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Vollständige Version anzeigen : Deutsche als Gastarbeiter



heiss
15.08.2006, 23:26
Die Türkei boomt
Wir holen ein bißchen Urlaub in den Alltag. Dass die Türkei zu den beliebtesten Reisezielen der Deutschen gehört, ist hinlänglich bekannt. Weniger bekannt dürfte allerdings sein, dass sich auch immer mehr Deutsche in der Türkei niederlassen, um dort ihr Glück zu machen. Diese "Gastarbeiter" im spiegelverkehrten Sinne kommen oft aus den ostdeutschen Bundesländern, wo ja die Arbeitslosigkeit besonders groß ist. Einige zehntausend Deutsche sind es schon in der Türkei und wahrscheinlich spielt dabei auch die EU-Perspektive eine Rolle. Bevorzugte Wohn- und Arbeitsregion ist natürlich die türkische Riviera. Wenn schon, denn schon.

Arbeit unter Palmen Der Makler Rene Herboth
http://www.br-online.de/imperia/md/images/politik/ausland/euroblick/jahr/783.jpghttp://www.br-online.de/imperia/md/images/politik/ausland/euroblick/jahr/784.jpg
Rene Herboth ist ein Tausendsassa. Der Tangermünder steht ständig unter Strom, was er anfasst, gelingt ihm. Das war nicht immer so. 1n Deutschland gehörte der 39Jährige eher zu den Verlierern. Ohne Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg, nahe an der Pleite. Ich stand kurz vor dem Abgrund, gesteht der Immobilienmakler und mit der Erinnerung an diese Zeit gefriert sein Lächeln. Rene Herboth, Makler: "Ich habe auf Mallorca, in Spanien den Zug verpasst, damals vor 20 Jahren und hab mich gefragt, was ist die Alternative? Wenn wir uns die Weltkarte anschauen, wo wollen wir hin? Hab nachgedacht, hab weitergedacht, hab zehn Jahre vorausgeschaut, wir kennen das ja von der ehemaligen DDR, 5-Jahresplan, wir wissen ja, wie es ist, hat mich absolut begeistert!" Seit 1996 lebt und arbeitet der Chef einer mittlerweile 50köpfigen Immobilienfirma in Alanya an der türkischen Riviera. Ich komme aus dem Osten und bin wieder im Osten, lacht er und bei 320 Sonnentage im Jahr hat er gut lachen. Alanya boomt. Die Stadt an der türkischen Mittelmeerküste ist mit knapp 1, 3 Millionen Buchungen pro Jahr das zweit größte Touristenzentrum des Landes. Die Hafenstadt ist fest in deutscher Hand. Rund 6000 Deutsche leben und arbeiten schon jetzt in Alanya. Der umtriebige Geschäftsmann Rene Herboth aus Tangermünde weiss auch, warum: "Immer mehr Firmen gehen in andere Länder und wollen sich selbstständig machen und suchen eine Alternative. Die Gruppe der 40jährigen gerade zum Beispiel, gerade was die Selbstständigkeit betrifft, wird immer grösser."

Andreas Feige lebt jetzt schon seit 14 Monaten mit seiner Familie in Alanya. Der selbstständige Bauingenieur bekam in seiner Heimatstadt Chemnitz keine Aufträge mehr. Da er als Selbstständiger kein Arbeitslosengeld zu erwarten hatte und auch irgendwann die Ersparnisse aufgebraucht waren, musste eine Lösung gefunden werden. Eigentlich wollte der 46jährige nach Brasilien auswandern, doch dann stieß der Chemnitzer auf die Türkei. Obwohl die Türkei nicht zur EU gehört, hielt sich der bürokratische Aufwand in Grenzen. Nach sechs Monaten hatte Andreas Feige eine Arbeitserlaubnis, von da an ging es bergauf Jetzt arbeitet der Chemnitzer in einem deutsch-türkischen Unternehmen. Der Clou: Ganze 170 Euro Steuern zahlt der Bauingenieur pro Jahr an den türkischen Staat. Das ist arbeiten im unbekannten Steuerparadies, lacht er und das leben ist auch nicht teuer. Gerade mal 210 Euro Monatsmiete für eine moderne 100 Quadratmeter-Wohnung, Wo gibt's denn so was? Andreas Feige, Gastarbeiter in der Türkei: "Es gibt sehr viele große Firmen, die in der Türkei sehr erfolgreich tätig sind. Dazu gehört z.B. MAN, Siemens, die Metro-Gruppe ist aktiv." Während er 13Järige Sohn Kevin nebenan Playstation spielt, informiert sich das Ehepaar via Satelitten-TV. Der Kontakt zur Heimat bleibt bestehen, tägliche Telefonate mit den Verwandten und Freunden machen das Leben an der türkischen Riviera leichter: Anette Feige: "Man fängt ja eigentlich nochmal von vorne an. Wir fanden das Land sehr schön, die Leute sind sehr nett und hilfsbereit. Wir waren ganz angenehm berührt und haben gesagt: OK, wir versuchen das einfach und haben das erstmal für ein Jahr gemacht. Und dadurch, dass es in der Schule auch klappt mit dem Sohn, haben wir jetzt für drei Jahre verlängert und haben gesagt, das machen wir. Manche Leute haben gesagt, ihr müsst ja völlig verrückt sein. Aber heute sagen viele, ihr habt's bestimmt gut gemacht. Wenn Ihr damit leben könnt. Jeder muss seinen Weg im Leben finden und wir haben eben unseren hier jetzt gefunden."

Mensch, ärgere Dich nicht! Dieses Brettspiel ist irgendwie zum Leitsatz der Familie geworden. Flexibel bleiben. Wenn Du rausgeworfen wirst aus der Bahn, geht's irgendwie weiter. Gastarbeiter in der Türkei, warum nicht? Für den 13jährigen Sohn Kevin war das nur schwer zu vermitteln: "Es war am Anfang, die ersten fünf Monate schon ziemlich komisch, hat man halt die Freunde sehr arg vermisst und auch die Schule in Deutschland. Das hätte ich nie gedacht, das ich mal die Schule vermiss! Es war halt schon extrem krass!" Dass der Kulturschock nicht allzu gro wird, zumindest kulinarisch - darum bemüht sich die deutsche Wirtin Cornelia aus dem Ruhrgebiet. Seit elf Jahren betreibt die 45Jährige eine deutsche Kneipe in Alanya. Mit den deutschen Dauergästen geht die Rechnung langsam auf: "Von Sauerkraut über Bratwurst, Eisbein und Haxe und alles, was es in Deutschland auch gibt. Schinkenplatte! Wird das angenommen? Sehr gut sogar, wir verkaufen 90 Prozent nur deutsche Küche hier!" Auch wenn Eisbein nicht auf dem Speiseplan des gläubigen Muslimen Hasan Sipahioglu steht, freut sich der Bürgermeister von Alanya doch über jede Maßnahme, die den Deutschen in Alanya das Leben so angenehm wie möglich macht. Was in weiten Teilen der Türkei unmöglich ist, soll hier Realität werden: Hasan Sipahioglu, Bürgermeister: "Wir haben ein sehr schönes Gelände auf dem Berg, auf dem schon einmal eine christliche Kirche stand. Wenn sich eine Kirche aus Deutschland meldet, kann sie hier eine Kirche errichten und eine christliche Gemeinde entstehen lassen, damit die Deutschen ihren Glauben leben können." Noch ist es nicht soweit. Aber vereint im Tod sind die Muslimen und Christen schon auf dem Friedhof von Alanya. Neben denn muslimischen Gräberfeld hat die Stadt einem christlichen Friedhof angelegt. "Nun bist Du frei für immer in Alanya" steht auf den Steinen. Die Gräber sind kostenlos, genügend Platz für weitere christliche Bestattungen ist vorgesehen. Die Türkei boomt. Das sagt auch immer wieder Rene Herboth, wenn er neue Kunden in seiner Immobilienfirma begrüsst. Den Friedhof verschweigt er allerdings in seinen Verkaufsgesprächen. Wer stirbt schon gerne unter Palmen?

Filmautor: Michael Lindenau, Übernahme MDR

Redwing
16.08.2006, 03:54
Schon mal den Wechselkurs gesehen (türkische Lira/ DM oder Euro)?:D Dad lohnt nitt, glob ick!:2faces: Man zahlt dort zwar wenig, aber wenn man regional angepaßte Löhne kriegt und dann wieder nach Deutschland zurückkehrt, dürfte man kaum was gewonnen haben. Und wo kommen wir denn hin, wenn die Alos jetzt schon um die Welt gescheucht werden? Wenn sie es freiwillig machen: OK, aber das sollte niemals Zwang werden.

Frei-denker
18.08.2006, 08:52
Die 6000 Deutsche, die in dem Bericht erwähnt werden, sind das Deutsche, oder Türken mit einem deutschem Paß?

Abgesehen davon - wer will schon in einem Staat leben, der Ehrenmorde stillschweigend toleriert, wo Vergewaltigung straffrei bleibt, das Rechtssystem völlig korrupt ist und ein ganzes Volk wie die Kurden unterdrückt, ermordet und im öffentlichen Leben benachteiligt wird? Ich sicher nicht!

Kurdistan now! :D