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Vollständige Version anzeigen : Gesellschaft u.Individiuum



arnd
26.12.2006, 02:21
Mir stellt sich die Frage,ob Menschen die rechts,-oder linksextreme Gesellschaftsmodelle befürworten oder/und bei Wahlen Parteien wählen,welche derartige Gesellschaftsmodelle in die Praxis umsetzen möchten,sich eigentlich der Tatsache bewußt sind,daß sie damit Parteien unterstützen deren Ziel es ist die persönliche Freiheit des einzelnen Individuums gegen Null zu reduzieren.

1. rechtsradikale Gesellschaftsmodelle (Nationalsozialismus)
-Diese befürworten den Führerstaat,d.h. die Herde (Volksgemeneinschaft) hat sich dem Führer unterzuordnen.Der Führer hat immer recht.Der Einzelne hat sein Leben immer den Interessen dieser Volksgemeinschaft und somit dem Führer unterzuordnen.

2. linksradikale Gesellschaftsmodelle

es gibt geteilte Vorstellungen

-a. Stalinismus /Sowjetsystem

-Dies heißt Unterordnung unter ein Einparteiensystem,im Extremfall unter einen roten Führer.Die Partei bestimmt alle Vorgaben und hat immer recht. Persönliche Freiheit gibt es nicht.Jeder hat sich systemkomform unterzuordnen.

-b. sozialistische Basisdemokratie/Rätemodell

Bei Befürwortern dieses Modells gibt es die Meinung ,dass die Masse der Menschen dumme Krämerseelen seien. Dies bestreite ich nicht,bin allerdings der Meinung,dass die Masse nicht unbedingt dumm ist aber den persönlichen Vorteil dem der Gemeinschaft vorzieht.

Damit ist dieses System wiederum nicht realisierbar.
Begründung : Die Basis,also die Volksmasse fällt alle Entscheidungen,auch wirtschaftliche. Da die Masse aber angeblich oder auch wirklich dumm ist fällt sie ständig falsche Entscheidungen.
Daraus folgt,das System bricht zusammen.

Daraus folgt wiederum ,es gibt momentan keine Alternative zu unserer bestehenden Demokratie.

Ich warte gespannt auf die Beiträge der rechten und linken Fraktion des Forums

(alle Deutschlehrer bitte ich mir zu verzeihen ,es heiß Individuum-es war ein Druckfehler)

Frei-denker
26.12.2006, 09:03
Wenn ich auch weder rechtsextremen noch linksextremen Gruppen angehöre, kann ich dir jetzt schon sagen, daß du da einem Schubladendenken auf den Leim gegangen bist.

Denn weder die heutigen Rechtsextremen noch Linksextremen wollen die individuelle Freiheit völlig abschaffen. Die Linken z.B. wollen nur die Spielregeln in unserem Staat ändern.

Mach dir auch klar, daß selbst unterm Adolf die persönliche Freiheit der Menschen beträchtlich zunahm! Hitler schaffte die Leibeigenschaft ab, sorgte dafür, daß "Bürger" nicht mehr höhere Menschen als normale Arbeiter waren und ermöglichte den Arbeitern Offiziere zu werden und z.T. auch zu studieren. Das war vorher Privileg der Adeligen und Reichen.

Laß dich auch von der Illusion kurieren, daß du heute viel persönliche Freiheit hast. Versuch doch mal eine einfache Hütte auf einem Grundstück zu bauen! Da kommt prompt ein Fuzzi vom Hochbauamt angerannt und erzählt dir, das du das nicht darfst! In Deutschland darfst du noch nichtmal dein Auto vorm Haus parken, dann kommt ein uniformierter Wegelager vorbei und erzählt dir, daß du einen Anwohnerparkschein brauchst und dafür mußt du dein Geld abgeben.

Nein, es ist eine Illusion, daß wir hier besonders frei wären.

Efna
26.12.2006, 09:24
Wenn ich auch weder rechtsextremen noch linksextremen Gruppen angehöre, kann ich dir jetzt schon sagen, daß du da einem Schubladendenken auf den Leim gegangen bist.

Denn weder die heutigen Rechtsextremen noch Linksextremen wollen die individuelle Freiheit völlig abschaffen. Die Linken z.B. wollen nur die Spielregeln in unserem Staat ändern.

Mach dir auch klar, daß selbst unterm Adolf die persönliche Freiheit der Menschen beträchtlich zunahm! Hitler schaffte die Leibeigenschaft ab, sorgte dafür, daß "Bürger" nicht mehr höhere Menschen als normale Arbeiter waren und ermöglichte den Arbeitern Offiziere zu werden und z.T. auch zu studieren. Das war vorher Privileg der Adeligen und Reichen.

Laß dich auch von der Illusion kurieren, daß du heute viel persönliche Freiheit hast. Versuch doch mal eine einfache Hütte auf einem Grundstück zu bauen! Da kommt prompt ein Fuzzi vom Hochbauamt angerannt und erzählt dir, das du das nicht darfst! In Deutschland darfst du noch nichtmal dein Auto vorm Haus parken, dann kommt ein uniformierter Wegelager vorbei und erzählt dir, daß du einen Anwohnerparkschein brauchst und dafür mußt du dein Geld abgeben.

Nein, es ist eine Illusion, daß wir hier besonders frei wären.


Leibeigenschaft wurde schon 1806 abgeschafft.

Frei-denker
26.12.2006, 09:46
Leibeigenschaft wurde schon 1806 abgeschafft.

Vielleicht auf dem Papier. Meine Oma hat das noch erlebt. Auf den Gütern in Ostpreußen gabs das immer noch. Die Gutsherren durften ihre "Knechte" damals sogar schlagen. Erst unterm Adolf wurde sowas dann schließlich komplett abgeschafft.

-jmw-
26.12.2006, 12:28
-b. sozialistische Basisdemokratie/Rätemodell

Bei Befürwortern dieses Modells gibt es die Meinung ,dass die Masse der Menschen dumme Krämerseelen seien.
Ähm....
Nö.
In diesem Punkte irrst Du.
Normalerweise meinen Vertreter basis- und rätedemokratischer Modelle das ganz und garnicht;
denn es widerspricht völlig ihren politischen Ansätzen.


Daraus folgt wiederum ,es gibt momentan keine Alternative zu unserer bestehenden Demokratie.
Ich meine, auch hier irrst Du.
Sieh's mal so: Wenn weniger persönliche Freiheit à la Nazis, Bolschewisten usw. nicht machbar ist, warum sollte dann die einzige Alternative der derzeitige Freiheitsgrad sein?
Wäre nicht auch MEHR Freiheit möglich?
Frei-denker hat ja schon auf zwei kleine Sachen hingewiesen, die man verbessern könnte.
Und es gibt noch viel mehr davon!

mfg

-jmw-
26.12.2006, 12:33
Mach dir auch klar, daß selbst unterm Adolf die persönliche Freiheit der Menschen beträchtlich zunahm!
Das sehe ich anders.
Es mag durchaus Bereiche gegeben haben, in denen die Freiheit zunahm;
dass sie aber aufs Ganze gesehen zunahm, bezweifle ich.
Autoritäre Führerstaaten mit interventionistischen Wirtschaftspolitiken eignen sich nunmal nicht zum freiheitlicher-werden. :)


Hitler (1) schaffte die Leibeigenschaft ab, sorgte dafür, (2) daß "Bürger" nicht mehr höhere Menschen als normale Arbeiter waren und (3) ermöglichte den Arbeitern Offiziere zu werden und (4) z.T. auch zu studieren. Das war vorher Privileg der Adeligen und Reichen.
(1) Efna wies bereits darauf hin, dass das 1806 geschah;

(2) so lautete die Propaganda, ja. In der Praxis sah das anders aus;

(3) + (4) das ging schon zu Zeiten der Weimarer Republik.


Nein, es ist eine Illusion, daß wir hier besonders frei wären.
Richtig.
Bei 50 vH Staatsquote gehören wir zur Hälfte der BRD.
So gesehen ist die Leibeigenschaft immernoch nicht aufgehoben. :(

mfg

arnd
26.12.2006, 13:42
Ähm....
Nö.
In diesem Punkte irrst Du.
Normalerweise meinen Vertreter basis- und rätedemokratischer Modelle das ganz und garnicht;
denn es widerspricht völlig ihren politischen Ansätzen.


Ich meine, auch hier irrst Du.
Sieh's mal so: Wenn weniger persönliche Freiheit à la Nazis, Bolschewisten usw. nicht machbar ist, warum sollte dann die einzige Alternative der derzeitige Freiheitsgrad sein?
Wäre nicht auch MEHR Freiheit möglich?
Frei-denker hat ja schon auf zwei kleine Sachen hingewiesen, die man verbessern könnte.
Und es gibt noch viel mehr davon!

mfg

Vertreter des Rätemodells in diesem Forum ist Waldgänger.
Dieser ist sehr wohl der Aufassung das es nur eine kleine Elite geben würde welche zu "revolutionären " Veränderungen in der Lage sei. Daraus folgt, das nach einem eventuell erfolgreichen Umbau der Gesellschaft auch nur diese Elite in der Lage ist die Gesellschaft zu führen.
Damit gibt es wieder eine Führungsschicht was den Gedanken der Basisdemokratie ad absurdum werden lässt.

Ich gehe von der Möglichkeit aus das die Freiheit des Einzelnen sich vergrößern würde, wenn z.B. über wichtige Fragen Volksabstimmungen zulässig wären.

Sauerländer
26.12.2006, 13:54
Ich gehe von der Möglichkeit aus das die Freiheit des Einzelnen sich vergrößern würde, wenn z.B. über wichtige Fragen Volksabstimmungen zulässig wären.
Damit gehst Du davon aus, dass Demokratie = Freiheit des Einzelnen.
Da wird -jmw- vermutlich militanten Einspruch erheben.

Ich übrigens auch.

arnd
26.12.2006, 14:00
Damit gehst Du davon aus, dass Demokratie = Freiheit des Einzelnen.
Da wird -jmw- vermutlich militanten Einspruch erheben.

Ich übrigens auch.

Die absolute Freiheit kann es nicht geben. Aber die Demokratie bietet dem Einzelnen allerdings ein recht weitgehende Freiheit.
Es gibt bestimmt andere Gesellschaftsmodelle. Ich weiß aber nicht welche und bisher konnte mir auch niemand ein anderes Modell zeigen, welches man auch praktisch verwirklichen kann.

Efna
26.12.2006, 19:58
Allerdings hat erst der GRÖFAZ im Jahre 1938 die Standesunterschiede gänzlich beseitigt.

Aber ob man damals die Freiheiten hatte, die man heute vermeintlich hat, wage ich zu bezweifeln.


Sicherlich eher um alle Gleichzuschalten vom einen Kollektivismus in den anderen.

-jmw-
26.12.2006, 22:58
Vertreter des Rätemodells in diesem Forum ist Waldgänger.
Dieser ist sehr wohl der Aufassung das es nur eine kleine Elite geben würde welche zu "revolutionären " Veränderungen in der Lage sei. Daraus folgt, das nach einem eventuell erfolgreichen Umbau der Gesellschaft auch nur diese Elite in der Lage ist die Gesellschaft zu führen.
Damit gibt es wieder eine Führungsschicht was den Gedanken der Basisdemokratie ad absurdum werden lässt.
Ich teile Deine Schlussfolgerung nicht.
Dass es eine Form der Elite, der ideologischen Vorhut, der berufsmässigen Revolutionäre, solcherlei Denken finden wir nicht nur bei Rätedemokraten, sondern bei vielen anderen auch;
sogar bei Anarchisten gibt es das (bei Bakunin z.B. oder Konkin).
Aus der Notwendigkeit aber, dass nur eine kleine Gruppe von Leuten als "Speerspitze der Revolution" einen gesellschaftlichen Umbruch erreichen kann, folgt m.E. keineswegs, dass auch nur diese Gruppe hernach befähigt sei, das Gemeinwesen zu führen.
Sicher mag man in dieser Gruppe vermehrt auf Führungspersönlichkeiten treffen, aber eben keinesfalls nur dort.
Mancher Revolutionär mag sogar in zivileren Zeiten kaum mehr was taugen.


Ich gehe von der Möglichkeit aus das die Freiheit des Einzelnen sich vergrößern würde, wenn z.B. über wichtige Fragen Volksabstimmungen zulässig wären.
Ich gehe davon aus, dass meine Freiheit je grösser ist, je mehr sich das Volk aus meinen Privatangelegenheiten heraushält. :)


Die absolute Freiheit kann es nicht geben.
Nicht?
Doch, kann es.
Es hängt einfach davon ab, wie man "Freiheit" definiert.


Aber die Demokratie bietet dem Einzelnen allerdings ein recht weitgehende Freiheit.
Es gibt bestimmt andere Gesellschaftsmodelle. Ich weiß aber nicht welche und bisher konnte mir auch niemand ein anderes Modell zeigen, welches man auch praktisch verwirklichen kann.
Demokratie ist FORM, Freiheit ist INHALT.
Beide lassen sich nur in jeweils abgeschwächter Form zusammenbringen, dies ist der freiheitlich-demokratische, gewaltenteilige und grundrechtsgarantierende Rechts- und Verfassungsstaat.


"Demokratie ermöglicht die kollektive Willensbildung einer organisierten Gruppe. Sie versucht durch einfache oder qualifizierte Mehrheiten sicherzustellen, dass möglichst wenige, schlimmstenfalls nur eine Person weniger als die Hälfte, fremdbestimmt werden. Demokratie kann Einzelentscheide fällen, Institutionen schaffen und Regeln aufstellen, leidet aber aus liberaler [...] Sicht unter dem Makel, dass sie Selbstbestimmung durch Mitbestimmung ersetzt."

(Nef, Robert: Moralische Grenzen des Mehrheitsprinzips, http://www.freilich.ch/blog/?p=116, 30.01.06.)

mfg

-jmw-
26.12.2006, 23:01
Damit gehst Du davon aus, dass Demokratie = Freiheit des Einzelnen.
Da wird -jmw- vermutlich militanten Einspruch erheben.
Oder militanten Widerstand leisten, wenn nötig. :) :))

mfg

arnd
26.12.2006, 23:58
-jmw-

Es gilt also die Eigenverantwortung zu stärken und das regelnde Eingreifen der Gesellschaft zu verringern.Einverstanden
Die Freiheit ist allerdings immer relativ, da eine Gemeinschaft gewisse Regeln aufstellen und durchsetzen muss, wenn sie nicht im Chaos versinken will.
Diese Regeln werden von Mehrheiten ,bzw. von deren Vertretern aufgestellt.

-jmw-
27.12.2006, 16:23
Es gilt also die Eigenverantwortung zu stärken und das regelnde Eingreifen der Gesellschaft zu verringern.
Klingt mir zwar zu sehr nach FDP-Parteiprogramm, ist aber im Kern richtig.


Die Freiheit ist allerdings immer relativ, da eine Gemeinschaft gewisse Regeln aufstellen und durchsetzen muss, wenn sie nicht im Chaos versinken will.
Diese Regeln werden von Mehrheiten ,bzw. von deren Vertretern aufgestellt.
Zumeist ergeben sich diese Regeln von selber:
Für Mord- und Diebstahls- und Betrugsverbote hat's selten Mehrheitsentscheidungen gebraucht.
Und bei allem, was darüber hinausgeht, sollte man immer die Frage stellen, ob es denn wirklich nötig ist.
Die Interpretation und Durchsetzung einmal festgesetzer Regeln sollte man überdies in den meisten Fällen der privaten Initiative überlassen.

mfg

arnd
27.12.2006, 23:46
Klingt mir zwar zu sehr nach FDP-Parteiprogramm, ist aber im Kern richtig.


Zumeist ergeben sich diese Regeln von selber:
Für Mord- und Diebstahls- und Betrugsverbote hat's selten Mehrheitsentscheidungen gebraucht.
Und bei allem, was darüber hinausgeht, sollte man immer die Frage stellen, ob es denn wirklich nötig ist.
Die Interpretation und Durchsetzung einmal festgesetzer Regeln sollte man überdies in den meisten Fällen der privaten Initiative überlassen.mfg

Wie soll diese private Initiative zur Durchsetzung und Interpretation von Regeln denn deiner Meinung nach aussehen. Klingt mir etwas nach Selbstjustiz. Damit kann ich mich nicht so richtig anfreunden,da dies bedeuten würde ,dass sich immer der Stärkere durchsetzt und dieser muss nicht unbedingt im Recht sein.

-jmw-
28.12.2006, 19:56
Wie soll diese private Initiative zur Durchsetzung und Interpretation von Regeln denn deiner Meinung nach aussehen.
Naja, z.B. so:
Jemand bricht bei mir ein und klaut den Picasso, den ich auf' Klo hängen hab. (:)))
Ich ruf bei meiner Versicherung an, die schickt jemanden vorbei, der den Tatort inspiziert und eine allgemeine Suchmeldung an interessierte Detekteien schickt.
Finden diese den Dieb, kommt er vor Gericht und wird höchstwahrscheinlich verdonnert, mir erstens das Bild zurückzugeben und zwotens die Kosten für Ergreifung und Verurteilung zu übernehmen.

Im Grunde nicht viel anders als jetzt, bis auf den Umstand, dass weniger bestraft als vielmehr wiedergutgemacht wird.


Klingt mir etwas nach Selbstjustiz. Damit kann ich mich nicht so richtig anfreunden,da dies bedeuten würde ,dass sich immer der Stärkere durchsetzt und dieser muss nicht unbedingt im Recht sein.
Der Stärkere setzt sich IMMER durch.
Andersrum: Der, der sich durchsetzt, war wohl der Stärkere.
:)

mfg

ppp
28.12.2006, 20:11
keine gute idee, die durchsetzung von regeln (noch mehr als heute schon) der privaten initiative zu überlassen. man muß nämlich sehr stark sein, um sich einen dem entsprechend schwachen staat leisten zu können.

arnd
28.12.2006, 23:38
Naja, z.B. so:
Jemand bricht bei mir ein und klaut den Picasso, den ich auf' Klo hängen hab. (:)))
Ich ruf bei meiner Versicherung an, die schickt jemanden vorbei, der den Tatort inspiziert und eine allgemeine Suchmeldung an interessierte Detekteien schickt.
Finden diese den Dieb, kommt er vor Gericht und wird höchstwahrscheinlich verdonnert, mir erstens das Bild zurückzugeben und zwotens die Kosten für Ergreifung und Verurteilung zu übernehmen.

Im Grunde nicht viel anders als jetzt, bis auf den Umstand, dass weniger bestraft als vielmehr wiedergutgemacht wird.


Der Stärkere setzt sich IMMER durch.
Andersrum: Der, der sich durchsetzt, war wohl der Stärkere.
:)

mfg
Der Stärkere ist aber nicht unbedingt immer im Recht, und deshalb kann es nicht allein Privatsache sein die allgemeinen Regeln durchzusetzen. In einer solchen Gesellschaft wäre nur der Starke frei und das wollen wir doch auch nicht.Oder?

Waldgänger
29.12.2006, 00:19
Ich denke es muss grundlegend einiges klargestellt werden. jmw's Freiheitsdefinition ist eine durch und durch liberalistische bis anarchistische Definition nach Stirners Modell. Das Wort "Freiheit" bedeutet ursprünglich keineswegs eine "Befreiung" im Sinne einer Emanzipierung gegenüber einer bestimmten Gemeinschaft, sondern hebt vielmehr eine Zugehörigkeit hervor, die eben die Freiheit verleiht. Wenn die Griechen von Freiheit sprechen, meinen sie daher durchaus nicht das Recht, sich von der Abhängigkeit gegenüber dem Stadtstaat freizumachen oder sich den Zwängen zu entziehen, sondern vielmehr das Recht, die gesetzlich verbürgte politische Fähigkeit, unter anderem sich am Leben der Stadt beteiligen, in den Versammlungen abstimmen, die hohen Beamten wählen zu können.

Es ist keine Freiheit-als-Autonomie, sondern eine Freiheit-als-Anteilnahme. Sie erstreckt sich nicht über die Gemeinschaft hinaus, sondern wird im Rahmen der Polis ausgeübt. Die Freiheit setzt die Zugehörigkeit voraus. Die "Freiheit" eines Individuums-ohne-Zugehörigkeit, eines nicht-eingefügten Individuums ist völlig sinnlos. Die Freiheit ist mit dem Begriff der Demokratie tatsächlich eng verknüpft; es muss aber betont werden, dass diese Freiheit in erster Linie die Freiheit des Volkes ist, von der dann die Freiheit der Bürger herrührt. Die Freiheit des Volkes (oder der Polis) begründet mit anderen Worten die Gleichheit der individuellen politischen Rechte, das heißt der Rechte, die die Individuen, sofern sie Bürger sind, ausüben. Die Freiheit setzt nämlich die Unabhängigkeit als deren unerlässliche Bedingung voraus. Nun aber lebt der Mensch in der Gesellschaft. Eine individuelle Freiheit ist ohne kollektive Freiheit also nicht möglich. Bei den Griechen sind die Individuen frei, weil (und in dem Maße wie) ihr Stadtstaat frei ist. Und hierin steht er von vornherein der Auffassung des neuzeitlichen Liberalismus entgegen, wonach das Individuum vor der Gesellschaft existiert und somit der Mensch als Individuum an sich automatisch etwas mehr ist als der Bürger.

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Kommen wir zur nächsten Angelegenheit: Das antidemokratische (hier individualistische) Argument der "Inkompetenz des Volkes" und der "Diktatur der Zahl".

Die Voreingenommenheit für die "Kompetenz" ist äußerst unklar. Zunächst ist eine einseitige Definition der "Kompetenz" nicht vorhanden; sie kann recht unterschiedliche Formen annehmen. Es ist aber vor allem sehr gefährlich, die Kompetenz mit dem Wissen gleichzustellen, wie die antidemokratischen Kritiker es nahezu ständig tun. Max Weber deckte alles auf, was den Gelehrten und den Politiker voneinander trennt. Der Politiker bekleidet sein Amt nicht so sehr als Besitzer eines "Wissens"; er soll vielmehr entscheiden, welchem Ziel das Wissen eventuell dienen muss. Der Politiker ist kein Gelehrter, er ist ein Entscheidender. Der "inkompetente" Staatsmann ist keineswegs derjenige, der über wenig Wissen verfügt, sondern derjenige, der keine Politik festzulegen weiß.

Er muss zwar "Sachverständige" und "Techniker" um sich haben, selbst wenn diese nur die Mittel zu finden haben, die seine Entscheidungen verwirklichen sollen - und in diesem Sinne hat das politische Handeln mit dem Wissen schon zu tun. Sich mit Technikern und Experten umgeben ist eine Sache; sie aber mit der Festlegung der erreichenden Ziele zu betrauen ist eine ganz andere. Experten die Regierungsgeschäfte anvertrauen zu wollen heißt die Tatsache übersehen, dass die politischen Entscheidungen sowohl Interessenkonflikte als auch eine Vielzahl von Möglichkeiten in sich schließen; daher müssen die Urteile der Experten überprüft und bewertet werden können. Unsere Zeit aber, die sozusagen dem Mythos der Zielsetzung durch das "technische Wissen" unterworfen ist, vergisst immer mehr diese Realität. Angesichts der operativen Rolle der Experten kommen wir sehr schnell dazu, eine Technokratie zu legitimieren.

Unter dem Vorwand, dass die wachsende Komplexität der öffentlichen Angelegenheiten die Politiker in die notwendige Abhängigkeit der "Wissenden" bringt, wird das Volk um seine Souveränität gebracht, und der eigentliche Begriff der Politik geht damit in Rauch auf. Wir dürfen vor allem - und erneut - nicht vergessen, dass das Wissen auf einem bestimmten Gebiet keine prinzipielle Kompetenz verleiht, eine Politik im besagten Bereich zu bestimmen. Jacques Maritain äußerte in diesem Zusammenhang: "Wenn eine Demokratie zerfällt, wird die Politik zum Erbteil einer Oligarchie von Spezialisten". Die Rutschgefahr ist um so größer, als der Techniker auf Grund seiner Ausbildung selbst die Illusion pflegt, dass es möglich ist, nicht nur Mittel, sondern auch die Ziele des politischen Handelns rational und "objektiv" zu bestimmen.

-jmw-
29.12.2006, 21:17
keine gute idee, die durchsetzung von regeln (noch mehr als heute schon) der privaten initiative zu überlassen. man muß nämlich sehr stark sein, um sich einen dem entsprechend schwachen staat leisten zu können.
Was heisst "sehr stark"?
Wie stark wäre das denn?


Der Stärkere ist aber nicht unbedingt immer im Recht, und deshalb kann es nicht allein Privatsache sein die allgemeinen Regeln durchzusetzen.
Folgt das eine zwingend aus dem anderen?
Der Stärkere ist nicht immer im Recht, okay, das stimmt.
Entsprechend sollte man dafür sorgen, dass in Konflikten die, die im Recht sind, möglichst stark sind.
Aber warum folgt daraus, dass man die Durchsetzung nicht Privaten überlassen kann?
Und es geht noch weiter:
Wenn man die Durchsetzung NICHT Privaten überlässt und an einen Staat delegiert, dann ist dieser der Stärkste - und muss bei dem, was er durchsetzt, nicht immer im Recht sein.
Wir haben also die Wahl zwischen vielen kleinen Recht-der-Unrecht-Habern und einem grossen Recht-oder-Unrecht-habenden Gewaltmonopol.


In einer solchen Gesellschaft wäre nur der Starke frei und das wollen wir doch auch nicht. Oder?
Wir wollen, dass die, die im Recht sind, gleichzeitig die "Starken" sind und sich durchsetzen können.

mfg

-jmw-
29.12.2006, 21:26
jmw's Freiheitsdefinition ist eine durch und durch liberalistische bis anarchistische Definition nach Stirners Modell.
Dem widerspreche ich.
Erstens war m.E. Stirner weniger Liberaler oder Anarchist in einem politischen Sinne als vielmehr "nur" Stirner;
zwotens ist entsprechend seine Freiheitsdefinition wenig rechtstheoretisch;
und drittens hänge ich ihr schlichtweg nicht an. :)

Stirner war ein grossartiger Sprachkritiker bzw. Phrasenentlarver, aber nicht eines meiner politischen Vorbilder.

Wenn schon ich in puncto Freiheitsdefinition eingeordnet werden muss, dann bin ich Bouillonist:
"Eine Person genießt individuelle Freiheit, solange sie – in eine Doppelwahlsituation gestellt – eine negative Metawahl treffen darf, ohne dabei künstliche Folgekosten Dritter, die sich auf ihren privaten Handlungsspielraum auswirkten, erwarten zu müssen."
:]



Die "Freiheit" eines Individuums-ohne-Zugehörigkeit, eines nicht-eingefügten Individuums ist völlig sinnlos.
Wenn sie ohne Sinn ist, wie kannst Du sie dann als "Freiheit-als-Autonomie" beschreiben?
Ist Autonomie sinnlos?
Warum?

mfg

Waldgänger
30.12.2006, 15:26
Wenn schon ich in puncto Freiheitsdefinition eingeordnet werden muss, dann bin ich Bouillonist:
"Eine Person genießt individuelle Freiheit, solange sie – in eine Doppelwahlsituation gestellt – eine negative Metawahl treffen darf, ohne dabei künstliche Folgekosten Dritter, die sich auf ihren privaten Handlungsspielraum auswirkten, erwarten zu müssen." :]

Ja, nu gut, dann ist damit aber klargestellt, dass es nicht "die" Freiheit gibt, sondern zwei verschiedene Definitionen von Freiheit. Die antike und die liberale Definition. Wobei ich eindeutig ersterer angehöre.



Wenn sie ohne Sinn ist, wie kannst Du sie dann als "Freiheit-als-Autonomie" beschreiben?
Ist Autonomie sinnlos?
Warum?

mfg

Völlige Autonomie ist individualistische Träumerei, Freiheit braucht immer Gemeinschaft.

-jmw-
30.12.2006, 16:47
Ja, nu gut, dann ist damit aber klargestellt, dass es nicht "die" Freiheit gibt, sondern zwei verschiedene Definitionen von Freiheit.
Zwei, vier, acht, vierzehnhundertzweiundfünfzig...
"Freiheit" ist das, was ich als solches definiere, wobei es mehr (Bouillons z.B.) und weniger ("Einmal Freiheit mit Majo bitte!") sinnvolle Diskussionen gibt.
Ich kann mich an mindestens 95 Gelegenheiten erinnern, bei denen ich das bereits erwähnte. :)


Die antike und die liberale Definition. Wobei ich eindeutig ersterer angehöre.
Antike aristotelische, antike platonische, liberale, kommunistische, nationalsozialistische, demokratische . . .


Völlige Autonomie ist individualistische Träumerei, Freiheit braucht immer Gemeinschaft.
Und das schreibst Du trotz der obigen Feststellung, es gäbe mehrere Freiheitsdefinitionen? ?)

Nach meiner ist z.B. Robinson Crusoe völlig frei.
Das allein mag nicht ausreichen, mir reichte es nicht;
aber für alles andere mag man dann eben andere Begriffe benutzen.
"Freiheit" ist übrigens, wo wir beim Begriffsausdeuteln sind, auch weder Selbstbestimmung noch Selbstverwirklichung.

mfg