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Vollständige Version anzeigen : Georgiens Militärpolitik und die Hintergründe



Stechlin
24.10.2006, 18:46
Welche Absichten verfolgt Georgien mit seinem exorbitanten Militärhaushalt, seinen mit US-Hilfe zusammengerafften Waffen, fragt man sich in Moskau zurecht. Und welche Absichten verfolgen die USA mit ihrer demonstrativen Unterstützung Georgiens, das geradezu erpicht darauf ist, seinen Nachbarn im Norden permanent zu provozieren? Es geht - wie immer - um Öl und um das Ziel, Rußland zu destabilisieren und es in einen Krieg zu ziehen, bei dem von Anfang an klar sein wird, wer der Agressor ist. Wären da nicht all die kleinen Details, die im folgenden Beitrag der staatlichen Nachrichtenagentur Rußlands RIA Nowosti zusammengetragen wurden:


Außer Südossetien, Abchasien und Russland hat Georgien niemanden, gegen den es einen Krieg führen könnte.

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MOSKAU, 24. Oktober (Olga Suchowa, RIA Novosti). Trotz der Beteuerungen der Treue zur diplomatischen Beilegung der Konflikte in Abchasien und Südossetien (zwei nicht anerkannte Republiken auf dem georgischen Territorium) stockt Tiflis, Hauptstadt Georgiens, sein militärisches Potential in einem Tempo auf, das an der Aufrichtigkeit der friedlichen Absichten der georgischen Führung zweifeln lässt.

Vor dem Hintergrund der äußerst komplizierten sozialökonomischen Lage in der Republik betrug das Wachstum des Militärhaushalts 2005 mehr als 90 Prozent und erreichte 250 Millionen US-Dollar. Der Umfang der militärischen Hilfe von Seiten der USA stieg um mehr als das Doppelte auf 74 Millionen US-Dollar an.

Ein bedeutender Teil dieser Mittel wird nach Schätzungen von Spezialisten für den Erwerb von Waffen verausgabt, die von neuen NATO-Mitgliedsländern Osteuropas, der Türkei sowie der Ukraine, die auch in die Allianz strebt, freigebig zur Verfügung gestellt werden. Die Lieferungen von alter sowjetischer Technik mit Mitteln der USA und mit stillschweigender Billigung der NATO-Führung an Transkaukasien drohen, in allernächster Zeit die in der Region bestehenden Konflikte wieder zu beleben.

Die russische Führung machte mehr als einmal darauf aufmerksam, dass Länder Osteuropas in den letzten Jahren Waffen an Georgien liefern, sowie darauf, dass dies nicht ohne Unterstützung durch die interessierten "dritten Seiten" getan wird. Damit nicht genug. Wie der russische Außenminister Sergej Lawrow betonte, wird an Georgien Technik unter Verletzung der Regeln geliefert, die auf dem internationalen Waffenmarkt gelten.

Die jüngsten ernsthaften diesbezüglichen Erklärungen gab der Vizepremier und Verteidigungsminister der Russischen Föderation, Sergej Iwanow, am 28. September vor der Sitzung des Russland-NATO-Rates in Slowenien ab. "Einige NATO-Mitgliedsländer, die heute mit dem Modewort Junges Europa bezeichnet werden, liefern Waffen an Georgien, die seinerzeit von der Sowjetunion an diese Länder mit dem Verbot ihres Reexports geliefert worden waren", sagte er. Iwanow bezeichnete diese Handlungen als direkte Verletzung des bestehenden Abkommens auf dem Gebiet der Kontrolle über die konventionellen Waffen (KSE-Vertrag) und als Piraterie.

Wie die Zeitschrift "Waffenexport" ("Export wooruschenij") unter Hinweis auf ein UNO-Register behauptet, wurden in den Jahren 2002 bis 2005 an Georgien 61 Panzer (51 T-72 und 10 T-55), 52 Schützenpanzer BMP-2, 30 Schützenpanzerwagen BTR-80, 24 152-mm- und 12 122-mm-Haubitzen, sechs Mehrfachraketenwerfer, 39 120-mm-Granatwerfer, zwölf Schlachtflugzeuge Su-25K, acht Kampfhubschrauber Mi-24 und Mi-35, zwei Transporthubschrauber Mi-8MTW, zwölf Mehrzweck-Hubschrauber Bell UN-1H (vier davon zur Ersatzteilverwertung), ein Raketenboot, zwei Küstenschutzboote und zwei kleine Landungsschiffe geliefert.

(...)

Interessant ist, dass der Außenminister von Serbien, Vuc Draskovic, Anfang September eine neue Lieferung von Waffen an Georgien verbot und dies damit begründete, dass "sie gegen Russland eingesetzt werden könnten". [/B[B]]"Besser ist, bankrott zu werden, als die Hasser Russlands zu bewaffnen", so kommentierte ein Vertreter des Rüstungsbetriebes in der Stadt Kragujevac diese Entscheidung in einem Interview mit der Ausgabe "Rossijski mirotworez" ("Angehöriger der russischen Friedenskräfte"). Gleich nach der Erklärung von Draskovic traf sich der georgische Außenminister Gela Beschuaschwili mit dem serbischen Präsidenten Boris Tadic. Aber Beschuaschwili gelang es nicht, mit Tadic die Meinungsverschiedenheiten bezüglich der serbischen Waffenlieferungen an Georgien zu regeln, bemerkte die Ausgabe.

Im Oktober erklärte auch Pjotr Simonenko, Spitzenvertreter der Fraktion der Kommunistischen Partei in der Obersten Rada (ukrainisches Parlament), dass illegal Waffen an Georgien geliefert werden. Ihm zufolge lieferte die Ukraine 40 Panzer an Georgien, das gegenwärtig mit Russland in einem Konflikt steht. Einige Tage später teilte Georgi Krjutschkow, ein anderer ukrainischer Parlamentarier von derselben Partei, mit, dass Komplexe "Osa", Boden-Luft-Raketen und Flugzeuge Su-27 zum Versand vorbereitet werden. Seinen Angaben zufolge hatten die USA die gelieferten Panzer bezahlt.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass das georgische Verteidigungsministerium einen wesentlichen Umfang von außerbudgetären Mitteln als Hilfe anderer Länder, in erster Linie von den USA, bekommt. In der Tat. Ansonsten ist es kompliziert, zu erklären, woher ein recht kleines (4,5 Millionen Einwohner) und nicht gerade reiches (736 US-Dollar Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung) Land Mittel für die Aufstockung seines militärischen Potentials hat.

(...)

Im Wachstum begriffen ist auch der Umfang der außerbudgetären Mittel, unter anderem der militärischen Hilfe durch die USA. Allein 2005 stellte Washington Georgien etwa 74 Millionen Dollar für militärische Belange bereit. Fast doppelt so viel wie im Jahr 2004 (30 Millionen Dollar).

In den vergangenen zwölf Jahren erwiesen die USA Georgien Hilfe in Höhe von 1,3 Milliarden Dollar, darunter auch im militärischen Bereich. (...)

Als zweitwichtigster militärischer Partner Georgiens gilt die Türkei (NATO-Mitglied seit 1952). Entsprechend den in "Jane's Sentinel Security Assessment, Russia and the CIS" veröffentlichten Angaben erwies die Türkei Georgien seit 1998 unentgeltliche militärische Hilfe für eine Summe von etwa 40 Millionen US-Dollar.

Die georgische Führung macht auch selbst kein Hehl daraus, dass die Waffenlieferanten zu Lasten ausländischer Programme bezahlt werden. So gab der georgische Verteidigungsminister Irakli Okruaschwili Ende vorigen Jahres zu, dass Tschechien dem Ministerium eine "bestimmte Menge von Ausrüstungen und Waffen", ausgehend vom georgisch-amerikanischen Militärprogramm "Operation zur Erhaltung der Stabilität", als Geschenk übergab. Dabei fügte er hinzu, dass die Frage, "von wem Georgien Waffen erwerben oder diese Waffen geschenkt bekommen wird" Russland nichts angehe.

(...)

Außerdem unterstützen die Führungen einiger osteuropäischer Länder (Ukraine und Polen) die US-Pläne zur Diversifikation der Lieferungen von Erdöl und Erdgas nach Europa. Denn die Umsetzung dieser Pläne muss sich unmittelbar auf den Staatshaushalt dieser Länder - durch die Einnahmen aus dem Transit - auswirken. In diesem Zusammenhang wäre es angebracht, darauf zu verweisen, dass die Konzeption für die "Energie-NATO", die immer deutlichere Umrisse bekommt, gerade von Warschau vorgeschlagen worden war, das heute aktiv gegen den Bau der Nordeuropäischen Gaspipeline auftritt.

(...)

Unter anderem verläuft die Pipeline Baku-Tiflis-Ceyhan, deren Bau vom Weißen Haus lobbyiert worden war, über georgisches Territorium. Die separatistischen Stimmungen in Südossetien und Abchasien tragen keinesfalls zur Sicherheit dieses Transportweges bei. Obendrein ist die Beilegung der territorialen Streite eine der Bedingungen für den NATO-Beitritt, den Georgien anstrebt. Die Beobachter bezweifeln, dass die Führung dieses Landes unerwartet beginnen wird, diplomatische Kunst beim Umgang mit Suchumi und Zchinwali an den Tag zu legen. Folglich wird, was durchaus wahrscheinlich ist, auf militärische Stärke gesetzt.

In Osteuropa begreift man, nach den Erklärungen der dortigen Behörden zu urteilen, die Doppelsinnigkeit der Situation sehr wohl und ist nicht abgeneigt, davon Gebrauch zu machen. Als der polnische Verteidigungsminister Radoslaw Sikorski nach dem Export von sowjetischen Waffen nach Georgien gefragt wurde, antwortete er, dass er davon nichts wisse. Wenn er aber davon gewusst hätte, so hätte er in solchen Lieferungen nichts Illegales gesehen. "Mir ist unbekannt, dass irgendwelche diesbezüglichen Sanktionen gegen Georgien verhängt wurden", sagte Sikorski.

(...)

Die russischen Anschuldigungen weist auch der litauische Verteidigungsminister Juozas Olekas zurück. "Es ist absolut korrekt und richtig, den Ländern der neuen Demokratie Waffen zu übergeben. Ein Teil der Waffen wurde im vorigen Jahrzehnt auch Litauen geschenkt", sagte Olekas. Ihm zufolge übergab Litauen 2002 Georgien überschüssige Schützenwaffen und Munition, die es früher aus Polen bekommen hatte. Litauen hatte eine polnische Genehmigung für die Waffenübergabe. "Ich glaube, dass dies eine gute, freundschaftliche Geste war", betonte der Minister.

Übrigens warnen die Experten davor, in den Handlungen der osteuropäischen Länder einfach einen "Ausverkauf alter sowjetischer Technik" zu sehen. "Es ist offensichtlich, dass Saakaschwili die Absicht hat, gegen jemanden Krieg zu führen", behauptet der wissenschaftliche Mitarbeiter des Zentrums für die Analyse von Strategien und Technologien. "Es bleibt nur übrig, zu erraten, gegen wen."

"Eine Analyse der Bilanz der äußeren und inneren Bedrohungen Georgiens zeigt, dass die georgische Führung darauf aus ist, die gekauften Offensivwaffen keinesfalls gegen die Türkei, Armenien oder Aserbaidschan einzusetzen. Außer Südossetien, Abchasien und Russland hat es niemanden, gegen den es einen Krieg führen könnte. Dabei bereitet sich Georgien auf diesen Krieg mit Mitteln der USA und mit stillschweigender Billigung durch die NATO vor. Das kann man wohl kaum für einen freundschaftlichen Schritt gegenüber Russland halten", führte Alijew aus.

Deshalb darf man sich von den Erklärungen der georgischen Führung über die Treue zu friedlichen Methoden für die Beilegung der Konflikte nicht in die Irre führen lassen. "Wenn man den Erklärungen Saakaschwilis Glauben schenkt, dass er ausschließlich friedliebend eingestimmt sei, so muss man schlussfolgern, dass all diese Käufe aus dem Fenster geworfenes Geld sind. Denn die Panzer, Granatwerfer und Jagdflugzeuge haben keine andere Bestimmung, außer der Hauptbestimmung", resümierte der Experte.

Wenn der russische Präsident dazu sagt, dass "sich die Situation in Georgien in Richtung auf ein mögliches Blutvergießen entwickelt und die georgische Führung die Wiederherstellung der territorialen Integrität auf militärischem Wege anstrebt", so ist er der Wahrheit sehr nahe. http://de.rian.ru/analysis/20061024/55099730.html

Justas
24.10.2006, 19:50
Im Grossen und Ganzen kann ich dieser Einschätzung leider zustimmen. Die osteuropäischen Arschkriecher der USA tun ihrem Meister jeden Gefallen. Annahme unmoralicher Angebote inbegriffen. Saakaschwili braucht einen äusseren Feind, zu dem er gerne Russland stilisiert, um sein Unvermögen gegenüber Abchasien und Südossetien zu vertuschen. Gegen Russland einen Krieg zu führen käme für ihn einer Ritterehre gleich, die ihm, inschallah, nicht zuteil wird.

Stechlin
24.10.2006, 20:05
Im Grossen und Ganzen kann ich dieser Einschätzung leider zustimmen. Die osteuropäischen Arschkriecher der USA tun ihrem Meister jeden Gefallen. Annahme unmoralicher Angebote inbegriffen. Saakaschwili braucht einen äusseren Feind, zu dem er gerne Russland stilisiert, um sein Unvermögen gegenüber Abchasien und Südossetien zu vertuschen. Gegen Russland einen Krieg zu führen käme für ihn einer Ritterehre gleich, die ihm, inschallah, nicht zuteil wird.

Dein unterstrichenes "Leider" kann ich gut nachvollziehen. Dazu paßt eine Meldung des SPIEGELS Nr. 40/2.10.06:


Jurij Ljuschkow, 70, hemdsärmeliger und populärer Bürgermeister von Moskau, versucht sich als Schriftsteller. Unter der Rubrik "Erzählung" ließ er sich in einer auflagenstarken Zeitung auf einer ganzen Seite "Über die Liebe" aus. Der ehemalige Ingenieur gerierte sich als Intellektueller und zitierte den Philosophen Aristoteles und den Dichter Dante. (...) Luschkow schildert eine Begebenheit aus den frühen 50er Jahren. Im damaligen noch sowjetischen Tiflis, der heutigen Hauptstadt Georgiens, ließ er sich von einem Masseur namens Kurban durchkneten, der generös jede Bezahlung ablehnte. Wortreich bedauert Ljuschkow, daß junge Russen heutzutage die sprichwörtliche georgische Gastfreundschaft nicht mehr kennenlernen. Das 1991 unabhängig gewordene Georgien, dessen Präsident Saakaschwili das Land an die Seite der Amerikaner führen will, warnte er vor dem neuen Bundesgenossen. Das amerikanische System beruhe auf einer kalten Rationalität, die auf fremde Völker letztlich immer von oben herabschaue. Die Russen hätten die Georgier hingegen stets ihre Lebensweise belassen. Dem Kaukasusvolk schrieb er ins Stammbuch: "Glaubt nicht, daß die Amerikaner euch jemals so lieben werden, wie euch die Russen geliebt haben."

Und er wird leider recht behalten.

franek
25.10.2006, 11:31
Wieder mal hat die USA ihre Finger ganz tief drin und mimt den Guten:



Moskau (Reuters) - US-Außenministerin Condoleezza Rice hat vor einer weiteren Zuspitzung des Konflikts zwischen Russland und Georgien gewarnt.
Georgier und Russen müssten alles ihnen mögliche tun, um die Lage zu entschärfen, sagte sie am Samstag bei ihrem Besuch in Moskau. Zudem könnten provokative Militäraktionen in den abtrünnigen georgischen Regionen Abchasien und Süd-Ossetien außer Kontrolle geraten, erklärte Rice. Die Ministerin wollte das Thema bei ihrem Gespräch mit Präsident Wladimir Putin zur Sprache bringen.


http://de.today.reuters.com/news/newsArticle.aspx?type=topNews&storyID=2006-10-22T092302Z_01_NEI233772_RTRDEOC_0_RUSSLAND-GEORGIEN-RICE-ZF-WDHLG.xml&archived=False

Dabei ist es doch offensichtlich, das die USA hier (mit ihrem neuen Vasallen Saakaschwili) ihre überzogenen strategischen und wirtschaftlichen Interessen durchsetzen wollen und sich dabei natürlich möglichst nicht selbst die Hände dreckig machen wollen. Ein ähnliches Vorgehen gab es ja schon vor dem Sowjetisch-Afghanischen Konflikt und vermutlich auch in Tschetschenien.


Aus Saakaschwilis Aktionen im Vorfeld der Wahlen lassen sich mindestens zwei wichtige Schlüsse ziehen. Erstens: Die Positionen des Verteidigungsministers Irakli Okruaschwili, der als der größte Falke an der jetzigen georgischen Machtspitze gilt, haben sich im Machtsystem Georgiens weiter verstärkt. Okruaschwili setzt sich sowohl für eine Konfrontation mit Russland als auch für Gewaltaktionen gegen Abchasien und Südossetien ein. Die Wahrscheinlichkeit des Versuchs einer militärischen Lösung des Problems der "nicht anerkannten Staaten" nimmt damit weiter zu. Etwaige friedliche Erklärungen, die aus Tiflis zu vernehmen sind, bedeuten lediglich, dass dieser mögliche Krieg als irgendeine antikriminelle Operation getarnt werden könnte (was natürlich nichts an seinem Wesen ändern wird).

Der zweite Schluss besteht darin, dass derart harte Aktionen der georgischen Behörden kaum ohne Wissen der USA vorgenommen werden konnten, die seit der "Rosenrevolution" 2003 faktisch als ein Schutzpatron Georgiens agieren. Bemerkenswert ist die Kontinuität der in den letzten drei Monaten vorgenommenen Schritte. Saakaschwilis Washington-Besuch, Einmarsch der georgischen Truppen ins Kodori-Tal, Verhaftung der prorussischen Oppositionspolitiker, der Beginn eines "intensiven Dialogs" Georgiens und der Nato (eine der wichtigen und obligatorischen Etappe einer atlantischen Integration des Landes) und nun die Verhaftung der russischen Offiziere.

Hätten die USA den georgischen Präsidenten zur Vernunft gemahnt (etwa mit einer Verlangsamung der Integration Georgiens in die Nato), so hätte die Machtspitze in Tiflis ihre Position in den Beziehungen mit Russland trotz aller innenpolitischen Überlegungen und trotz des Radikalismus des Verteidigungsministers gemildert. Die Ereignisse entwickelten sich aber in die direkt entgegengesetzte Richtung: Die Beschleunigung des Prozesses der Nato-Aufnahme Georgiens wurde in Tiflis eindeutig als eine Billigung des "Falken-Kurses" aufgenommen.

Damit können die jetzigen Ereignisse in Georgien im Kontext der sich verstärkenden Konkurrenz im postsowjetischen Raum verstanden werden, die in der Periode der "bunten Revolutionen" besonders deutlich an den Tag getreten ist. Es kann sich um einen Versuch handeln, nicht nur die russischen Truppen Streitkräfte vom Territorium Georgiens zu verdrängen (sie müssen das Land sowieso 2008 verlassen), sondern auch die Friedenstruppen, die für Stabilität in Abchasien und Südossetien sorgen und kein neues Blutvergießen in diesen Regionen zulassen. In Zukunft könnte die militärische Präsenz in einem Land, über dessen Territorium die für die USA strategisch wichtige Ölpipeline Baku - Tiflis - Ceyhan verläuft, durch eine westliche Präsenz ersetzt werden - eben im Rahmen der atlantischen Integration Georgiens.

http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Georgien/eskalation.html

...und dazu noch einen Auszug aus dem Wiener Standard von Schewardnadse:


Die erfreuliche Nachricht hat Georgiens Expräsident Eduard Schewardnadse formuliert: Es wird zu keinem Krieg kommen, weil "Georgien ihn nicht führen kann und Russland ihn nicht will". Die negative Nachricht ist, dass der lange schwelende Konflikt zwischen Georgien und Russland mit dem jetzigen Spionageskandal wieder heiß geworden ist, und zwar diesmal, weil ihn der georgische Präsident Michail Saakaschwili braucht. Die Popularität des einstigen Revolutionshelden ist merklich gesunken. Vor der Tür aber stehen wichtige Kommunalwahlen. Außerdem will der russophobe Heißsporn schleunigst in die Nato.
Indem er Russland der Aggression und Spionage zeiht, vereinigt er die Bevölkerung wieder hinter sich. Auch sammelt er so Sympathiepunkte in der Weltöffentlichkeit, die Putins erstarktes Russland verdächtigt, die Souveränität und territoriale Integrität seiner Nachbarstaaten nicht anerkennen zu wollen. (...)

Aus: Der Standard, 30. September/1. Oktober 2006

Stechlin
25.10.2006, 14:28
Erstaunlich, wie wenig Resonanz dieses Thema hervorbringt. Ich werte das mal als Argumentationslosigkeit; man ist sich ja sonst für keinen noch so dummen Kommentar zu schade.

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Musterdemokratie Georgien - vom Westen hofiert bis zur Unerträglichkeit. Wer immer noch nicht begriffen hat, mit welch Heuchelei Länder wie Rußland, Belarus oder China in Bezug auf das Thema "Freedom and Democracy" behandelt werden, der lese sich beide Meldungen mal im Kontext durch:


Moskau (Reuters) - US-Außenministerin Condoleezza Rice hat vor einer weiteren Zuspitzung des Konflikts zwischen Russland und Georgien gewarnt.
Georgier und Russen müssten alles ihnen mögliche tun, um die Lage zu entschärfen, sagte sie am Samstag bei ihrem Besuch in Moskau. Zudem könnten provokative Militäraktionen in den abtrünnigen georgischen Regionen Abchasien und Süd-Ossetien außer Kontrolle geraten, erklärte Rice. Die Ministerin wollte das Thema bei ihrem Gespräch mit Präsident Wladimir Putin zur Sprache bringen.



Um an der Macht zu bleiben, macht der georgische Staatschef nicht einmal vor einer Verfassungsänderung halt.

*

MOSKAU, 24. Oktober (Lew Dsugajew, RIA Novosti). Was steht hinter der Initiative des georgischen Staatschefs Michail Saakaschwili, der vorgeschlagen hat, die Präsidentenwahlen in Georgien zu verschieben? Warum wurde sie gerade jetzt unterbreitet?

Vergangene Woche schlug Saakaschwili vor, die Präsidentenwahl von 2009 auf 2008 vorzuverlegen, damit sie gleichzeitig mit den Parlamentswahlen stattfinden kann. Nach seinen Worten hat er bereits mit der georgischen Parlamentschefin Nino Burdschanadse über entsprechende Verfassungsänderungen gesprochen.

Besonders interessant ist die Begründung, die Saakaschwili dabei gebraucht. Natürlich soll das im Interesse des georgischen Volkes liegen und für eine Einsparung von Mitteln dienen, auch eine "zusätzliche Beunruhigung im Volk" soll damit ausgeschlossen werden.

Der georgische Präsident handelt betont kontinuierlich. Anfang des Sommers wurden die Ergebnisse der von den USA beauftragten Meinungsumfrage veröffentlicht. Laut diesen Angaben ging Saakaschwilis Popularität von 30,6 Prozent 2005 auf 12,6 Prozent 2006 zurück. Eine weitere Rückwärtsentwicklung der Beliebtheit des Präsidenten war offensichtlich. Eines der Hauptziele des jüngstes "Spionageskandals", der zu einer radikalen Verschlechterung der Beziehungen mit Russland führte, bestand gerade darin, diese Tendenz umzudrehen. Die Aufmerksamkeit der von inneren Problemen müden Bürger musste auf außenpolitische Probleme gerichtet werden, die nach Ansicht des Präsidenten die größte Bedrohung für Georgien darstellen.

Der "Spionageskandal" sowie die Aufdeckung einer "Verschwörung gegen Georgien" wurden bekanntlich von einer Vorverschiebung der Wahlen der örtlichen Selbstverwaltungsorgane vom Dezember auf den Oktober 2006 begleitet. Damit nahm Saakaschwili der Opposition faktisch jede Möglichkeit, an den Wahlen halbwegs ernsthaft teilzunehmen. Dabei bemühte sich die Regierung nicht einmal um eine halbwegs glaubwürdige Begründung.

Angesichts der Zersplitterung der georgischen Opposition und der Folgen der jüngsten Repressalien gegen einen beträchtlichen Teil der Spitzenfiguren der Opposition war der Sieg der regierenden Partei leicht voraussehbar.

Trotz zahlreicher Hinweise auf Verletzungen des Wahlrechts erklärte der georgische Vize-Parlamentschef Michail Matschawariani, die Wahlen zu den örtlichen Selbstverwaltungsorganen seien am 5. Oktober musterhaft - ohne Fälschungen und Manipulationen - verlaufen. Einige Parlamentsabgeordnete verwiesen zwar auf flagrante Verstöße gegen das Wahlrecht, "objektive" Wahlbeobachter stellten allerdings nichts Derartiges fest. Damit wurden die Wahlergebnisse legitimiert, und eine "zusätzliche Beunruhigung des Volkes" konnte verhindert werden.

Erinnert sei an dieser Stelle an die Ereignisse vom Herbst 2003. Damals protestierten Saakaschwili und Co. gegen die offiziellen Ergebnisse der Parlamentswahlen und führten ihre Anhänger auf die Straßen der georgischen Hauptstadt Tiflis. Diese Protestwelle brachte sie dann auch an die Macht. Im Unterschied zum "demokratischen Regime" Saakaschwilis hat die Regierung seines Vorgängers Eduard Schewardnadse keine Oppositionsführer verhaftet und keine Repressalien eingesetzt. Gerade nach diesen Ereignissen betonte Herr Saakaschwili übrigens mehrmals die Rolle Russlands, das geholfen hat, die negativste Entwicklung, sprich ein Blutvergießen, zu verhindern. Die gleiche Rolle spielte Russland auch später während der Ereignisse in Adscharien. Daran erinnert sich jedoch das offizielle Tiflis heute nicht gern, weil das nicht zum Bild Russlands passt, das dem georgischen Volk nun aufgedrängt wird.

Die Initiative für die gleichzeitigen Präsidenten- und Parlamentswahlen 2008 ist als ein weiterer Schritt zur Beibehaltung der Macht um jeden Preis zu bewerten, auch wenn dazu die Landesverfassung revidiert werden muss. Die Wahlen zu den örtlichen Selbstverwaltungsorganen waren nur ein Vorspiel zu dem, was bei den Wahlen 2008 realisiert werden soll. Das passt jedoch kaum mit dem "Beispiel für eine erfolgreiche demokratische Entwicklung im postsowjetischen Raum" zusammen, von dem die jetzigen georgischen Machthaber sowie deren Gönner außerhalb des Landes so gerne reden.

Bemerkenswert ist die Meinung von Vertretern der zersplitterten und von einer Einheit weit entfernten Opposition, die im heutigen Zustand nicht in der Lage ist, sich richtig zu behaupten. Schalwa Natelaschwili, Chef der Labour-Partei Georgiens: "Saakaschwili hat eine Sonderoperation konzipiert, um an der Macht zu bleiben, weil freie demokratische Wahlen für die Regierungskräfte aussichtslos wären." Irakli Iaschwili, Chef der Partei "Die Neuen Rechten", meinte, dies sei ein Trick, der "Ich will nicht gehen" heißen sollte. Georgi Zagarejschwili, Vertreter der Industriellen-Fraktion: "Georgien muss eine parlamentarische Republik werden, weil das Präsidentenamt bereits zu einem Versuchsgelände für diverse Experimente wird. Das besonders Bedrückende bei diesen Experimenten ist die Tatsache, dass sie auf Kosten der Psyche und der Gesundheit nicht eines Menschen, sondern der gesamten Bevölkerung vorgenommen werden."

Insofern ist eine zeitlich noch nähere Vorverschiebung der Präsidentenwahlen nicht auszuschließen, solange das georgische Volk nicht endgültig begriffen hat, dass die exzentrische und provokante Politik Saakaschwilis das Land in eine historische Sackgasse führt. http://de.rian.ru/analysis/20061024/55099619.html

franek
26.10.2006, 17:31
Wladimr Putin äußerte sich in einem Interview meiner Ansicht nach recht vernünftig über das Thema Georgien. Ich sehe ihn Aufgrund dieser Äußerungen auf keinen Fall als kriegstreibende Kraft in diesem Konflikt:



Putins Antwort könnte das Team von Michail Saakaschwili einigermaßen beruhigen: Russland beabsichtige nicht, sein Territorium zu erweitern, "wir haben genügend eigenes Territorium". Der russische Präsident versicherte seine Zuhörer, dass es für Russland nicht darauf ankomme, ob Georgien der NATO beitrete oder nicht. Worauf es ankomme, sei, keine gewaltsame Lösung des abchasischen und des ossetischen Problems, die die georgische Führung offenkundig im Auge habe, zuzulassen und ein Blutvergießen zu vermeiden.
Putin sieht den Hauptgrund für die Verschlechterung der russisch-georgischen Beziehungen gerade in solcherlei Absichten von Tiflis. Er bemerkte, dass vor zwei Jahrhunderten Georgien freiwillig dem russischen Imperium beigetreten war, und zwar ohne Abchasien und Südossetien, und ehrte das Andenken der einheimischen Friedenssoldaten, die um der Ruhe in der Region willen ihr Leben hingegeben hatten.
Ferner forderte Putin Georgiens Führung auf, die jüngste Resolution des UN-Sicherheitsrates zu erfüllen. Das Ignorieren dieses Dokumentes, das die kollektive Meinung der internationalen Gemeinschaft ausdrücke, könne bewirken, dass sich Georgien der wenig ehrbaren Gruppe der Schurkenländer nähern könnte, sagte er warnend.


http://de.rian.ru/analysis/20061026/55160346.html

Stechlin
26.10.2006, 17:56
Wladimr Putin äußerte sich in einem Interview meiner Ansicht nach recht vernünftig über das Thema Georgien. Ich sehe ihn Aufgrund dieser Äußerungen auf keinen Fall als kriegstreibende Kraft in diesem Konflikt:



http://de.rian.ru/analysis/20061026/55160346.html


:top:

Das wird Saakaschwili aber gar nicht gefallen. Putin erweist sich mal wieder als ein Meister kluger und weitsichtiger Politik, weil er dem Gegner - hier Saakaschwili - den Wind aus den Segeln nimmt. Aber der Westen wird schon kräftig pusten, damit Saakaschwili seinem Ziel näher kommt, Rußland so lange zu provozieren, bis es knallt. Damit man wieder sagen kann: Seht her, die Russen sind die bösen. Dann stimmt auch wieder Just Amys Weltbild! Wetten?

franek
26.10.2006, 18:10
:top:

Das wird Saakaschwili aber gar nicht gefallen. Putin erweist sich mal wieder als ein Meister kluger und weitsichtiger Politik, weil er dem Gegner - hier Saakaschwili - den Wind aus den Segeln nimmt. Aber der Westen wird schon kräftig pusten, damit Saakaschwili seinem Ziel näher kommt, Rußland so lange zu provozieren, bis es knallt. Damit man wieder sagen kann: Seht her, die Russen sind die bösen. Dann stimmt auch wieder Just Amys Weltbild! Wetten?


Nun, ich traue der Us-Regierung zu das Feuer weiter am brennen zu halten, natürlich weiterhin im dunkeln operierend und der Weltöffentlichkeit eine um Frieden besorgte C. Rice zu präsentieren. Ich habe da vielleicht noch einen kleinen, aber vielleicht nicht unwichtigen Grund gefunden, das sich die USA Georgien als Vasallen halten möchte. Die strategische Rohstofffrage ist zwar immer noch der Hauptgrund, doch dies wäre ja nicht zu verachten:



Die USA unternehmen gegenwärtig praktische Schritte zur Stationierung von Funkmess-Stationen und Abfangmitteln in der Nähe der russischen Grenzen, um den Start zu fixieren und Raketen an einem für sie besonders verwundbaren Abschnitt der Bahn, noch vor der Abtrennung des Gefechtskopfes, zu vernichten.


http://de.rian.ru/analysis/20060216/43591630.html

und das passt ja prima hierzu:



Die bipolare Abschreckung durch die gegenseitige gesicherte Vernichtung (Mutually Assured Destruction = MAD) des Kalten Krieges wird durch ein Monopol ersetzt: die USA schrecken alle anderen ab und werden selbst unantastbar - das ist die Kernaussage der neuen US-Militärstrategie "Vision 2020". Angestrebt wird die Dominanz in allen militärischen Sphären (Land, Luft, See und Weltraum) mit konventionellen und atomaren Mitteln und mit einem weltraumgestützten Abwehrsystem, das den gesamten Globus überwacht.


http://www.ippnw.de/Atomwaffen/Atomwaffenpolitik/USA/article/Mininukes.html

:]

Stechlin
26.10.2006, 18:41
Die bipolare Abschreckung durch die gegenseitige gesicherte Vernichtung (Mutually Assured Destruction = MAD) des Kalten Krieges wird durch ein Monopol ersetzt: die USA schrecken alle anderen ab und werden selbst unantastbar - das ist die Kernaussage der neuen US-Militärstrategie "Vision 2020". Angestrebt wird die Dominanz in allen militärischen Sphären (Land, Luft, See und Weltraum) mit konventionellen und atomaren Mitteln und mit einem weltraumgestützten Abwehrsystem, das den gesamten Globus überwacht.

Na zu der Meldung paßt ja dieser Beitrag wie die Faust aufs Auge: http://www.politikforen.de/showpost.php?p=981938&postcount=6

franek
27.10.2006, 11:30
Na zu der Meldung paßt ja dieser Beitrag wie die Faust aufs Auge: http://www.politikforen.de/showpost.php?p=981938&postcount=6

Das denke ich auch...

franek
27.10.2006, 13:40
Rußland warnt Georgien ein weiteres mal, die Provokationen gegenüber seinem Nachbarn im Norden einzustellen, betont aber, daß es keinerlei Absichten verfolgt, sein Territorium - in Anspielung auf Abchasien und Südossetien - zu vergrößern:

Hallo Nitup,

da haste ja mal doppelgemoppelt! siehe #6:cool2:

Stechlin
27.10.2006, 13:45
Hallo Nitup,

da haste ja mal doppelgemoppelt! siehe #6:cool2:

upps! :eek:

franek
27.10.2006, 14:00
upps! :eek:

Aber ich glaube, einigen hier schadet es auch nicht wenn sie´s zweimal lesen.:))

Stechlin
27.10.2006, 14:01
Aber ich glaube, einigen hier schadet es auch nicht wenn sie´s zweimal lesen.:))


Ob das ausreicht? :))

Stechlin
27.10.2006, 19:16
Nachtigall, ick hör Dir trapsen:


MOSKAU, 27. Oktober (RIA Novosti). Der russische Präsident Wladimir Putin soll bei außerordentlichen internationalen Situationen ökonomische Sondermaßnahmen ergreifen.

Das geht aus einem der Staatsduma Russlands vorgelegten Gesetzentwurf hervor, teilte der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Krediteinrichtungen und Finanzmärkte, Wladislaw Resnik, am Freitag in Moskau mit. Dabei könnten diese Maßnahmen gegenüber beliebigen Ländern bzw. Persönlichkeiten angewandt werden.

Zu den Sondermaßnahmen zählen unter anderem die Einstellung von Programmen auf dem Gebiet der wirtschaftlichen, technischen und militärischen Hilfe, das Verbot oder die Einschränkung von Finanzoperationen, die Einschränkung außenwirtschaftlicher Operationen, das Aussetzen internationaler Handels- und Wirtschaftsverträge, die Änderung von Ausfuhr- und Importzöllen, die eingeschränkte Nutzung russischer Häfen durch ausländische Schiffe wie auch des russischen Luftraumes. Zudem könnten auch Touristenreisen eingeschränkt werden.

"Das Dokument wurde im Auftrag des Präsidiums der Fraktion von Einheitliches Russland erstellt. Ich bin der Ansicht, dass der Präsident eine solche Möglichkeit haben muss", sagte Resnik.
http://de.rian.ru/russia/20061027/55194959.html