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Vollständige Version anzeigen : mehrheitswahlrecht!



ppp
09.02.2007, 11:03
aus parteienverdrossenheit wird politikverdsossenheit.

wäre möglichewrweise die ersetzung des jetzt maßgeblichen verhältniswahlrechtes durch ein reines mehrheitswahlrecht nach britischem muster ein mittel, den einfluß der pareiapparate zu reduzieren und die volksvertreter wieder mehr an den souverän (wähler) zu binden?

früher war ich dagegen, aber in letzter zeit wird mir der gedanke an ein mehrheitswahlrecht zunehmend sympathisch.

Sauerländer
09.02.2007, 11:35
Ich wage zu bezweifeln, dass Mehrheitswahlrecht die Bindung der Abgeordneten an die Partei reduzieren würde. Eher würden unsere Volksparteien alleindominant, und man könnte bei der Wahl gleich zuhause bleiben.
Labour oder Tories, SPD oder CDU - wen soll man da wählen?
Pest oder Cholera, Erbrechen oder Durchfall.

Nein, was her müsste, wäre ein reines Verhältniswahlrecht. Die Wahl hat die Aufgabe, den politischen Willen des Volkes im Parlament abzubilden. Und das geht -wenn überhaupt- nur per Verhältniswahl, in der auch Klein- und Randparteien eine Chance haben und die "Großen" Stimmen respektive Sitze kosten können.
Auf ein Zweiparteiensystem kann ich persönlich sehr gut verzichten, sogar noch besser als auf unsere jetzigen Zustände.

ppp
09.02.2007, 11:38
aus den von dir genannten gründen, sauerländer, war ich bisher strikt gegen das mehrheitswahlrecht. allerdings scheint mir die direktwahl der abgeordneten ein mögliches mittel, die allgewalt der parteigremien zu verringern. gibt es dazu bessere mittel?

ach ja, der verehrte abgeordnete ströbele schaffte den sprung in den bundestag ja ohne listenplatz.

Sauerländer
09.02.2007, 11:46
aus den von dir genannten gründen, sauerländer, war ich bisher strikt gegen das mehrheitswahlrecht. allerdings scheint mir die direktwahl der abgeordneten ein mögliches mittel, die allgewalt der parteigremien zu verringern. gibt es dazu bessere mittel?
ach ja, der verehrte abgeordnete ströbele schaffte den sprung in den bundestag ja ohne listenplatz.
Ich habe den Eindruck, wir nehmen beide den gleichen Zustand wahr, machen ihn aber an unterschiedlichen Aspekten fest.
Wir beide nehmen wucherne Parteienmacht wahr.

Ich glaube nicht, dass der über eine Wahlrechtsänderung sinnvoll zu begegnen ist.
Dafür hat der Parteienkrebs die Gesellschaft bereits viel zu sehr durchwuchert.
Es muss dagegen angegangen werden, dass Parteien quasi den Status von Staatsorganen haben. Beim einzelnen Abgeordneten und seiner eventuellen Wählerbindung anzusetzen, greift meines Erachtens zu kurz.

Mark Mallokent
09.02.2007, 12:17
Ein Mehrheitswahlrecht hätte durchaus Vorzüge. Es würde den Abgeordneten mehr von seinen Wählern und weniger von der jeweiligen Partei abhängig sein lassen. :smoke:

-jmw-
09.02.2007, 12:26
Ich bin gegen ein Mehrheitswahlrecht, u.a. aus den von Sauerländer genannten Gründen.

Was zuvörderst angegangen werden müsste, wäre die Stellung der Parteien.
Dies könnte man am ehesten erreichen durch eine Änderung oder gar Abschaffung der Parteilistenwahlen.

Interessant finde ich ei9nen Vorschlag, den ich vor Unzeiten einmal las:
Der einzelne Bürger beschwere sich häufig, die Politiker hätten keine Ahnung und er würde alles eh viel besser machen.
Nun, warum nicht ein System, in dem der Bürger die Chance dazu erhält?
Jeder Bürger, der in den Bundestag wolle, müsste dann 500 oder 1000 oder wieviele-auch-immer Unterschriften sammeln, käme auf eine Liste und aus dieser Liste würde dann ein Teil der Abgeordneten einfach ausgelost.
Ich vermute, die Zusammensetzung des BT wäre dann repräsentativer.

mfg

-jmw-
09.02.2007, 12:29
Ein Mehrheitswahlrecht hätte durchaus Vorzüge. Es würde den Abgeordneten mehr von seinen Wählern und weniger von der jeweiligen Partei abhängig sein lassen. :smoke:
Der einzelne Abgeordnete wäre also noch mehr als jetzt schon von den Meinungen und Stimmungen der Otto-Normal-Deutschen abhängig.
Wie erstrebenswert ist das, wo die meisten Leute doch eh nur politischen Unfug wollen?

mfg

Biskra
09.02.2007, 12:37
Daß ca. die Hälfte der Abgeordneten über Mehrheitswahl in die Parlamente kommen, reicht mir eigentlich vollkommen aus. Um die Gewählten mehr an ihre Versprechen zu binden gäbe es geeignetere Mittel, z.B. wäre die Möglichkeit eines Mißtrauensvotums interessant.

Mark Mallokent
09.02.2007, 12:38
Der einzelne Abgeordnete wäre also noch mehr als jetzt schon von den Meinungen und Stimmungen der Otto-Normal-Deutschen abhängig.
Wie erstrebenswert ist das, wo die meisten Leute doch eh nur politischen Unfug wollen?

mfg

Der Abgeordnete soll ja auch tun, was der Wähler will. Und selbst bei Deutschen sollte man die Hoffnung nicht aufgeben. Vielleicht werden sie doch einmal wenigstens annähernd so klug wie die Amerikaner. :]

ppp
09.02.2007, 14:22
....
Nun, warum nicht ein System, in dem der Bürger die Chance dazu erhält?
Jeder Bürger, der in den Bundestag wolle, müsste dann 500 oder 1000 oder wieviele-auch-immer Unterschriften sammeln, käme auf eine Liste und aus dieser Liste würde dann ein Teil der Abgeordneten einfach ausgelost.
Ich vermute, die Zusammensetzung des BT wäre dann repräsentativer.

mfg

die zusammensetzung des bundestags wäre dann in etwa so repräsentativ wie die zusammensetzung der teilnehmer der nachmittagstalkshows oder superstar-castings. da ich meine, daß mit westerwelle bereits genug bohlen-verschnitt im bundestag sitzt, lehne ich deinen vorschlag entschieden ab.

ppp
09.02.2007, 14:26
Daß ca. die Hälfte der Abgeordneten über Mehrheitswahl in die Parlamente kommen, reicht mir eigentlich vollkommen aus. Um die Gewählten mehr an ihre Versprechen zu binden gäbe es geeignetere Mittel, z.B. wäre die Möglichkeit eines Mißtrauensvotums interessant.

die über erstimmen direkt gewählten bgeorndeten sind zum großen teil zusätzlich über listenplätze "zusatzversichert". wenn man die regelung einführt, daß für ein erstimmenmandat nur antreten kann, wer auf eine listenabsicherung verzichtet, käme vielleicht ein wirklicher kompromiß zwischen mehrheits- und verhältniswahlrecht zustande.
wie stellst du dir das mißtrauensvotum vor?

-jmw-
09.02.2007, 18:14
Der Abgeordnete soll ja auch tun, was der Wähler will.
Nö.
So sehr Demokrat bin ich nicht.
Der Abgeordnete soll soweit als möglich tun, was richtig ist, ohne Rücksicht auf irgendwelche Wähler.
Dass das in der BRD kaum möglich ist, ist zwar ein Problem, hier aber wohl nicht Thema.


Und selbst bei Deutschen sollte man die Hoffnung nicht aufgeben. Vielleicht werden sie doch einmal wenigstens annähernd so klug wie die Amerikaner. :]
Die werten Amerikaner hatten 1776 eine grosse Chance und haben sie leider in den letzten um und bei 250 Jahren in den Sand gesetzt.
Ich hoffe, wenn unsere Unabhängigkeitserklärung kommt, werden wir klüger sein.

mfg

-jmw-
09.02.2007, 18:15
die zusammensetzung des bundestags wäre dann in etwa so repräsentativ wie die zusammensetzung der teilnehmer der nachmittagstalkshows oder superstar-castings. da ich meine, daß mit westerwelle bereits genug bohlen-verschnitt im bundestag sitzt, lehne ich deinen vorschlag entschieden ab.
Ja, aber wäre diese Repräsentativität nicht besonders demokratisch?
Der Bürger würde dann durch Bürger vertreten.

mfg

Mark Mallokent
09.02.2007, 18:42
Nö.
So sehr Demokrat bin ich nicht.
Der Abgeordnete soll soweit als möglich tun, was richtig ist, ohne Rücksicht auf irgendwelche Wähler.Natürlich soll ein Abgeordneter nicht gegen sein Gewissen handeln. Aber er soll seine Wähler auch nicht belügen. Und wenn er es doch tut, hätte er beim Mehrheitswahlrecht keine chance auf Wiederwahl.


Die werten Amerikaner hatten 1776 eine grosse Chance und haben sie leider in den letzten um und bei 250 Jahren in den Sand gesetzt.
Ich hoffe, wenn unsere Unabhängigkeitserklärung kommt, werden wir klüger sein.
Du verwechselst da irgendetwas. Ganz im Gegenteil haben die Amerikaner seit 1776 der Welt ein leuchtendes Beispiel gegeben, wie es möglich ist, eine freie Gesellschaft aufzubauen. Das beste, was wir tun können, ist, uns weitesmöglichst an ihrem Beispiel zu orientieren. :]

-jmw-
09.02.2007, 19:05
Natürlich soll ein Abgeordneter nicht gegen sein Gewissen handeln.
DAS habe ich nicht geschrieben.
Ich schrieb, er solle tun, was RICHTIG ist.
Wie er das mit seinem Gewissen vereinbart, ist mir einerlei.


Du verwechselst da irgendetwas. Ganz im Gegenteil haben die Amerikaner seit 1776 der Welt ein leuchtendes Beispiel gegeben, wie es möglich ist, eine freie Gesellschaft aufzubauen.
Wir verstehen wohl unter "freie Gesellschaft" nicht das gleiche.

mfg

Biskra
11.02.2007, 16:01
die über erstimmen direkt gewählten bgeorndeten sind zum großen teil zusätzlich über listenplätze "zusatzversichert". wenn man die regelung einführt, daß für ein erstimmenmandat nur antreten kann, wer auf eine listenabsicherung verzichtet, käme vielleicht ein wirklicher kompromiß zwischen mehrheits- und verhältniswahlrecht zustande.
wie stellst du dir das mißtrauensvotum vor?

Die Zusatzversicherung über Listenplätze ist eigentlich irrelevant, es geht ja bei Wahlen in erster Linie darum, den als geeignet Eingestuften zu wählen und nicht darum, die als ungeeignet Angesehen zu verhindern.

Ein Mißtrauensvotum wäre z.B. so möglich, daß eine bestimmte Anzahl an Unterschriften für eine Absetzung gesammelt werden und dies im zweiten Schritt ein Votum ermöglicht, das bei einer bestimmten Wahlbeteiligung im Erfolgsfall (Mehrheitsvotum) zur Absetzung des Abgeordneten führt.

turlough
11.02.2007, 18:38
Ich finde, dass die 2.Stimme komplett abgeschafft werden sollte, denn was bringt die denn?
Es kommen nur Leute in den Bundestag die NIE jemand wählen würde, aufgrund von Vertrauen, etc.
Wenn es nur eine Erststimme geben würde, wäre nur noch die Hälfte aller Abgeordneten vorhanden, was doch um einiges günstiger wäre und vor allem übersichtlicher. So müsste z.B. auch jeder Abgeordnete im Interesse der Wählerschaft handeln, denn wenn er das nicht täte würde er bei der nächsten Wahl garantiert abgesägt werden.

Beverly
11.02.2007, 21:17
Ich glaube, der Ansatz von ppp - der Wähler wählt mit seiner Stimme einen Abgeordneten, dem er mehr vertraut als einer Partei - und die Gegenrede von Sauerländer - Mehrheitswahlrecht führt zu einem undemokratischen System zweier großer Parteien - lässt sich in einer Synthese vereinen.

Das müsste bei einer Bundestagswahl so sein:

1. Es gibt bei der Wahl nur eine Stimme.
2. Es gibt keine 5-Prozent-Hürde.
3. Für jeweils 100 000 Stimmen gibt es ein Mandat.
4. Man kann als Einzelbewerber antreten und dann im ganzen Bundesgebiet um Stimmen kämpfen
oder
5. Man tritt auf der Liste einer Partei an.
6. Bei Parteilisten kreuzt man nicht den Namen der Partei an, sondern den Namen eines ihrer Kandidaten.

Das hat folgende Vorteile:

1. Auch kleine und kleinste Parteien haben eine Chance und
2. Jede in der Bevölkerung im allgemeinen und v. a. bei den politisch bewussten Menschen vorhandene Meinung ist auch im Parlament vertreten.
3. Die Wahl einer Person - steht für "Vertrauen", "Identifikation" - und einer Partei - steht für "Programm", "umfassendes Politikkonzept" und "Ideologie" - werden kombiniert.
4. Ein Kandidat kann im ganzen Bundesgebiet - anstatt in einem eng begrenzten Wahlkreis - um Stimmen werben. Der lokal verankerte Kandidat hat weiterhin die Chance, die notwendigen Stimmen im regionalen Umfeld zu sammeln, doch auch der bei Wahlkreiswahlen chancenlose "Paradiesvogel" bekommt seine Chance, es bundesweit zu versuchen.

Auswirkungen auf das politische System:

1. Etablierte Parteien können sich nicht mehr durch die 5-Prozent-Hürde vor Konkurrenz schützen und im Schutz der 5-Prozent-Hürde sich immer weiter von den Interessen der Menschen entfernen. Wem die Grünen zu Yuppie-mäßig geworden sind, der kann die ÖDP wählen. Wem die Sozis keine Arbeiterpartei mehr sind, der hat die Wahl zwischen WASG, Linkspartei.PDS, DKP und MLPD ;), die Union müsste sich mit REP, NPD und DVU herumschlagen, vielleicht noch anderen konservativen Abspaltungen. Die Peinlichkeiten der Westerwelle-FDP hätten vielleicht zur Geburt einer (alt-)"Liberalen Partei" geführt.
In Berlin wären bei den letzten Wahlen bei so einem Wahlrecht WASG, Graue Panther und NPD ins Abgeordnetenhaus eingezogen, vielleicht auch MLPD und DKP. Der Wahlantritt lohnt sich auch für Mini-Parteien und die Stimme an eine Kleinpartei ist nicht "verschenkt".

2. Es würden auch Extremisten ins Parlament einziehen - 100 000 Stimmen bundesweit schaffen vielleicht auch Islamisten oder die Partei Bibeltreuer Christen, von der NPD ganz zu schweigen :rolleyes: Es fragt sich nur, was eine Handvoll Extremisten im Parlament für Schaden anrichten kann, den sie nicht auch außerhalb anrichtet. Für jeden Extremisten gäbe es zudem sozusagen den Gegen-Extremisten, der ihn in Schach hält. Für den Islamisten die Atheistin iranischer Herkunft und den Zionisten, für den NPDler den Einwanderer, für den Rechtsextremisten den Linksextremisten - so findet jeder Topf hier seinen Deckel ;)

3. Auch und insbesondere wäre die Gefahr stets aufkommender Konkurrenz ein Ansporn für große Parteien "es nicht zu weit zu treiben". Es wäre für den Abgeordneten nicht mehr so leicht, im weichen und wanrmen Inneren großer Apparate Karriere zu machen, die herrschenden Diskurse nachzuplappern und den Kontakt zu Lobbyisten zu pflegen, wenn die enttäuschten Wähler beim nächsten Mal ganz leicht jemand anderes wählen könnten.
In unserem System apathisch hingenommene Fehlbesetzungen könnten am Wahltag bequem entsorgt werden. Wer - wie ich - sowohl von den Peinlichkeiten homosexueller Politiker bei CDU, SPD und FDP wie auch von scheinbar unverbesserlicher Homophobie gleichermaßen genervt ist, kann sich auf die Suche nach glaubwürdigen Kandidaten begeben - oder selbst kandidieren ;)

4. "Die Mehrheitsbildung und bla", werden die Gegner so einer Öffnung des politischen Systems sagen. N. B. kamen im Fernsehen gerade Andeutungen über die Schikanen von Erwerbslosen im Zeichen von Hartz IV. "Hartz IV" zeigt, wozu die Demokratie im Schutze der 5-Prozent-Hürde verkommen ist. Da stelle ich mir die Mehrheitsbildung recht einfach vor: Islamisten, PBC, NPD, DVU, REP, APPD, ÖDP, Linkspartei, DKP und MLPD stellen einen Antrag auf Abschaffung von "Arbeitslosengeld 2" und "SGB II" zugunsten eines "Bürgergeldes". Einer der beiden im Bundestag vertretenen Zionisten vergleicht den Umgang mit Erwerbslosen mit der Judenverfolgung und sorgt für einen handfesten Skandal. Freie Liberale und die stets opprotunistischen Grünen schließen sich dem an, Union und SPD sehen ihre Felle davonschwimmen und viele ihrer Abgeordneten enthalten sich. Nur die FDP fordert unverdrossen "die Reformen müssen weitergehen". RIP Hartz IV.
Ach ja, beim nächsten Tagesordnungspunkt hauen die Mitglieder der Anti-Hartz-IV-Koalition wieder aufeinander ein, dass es nur so kracht. Aber weil sich niemand den langbärtigen Fundamentalisten, den Schwulen und den Öko-Bauern entgehen lassen will, erreichen Übertragungen von Bundestagsdebatten Einschaltquoten von 30 Millionen. Die Wahlbeteiligung liegt wieder bei 90 Prozent und selbst Islamisten halten Demokratie für die beste Staatsform.