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Vollständige Version anzeigen : Es ist Krieg



Grotzenbauer
01.10.2006, 09:07
Vor ein paar Wochen habe ich ein eigentümliches Erlebnis. Ich war an einem prächtigen Tag im Spätsommer mit dem Fritz auf einer Bergwanderung.Es ging steil Bergauf. An einem schönen Sonnenplatz haben wir den ersten Halt eingeschaltet. Nach einer Weile sehen wir am Horizont im Gegenlicht eine Gestallt auftauchen. Langsam kam sie auf uns zu, auf dem Rücken trug sie eine schwere Last. Fritz sagte plötzlich, das ist ein Jäger der ein Tier geschossen hat. Er hatte recht! Ein wenig später ist der Jäger bei uns, der einen prächtigen Gemsbock auf dem Rücken trägt. Die Beine des toten Gemsbock hat er sorgfältig zusammen gebunden, und einen schönen Tannenzweig ins Maul gesteckt. Wir wechseln ein paar Worte und er erzählte uns wie er dem Gemsbock aufgelauert hatte und ihn mit einem gut gezielten Schuss erlegt habe. Für einen Moment legte er die schwere Last auf den Böden. Und dann sieht man die andere Seite des Halses. Ich bekomme grosse Augen. Mitten in dem schönen Fell des Gemsbocks klaffte eine riesen grosse Wunde. als hätte jemanden mit einem Messer einen Trichter in den Hals geschnitten. Man sieht Fleisch, Adern, Knochen. Es ist überhaupt nicht unappetitlich oder grausam, im Gegenteil, es ist auf eine faszinierende Art schön, und gleichzeitig merke ich, wie mich die Wunde masselos irritiert. Seit der Rekrutenschule habe ich nie mehr gesehen, was so eine simple Patrone anrichten kann. Und plötzlich sehe ich hunderte von Menschen vor mir; Beine, Arme, Köpfe, alle mit tiefen Wunden. Es ist, als würde mir jemanden in Erinnerung rufen, so sieht es aus, wenn auch Menschen so getroffen werden. Wenn eine Kugel, Haut zerfetzt, und wichtige Organe zerstört, ein Blutbad anrichtet. Krieg, es ist Krieg und ich begehre nicht schuld daran zu sein. Diese bekannte Zeilen aus dem Gedicht von Matthias Claudius gehen mir durch den Kopf. Im Prinzip treffen die Zeilen genau Gefühle, die auch ich habe. Jetzt wo ich miterleben muss, wie die Kriegsbegeisterung weltweit wie man die, die sich zur Wehr setzten wieder Salonfähig wird, und in verschiedenen Staaten hochoffiziell zum Krieg aufruft. Wo ich miterleben muss, wie man diejenigen die sich zur Wehr setzten, abgedrängt werden zu den Feiglingen, oder von den sogenannten Friedensbewegten die man sowieso nicht ernst nehmen kann. Krieg, es ist Krieg und ich begehr nicht schuld daran zu sein. Die Schuld die Matthias Claudius erwähnt ist im entscheidenden Moment aus Resignation oder Bequemlichkeit wegzuschauen und zu schweigen. :rolleyes:

Zyme
01.10.2006, 09:23
Man muss das nicht zwingend so einseitig betrachten:
Krieg kann auch als notwendiger Zustand verstanden werden, welcher sich im Idealfall mit dem Frieden regelmäßig abwechselt.
Verharrt eine Gesellschaft ausschießlich im Krieg, so blutet sie durch das Chaos aus. Ruft sie jedoch nie zu den Waffen, so geht sie an Werteverfall und Materialismus zugrunde.

Für mich gehört also beides zur staatlichen Räson. Weil sich unsere westlichen Gesellschaften nun seit Jahrzehnten praktisch im Frieden befinden, spüren viele intuitiv oder bewusst die reinigende Kraft des Krieges, welcher Ungleichgewichte beseitigt und Differenzen auflöst. Es ist wie das Empfinden der spannungsgeladenen Luft wenn dunkle Wolken aufziehen - und jeder auf den erlösenden Blitz wartet.