteil" dar. Der Zerfall des christlichen Roms bedeutet, daß der Gott der Christen entweder nicht existiert oder aber machtlos bzw. machtloser ist als die Götter der Eroberer. Die "Heiden" damals haben genau diese Schlußfolgerung gezogen, die logisch ist.

Warum also konnte das Christentum, dessen Gott den Untergang des Römischen Reiches nicht aufhalten konnte und der damit im Widerspruch zu den alten Götter Roms steht, die Rom groß und stark gemacht haben, diese Niederlage, die auch die Niederlage des Christentums bedeutet, überleben?



Das Christentum, diese jüdische Reformreligion, wurde ja nun nicht zum Spaß eingeführt, sondern aus einer ganz argen gesellschaftlichen Not heraus. Im Grunde war das Römische Reich um 380n.Chr. ja schon am Ende, da hat die christliche Ethik auch nichts mehr genützt.
Aber im Osten entstand wie der Phönix aus der Asche ein neues, diesmal byzantinisches, tausendjähriges Reich, das das Christentum als Überbau benutzte. Anscheinend hält kein Reich über 1000 Jahre, denn auch dieses Byzantinische allerchristlichste Reich wurde von den Sarazenen und den Seldschuken hinweggefegt.
Im Abendland konnte das Christentum überleben, weil die Kirche die einzige Organisation war, die nach den Barbarenstürmen noch einigermaßen funktionierte. In Gallien hat die letzte Grammatikschule kurz nach 500n.Chr. zugemacht - da begann dann das finstere Mittelalter, das in seiner Essenz aber keineswegs christlich, sondern germanisch, vor allem fränkisch war. Die Kirche hatte ständig Zoff mit den widerborstigen Franken und anderen Barbaren.

dr-esperanto
18.03.2007, 08:06
Muss nicht sein, ist aber möglich. Um die Wintersonnenwende waren eine ganze Reihe heidnischer Feste gelegen.


Welche Kirchenfeste sollen denn auf heidnische Termine gelegt worden sein? Doch höchstens Weihnachten, weil man den wahren Geburtstag Christi nicht weiß! Und Germanen haben da schon mal gar nichts zu sagen gehabt, sondern eben die Römer und die Romanen.

Zynixer
18.03.2007, 11:13
Warum also konnte das Christentum, dessen Gott den Untergang des Römischen Reiches nicht aufhalten konnte und der damit im Widerspruch zu den alten Götter Roms steht, die Rom groß und stark gemacht haben, diese Niederlage, die auch die Niederlage des Christentums bedeutet, überleben?

Rom ist untergegangen, weil seit Caesar das Prinzip der oligarchen Demokratie aufgegeben wurde, die dem Individuum oder zumindest einer breiten Oberschicht ein gewisses Maß an Rechtssicherheit gewährt hatte.
Das Christentum hat überlebt, weil es zumindest in der Theorie die Vision einer besseren Welt angepeilt hat, von der die verrohten Verhältnisse des römischen Alltags weit entfernt waren.
Diese Vision hat das Christentum von der alten römischen Götterwelt unterschieden.
Aber Westrom ist einfach auch nur deshalb untergegangen, weil seine Zeit gekommen war, wenn unsere Kultur länger übersteht, würde mich das wundern.
Und Ostrom hat nur deshalb länger überlebt, weil es sich in seiner inneren Struktur gewandelt hat, von einer halbdemokratisch-halbfeudalen-kapitalistischen Gesellschaft zu einer mittelalterlich-feudalen-autokratischen Struktur.