kettnhnd
27.02.2004, 07:12
Der Triumphator kehrt zurück
Von Dominik Baur, Passau
Nach dem eisigen Empfang bei der CDU in Leipzig warf sich Edmund Stoiber mit lustvollem Ganzkörpereinsatz ins Passauer Heimspiel: Beim traditionellen politischen Aschermittwoch bot er dem bierseligen Publikum alles - von der Sozi-Schelte bis zur Deutschtümelei.
Passau - Das Schönste am Aschermittwoch ist, dass Fasching und Karneval überstanden sind. In Passau stimmt das jedoch nur bedingt. Zwar sind auch hier die Schweinshaxn den Fischsemmeln gewichen, doch das Bier ist geblieben - und mit ihm die deftigen Sprüche, Büttenreden nicht unähnlich. Von christlicher Besinnung und Einkehr keine Spur, stattdessen christsoziale Polemik und derbe Sprüche. "Das ist der größte Stammtisch der Republik, und wir sind stolz darauf", sagt Bayerns Superminister Erwin Huber beim traditionellen Politischen Aschermittwoch der CSU.
Für den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber ist dieser Stammtisch eine kleine Entschädigung für den frostigen Empfang, den ihm die CDU auf ihrem Parteitag in Leipzig bereitet hatte. Endlich kann er wieder den Triumphator geben.
Aus ganz Deutschland sind die Edmund-Groupies zu diesem Spektakel angereist. "CDU Schönbrunn, Rhein-Neckar-Kreis grüßt Edmund Stoiber", steht auf einem Transparent. "Das Nordseebad Norderney grüßt Passau", heißt es auf einem anderen. Der CDU-Verband des Landkreises Verden versucht sich sogar im Bayerischen: "Pack mer z'amm? Naaaa!!!! Oiso, pack mer's! Z'amm!!!" Auch die CDU Peine ist vertreten - mit Trachtenjanker und Deutschlandschal. Ein einsamer Streiter hält in der Mitte der Halle ein Schild hoch: "Stoiber-Kanzler".
"Deutschland hat solche Banausen nicht verdient"
Zwei Stunden haben die Fans Zeit, sich warmzutrinken. Um 10.02 Uhr ertönt dann der Defiliermarsch. Umringt von Kamerateams und Sicherheitsleuten halten Edmund Stoiber und seine Frau Karin in der Passauer Dreiländerhalle Einzug. Im Vorbeigehen werden ein paar Hände geschüttelt, gut zehn Minuten dauert es, bis die beiden an ihrem Biertisch angelangt sind.
Der größte Teil seiner Rede ist freilich parteipolitische Polemik pur. Der politische Aschermittwoch ist nicht der Platz für staatsmännisches Auftreten. Gern nimmt Stoiber da die Steilvorlagen auf, die ihm die Bundesregierung bereitwillig bietet. Schuldenrekord, Massenarbeitslosigkeit, Punkt für Punkt listet Stoiber den maroden Zustand Deutschlands auf.
Das Dosenpfand, den Rechenfehler im Vermittlungsausschuss, die Riester-Rente, die Praxisgebühr, alles zerreißt der CSU-Chef in der Luft, unbesehen, ob auch die Union daran beteiligt war. Genüsslich dröselt er die Chronologie des Mautdebakels auf. "Deutschland hat es nicht verdient, von solchen Banausen regiert zu werden."
"Der kann es nicht"
Der übliche Spott auf die Konkurrenzveranstaltungen von SPD und Grüne ("Die Grünen haben sich schon auf ein Schiff begeben, die wollen sich absetzen.") fehlen ebenso wenig, wie allerbilligste Kalauer: Den "Chaosminister Trittin" habe Deutschland nicht verdient. "Wann tritt ihn jemand zurück?" Das Publikum jault. Sogar eine eigene TV-Show erfindet der Ministerpräsident. "Hilfe, wir sind Sozis. Holt uns hier raus!" lautet der Titelvorschlag für das "fast schon fernsehreife Trauerspiel der Bayern-SPD".
Und immer wieder der auf Gerhard Schröder gemünzte Satz: "Der kann es nicht." Stoiber, der ewige Kanzlerkandidat, hofft im Superwahljahr 2004 auf eine Serie von Denkzetteln für die Genossen, angefangen mit einem Wahlerfolg Ole von Beusts in Hamburg. "Jede Wahl, die die verlieren, ist gut für Deutschland."
Auch die Wirtschaft nahm Stoiber nicht von der Kritik aus. Die Wirtschaft dürfe nicht immer nur von der Politik Gesetze fordern, um Reformen durchzusetzen. "So geht es nicht." Die Wirtschaft müsse die Reformen, die sie fordert, schon mittragen. Die Devise dürfe auch nicht sein: "Die Managergehälter orientieren sich an den USA, die Löhne an China."
Auch unbeliebte Forderungen
Immer wieder wird Stoiber von tosendem Beifall und skandierten "Edmund"-Rufen unterbrochen. Bei dieser Stimmung kann der CSU-Superstar sogar unpopuläre Forderungen in die Halle hineinrufen. Zu einem rigiden Sparkurs ruft der Ministerpräsident auf - ungeachtet dessen, dass vor der Halle rund 2500 Polizisten just gegen die bayerische Sparpolitik demonstrierten.
"Mut zur Veränderung", fordert der CSU-Chef und lobt sich selbst: "Ich könnte es mir doch einfach machen und sagen: Machen wir weiter so. Dann gäbe es jetzt keine Demos. Aber bezahlen muss es die nächste Generation." Beifall. Sparen, Einschnitte, Verzicht - seine Gefolgschaft steht geschlossen hinter Stoiber. Um hier Buh-Rufe zu ernten, so hat man den Eindruck, müsste Stoiber schon eine Bier-Steuer von 5 Euro pro Liter fordern.
Nach gut anderthalb Stunden hat sich Stoiber in Rage geredet. Immer öfter weicht er jetzt vom Manuskript ab, schließlich spricht er fast ganz frei. Da fallen dann Sätze, die zu den größten Begeisterungsstürmen in der Halle führen: "Man muss doch auch mal an das deutsche Volk denken, können wir das überhaupt noch?" Oder: "Ich habe den Eindruck, dass die, die in Berlin Verantwortung tragen, Heimat und Vaterland vergessen haben."
Zwei Stunden Rage am Stück
Fast zwei Stunden lang spricht Stoiber, eine körperliche Höchstleistung. Erstaunt schaut der Redner selbst auf die Uhr. Ein Fußballspiel dauert nur 90 Minuten, und auch so mancher Rockstar hält nicht so lange durch. Die Halle tobt. Mehr als zehn Minuten sonnt sich der Zwei-Drittel-König im Beifall seiner Fans.
Diesmal feierte die CSU ihr Stammtischspektakel in der Dreiländerhalle. Die Nibelungenhalle, 29 Jahre lang Austragungsort von Polemik und Besäufnis, war wenige Tage zuvor abgerissen worden. Zum ersten Mal sprach Edmund Stoiber in einer Halle, in der nicht Franz Josef Strauß ("mein großer Lehrmeister") Maßstäbe gesetzt hatte. Stoiber hat zwar nach wie vor nicht dessen Format, doch die Verehrung, die dem CSU-Chef in seiner Partei entgegengebracht wird, erinnert schon ein wenig an den einstigen Landesfürsten. "Wir werden der Dreiländerhalle schon den richtigen Geist einhauchen", hatte Niederbayerns CSU-Chef Erwin Huber vor dem Aschermittwoch angekündigt. Es wurde der Geist Edmund Stoibers.
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,287959,00.html
Von Dominik Baur, Passau
Nach dem eisigen Empfang bei der CDU in Leipzig warf sich Edmund Stoiber mit lustvollem Ganzkörpereinsatz ins Passauer Heimspiel: Beim traditionellen politischen Aschermittwoch bot er dem bierseligen Publikum alles - von der Sozi-Schelte bis zur Deutschtümelei.
Passau - Das Schönste am Aschermittwoch ist, dass Fasching und Karneval überstanden sind. In Passau stimmt das jedoch nur bedingt. Zwar sind auch hier die Schweinshaxn den Fischsemmeln gewichen, doch das Bier ist geblieben - und mit ihm die deftigen Sprüche, Büttenreden nicht unähnlich. Von christlicher Besinnung und Einkehr keine Spur, stattdessen christsoziale Polemik und derbe Sprüche. "Das ist der größte Stammtisch der Republik, und wir sind stolz darauf", sagt Bayerns Superminister Erwin Huber beim traditionellen Politischen Aschermittwoch der CSU.
Für den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber ist dieser Stammtisch eine kleine Entschädigung für den frostigen Empfang, den ihm die CDU auf ihrem Parteitag in Leipzig bereitet hatte. Endlich kann er wieder den Triumphator geben.
Aus ganz Deutschland sind die Edmund-Groupies zu diesem Spektakel angereist. "CDU Schönbrunn, Rhein-Neckar-Kreis grüßt Edmund Stoiber", steht auf einem Transparent. "Das Nordseebad Norderney grüßt Passau", heißt es auf einem anderen. Der CDU-Verband des Landkreises Verden versucht sich sogar im Bayerischen: "Pack mer z'amm? Naaaa!!!! Oiso, pack mer's! Z'amm!!!" Auch die CDU Peine ist vertreten - mit Trachtenjanker und Deutschlandschal. Ein einsamer Streiter hält in der Mitte der Halle ein Schild hoch: "Stoiber-Kanzler".
"Deutschland hat solche Banausen nicht verdient"
Zwei Stunden haben die Fans Zeit, sich warmzutrinken. Um 10.02 Uhr ertönt dann der Defiliermarsch. Umringt von Kamerateams und Sicherheitsleuten halten Edmund Stoiber und seine Frau Karin in der Passauer Dreiländerhalle Einzug. Im Vorbeigehen werden ein paar Hände geschüttelt, gut zehn Minuten dauert es, bis die beiden an ihrem Biertisch angelangt sind.
Der größte Teil seiner Rede ist freilich parteipolitische Polemik pur. Der politische Aschermittwoch ist nicht der Platz für staatsmännisches Auftreten. Gern nimmt Stoiber da die Steilvorlagen auf, die ihm die Bundesregierung bereitwillig bietet. Schuldenrekord, Massenarbeitslosigkeit, Punkt für Punkt listet Stoiber den maroden Zustand Deutschlands auf.
Das Dosenpfand, den Rechenfehler im Vermittlungsausschuss, die Riester-Rente, die Praxisgebühr, alles zerreißt der CSU-Chef in der Luft, unbesehen, ob auch die Union daran beteiligt war. Genüsslich dröselt er die Chronologie des Mautdebakels auf. "Deutschland hat es nicht verdient, von solchen Banausen regiert zu werden."
"Der kann es nicht"
Der übliche Spott auf die Konkurrenzveranstaltungen von SPD und Grüne ("Die Grünen haben sich schon auf ein Schiff begeben, die wollen sich absetzen.") fehlen ebenso wenig, wie allerbilligste Kalauer: Den "Chaosminister Trittin" habe Deutschland nicht verdient. "Wann tritt ihn jemand zurück?" Das Publikum jault. Sogar eine eigene TV-Show erfindet der Ministerpräsident. "Hilfe, wir sind Sozis. Holt uns hier raus!" lautet der Titelvorschlag für das "fast schon fernsehreife Trauerspiel der Bayern-SPD".
Und immer wieder der auf Gerhard Schröder gemünzte Satz: "Der kann es nicht." Stoiber, der ewige Kanzlerkandidat, hofft im Superwahljahr 2004 auf eine Serie von Denkzetteln für die Genossen, angefangen mit einem Wahlerfolg Ole von Beusts in Hamburg. "Jede Wahl, die die verlieren, ist gut für Deutschland."
Auch die Wirtschaft nahm Stoiber nicht von der Kritik aus. Die Wirtschaft dürfe nicht immer nur von der Politik Gesetze fordern, um Reformen durchzusetzen. "So geht es nicht." Die Wirtschaft müsse die Reformen, die sie fordert, schon mittragen. Die Devise dürfe auch nicht sein: "Die Managergehälter orientieren sich an den USA, die Löhne an China."
Auch unbeliebte Forderungen
Immer wieder wird Stoiber von tosendem Beifall und skandierten "Edmund"-Rufen unterbrochen. Bei dieser Stimmung kann der CSU-Superstar sogar unpopuläre Forderungen in die Halle hineinrufen. Zu einem rigiden Sparkurs ruft der Ministerpräsident auf - ungeachtet dessen, dass vor der Halle rund 2500 Polizisten just gegen die bayerische Sparpolitik demonstrierten.
"Mut zur Veränderung", fordert der CSU-Chef und lobt sich selbst: "Ich könnte es mir doch einfach machen und sagen: Machen wir weiter so. Dann gäbe es jetzt keine Demos. Aber bezahlen muss es die nächste Generation." Beifall. Sparen, Einschnitte, Verzicht - seine Gefolgschaft steht geschlossen hinter Stoiber. Um hier Buh-Rufe zu ernten, so hat man den Eindruck, müsste Stoiber schon eine Bier-Steuer von 5 Euro pro Liter fordern.
Nach gut anderthalb Stunden hat sich Stoiber in Rage geredet. Immer öfter weicht er jetzt vom Manuskript ab, schließlich spricht er fast ganz frei. Da fallen dann Sätze, die zu den größten Begeisterungsstürmen in der Halle führen: "Man muss doch auch mal an das deutsche Volk denken, können wir das überhaupt noch?" Oder: "Ich habe den Eindruck, dass die, die in Berlin Verantwortung tragen, Heimat und Vaterland vergessen haben."
Zwei Stunden Rage am Stück
Fast zwei Stunden lang spricht Stoiber, eine körperliche Höchstleistung. Erstaunt schaut der Redner selbst auf die Uhr. Ein Fußballspiel dauert nur 90 Minuten, und auch so mancher Rockstar hält nicht so lange durch. Die Halle tobt. Mehr als zehn Minuten sonnt sich der Zwei-Drittel-König im Beifall seiner Fans.
Diesmal feierte die CSU ihr Stammtischspektakel in der Dreiländerhalle. Die Nibelungenhalle, 29 Jahre lang Austragungsort von Polemik und Besäufnis, war wenige Tage zuvor abgerissen worden. Zum ersten Mal sprach Edmund Stoiber in einer Halle, in der nicht Franz Josef Strauß ("mein großer Lehrmeister") Maßstäbe gesetzt hatte. Stoiber hat zwar nach wie vor nicht dessen Format, doch die Verehrung, die dem CSU-Chef in seiner Partei entgegengebracht wird, erinnert schon ein wenig an den einstigen Landesfürsten. "Wir werden der Dreiländerhalle schon den richtigen Geist einhauchen", hatte Niederbayerns CSU-Chef Erwin Huber vor dem Aschermittwoch angekündigt. Es wurde der Geist Edmund Stoibers.
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,287959,00.html