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Vollständige Version anzeigen : Werde, der Du bist: Von der Immanenz zur Existenz...



Holzmichel
19.10.2006, 17:12
Friedrich Wilhelm Nietzsche wurde 1844 in Röcken geboren und starb in geistiger Umnachtung am 25. August 1900 nach mehreren Schlaganfällen in der Pflege von Mutter und Schwester in Weimar, in der Villa Silberblick, an einer Lungenentzündung. Allerdings konnte er in der Dekade nach seinem geistigen Zusammenbruch immer noch von der Mutter ans Klavier gesetzt werden und vier Stunden lang herrliche Musik erzeugen. Er hinterließ der Nachwelt ein umfangreiches Werk, als Archiv begründet von der Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche, die damit die erste Wissenschaftsmanagerin der Welt wurde und Millionen damit verdiente. Zusammen mit Peter Gast (Heinrich Köselitz) fälschte sie aus Fragmenten das Buch „Der Wille zur Macht“ zusammen, die spätere Bibel des Faschismus. Nietzsche war von Beruf Philologe. Es ist umstritten, ob sein Werk Philosophie ist. Bertrand Russell nannte ihn einen aristokratischen Humanisten im eigentlichen Wortsinne, der zu einer Lebensführung der grimmigen Härte aufruft. Bekannt ist Nietzsche durch seinen Textabschnitt 47(125) in der „Fröhlichen Wissenschaft“, in der er Gott für tot erklärte (Der tolle Mensch). Weiter durch die berühmte Unterscheidung zwischen Dionysos und Apoll in der „Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“; Dionysos als Gottheit kam ursprünglich aus dem Osten ins antike Griechenland. Dionysos ist der Gott der orphischen Feiern. Damals wurde während dieser Orgien eine allgemeine Enthemmung (Rausch) absichtlich als kultische Handlung herbeigeführt. In der Ekstase wird der Mensch Eins mit dieser Gottheit.

Über die Vermittlung seines Lehrers Ritschl bekam Nietzsche, ohne vorher promoviert zu haben und ohne Prüfung („Wir können doch einen Kollegen nicht prüfen!“), eine Professur für klassische Philologie an der Universität Basel. Durch seine Tätigkeit als Professor in Basel lernte Nietzsche Wagner kennen, über Wagner den Philosophen und Aufklärer Dr. Paul Ree, Dr Ree studierte später Medizin (1885) und wurde dann Arzt im Oberengadin (1890). Dr Ree dissertierte 1877 mit seiner Schrift „Über den Ursprung der moralischen Empfindungen“, in der er den freien Willen leugnet. Nietzsche schließt sich dieser These an und geht explizit auf das Werk Dr. Rees in „Menschliches, Allzumenschliches“ und „In Jenseits von Gut und Böse“ ein. Die großzügige Sinekure der Berentung durch die Universität Basel wegen Krankheit erlaubt Nietzsche freies Schaffen. Karl Jaspers untersuchte als Arzt die Krankengeschichte Nietzsches. Drei große Gedankenexperimente zeichnen Nietzsche aus: Der Wille zur Macht, Die ewige Wiederkehr des Gleichen und Der Übermensch. Der Wille zur Macht entspringt allem Lebendigen und ist eine Eigenschaft von allem Lebendigen. Die ewige Wiederkehr des Gleichen sieht alle menschliche Geschichte als einen Vorgang an, der im Kreise verläuft. Der Übermensch ist die Antwort und Forderung Nietzsches auf den Tod Gottes. In seinem Hauptwerk „Also sprach Zarathustra“, einem Roman in Gleichnissen, lässt Nietzsche sein alter ego Zarathustra, den ersten (fiktiven) Übermenschen, dessen angenommenen historischen Fehler, die Schaffung von Gut und Böse, korrigieren. Angeblich hatten die alten Griechen keine Vorstellung von Sünde, es gab allerdings das Tabu. Die Figur des Zarathustra ähnelt in vielem dem Sokrates („Ich weiß, dass ich nichts weiß“ Apologie), ob Nietzsche auch an den Dämonion des Sokrates gedacht haben mag, einer Art antiker Schutzengel in der Seele, welcher verhindert, dass der von ihm Besessene Fehler macht? Gegensatz des Übermenschen ist übrigens der „letzte Mensch“ – längst geflügeltes Wort geworden und in den allgemeinen Sprachgebrauch mit aufgenommen, wie so vieles von Nietzsche -, den Nietzsche auch skizziert und vor dem er warnt. Selbst-Überwindung ist hinreichend der Weg zum Übermenschen, aber Nietzsche versteht noch mehr eine Selbst-Übersteigung als notwendigen Schritt.

Daneben entwickelte er den Begriff der „Umwertung aller Werte“. Ressentiment (Empörung über versagte Triebbefriedigung als Ursache der Moral durch „priesterliche“ Verwandlung). Die Existenz der Herrenmenschen wird dabei als notwendige zivilisatorische Maßnahme gesehen, um der Sklavenmoral Einhalt zu gebieten. Die Unmöglichkeit der direkten Triebbefriedigung greift S. Freud in seiner späten Schrift „Das Unbehagen in der Kultur“ wieder auf. Nietzsche nahm S. Freud und die moderne Psychologie „blitzhaft“ vorweg (Thomas Mann). Tatsächlich ist Nietzsche der beste deutschsprachige Essayist des 19.Jahrhunderts. Deutsche Sprache erlebt bei Nietzsche einen nie wieder erreichten Höhepunkt. Es gibt die ernsthafte These, Nietzsche habe eine Rückabwicklung der menschlichen Zivilisation, die er als fehlgelaufen ansah, betrieben aus hygienischen Gründen. Nietzsche prägte dafür den Begriff der Halkyonie. Gemeint ist die Rückführung zu kulturellen Verhältnissen, die das Leben als solches garantieren können und die Chance für ein Überleben des Menschengeschlechts bieten.

Der Wille zur Macht ist die die gesamte Wirklichkeit bestimmende Kraft, der entscheidende Antrieb und das herrschende Prinzip der gesamten Bewegung, Entwicklung und Veränderung des Lebens. Der Wille zur Macht kann als Wille oder aktive Äußerung zum Leben und zur Lebenssteigerung aufgefasst werden. Er befreit sich aus seinen Fesseln und findet einen ihm angemessenen Ausdruck; dabei übernahm Friedrich Wilhelm Nietzsche die Idee von Dr. Paul Ree, dass der Wille nicht frei sei, aus dessen Dissertation „Über den Ursprung der moralischen Empfindungen“ von 1877. Diese Auffassung deckt sich mit neueren neurobiologischen Forschungsergebnissen. Die Idee Schopenhauers, dessen Vorschlag eines allgemein gültigen Erlösungsversuch des „Nicht-Wille“, wird als „Fabellied des Wahnsinns“ diffamiert und als Konzept unmöglich zu realisieren verworfen. Nietzsche sieht im Wollen die große Kraft der Erlösung und Befreiung(„Der Wille befreit!“). Daneben existiert die Konzeption des sich selbst bestimmenden Übermenschen, die als Leitorientierung des Lebens dient. Gott ist eine Illusion derjenigen Menschen, die keine eigene Deutungsperspektive des Lebens und des Weltgeschehens haben und deshalb eine übergreifende Macht als letzte Sinn- und Wertgrundlage benötigen. Der Übermensch gibt der Welt (s)einen neuen Sinn. Der Übermensch verzweifelt nicht am Mangel an Gott und setzt - getragen vom Willen zur Macht - seine eigenen Werte. Anliegen ist es auch, die abendländische Kultur zu erneuern. Es gibt keine ewigen, zeitlosen Wahrheiten. Die Zeit der globalen Pauschalaussagen ist vorbei. Der Mensch entwirft sich auf ein Ziel hin (Goethe). In dem Werk „Also sprach Zarathustra“ (1883-1885), dem Hauptwerk Friedrich Wilhelm Nietzsches, setzt sich dieser kritisch mit den Grundbegriffen „Der Wille zur Macht“, „Übermensch“, „Umwertung aller Werte“, „ewige Wiederkehr des Gleichen“ auseinander. Hier wird der Übermensch entworfen und charakterisiert als derjenige, der die ihm gesetzten Grenzen überwindet und sich zum Herrn seiner selbst macht.

Im Gegensatz zu den Herdenmenschen lässt sich der Übermensch nicht von Jenseitshoffnungen christlich-religiöser Art leiten. „Gott ist tot“ meint damit, Gott kann nicht mehr als Argument dienen. Der Übermensch setzt und verwirklicht seine eigenen Werte. Die treibende Kraft, die ihn leitet, ist der Wille zur Macht, das Ziel seiner Bemühungen die Umwertung aller Werte. In „Jenseits von Gut und Böse“ (1886), einer Lehrabhandlung, wird die Umwertung aller bisherigen höchsten Werte zum zentralen Thema. Das Werk ist „nein-sagend“, eine schonungslose, entlarvende und destruierende Analyse der wichtigsten Bereiche der Kultur. Wiederentdeckung des Pessimismus. Zivilisatorische Geschichte als dialektischer Vorgang zwischen Sklaven- und Herrenmoral, Ressentiment und die Ausnutzung desselbigen. Gegen die Massenkultur wird das Ideal eines erhabenen, sich selbst bestimmenden Individuums gesetzt. Das Individuum übernimmt dabei unterschiedliche Aufgaben: Es bestimmt die eigene Identität, durchschaut unbewusste und hintergründige Vorgänge, hinterfragt Vorurteile und dogmatische Überzeugungen und hat den Mut mit neuen Orientierungen und Lebensformen zu experimentieren. Insgesamt ist der Übermensch das Wesen, welches sich als Krone der Schöpfung selbst verwirklicht und Selbsttranszendenz entwickelt: Es zieht sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf, bietet also eine Lösung des Münchhausen-Trilemma jenseits der konventionellen Vorstellungen von „Schuld, Strafe und Sühne“, „tragischer Schuld und Untergang des ‚Helden’“ oder apollinischer Täuschungen wie ‚deus ex machina’. Prometheus, der sich selbst befreit hat; Immoralität als Wesenszug. Dabei rechtfertigt nach Nietzsche der Übermensch alle Qualen, alles Leid und alle Tragödien und Katastrophen vergangener Zeiten durch seine schiere Existenz! Der Übermensch hat ohne fatalistische Schicksalsbejahung (‚Amor fati’) einen Ausweg aus der Tragödie des Da-Seins gefunden...

„Genie und Wahnsinn“ kapitulierte Karl Jaspers das Phänomen Nietzsche. Assoziative Auflockerungen (Verknüpfen über Metaebenen) und Störung der Meinhaftigkeit (Empfinden von Landschaften und Leibbeeinflussungswahrnehmung nebst Stimmen-hören). Substanzmißbrauch (Chloralhydrat, Haschisch, Opium). Vaskuläre zerebrale Demenz oder Epilepsie als Ursache göttlicher Visionen? Ein polymorph Perverser und seine Nemesis per Persönlichkeitszerfall? Geisteskrankheit sui generis als eigenständige Entität im Sinne von Echos des Archaischen? Masochist, Dependant, Schizoid oder Histrion? Geschlechtskrank im übertragenen Sinne? Gastritis, Migräne und Kurzsichtigkeit. Eine mögliche medizinische These beschreibt Nietzsche als manisch-depressiven Kranken. Das Spaltungs-Irre-Sein, ausgelebt in den Polen „Dionysos“ und „Apollo“. Größenwahn als gelebter Traum. Der Größenwahn wirkt auf das Gefühlsleben wie Kokain, nur besser weil endogen und nicht substituell. Überschriften wie „Warum ich so gute Bücher schreibe“, „Warum ich so klug bin“, „Warum ich ein Schicksal bin“ deuten auf bewusste Annahme der Hybris als Pose, schwarzer Humor zeigt sich in den Wahnsinnsbriefen „Mein geliebter Sohn...“, “Dionysos“, „...der Gekreuzigte“. Hat sich Nietzsche das Medikament „apollinische Täuschung“ absichtlich nicht gegönnt? Maniker nehmen keine Medikamente und scheuen den Arzt. Warum sollte ein Abhängiger auf das beste Kokain verzichten, wenn es überall legal und in Mengen verfügbar ist? Jemand der sich für einen Gott der hellenistischen Epoche hält, aber Bücher schreibt, die uns heute noch beschäftigen. Wie geht man damit angemessen um? Die Philosophie Nietzsches könnte man in dem Satz zusammenfassen: Das Gegenteil ist der Fall. Das Shakespeare Bonmots „Und ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode“ – auch längst geflügeltes Wort geworden - findet hier breite Anwendung. Die „ewige Wiederkehr“ des Manikers als Vergröberung und Generalisierung des eigenen Leidens? „Einstmals war alle Welt verrückt“ – ist die Rückabwicklung der Zivilisation, wie sie Nietzsche betrieb, der Grund allen Übels? Ist nicht der letzte Mensch die wahrhaft sinnvolle Perspektive für uns alle? ‚Ecce Homo’, die Überschrift einer von Nietzsche selbst gefakten Biografie, die aus Umdichtungen besteht, beispielweise über fleißige Studenten und alkoholfreie Phasen; ein Größenwahnsinniger, der sich als Gott empfindet, frei von allen Fesseln der Konvention und Rationalität, der sich nichts sehnlicher wünscht, als ein normaler Mensch zu sein. Eine Umdichtung, die Schicksal als selbst verursacht sieht, respektive durch besondere Umstände in der Kindheit begründet. Doch dies ist alles Mumpitz. Auch die Überschriften wie „la gaya scientia“ (Homosexualität) sind nur geschickt ausgelegte Fallen Nietzsches, auf Wirkung und Absicht kalkuliert. Die Geburt seiner Tragödie aus dem Geiste der Musik? Zügellose Schwärmerei mit mangelnder Selbstdisziplin und Zuchtlosigkeit?

„Der Übermensch ist der Wahnsinn, mit dem ich Euch impfe!“ sprach Friedrich Wilhelm Nietzsche und weiter „noch niemand sah den Übermenschen“ (falsche Interpretation: Es gibt ihn nicht, richtige Interpretation: Keiner hat ihn bislang bemerkt!). Nach einer Impfung ist man bekanntlich immun. Der „Wahnsinn“ Nietzsches, geboren aus Schwärmerei, letztlich ungezügelter Narzissmus (Eigenliebe) mit den Merkmalen intellektueller Redlichkeit, Ehrgeiz und Selbstbezogenheit, der in sich selbst zusammengebrochen ist, es musste so kommen. Spürbare Folge des Narzissmus ist übrigens die Depression durch Liebesentzug. Man könnte sagen, Friedrich Wilhelm Nietzsche habe den Idealismus in sich selbst zu Tode gestorben, durch bewusst herbeigeführte zügellose Enthemmung desselbigen. Die intellektuelle Ermordung des Selbst, der ‚Selbstmord’. Der „geistige Zusammenbruch“ war Nietzsches katharsis, die Reinigung. Damit wird er zu einem tragischen Held der klassischen Tragödie. Vorher war er wahnhaft, nachher von dem aufgeblähten Wahngebilde, aber auch von dessen irren Energiepotentialen (Dämonie) befreit. Im Wahn wird der Mensch luzide, offenbar im eigentlichen Sinne, ganz im Gegensatz zur konventionellen Meinung (Diese Erkenntnis verdanke ich dem brillanten Schweizer Militärpsychiater Heilinger, von dieser Stelle aus nochmals herzlichen Dank!). Was bleibt, ist die Immanenz: Werde, der Du bist! „Jeder ist sich selbst der Fernste“, ein Situationsprodukt aus Verblendung und häufig auch (falscher) Scham, gemeint ist, nicht über sich selbst hinaus schaffen zu wollen (Emerson), zur Vermeidung tragischer Schuld, zur Verhinderung der Tragödie, als „große Gesundheit“, respektive physiologische Verhaltensweise orientiert vor allem an der Notwendigkeit. „Nimm Deine Dir zugewiesene Aufgabe an“: Ein neuer kategorischer Imperativ entsteht uns. Was bleibt dem originär Schaffenden, dem „gefährlichen Menschen“? Der Rückzug ins Ästhetische, in den kulturellen Bereich oder man geht den Weg Schopenhauers, der nach seiner Tätigkeit als Universitätsprofessor wieder bürgerlich als Kaufmann gearbeitet hat. Seit Kant wissen wir, dass die reine Spekulation in der Schau des Schönen möglich ist, dort kann ein Vermögen noch etwas vermögen. Ende des als Idealismus verkleideten Narziss, einer letztlich frühkindlichen Störung; ein Hans im Glück nach seiner Heilung von der Krankheit Idealismus durch das Heilbalsam apollinische Täuschung, der Antiaufklärung, der „negativen Dialektik“, der Lüge im außermoralischen Sinne: „Die Zeit des sokratischen Menschen ist vorüber...“ Wollte Nietzsche nur vor allem nicht Pfarrer werden, um dem Schicksal des Vaters zu entgehen? Die Schreie des Vaters in seinen letzten Lebenstagen, vor dem Tod an Gehirnerweichung haben Nietzsche ein Leben lang verfolgt (starb damals vielleicht bereits Gott?); neben den vielen Problemen mit dem weiblichen Geschlecht... (Malwida von Meysenbug (erstes (Wagner-)Groupie der Weltgeschichte), Lou Andreas-Salome (Spermaliebhaberin, Psychoanalytikerin), Elisabeth Förster-Nietzsche (Antisemitin, Managerin) usw.) Nietzsche zieht vor allem die ekstatische, aber auch die emanzipierte Frau an.

Über den möglichen Zusammenhang zwischen Leben, Krankheit und Werk Nietzsches werden immer noch kontroverse Debatten geführt. Schreibt nicht jeder nur über sich selbst? Türcke schrieb in den 80er Jahren die These, dass Nietzsche über den Verlust des ptolemäischen Weltbildes und die so genannte Kopernikanische Wende irrewurde („Der tolle Mensch“ siehe hierzu auch den entsprechenden Textabschnitt in der „fröhlichen Wissenschaft“). Schreibt man in einer Deutung Nietzsches nicht grundsätzlich über sich selbst? Subjektivismus pur. Hatte Nietzsche nur einen besonders abnormen Selbstheilungsversuch unternommen, neben der echten Krankheit der Kurzsichtigkeit und den vielen psychosomatischen Befindlichkeitsstörungen, einem als tragisch empfundenen Leben zu entkommen? Vernunft als absolute Richtschnur für das Verhalten, unterfüttert mit Tipps aus dem Buddhismus und von Schopenhauer, wie etwa zur „Transzendierung der Lüste“ oder dem letzten Tugendgebot zum Mitleid. Versuchte Totalreflektion als ultimative Antithese. Der Turmbau zu Babel noch einmal gleich dem sinnlosen Unterfangen, ein globales Qualitätsmanagementsystem zu entwerfen. Der Traum und vorne herein aussichtslose Versuch des Dichters mittels Gedankenkraft, Tinte, Feder und Papier die Wirklichkeit entschieden zu verändern, um einem erahnten tragischen Schicksal zu entkommen. Die Überwindung aller Scham, Angst und des Todes („Doch alle Lust will Ewigkeit“). Der Philosoph, der die Weisheit zu ehelichen gedenkt, damit sie ihm ewiges Leben schenkt (unio mystica). Martin Heidegger musste seinen Versuch das Werk Nietzsches in Lehrbücher umzuschreiben, als gescheitert abschreiben (Holzwege). Holzwege sind Wege die geschaffen wurden, um Holz aus Wäldern abtransportieren zu können. Sie bleiben existent, wenn die Wälder längst abgeholzt sind. Sind nicht alle Autobahnen Hitlers „Holzwege“? Der Verlust des Absoluten als erreichbarer Ort (Jaspers). Das Leiden der Moderne („...Das will mir schier das Herz zerbrechen“ Goethes Faust, Studierzimmerszene). Nietzsche als Vorhalle einer Philosophie (Heidegger). Nietzsche als wirklich allerletzter Metaphysiker...

Sah die antike Autorengruppe um Platon noch in ihrer gedachten Figur des Sokrates, dem Erfinder der Mäeutik und Aporie, und seinem Vorschlag des inszenierten Selbst-Mordes – nach Verhängung der Todesurteils wegen dem Vorwurf der Asebie (Gottlosigkeit), dabei gab es in Athen ein Verbot gegen die Erfindung neuer Gottheiten um diesem mutmaßlichen inflationären Treiben Einhalt zu gebieten - während einer Abschiedsgala noch das Allheilmittel („Ich muss dem Apollon noch einen Hahn opfern“ Phaidon) – denn alle Qualen kommen aus unserem Selbst –, so würde man heute sagen, dass wir gar kein Selbst haben. Der „Schleier der Maya“, die Täuschung, ist aufgehoben. Das Selbst ist die letzte Illusion, die wir uns rauben und nichten. Eine „Seele“ bilden wir uns ein. Das Bewusst-Sein ist schließlich transzendentaler Natur, es übersteigt unsere Vernunft und Erklärungsmöglichkeit. „Der Denker auf der Bühne“ (Peter Sloterdijk) kann abtreten, der Vorhang schließt sich („So macht denn Gewissen Feige aus uns allen!“ Hamlet). Dem so radikal „entkernten“ und „entwurmten“ Individuum existiert knapp hundert Jahre nach Nietzsche nun ein Supermarkt der Möglichkeiten als Legat, ein Leben ohne die Tarantel der Rache, die Idiotie der Kreuzspinne („Unter Kreuzen ist gut spinnen“), Furcht vor „dionysischen“ Persönlichkeitsanteilen (Orgiasmus), Aberglaube („Es gibt keinen im Transzendentalen angesiedelten Kausalitätsnexus“), Illusion des Staates (Gottersatz), soziale Gesellschaft und „Sozialstaat“(„Menschliche Gesellschaft ist ein Versuch und kein Vertrag“) und ohne schlechtes Gewissen und (Selbst-) Ekel („Der Gewissenhafte des Geistes“). Bekannte Tragödien (Ödipus, Antigone, Elektra) müssen sich nicht immer wieder wiederholen. Wer wöllte ernsthaft ständig in der Spannung polarer Wesenszustände des Dionysischen (Rausch) wie des Apollinischen (Nüchterne Reinheit, Vernunft und Tugend) leben? Der Dithyrambus ist gesprengt. Nietzsche verwirklichte per Gewalt eine Unmöglichkeit: Die Moderne, die Götterdämmerung. Die Götter wurden von sich selbst erlöst. Die Erlösung von dem Zwang zur Erlösung. Es gibt keine nihilistische Ethik. Der befreite Geist kann wesentlich werden, „so lasst uns denn am Tempel beider Gottheiten opfern!“ (letzter Satz aus der „Geburt der Tragödie“) Wir feiern die Geburtsstunde des Existenzialismus, denn „der Mensch ist zur Freiheit verdammt“ (Sartre). :cool2:

KrascherHistory
19.10.2006, 17:13
Ich habe den Text zwar nicht gelesen, weil er zu lang ist, ich glaube aber das er gut - nicht unbedingt richtig, aber gut - ist, weil er richtig lang ist.

franz
19.10.2006, 17:39
meine zustimmung :)) :))
franz;)

wtf
19.10.2006, 17:42
Was willst Du mit diesem unverdaulichen Buchstabenhaufen mitteilen?

Holzmichel
19.10.2006, 17:56
Was willst Du mit diesem unverdaulichen Buchstabenhaufen mitteilen?

Nichts! Das Zeitalter der Aufklärung ist vorbei. Wir leben in der Zeit der negativen Dialektik.

Irratio
19.10.2006, 19:24
Nichts! Das Zeitalter der Aufklärung ist vorbei. Wir leben in der Zeit der negativen Dialektik.

Entweder du hast einen an der Klatsche, oder ich füttere gerade Trolle.

Irratio.

KrascherHistory
19.10.2006, 19:26
Nichts! Das Zeitalter der Aufklärung ist vorbei. Wir leben in der Zeit der negativen Dialektik.

New York. Was suchst du im Deutschen Reich ?

Waldgänger
22.10.2006, 00:36
Das Zeitalter der Aufklärung ist vorbei, da stimme ich zu. Neue Werte werden das überkommene Abendland ersetzen, neue Werte die sich mit der Glorie der antiken Geistesgröße verschmelzen. Die Wiederkunft der Götter - Ragnarök. So, genug des Pathos. ;)

-jmw-
22.10.2006, 15:02
'n richtiges Raganrök sieht wohl anders aus! (bös' nämlich...)

Holzmichel
20.11.2007, 19:11
I'd like to dedicate this thread to the greatest man of all times: FW Nietzsche!

A thousand thanks to your honourest gift!

Holzmichel
20.11.2007, 19:15
I am what I am - and I feel fine... smile...

SteveFrontera
21.11.2007, 18:27
Nietzsches Denken hat zweifellos auf die Denker des Existenzialismus und der Psychoanalyse gewirkt.
Mir geht dieses ichbezogene Denken mittlerweile auf den Geist. Der Mensch ist und bleibt ein soziales Wesen und wird durch sein soziales Umfeld stark determiniert.

SteveFrontera
21.11.2007, 18:39
I am what I am - and I feel fine... smile...

Den Satz "ich bin, der ich bin" hört man mittlerweile von fünfjährigen Kindern. Ich bin mir aber sicher, dass die Kinder zehn Jahre später ganz anders sein werden.