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Vollständige Version anzeigen : Globalisierung in Pakistan - Manchesterkapitalismus Revival



Frei-denker
07.02.2007, 09:18
Vielfach wird hier die Meinung vertreten, daß die Globalisierung und Neoliberalismus insgesamt den Wohlstand der Menschen mehren würde. Wie wenig diese Ansicht mit der Realität zu tun hat zeigt folgender Artikel. Man beachte auch wie erschreckend ähnlich die Globalisierung dem Manchesterkapitalismus ist:


Die FußballnäherInnen kennen keine festen Arbeitszeiten. Sie werden nach Stücklohn, also nach der Anzahl der fertig genähten Bälle bezahlt. Die meisten arbeiten acht bis zehn Stunden am Tag. Es gibt keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und keine bezahlten Urlaubstage. Gearbeitet und frei gemacht wird hier täglich auf eigene Rechnung. Ein Nähzentrum arbeitet meistens nur für ein Fußballunternehmen in Sialkot, oft aber auch für zwei oder drei. Die NäherInnen sind daher nicht direkt Angestellte der städtischen Fußballfirmen, sondern arbeiten für einen Subkontraktor, der bei den städtischen Firmen die Aufträge einholt und meist auch für den Antransport der Arbeitsmaterialien und den Abtransport der fertigen Bälle zur Exportfirma sorgt. So arbeiten die NäherInnen faktisch außerhalb des Geltungsbereichs der pakistanischen Arbeits- und Sozialgesetze. Im Durchschnitt kommt einE NäherIn auf ein Monatseinkommen von 3.150 Rupien (umgerechnet 44 Euro). Damit verdienen sie etwa 30 Prozent weniger als ihre KollegInnen in den Sportartikelfabriken in der Stadt. Für die Grundversorgung einer - in Pakistan üblichen - sechsköpfigen Familie bedarf es nach einer gemeinsamen Studie des Arbeitsministeriums und verschiedener Gewerkschaften eines Einkommens von 12.000 Rupien im Monat.
http://www.inkota.de/wm2006/teamgeist.htm

Die Arbeiter in Pakistan können von ihrem Lohn nicht leben und müssen deshalb auch ihre Kinder zur Arbeit mißbrauchen:

Um ein solches Einkommen zu erreichen, müssten vier Familienmitglieder Fußbälle nähen. Dies war und ist die Quelle der Kinderarbeit in Pakistan. Ohne existenzsichernde Einkommen bleibt ein hoher Druck auf die Familien, auch ihre älteren Kinder zur Arbeit zu schicken.


Dazu die erschreckende Ähnlichkeit mit dem Manchesterkapitalismus des 19ten Jahrhunderts in Europa:

Die Kinderarbeit ermöglichte den Familien ein zusätzliches und oft dringend notwendiges Einkommen. Die Unternehmen, die Kinder beschäftigten, fühlten sich daher als Wohltäter. Dabei beuteten sie die Kinderarbeiter aus, die meist nur den Bruchteil des Lohnes eines erwachsenen Arbeiters bekamen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Kinderarbeit

Man vergleiche auch die Krankenabsicherung in Pakistan mit dem Manchesterkapitalismus:

Es gibt keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und keine bezahlten Urlaubstage.

Im Manchesterkapitalismus:

Armut von Alten, Kranken und Schwachen
Die Möglichkeiten der meist privat betriebenen Armenfürsorge, diesen Verhältnissen entgegen zu wirken blieben beschränkt


Und wie zynisch die Argumentation mancher hiesiger Neoliberalismus-Anhänger ist, wenn sie behaupten, daß solches Verhalten die Wirtschaftlichkeits-Notwendigkeit von den Unternehmen verlange zeigt folgende Passage:


Konzerngewinne rauf - Löhne runter
Entgegen der häufig vertretenen These, Globalisierung bringe Vorteile für alle Beteiligten, muss in diesem Fall festgestellt werden, dass die Stücklöhne für einen Fußball in den vergangenen zehn Jahren von umgerechnet 0,56 Euro auf 0,51 Euro gesunken sind. Die Konzentration der Arbeiten in den Nähzentren hat zwar die Arbeitsplatzgestaltung verbessert und nicht wie zunächst befürchtet, zu einer völligen Beseitigung der Frauenarbeit geführt, sie aber doch deutlich eingeschränkt. Die Familien in Sialkot können daher heute an dem wachsenden Sportartikelweltmarkt nur zu schlechteren Bedingungen teilnehmen.
Die Sportartikelkonzerne konnten dagegen ihre Position auf dem Weltmarkt deutlich verbessern. An jedem Fußball aus Pakistan, der bei uns für 25 Euro verkauft wird, macht Adidas einen Gewinn von 1,34 Euro. Das ist mehr als das Doppelte des Nählohns für diesen Ball. Vor zehn Jahren konnte Adidas am Verkauf eines solchen Balls nur 0,90 Euro "gewinnen". So haben sich die Gewichte zwischen den Produzenten in der Peripherie und den Konzernen in den Metropolen verschoben. Daher kann es nicht verwundern, dass Adidas mit 390 Millionen Euro 2005 seinen Jahresgewinn innerhalb von zehn Jahren mehr als verdreifachte und im Februar 2006 ohne Probleme für 3,1 Milliarden Euro die Nummer 3 des Sportartikelweltmarkts Reebok übernommen hat. Die zunehmende Konzentration der "Global Player" im Sportartikelgeschäft wird die Bedingungen für Sialkots FußballnäherInnen sicher nicht vereinfachen. Ohne eine Umverteilung von Gewinneinnahmen der globalen Sportartikelkonzerne an die Fußball- und SportartikelnäherInnen in Sialkot sind wirklich existenzsichernde Löhne und faire Arbeitsbedingungen, aber auch eine umfassende und nachhaltige Einschränkung der Kinderarbeit in der Region nur schwer zu schaffen.


Ich denke, diese Fakten beweisen hinlänglich, daß Neoliberalismus und Globalisierung nur eine Bemäntelung für unmenschlichen Neo-Manchesterkapitalismus sind. Die Welt ist auf dem Weg zurück in eine Unternehmerdiktatur und in die ungehemmte Ausbeuterei und Versklavung der Völker.

Und die Anhänger der These vom freien Markt mögen sich anhand des Beispiels von Pakistan anschauen, wohin ein freier Markt führt!

politisch Verfolgter
07.02.2007, 09:25
Wissen wir ja:
Weltweit haben 1 % 40% und 50 % leben von unter 2 $ pro Tag.
In D haben 3 % 70 %, wobei hierzulande Einer im Durchschnit der 3 % 1000mal mehr Vermögen hat als ein sog. "Normalverdiener".
Es ist politisch gewollt und grundrechtswidrig gesetzl. verankert.

Die politischen Gewaltverbrecher nennen das "Zumutbarkeit".

Abhilfe:
Kein Betriebsloser benötigt menschl. Betriebsinhaber.

-jmw-
07.02.2007, 15:49
Und die Anhänger der These vom freien Markt mögen sich anhand des Beispiels von Pakistan anschauen, wohin ein freier Markt führt!
Deine Prämisse ist falsch.
Es gibt keinen "freien Markt" in Pakistan (- jedenfalls nicht im Sinne eines konsequenten normativen Manchesterliberalismus).

mfg

Nachtrag: Neo'liberalismus' und Manchesterliberalismus sind unvereinbar. Letzterer ist für laisser-faire, ersterer für ein grundsätzliches Primat des Staates und als Reaktion auf den ML erdacht.

politisch Verfolgter
08.02.2007, 09:39
Der Markt ist erst frei, wenn das Eigentum Anderer tabu sein kann!

lupus_maximus
08.02.2007, 09:49
Der Markt ist erst frei, wenn das Eigentum Anderer tabu sein kann!
Ganz genau!
In Deutschland muß man damit rechnen, daß das Eigentum wegen irgendeinem unglaubwürdigem Vorwand eingezogen werden kann.
Keine guten Voraussetzungen für eine Betriebsgründung.
Wenn ein Konkurrent behauptet, das man schwarz arbeitet, werden die Unterlagen, Computer und Akten beschlagnahmt, und anschließend ist man tatsächlich Pleite.
Außerdem, was heißt denn Schwarzarbeit?
Darf ich mich nicht selbst mit Einkommen versorgen, sondern brauche dazu die Erlaubnis der Muselversorger?
So weit ist es schon!

politisch Verfolgter
08.02.2007, 10:28
lupus_maximus, was es bzgl. der Betriebslosen bedeutet, daß das Eigentum Anderer tabu zu sein hat, können Sie bei mir überall nachlesen.
Betriebslose benötigen marktwirtschaftl. profitmaximierenden Kapitalzugang.
Individuell leistungsadäquat und bei leistungsgerechter Verteilung gesamtbetriebl. Wertschöpfung.
Das Ganze hat high tech-vernetzungseffizient erfolgen zu können.
Wobei eben die Effizienz derartiger Netzwerke mit der Anzahl ihrer Mitglieder und bezahlenden Nutzer exponenziell zu nimmt.

Das hat mit Ideologien nix zu tun, sondern es ist pure ökonomische Vernunft.

Wer nun seinen eigenen Betrieb haben will, der ist davon völlig unbehelligt.
Ich schreibe hier nur über die marktwirtschaftl. Profitmaximierung Betriebsloser.
Das ist ja voll zulässig.
In der Marktwirtschaft gehts um Profit, um Effizienz, um Vernetzung, um Forschung&Entwicklung und um Diversifikation.
Das ist bzgl. der Betriebslosen von nichteignenden Unternehmern zu managen.
Auch Inhaber bedienen sich nichteignender Unternehmer.

Mit Museln hat das absolut rein gar nix zu tun ;-)
Und auch nicht mit Schwarzarbeit oder Inhaber-Pleiten.

Wer anbietet, dem stehen auch die Profite zu.
Und das Anbieten hat eben möglichst optimal mental leistungsadäquat erfolgen zu können.

Wenn Ihnen das genauso klar ist wie mir, sind wir uns völlig einig.