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Vollständige Version anzeigen : Der Liberalismus - die letzte totalitäre Ideologie



Beverly
24.11.2006, 11:36
Die modernen Totalitarismen

In der Moderne, insbesondere im 20. Jahrhundert, haben drei Totalitarismen auf sich aufmerksam gemacht:

1. Staatssozialismus, Stalinismus
2. Faschismus
3. Liberalismus (wird immer gern "vergessen" :D )

Ich selbst, Jahrgang 1962, habe keine der drei Totalitarismen "in voller Aktion" erlebt. Doch das, was sie anrichten, kenne ich nicht nur aus Büchern und Artikeln, sondern auch aus Berichten von Freunden, Bekannten, der Familie und aus nicht wenigen Begegnungen mit Apologeten einer der drei Ideologien.
Offiziell sind sich alle drei spinnefeind und ihre Vertreter drohen sich im Internet schon mal mit dem Aufhängen :) ach ja und unsere Liberalen können doch überhaupt kein Wässerchen trüben. Doch ich habe den Verdacht, dass Stalinismus, Faschismus und Liberalismus nur verschiedene Erscheinungsformen ein und desselben Totalitarismus sind. Sozusagen die gleiche Milch derselben gelbrotbraun gefleckten Kuh - diese "Milch" ist allerdings hochgradig kontaminiert und an ihr sind schon Millionen krepiert.
Derzeit dreht der Totalitarismus in seiner "liberalen", "neoliberalen", "liberalkonservativen" Erscheinungsform mächtig auf. Das Schlimme daran ist, dass er zumindest in Deutschland seinen Höhepunkt noch nicht erreicht hat und die Gefahr besteht, dass nach seinem Zusammenbruch nichts besser wird, sondern der Totalitarismus in seiner "rechten" oder "linken" Erscheinungsform weiter macht. Das 21. Jahrhundert verkommt so zum Remake des 20., ohne irgendeine Verbesserung.

Gemeinsamkeiten aller drei Totalitarismen

1. Die Pervertierung einer Idee

Das Treiben der Nazis hat mit "Nation" nur insofern etwas zu tun, als sie diese gründlichst gegen die Wand gefahren haben - kulturell, geistig, politisch, militärisch. Was Stalin veranstaltete, entsprach IMHO mehr großrussischem Chauvinismus als einem noch so krudem und schon unter Lenin repressivem Sozialismus. Die "Liberalen" unserer Tage sind alles mögliche, nur nicht im klassischen, individualistischem Sinne liberal.

2. Massenmord

Leider beließen es alle drei Totalitarismen nicht dabei, bezüglich der Beziehung von Theorie und Praxis zu versagen, sie brachten dabei Millionen ins Massengrab.
Die Morde der Nazis sind am besten erforscht und von Stalin und Mao nimmt man an, dass sie wie Hitler Millionen Menschen auf dem nicht vorhandenen Gewissen haben.
Die Apologeten bürgerlich-liberaler Gesellschaften tun gerne so, als ob ihr System niemandem auf dem Gewissen hat. In Westeuropa und Nordamerika glaubt man ihnen das auch - das liegt aber nur daran, dass die Massenmorde woanders veranstaltet werden. Die Franzosen haben in den 1950er und 1960er Jahren in Algerien Millionen Menschen ermordet oder in KZs gesperrt. Derartige koloniale und nachkoloniale Massaker gab es reichlich. Die Schuld daran ausschließlich auf lokale Tyrannen und Warlords zu schieben, ist nicht sehr hilfreich - schließlich werden diese Tyrannen nur zu oft von westlichen "Demokratien" ausgehalten. Die Staaten, in denen sie wüten, sind (Kunst-)Produkte des Kolonialismus, v. a. in Afrika mit verheerenden Auswirkungen.

3. Der Apparat

Bei Faschismus und Stalinismus ist es offenkundig, dass sich die Systeme über einen krebsartig wuchernden Apparat von Staat und Staatspartei definieren. Im Extremfall definieren sich Klassen dann nicht, wie im bürgerlichen Kapitalismus, über die Beziehung zu den Produktionsmitteln sondern über die Beziehung zu diesem Staatsapparat. Siehe die Nomenklatur im Staatssozialismus oder die NS-Funktionäre und -Elite im Dritten Reich.
Lustigerweise fordern "Liberale" dagegen den "schlanken Staat" und privatisieren, was das Zeug hält. Doch sie bauen den Apparat nicht ab, sondern verlagern ihn von der öffentlichen, staatlichen, zumindest formal verantwortlichen Sphäre auf die private, dem Markt unterworfene und jeder Verpflichtung am Gemeinwesen entzogene Sphäre. Die Bürokratie wächst und gedeiht auch in ihrem System, nur gönnen sich die Manager offen und ungeniert Gehälter, die alles übertreffen, was selbst Spitzenfunktionäre in einem etatistischem System verdienen.
Ach ja, die nagende Angst der "kleinen Leute", beim Apparat in Ungnade zu fallen, aus dem System rausgekickt zu werden, ist im "Liberalismus" nicht weniger präsent als im Faschismus oder Stalinismus.

4. Die Säuberungen

"Es gibt nichts Schmutzigeres als Säuberungen" - und in allen drei Totalitarismen werden sie mit Feuereifer praktiziert. Sie richten sich auch und insbesondere auf "Abweichler" in der eigenen politischen Strömung. Stalin hat vermutlich mehr Kommunisten umbringen lassen als irgendein Antikommunist. Sowohl Bucharin - Sozialismus in der SU aufbauen - als Trotzki - Export der Revolution - mussten dran glauben und noch der DDR wurde vorgeworfen, die Leute besonders zu verfolgen, die "auf der eigenen Linie links" waren.
Zu Hitlers ersten Aktionen gehörte es, im "nationalen" Lager die umbringen zu lassen, die von seiner Linie abwichen. Gregor Strasser, General Schleicher und Röhm, Otto Strasser war im Exil, Ernst Niekisch meines Wissens im Gefängnis.

So etwas Schlimmes tun die Liberalen natürlich nicht :) - nein sie gehen subtiler vor :rolleyes: So hat im Falle der FDP Möllemann zu den "Altliberalen" gesagt, sie sollten verschwinden. Als dann sein Projekt einer rechtspopulistischen Volkspartei - "Projekt 18" - in den Bundestagswahlen 2002 scheiterte, war er es dann, der verschwand :rolleyes:
Noch mehr "gesäubert" wurde bei den Grünen. Diese Partei, die zu ihren besten Zeiten quer zu allen Ideologien lag und von "sehr deutsch" bis linksradikal-utopisch alles war, war wohl nie eine klassisch bürgerlich-liberale Partei. Aber sie pflegte immer einen radikalen Individualismus und setzte sich für die Gleichberechtigung von Frauen, Homosexuellen und Einwanderern ein.
Doch gerade hier mobbten die "Realos" - unschwer als in der Wolle gefärbte Neoliberale zu erkennen - nach und nach alle anderen Strömungen heraus. In den 1980ern die Fundis, für die Namen wie Jutta Dithfurt standen. Das Agieren an der Regierung 1998 bis 2002 dürfte die Geduld vieler Grünen-Mitglieder schon arg strapaziert haben und mit der Zustimmung der Grünen zur "Agenda 2010" wurde wohl der letzte Linke rausgemobbt.
Im Falle "liberaler" Säuberungen darf man nicht vergessen, dass sie sich primär in der Wirtschaft abspielen. Der Satz "im Neoliberalismus gibt es keine Mittelschicht mehr" sollte eigentlich bei den bürgerlichen Trägern - echter - liberaler Ideen die Alarmglocken schrillen lassen. Ich bin mir sicher, dass vieles, was "liberale" Ideologen ihrer bürgerlichen Klientel aufschwatzen, zum - geplanten und gewollten? - wirtschaftlichen Ruin dieser Klientel führen wird. Plötzlich sehen sich Hausbesitzer in Verhandlungen mit ihren erwerbslosen Mietern verwickelt, weil diesen das Job-Center aufgetragen hat, eine Mietsenkung zu erreichen. "Hartz IV ist in der Mittelschicht angekommen" - sollte es da hin?

5. Die Protagonisten der drei Totalitarismen

Am erschreckendsten ist die Art und Weise, wie viele Protagonisten einer totalitären Ideologie ihre bis dato mit Feuereifer vertretenen Überzeugungen "wechseln" können, aber ohne ihre totalitäre Einstellung überwunden zu haben.
Immer wieder werden Anekdoten von strammen Nazis erzählt, die - kaum waren sie im Machtbereich der Roten Armee - zu strammen Kommunisten wurden. Bei den PGs im Westen hatte ich oft mehr Verständnis dafür, dass sie auf Hitler und die Illusion von Größe, Volksgemeinschaft und vorgeblich heiler Welt reingefallen waren (wer wurde nicht schon mal von Politikern verarscht?) als dass sie nach 1945 in einer BRD Karriere machten, die in allem die Antithese zu ihren vorherigen Überzeugungen war.

In der BRD haben bei SPD und Grünen viele Linke Karriere gemacht, in dem sie zu Apologeten und Vollstreckern neoliberaler Politik wurden - der Name Gerhard Schröder steht für unzählige andere.
Ein Grüner sagte einmal, die ehemals in stalinistischen K-Gruppen aktiven Grünen seien am weitesten nach rechts gerückt. Mit dem gleichen Dogmatismus, mit den sie früher stalinistische Diskurse führten, führten sie nun neoliberale Diskurse. Passt ja: immer stramm die "Parteilinie" vertreten und Andersdenkende nach alles Regeln der Kunst vorführen und diffamieren - Inhalte sind da austauschbar.
Was wird eigentlich aus den Mittelstands-Krautern, wenn im Zuge der Globalisierung ihre Unternehmen den Bach runtergegangen sind und sie merken, dass bei FDP und Union ihre wirtschaftlichen Interessen nicht gut aufgehoben waren? Wie vor 1933 die Träger eines Faschismus??

Fazit: heute rot, morgen gelb, übermorgen braun - anythin goes :rolleyes:

6. Nach dem Totalitarismus - vor dem Totalitarismus?

In der BRD gruselt mich nicht nur der gegenwärtige "liberale" Totalitarismus, sondern auch das, was auf ihn folgen könnte. Gerade unter der Annahme der Austauschbarkeit totalitärer Ideologien kann der Umschlag von "liberal" in faschistisch oder stalinistisch schnell erfolgen. Was die Pseudoliberalen den Menschen an Freiheit noch nicht nehmen konnten, rauben ihnen dann das Nachfolgesystem.

Die potenziellen Nachfolger

Nationalismus:

An ihm stört mich das Beharren auf weitgehender ethnischer Homogenität - der Zug ist abgefahren! "Nation" kann ich mir eigentlich nur als durch Geschichte und Kultur definiertes Gemeinwesen vorstellen, nicht als auf Gedeih und Verderb zusammengeschweißte "Schicksalsgemeinschaft". Erträglich sind nur jene Nationalisten, die im allgemeinen und auch im Sozialen jene Gemeinwesen-Orientierung haben, dien den "Liberalen" vollständig abhanden gekommen ist.

Sozialismus:

Theoretisch die Ideologie der "kleinen Leute", nur hat sie diesbezüglich in der Praxis jämmerlich versagt. So genannte "Sozialisten" haben nach 1945 einen Teil meiner Familie aus den Ostgebieten vertrieben - anstatt, wie es sich für Genossen gehört, sie an Ort und Stelle in einem Sozialismus zu lassen, der diesen Namen verdient.
So verführerisch die Idee ist, im noch nicht eingetretenen Extremfall mit einem erneuten Sturm auf das Winterpalais die Notbremse zu ziehen, so sehr graust mir vor einem Remake eines gescheiterten Systems.

7. Abhilfe?

Als der britische Philosoph Popper 1940 glaubte, angesichts eines vom Dritten Reich und der Sowjetunion beherrschten Europas sei es mit der Freiheit bald vorbei, entwickelte er die Weltsicht des kritischen Rationalismus, nachzulesen in "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde".
Ich bin zwar der Meinung, er hat bei den Feinden der "offenen Gesellschaft" den Liberalismus sträflich ignoriert, finde das Konzept der "offenen Gesellschaft" (sofern es nicht zur Beliebigkeit verkommt) aber besser als ein auf der Vorherrschaft einer Ideologie basierendes Gemeinwesen.

Die "offene Gesellschaft" stelle ich mir so vor, dass man vom Liberalismus seine Ablehnung der Bevormundung des Individuums durch Staat, Staatsideologie, patriarchale Familie, gesellschaftliche Zwänge nimmt und den Rest - seine Asozialität ("there is no such thing as society"), die idiotischen ökonomischen "Theorien", den Wahn vom "Eigentum, Eigentum über alles" und den Unfug von schrankenloser "wirtschaftlicher Freiheit" - ein für allemal auf die Müllkippe der Geschichte schmeißt.
Sozialismus kann man dann ohne Staatspartei und Staatsideologie praktizieren und die "Nation" beschränkt sich auf Geschichte, Sprache und Kultur.

KrascherHistory
24.11.2006, 11:54
Das 1. hast du doch wohl miterlebt, als Bj. 1962 !
"Auswüchse" eines Liberalismus hast du in einer freien Marktwirtschaft (Heuschrecken).

Faschismus = Nazi-Zeit !

Waldgänger
24.11.2006, 12:35
Erstmal: Nationalismus ist keine Ideologie, sondern ein natürliches Empfinden, übersetzt Volksliebe. Desweiteren war der "Sozialismus" in Wirklichkeit gar keiner, sondern übler Staatskapitalismus und somit ist sein Scheitern ein Teil des kapitalistischen Systems innerhalb der Zweiten Industriellen Revolution. Richtig erkannt wurde, dass der Liberalismus eine pure Ideologie ist und notwendigerweise durch seinen Universalanspruch zum Totalitarismus ausarten muss. Ich sehe nichts positives am politischen Liberalismus. Der Kapitalismus ist doch erst durch den politischen Liberalismus entstanden, dank der Idee des durch die - vermeintlich "natürlichen" - Marktgesetze angetriebenen Individuums, (=Individualismus). Der Kollektivismus ist nur die andere Seite der selben Medaille.

Rheinlaender
24.11.2006, 12:38
Als der britische Philosoph Popper 1940 glaubte, angesichts eines vom Dritten Reich und der Sowjetunion beherrschten Europas sei es mit der Freiheit bald vorbei, entwickelte er die Weltsicht des kritischen Rationalismus, nachzulesen in "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde".
Ich bin zwar der Meinung, er hat bei den Feinden der "offenen Gesellschaft" den Liberalismus sträflich ignoriert, finde das Konzept der "offenen Gesellschaft" (sofern es nicht zur Beliebigkeit verkommt) aber besser als ein auf der Vorherrschaft einer Ideologie basierendes Gemeinwesen.

Eine liberale Gesellschaft hat als ideologische Grundlage die Freiheit jedes Einzeln, Kernpunkt ist nicht die Gruppe (sei es eine Religion, Rasse, Nation oder was sonst), sondern der Einzlene und seine Freiheiten; z. B. Deine Freiheit in Frauenkleidern herumzulaufen.

Es gibt nun, schon ganz offensichtlich hier im Forum, aber auch in der "realen Welt" genug Menschen, die nicht den Einzeln, sondern ihre Gruppe (eben Nation, Religion, Klasse etc.) in den Mittelpunkt ihres Denkens stellen. Damit beschneiden sie aber automatisch die Freiheiten des Einzeln, denn dieser wird nun nicht mehr gewertet nach seinen persoenlichen Eigenschaften, sondern nach seiner Gruppenzugehoerigkeit: Ich will keinen Juden oder Katholiken oder Tuerken oder Protestanten oder Transvestiten oder Unternehmer .... (beliebig fortzustetzen) in meiner Firma, Nachbarschaft, Staat, Gesellschaft etc. dulden.

Wenn solche Menschen die Gewalt im Staat uebernehmen, ist Freiheit gestorben, da diese nun sich ueber besagte Gruppenzugehoerigkeit definiert. Es ist also im Interesse der Freiheit zu verhindern, dass solche Menschen diese Gewalt im Staate erlangen koennen - oder auch nur Einfluss. Hierfuer muss, als logische Konsequenz eben die Freiheit solcher Menschen eingeschraenkt werden.


Die "offene Gesellschaft" stelle ich mir so vor, dass man vom Liberalismus seine Ablehnung der Bevormundung des Individuums durch Staat, Staatsideologie, patriarchale Familie, gesellschaftliche Zwänge nimmt und den Rest - seine Asozialität ("there is no such thing as society"), die idiotischen ökonomischen "Theorien", den Wahn vom "Eigentum, Eigentum über alles" und den Unfug von schrankenloser "wirtschaftlicher Freiheit" - ein für allemal auf die Müllkippe der Geschichte schmeißt.

Thatcher trat nie als "Liberalere" an; sie war und ist Mitglied der Tories, der Konservativen; sie war eben in ihrem Gesellschaftbild nicht liberal, wie z. B. die berueht-beruechtigte Section 28 zeigte.

Es gibt auch eine andere Seite des Liberalismus, der eben sagt, dass die Freiheitsrechte nur in einer Gesellschaft beschuetzt werden koennen, dass eben Freiheit nichts wert ist, wenn man nichts zum beissen hat, dass eben die Freiheit der Entscheidung der breiten Masse durch gewisse Beschraenkungen der Freiheit von Kapitaleigenthuemern gewaehrleistet werden kann. Hier ist natuerlich der Uebergang zur Sozialdemokratie fliessend.

Katukov
24.11.2006, 12:41
Interessanterweise versucht jede dieser 3 Richtungen, die jeweils anderen beiden gleichzusetzen. Der Liberalismus setzt Faschismus und Sozialismus über die Totalitarismustheorie gleich. Der Faschismus behauptet Sozialismus und Liberalismus wären beide ähnliche Werkzeuge des Juden zur Beherrschung der Welt. Der Sozialismus erklärt den Faschismus zum Produkt des Liberalismus.

Rheinlaender
24.11.2006, 12:42
Erstmal: Nationalismus ist keine Ideologie, sondern ein natürliches Empfinden, übersetzt Volksliebe.

"Natuerlich"? Schwachsinn: Die Nation im modernen Sinne gibt es seit gut 200 Jahren -was soll daran natuerlihc sein. Die Nation ist von Menschen gemacht, wie jede andere Institution - vielleicht sinnvoll, oder auch nicht; aber auch nicht mehr.

Wie soll ich ein "Volk" lieben? Ich liebe vielleicht einen Menschen, vielleicht auch mehrere Menschen die mir nahe stehen, aber ich liebe keine 80 Mio. Menschen.

Frei-denker
24.11.2006, 12:51
Alle drei Diktaturen haben gemeinsam, daß sie die Macht über die Bevölkerung zu erringen suchen, um diese unfrei zu machen.

Die Alternative zu solchen Diktaturen scheint mir eine Direktdemokratie, in der die Bevölkerung zusätzlich die Kontrolle über die Produktionsmittel inne hat. Praktisch eine Emanzipation der Bevölkerung gegenüber Machtminderheiten.

Es müßte also einerseits unsere politische Kaste entmachtet werden und die Kaste der Kapitalisten. Beides scheint mir aktuell aber nahezu unmöglich.

Von daher steuert unser Land auf eine Kapitalisten-Diktatur zu, die den Begriff "Liberal" inflationär verwendet.

Katukov
24.11.2006, 13:02
Wie findet ihr mein Bild, das ich mal gemalt habe?

http://img95.imageshack.us/img95/3254/ekobsib4.gif

Rheinlaender
24.11.2006, 13:14
Wie findet ihr mein Bild, das ich mal gemalt habe?

Trifft die Sache gut - ich wuerde nur den Fuehrerkult in Klammern setzen, man findet ihn zwar sehr haeufig, er ist aber nicht notwendig. Weder Honnecker, noch Berschnjew taugten wirklich fuer einen Fuehrerkult. ;-)

Beverly
24.11.2006, 16:31
Desweiteren war der "Sozialismus" in Wirklichkeit gar keiner, sondern übler Staatskapitalismus und somit ist sein Scheitern ein Teil des kapitalistischen Systems innerhalb der Zweiten Industriellen Revolution.


Ein Freund von mir vertritt die Hypothese, dass die westliche Bourgeoisie den Ostblock-Sozialismus absichtlich so inszeniert und zum Scheitern gebracht hat, dass er die Idee einer Alternative zum Kapitalismus auf Jahrhunderte hinaus diskreditiert hat. Ich bin bei Verschwörungstheorien eigentlich skeptisch, muss aber sagen, dass der "real existierende Sozialismus" so viele Fehler gemacht hat, dass die Vermutung einer Verschwörung legitim ist. Lenin war schon schlimm genug, aber er hat auch einiges richtig gemacht. Doch unter Stalin ging es los:

1. anstelle der avantgardistischen Kultur unter Lenin kam der "sozialistische Realismus"
2. Bestrebungen zu sexueller Emanzipation wurden abgewürgt, so flog meines Wissen der Psychologe Reich aus der KPD
3. unter Lenin gab es eine wolgadeutsche Sowjetrepublik, Stalin hat sie im WK II aufgelöst und die Sowjetdeutschen nach Mittelasien deportiert
4. Lenin wollte nach dem Umsturz die Zentrale der Weltrevolution von Moskau nach Berlin verlegen; er sah Deutschland und die Deutschen als großen Gewinn für den Sozialismus an.
Stalin hatte 1945 die Chance, Ost- und Mitteldeutschland mitsamt vom Faschismus "geheilten" Deutschen im Sinne Lenins für den Sozialismus zu gewinnen. Sowjetdeutschland von Königsberg über Berlin bis Magdeburg hätte möglicherweise den Kalten Krieg gegen Westdeutschland gewonnen. Was Stalin stattdessen mit Deutschland gemacht hat, ist bekannt.
5. Zwangskollektivierung der Landwirtschaft und Massenmorde, gerade auch an den eigenen Genossen.
6. Der Export des Sozialismus in andere Länder war ein einziger Misserfolg. Da, wo die Rote Armee die Genossen nicht auf Linie hielt, wandten sie sich nur zu oft gegen die SU - siehe Jugoslawien und China.
7. Der Enteignungswahn auch gegenüber nicht akkumulationsfähiger Kleinwirtschaft hatte so groteske Ausmaße, dass es z. B. in ganzen Landstrichen keine gescheiten Gaststätten gab. Ein Freund erzählte mir mal, wie er im damals noch sowjetischen Baltikum sozusagen auf der Suche nach einer Kneipe herumirrte.8. Dubcek versuchte durch gesellschaftliche Liberalisierung dem Sozialismus neues Leben einzuhauchen - prompt wurde er von der SU abgesetzt.
9. Chruschtschow versuchte, sich von Stalinismus zu lösen (obwohl ich ihn als Mit-Bauherr der Mauer nicht mag) - er wurde abgesetzt. Gorbatschow versuchte auch, aus dem Sozialismus noch etwas zu machen - der Apparat ließ ihn ins Leere laufen.
10. In der DDR wurden alle rausgemobbt, die wirklich an den Sozialismus glaubten - demonstriert durch die Ausbürgerung des damals noch linken Wolf Biermann
11. Zeitweise schimpften sich große Teile der Dritten Welt "sozialistisch", doch trotz des Siegeszuges des Sozialismus in tropischen und subtropischen Ländern scheint im Ostblock nicht einmal die Versorgung mit Südfrüchten geklappt zu haben. Sozusagen alles Banane :rolleyes:

Beverly
24.11.2006, 16:54
Interessanterweise versucht jede dieser 3 Richtungen, die jeweils anderen beiden gleichzusetzen. Der Liberalismus setzt Faschismus und Sozialismus über die Totalitarismustheorie gleich. Der Faschismus behauptet Sozialismus und Liberalismus wären beide ähnliche Werkzeuge des Juden zur Beherrschung der Welt. Der Sozialismus erklärt den Faschismus zum Produkt des Liberalismus.

Meines Erachtens sieht das hinsichtlich der Rolle zentraler Akteure so aus:

STALINISMUS/STAATSSOZIALISMUS

Politische Elite: Ein-Personen-Herrschaft, seltener "kollektive Führung"
Politisches System: Einparteienstaat
Produktionsmittel: in Staatsbesitz
Arbeiterbewegung, Gewerkschaften: in das System inkorporiert
Massenmedien: in Staatsbesitz
Ideologie: Humanismus, Fortschrittsgedanke, Primat der Gleichheit

FASCHISMUS


Politische Elite: Führerstaat
Politisches System: Einparteienherrschaft
Produktionsmittel: verbleiben in Privatbesitz, die Faschisten schreiben sich den Schutz des Privateigentums an Produktionsmitteln auf ihre Fahnen
Arbeiterbewegung, Gewerkschaften: werden zerschlagen
Massenmedien: entweder in Staatsbesitz oder sie unterliegen der Zensur
Ideologie: extremer Nationalismus, auch Rassismus und Imperialismus, Ungleichheit der Menschen wird als gegeben angenommen

LIBERALISMUS

Politische Elite: Oligarchie, schnell wechselnde und nicht sehr mächtige Politiker an der Spitze
Politisches System: Mehrparteienstaat
Produktionsmittel: in Privatbesitz
Arbeiterbewegung, Gewerkschaften: werden zerschlagen. Westerwelle: Die Gewerkschaften sind eine Plage!
Massenmedien: in Privatbesitz, keine staatliche Zensur, dafür inhaltliche Gleichschaltung durch Konzentrationsprozesse
Ideologie: nicht nationalistisch und auch nicht rassistisch, doch imperialistischen Abenteuern nicht abgeneigt, wenn es etwas zu verdienen gibt, Betonung von Ungleichheit

Haloperidol
24.11.2006, 17:34
Liberalismus hat wenigstens dabei den Vorteil, dass diese Menschen ihre eigene Mutter verkaufen würden, wenn sie dabei genug Gewinn machen würden, daher wird es, sobald es eine Gruppe gibt, die finanziell interessant erscheint, auch jemand geben, der diese Gruppe ausnutzen will, und sich somit auch Medien für diese Menschen herausbilden. Insofern sehe ich die Medien, vor allem durch die eher durchwachsene Besitzerstruktur, durchwegs als frei.

Beverly
24.11.2006, 19:07
Eine liberale Gesellschaft hat als ideologische Grundlage die Freiheit jedes Einzeln, Kernpunkt ist nicht die Gruppe (sei es eine Religion, Rasse, Nation oder was sonst), sondern der Einzlene und seine Freiheiten; z. B. Deine Freiheit in Frauenkleidern herumzulaufen.

Es gibt nun, schon ganz offensichtlich hier im Forum, aber auch in der "realen Welt" genug Menschen, die nicht den Einzeln, sondern ihre Gruppe (eben Nation, Religion, Klasse etc.) in den Mittelpunkt ihres Denkens stellen. Damit beschneiden sie aber automatisch die Freiheiten des Einzeln, denn dieser wird nun nicht mehr gewertet nach seinen persoenlichen Eigenschaften, sondern nach seiner Gruppenzugehoerigkeit: Ich will keinen Juden oder Katholiken oder Tuerken oder Protestanten oder Transvestiten oder Unternehmer .... (beliebig fortzustetzen) in meiner Firma, Nachbarschaft, Staat, Gesellschaft etc. dulden.

Wenn solche Menschen die Gewalt im Staat uebernehmen, ist Freiheit gestorben, da diese nun sich ueber besagte Gruppenzugehoerigkeit definiert. Es ist also im Interesse der Freiheit zu verhindern, dass solche Menschen diese Gewalt im Staate erlangen koennen - oder auch nur Einfluss. Hierfuer muss, als logische Konsequenz eben die Freiheit solcher Menschen eingeschraenkt werden.



Thatcher trat nie als "Liberalere" an; sie war und ist Mitglied der Tories, der Konservativen; sie war eben in ihrem Gesellschaftbild nicht liberal, wie z. B. die berueht-beruechtigte Section 28 zeigte.

Es gibt auch eine andere Seite des Liberalismus, der eben sagt, dass die Freiheitsrechte nur in einer Gesellschaft beschuetzt werden koennen, dass eben Freiheit nichts wert ist, wenn man nichts zum beissen hat, dass eben die Freiheit der Entscheidung der breiten Masse durch gewisse Beschraenkungen der Freiheit von Kapitaleigenthuemern gewaehrleistet werden kann. Hier ist natuerlich der Uebergang zur Sozialdemokratie fliessend.

1. Die Freiheit des Einzelnen zu betonen ist richtig. Doch der Einzelne will zwar frei, aber selten allein und ohne Lebensziel sein. Du spieltest auf die Freiheit von Transvestiten an und hast sie in einen Gegensatz zu Gemeinschaft betonenden Ideologien gebracht. Das ist richtig, sofern diese Ideologien reaktionär und repressiv sind.
Doch andererseits ist es so, das die Menschen die sich als schwul, lesbisch, bisexuell, Transe definieren, sich selbst ihre eigene Gemeinmschaft - neudeutsch Community - geschaffen haben. Die seit den 1960er Jahren erreichte Freiheit mündete hier also in - freiwilliger - Gemeinschaft.
Nur so kann Freiheit funktionieren - der Mensch ist nicht gern unterdrückt, aber er ist auch nicht gern allein.

2. Freiheit kann es nur geben, wenn die Menschen frei von Existenzängsten sind, ihre Grundbedürfnisse gesichert sind. Das sehe ich auch so, nur haben die "Liberalen" dieser Tage diese Einsicht vollständig vergessen. O-Ton FDP - jeder soll selbst für seine Gesundheit sorgen und hat dann bei der frei und eigenverantwortlich zu zahlenden Arztrechnung die freie Wahl zwischen Nervenzusammenbruch und Herzschlag :rolleyes:

3. An den "Liberalen", die derzeit die Diskurse beherrschen, stört mich fast am meisten, das, was ihnen folgen könnte. Eine andere Userin warf ihnen vor, als Wegbereiter für Rechtsextreme zu fungieren - ich halte das zumindest für möglich.

-jmw-
24.11.2006, 19:45
Freiheit kann es nur geben, wenn die Menschen frei von Existenzängsten sind, ihre Grundbedürfnisse gesichert sind.
Naja... :)
"Freiheit" ist erstmal das, was man in den Begriff hineintut.
Das kann die Befriedigung von Grundbedürfnissen sein, muss es jedoch nicht.
Nehmen wir Robinson Crusoe - ist der frei oder ist er's nicht? Klar, er kann verhungern auf der Insel. Er wird aber auch von niemandem in seinem Tun behindert. Und er wird von niemandem in seinen Rechten eingeschränkt.
"Frei"?
Definitionssache.

mfg

Rheinlaender
24.11.2006, 19:54
1. Die Freiheit des Einzelnen zu betonen ist richtig. Doch der Einzelne will zwar frei, aber selten allein und ohne Lebensziel sein. Du spieltest auf die Freiheit von Transvestiten an und hast sie in einen Gegensatz zu Gemeinschaft betonenden Ideologien gebracht. Das ist richtig, sofern diese Ideologien reaktionär und repressiv sind.
Doch andererseits ist es so, das die Menschen die sich als schwul, lesbisch, bisexuell, Transe definieren, sich selbst ihre eigene Gemeinmschaft - neudeutsch Community - geschaffen haben. Die seit den 1960er Jahren erreichte Freiheit mündete hier also in - freiwilliger - Gemeinschaft.
Nur so kann Freiheit funktionieren - der Mensch ist nicht gern unterdrückt, aber er ist auch nicht gern allein.

Diese Gemeinschaft ist aber freiwillig - niemand ist gezwungen sich ihr einzuordenen. Es ist eben die freie Willensentscheidung des einzeln. In den 1960ern (mit dem alten Prgh. 175 noch in Kraft) und auch in den nachfolgenden Jahren gab es eine Art "Zwangsgemeinschaft" aus der gemeinsam erlebten Unterdrueckung heraus, aber das keine wirkliche Gemeinschaft auf freien Willen, sondern aus der Not heraus.

Wenn wir einmal bei der schwulen Szene bleiben, so hast z. B noch eine andere Gemeinschaft dieser Art in der "klassischen Phase" der schwulen Lederszene, die sich mit eigenen Communicationswegen, eigenen Moralvostellungen, eigenen Hierachien und sehr genauen Abgrenzungen untereinander definierte (diese Szene ist heute Geschichte, sie starb in den 1980gern; woertlich zu nehmen).


2. Freiheit kann es nur geben, wenn die Menschen frei von Existenzängsten sind, ihre Grundbedürfnisse gesichert sind. Das sehe ich auch so, nur haben die "Liberalen" dieser Tage diese Einsicht vollständig vergessen. O-Ton FDP - jeder soll selbst für seine Gesundheit sorgen und hat dann bei der frei und eigenverantwortlich zu zahlenden Arztrechnung die freie Wahl zwischen Nervenzusammenbruch und Herzschlag :rolleyes:

Volle Zustimmung: Ich habe deshlab auch Probleme, wenn sich die FDP als einzige liberale Kraft verkaufen will und ihre jeweilige Parteilinie als einzige Moeglichkeit darstellt "liberal" zu denken. Die britische Liberal-Demokratische Partei z. B. ist haeufig "links" von der regierenden Labour-Party, eben aus der Ueberlegung heraus, dass Freiheit auch ein Minimum an sozialer Absicherung benoetigt; sogar ein Minimum an sozialen Ausgleich, um einfach den Zusammenhalt der Gesellschaft zu gewaehrleisten.

Beverly
24.11.2006, 21:57
Naja... :)
"Freiheit" ist erstmal das, was man in den Begriff hineintut.
Das kann die Befriedigung von Grundbedürfnissen sein, muss es jedoch nicht.
Nehmen wir Robinson Crusoe - ist der frei oder ist er's nicht? Klar, er kann verhungern auf der Insel. Er wird aber auch von niemandem in seinem Tun behindert. Und er wird von niemandem in seinen Rechten eingeschränkt.
"Frei"?
Definitionssache.

mfg

Ich habe "Robinson Crusoe" gelesen. Er ist auf einer Insel gestrandet, die alles Notwendige zum Leben bietet und das sogar im Überfluss. Niemand hindert ihn daran, sich die Güter der Insel anzueignen, soweit ist er also frei. Doch die bloße Tatsache des Alleinseins macht aus seiner Freiheit Makulatur, denn dafür ist der Mensch nun mal nicht geschaffen. Zudem erhöht sein Alleinsein noch das Existenzrisiko, weil im Falle von Krankheit oder Verletzung niemand da ist, der für ihn sorgt. Die Freiheit auf der einsamen Insel gäbe es also nur für eine Gruppe von Menschen, die sich freiwillig zusammengefunden haben, um dort zu leben.

-jmw-
24.11.2006, 22:20
Doch die bloße Tatsache des Alleinseins macht aus seiner Freiheit Makulatur, denn dafür ist der Mensch nun mal nicht geschaffen.
Das stimmt wohl.
Nur heisst das bene nicht, dass er nicht doch frei (oder "frei") wäre.
Insofern stimme ich

Die Freiheit auf der einsamen Insel gäbe es also nur für eine Gruppe von Menschen, die sich freiwillig zusammengefunden haben, um dort zu leben.
nicht zu.
"Freiheit" heisst für mich: Im Rahmen von für alle sinnvoll gelten könnenden Regeln nicht gezwungen werden zu etwas.

Oder, kompliziert-philosophisch:
"Eine Person genießt individuelle Freiheit, solange sie – in eine Doppelwahlsituation gestellt – eine negative Metawahl treffen darf, ohne dabei künstliche Folgekosten Dritter, die sich auf ihren privaten Handlungsspielraum auswirkten, erwarten zu müssen." (Hardy Bouillon)

Das jedenfalls ist eine der möglichen Ausprägungen des liberalen Freiheitsverständnisses.

mfg

tommy3333
25.11.2006, 21:20
Trifft die Sache gut - ich wuerde nur den Fuehrerkult in Klammern setzen, man findet ihn zwar sehr haeufig, er ist aber nicht notwendig. Weder Honnecker, noch Berschnjew taugten wirklich fuer einen Fuehrerkult. ;-)
Bei Honnecker oder Breshnjew war es eher Parteienkult ("Die Partei, die Partei, die hat immer recht..."). Der propagandistische Zweck ist der Gleiche - nämlich zu verhindern, dass Entscheidungen der Partei bzw. des Führers überhaupt in Frage gestellt werden und kritisch damit umgegangen wird.

tommy3333
25.11.2006, 21:25
Wie findet ihr mein Bild, das ich mal gemalt habe?
Weitere Gemeinsamkeiten sind die Gehirnwäsche in den Schulen und die Unterordnung von Legislative, Executive und Judicative unter der (einen) Partei. Die Gehirnwäsche in den Schulen und die Gleichschaltung der Medien kann man auch unter "Propaganda" zusammenfassen.

PS:
An der Gewaltenteilung scheitert aber die These vom "totalitären Liberalismus".

Waldgänger
25.11.2006, 22:10
"Freiheit" heisst für mich: Im Rahmen von für alle sinnvoll gelten könnenden Regeln nicht gezwungen werden zu etwas.


Das jedenfalls ist eine der möglichen Ausprägungen des liberalen Freiheitsverständnisses.

mfg

Meiner Meinung nach eine Definition die durch die liberalistische Ideologie durchtränkt ist und die sich der Anarchismus zueigen gemacht hat. Freiheit bedeutet für mich die Möglichkeit haben etwas zu tun, oder besser gesagt: Freiheit-als-Anteilnahme. Freiheit definiert sich über den Begriff des Politischen. Umso größer meine Möglichkeiten sind an Entscheidungen teilzunehmen und mich einzubringen, desto freier bin ich. In der liberalistischen Gesellschaft brauch ich mich zwar nicht einbringen, aber bin ich deswegen frei? Nein, meine Möglichkeiten sind im Grunde rigoros beschränkt, von daher habe ich gar keine Chancen mich frei zu entfalten und bin daher unfrei.

Waldgänger
25.11.2006, 22:13
PS:
An der Gewaltenteilung scheitert aber die These vom "totalitären Liberalismus".

Wie billig ist das denn? Die Argumente werden auch immer aussagekräftiger. :))

-jmw-
26.11.2006, 12:46
Meiner Meinung nach eine Definition die durch die liberalistische Ideologie durchtränkt ist
Eine Definition des Begriffes "Freiheit" aus liberaler Sicht ist liberal.
Toll! :klatsch: :))


Freiheit bedeutet für mich
Eben.
Für Dich.
Freiheit 1, Freiheit 2, Freiheit 3.....
Es gibt keinen richtigen oder falschen Freiheitsbegriff, nur mehr oder weniger unsinnige.
Und eben drum nützt es wenig, sich um den Begriff zu streiten.


Freiheit-als-Anteilnahme
Ist dann und genau dann eine akzeptable Begriffsausdeutung, wenn sie konsequent und widerspruchsfrei durchgehalten werden kann.


aber bin ich deswegen frei? Nein
Nein, frei bist Du nicht.
Sagt ja auch keiner.
Der Liberalismus hat nix mit Freiheit zu tun.
Sondern mit Freiheit.
Also bist Du nicht frei, sondern frei.
Und unfrei.

Wüsste nicht, dass ich was anderes behauptet hätte.

mfg

tommy3333
26.11.2006, 13:28
Wie billig ist das denn? Die Argumente werden auch immer aussagekräftiger. :))
Wieso billig? Was ist denn "totalitär"? Totalitär heißt, dass alle (!) Macht in den den Händen weniger - also einer einzigen Partei oder einer einzelnen Person - konzentriert ist (die alleinige und absolute Macht) - also genau das Gegenteil von Gewaltenteilung. Dem steht aber die "Freiheit des Einzelnen" in Denken und handeln (durch Nichteinmischung des Staates) als Kern des Liberalismus entgegen. Man findet den Totalitarismus daher nur in Diktaturen.

-jmw-
27.11.2006, 15:30
Was ist denn "totalitär"? Totalitär heißt, dass alle (!) Macht in den den Händen weniger - also einer einzigen Partei oder einer einzelnen Person - konzentriert ist
Dem möchte ich widersprechen.
Totalitär kann auch heissen und heisst auch häufig, dass die Politik alle Lebensbereiche durchdringt bis weit in die Privatsphäre hinein.
Sie ist eben "total", also das Ganze des Gemeinwesens umfassend und nicht nur einen Teil desselben.
In diesem Sinne kann auch eine Demokratie totalitär sein.

mfg

Waldgänger
27.11.2006, 15:36
Jmw. Ich stimme Dir hier hundert pro zu.

-jmw-
27.11.2006, 16:14
Jmw. Ich stimme Dir hier hundert pro zu.
Das zeigt, dass Du Fortschritte machst. :) :))

Salazar
27.11.2006, 18:29
Der Faschismus behauptet Sozialismus und Liberalismus wären beide ähnliche Werkzeuge des Juden zur Beherrschung der Welt.

Der NS, nicht der Faschismus.

tommy3333
27.11.2006, 18:36
Dem möchte ich widersprechen.
Totalitär kann auch heissen und heisst auch häufig, dass die Politik alle Lebensbereiche durchdringt bis weit in die Privatsphäre hinein.
Sie ist eben "total", also das Ganze des Gemeinwesens umfassend und nicht nur einen Teil desselben.
In diesem Sinne kann auch eine Demokratie totalitär sein.

mfg
Nein, totalitäre Systeme fordern von jedem Einzelnen die aktive Unterstützung des herrschenden Systems bzw. der Machthaber unter Androhung von Repressalien, Gewalt oder Ausgrenzung oder auch mehreren von dem. Das Mittel zur Durchsetzung und der Kontrolle ist der "Gruppenzwang" z.B. in "Massenorganisationen", mit der totalitäre Systeme auch versuchen, Menschen im Sinne ihrer eigenen Ideologie zu formen. Den Zusammenhalt erreichen sie mit der Gruppendynamit in Verbindung mit Gehirnwäsche (Führer- oder Parteienkult und u.a. solcher Parolen wie "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns"), um ein Anzweifeln von Entscheidungen der Gruppe, der Herrschaft etc. schon im Keim zu unterbinden. Der Einzelne sieht sich dabei gezwungen, sich und seine individuelle Freiheit dieser Gruppe freiwillig und bedingungslos unterzuordnen, um nicht den Verdacht zu erwecken, aus dieser Gruppe ausscheren zu wollen (daher "freiwilliger Zwang") und um nicht zu riskieren, Repressalien ausgesetzt zu werden.

Das steht diametral im Gegensatz zum Kern des Liberalismus, zur "Freiheit des Einzelnen".

Ist das System dagegen nur auf die Sicherung seiner eigenen Herrschaft bedacht (ohne die aktive Mitwirkung des Einzelnen und seine Formung und Kontrolle durch das System s.o.), dann ist es nicht totalitär, sondern "nur" autoritär (das kann aber auch schon u.U. ein Polizeistaat oder eine Militärjunta sein).

-jmw-
27.11.2006, 19:49
@ tommy3333

Ich stelle fest, dass Du einerseits meine Aussagen als falsch hinstellst, andererseits ihnen aber nirgendwo widersprichst und im Grunde nur das ausformulierst, was ich oben schon andeutete.
Kläre mich bitte auf, wie das zusammenpasst.

mfg

tommy3333
27.11.2006, 20:39
@ tommy3333

Ich stelle fest, dass Du einerseits meine Aussagen als falsch hinstellst, andererseits ihnen aber nirgendwo widersprichst und im Grunde nur das ausformulierst, was ich oben schon andeutete.
Kläre mich bitte auf, wie das zusammenpasst.

mfg
Ich hatte den Eindruck, dass Du auch Systeme, die ich als autoritäre bezeichnet habe, als totalitär einstufst. Denn auch autoritäre Systeme wie z.B. eine Militärjunta greifen weit in den Privatbereich ein (Militärpräsenz und -kontrollen, Ausgangssperren etc.). Einem autoritären System ist es aber egal, was oder wie der einzelne denkt, solange er nicht gegen die Regierung (oder gegen den "El Presidente") "arbeitet". Einem totalitären System ist das jedoch nicht egal - die wollen nur Lemminge für ihre eigene Ideologie, mit denen es diese Ideologie noch weiter verbreiten will. Eine Militärjunta setzt einzig und allein auf ihr Militär als machtsicherndes Instrument. Ein totalitäres System setzt aber auch auf den Gruppenzwang, um jeden Einzelnen kontrollieren und über ihn herrschen zu können (man bringt die Einzelnen damit quasi dazu, sich gegenseitig zu kontrollieren).

-jmw-
27.11.2006, 20:44
Okay, dann war es ein Missverständnis.

Sicher ist nicht jedes System, dass in den Privatbereich eingreift, gleich totalitär.
Auch ein autoritäres System kann das tun.
Auch die BRD tut das, ja, eigentlich jeder Staat, wenn man "privat" nur hinreichend eng auslegt.

mfg

tommy3333
27.11.2006, 20:50
Okay, dann war es ein Missverständnis.

Sicher ist nicht jedes System, dass in den Privatbereich eingreift, gleich totalitär.
Auch ein autoritäres System kann das tun.
Auch die BRD tut das, ja, eigentlich jeder Staat, wenn man "privat" nur hinreichend eng auslegt.

mfg
Ich denke, damit sind wir uns einig.

Ich halte auch die BRD für autoritär. Sie setzt ihre Autorität aber anders ein (Büroktratie und Gesetzesdschungel). Ich denke, wer z.B. Leistungen wie Hartz IV beantragen will und die Kontrolleure beim Hausbesuch erdulden muss, oder sich einen Job vorschreiben lassen muss, damit seine Stütze nicht gekürzt wird, der wird sich in seiner Privatsphäre schon durchaus sehr eingegriffen fühlen. [PS: Allerdings hinkt mein Bsp etwas, denn in Bezug auf die Autorität die Erhaltung des Systems und der Regierung gemeint.]

Haloperidol
27.11.2006, 22:03
Ich denke, damit sind wir uns einig.

Ich halte auch die BRD für autoritär. Sie setzt ihre Autorität aber anders ein (Büroktratie und Gesetzesdschungel). Ich denke, wer z.B. Leistungen wie Hartz IV beantragen will und die Kontrolleure beim Hausbesuch erdulden muss, oder sich einen Job vorschreiben lassen muss, damit seine Stütze nicht gekürzt wird, der wird sich in seiner Privatsphäre schon durchaus sehr eingegriffen fühlen. [PS: Allerdings hinkt mein Bsp etwas, denn in Bezug auf die Autorität die Erhaltung des Systems und der Regierung gemeint.]

Du verwechselt einen autoritären Staat mit dem Gewaltmonopol des Staates. Dieses hat jeder Staat, egal wie dieser geführt wird. Diese Gewalt besteht darin, dass der Staat Gesetze erlassen kann, diese auch umsetzen und über ihre Einhaltung richten kann. Dies schafft zwangsläufig einen Staatsapparat.

Autoritarismus zeigt sich in begrenztem Pluralismus und fehlender umfassender Ideologie, und unterscheidet sich damit grundlegend von der aktuellen Demokratie.

tommy3333
27.11.2006, 22:19
Du verwechselt einen autoritären Staat mit dem Gewaltmonopol des Staates. Dieses hat jeder Staat, egal wie dieser geführt wird. Diese Gewalt besteht darin, dass der Staat Gesetze erlassen kann, diese auch umsetzen und über ihre Einhaltung richten kann. Dies schafft zwangsläufig einen Staatsapparat.

Autoritarismus zeigt sich in begrenztem Pluralismus und fehlender umfassender Ideologie, und unterscheidet sich damit grundlegend von der aktuellen Demokratie.
Ich denke nicht, dass ich das verwechselt habe, aber mir ist nur kein passendes Bsp dafür eingefallen. Begrenzter Pluralismus ist aber ein guter Stichpunkt. Fehlende umfassender Ideologie halte ich dagegen für irrelevant, denn ihr Fehlen ist ein einem autoritären Staat "kann" und kein "muss". Entscheidend ist, dass für den autoritären Staat (in Abgrenzung zum totalitären Staat), dass dieser seine Ideologie nicht den Einzelnen aufzwingt (bzw. aufzuzwingen versucht).

Rheinlaender
27.11.2006, 23:59
Ich denke, damit sind wir uns einig.

Ich halte auch die BRD für autoritär. Sie setzt ihre Autorität aber anders ein (Büroktratie und Gesetzesdschungel). Ich denke, wer z.B. Leistungen wie Hartz IV beantragen will und die Kontrolleure beim Hausbesuch erdulden muss, oder sich einen Job vorschreiben lassen muss, damit seine Stütze nicht gekürzt wird, der wird sich in seiner Privatsphäre schon durchaus sehr eingegriffen fühlen. [PS: Allerdings hinkt mein Bsp etwas, denn in Bezug auf die Autorität die Erhaltung des Systems und der Regierung gemeint.]

Moment - HarzIV kommt as dem Steuertopf. Ich habe doch wohl als Stuerzahler, in einem demokratischen Staat, das Recht anzunehmen, dass die Verwendung meiner Mittel dem Gesetz entsprechend geschieht. Hat jemand daheim eine Sammlung Queen Anne silber, so soll er diese erstmal verlaufen. Deklariert jeamnd, dass er getrennt mit jemand anderes in der gleichen Wohnung lebt und erhaelt deshalb hoehere Zahlungen, so darf dies wohl nachkontrolliert werden.

Wenn das jemand ncht passt, so soll er sehen, wie er sich sonst ernaehrt.

tommy3333
28.11.2006, 00:29
Moment - HarzIV kommt as dem Steuertopf. Ich habe doch wohl als Stuerzahler, in einem demokratischen Staat, das Recht anzunehmen, dass die Verwendung meiner Mittel dem Gesetz entsprechend geschieht. Hat jemand daheim eine Sammlung Queen Anne silber, so soll er diese erstmal verlaufen. Deklariert jeamnd, dass er getrennt mit jemand anderes in der gleichen Wohnung lebt und erhaelt deshalb hoehere Zahlungen, so darf dies wohl nachkontrolliert werden.

Wenn das jemand ncht passt, so soll er sehen, wie er sich sonst ernaehrt.
Schon klar, das war auch der Grund, weshalb ich schrieb, dass mein bsp hinkt.