Klopperhorst
10.06.2006, 14:35
Unser wahres Selbst, der Kern unsers Wesens, ist Das, was hinter jenem steckt und eigentlich nichts Anderes kennt, als wollen und nichtwollen, zufrieden und unzufrieden seyn, mit allen Modifikationen der Sache, die man Gefühle, Affekte und Leidenschaften nennt.
(Schopenhauer)
Im Folgenden will ich ein kleines Modell des menschlichen Bewusstseins skizzieren, auf Basis der schopenhauerischen Willens-Philosophie.
Begriffsdefinitionen
- Bewusstsein: Die Vergegenwärtigung (innere Reflexion) der Erscheinungen, Basis der Vernunft
- Erscheinung: Durch den Verstand und die Formen der Erkenntnis (Raum/Zeit/Kausalität) erzeugte objektivierte Anschauung, d.h. Objekt der Vorstellung realer Dinge im Gegensatz zum Ding an sich, auch Schleier der Maja in der indischen Vedensphilosophie
- Vernunft: Logisches Begriffssystem (Sprache) der objektivierten Anschauung
1. Das Gehirn ist Erzeuger des Bewusstseins
Das zentrale Nervensystem ist der Bündlungsort für alle sensorischen Nervenfasern und somit der fünf Sinne des Menschen, welche die Daten für den Verstand liefern, der die Objekte der Vorstellung erzeugt, welche durch das Bewusstsein reflektiert und vergegenwärtigt werden. Die den menschlichen Organismus erreichenden Daten, z.B. akustische Impulse, werden durch den Verstand in eine für das Bewusstsein „lesbare“ Form gebracht. Dies kann man auch als Vorverarbeitung bezeichnen. Im Wesentlichen werden sie in ein System von Raum/Zeit/Kausalität transformiert. Alles, was der Verstand für das Bewusstsein abbildet, erscheint in diesem System.
2. Bewusstseinsinhalte sind „Bilder“, „Bilder“ sind Gedankenassoziationen
Das Wesentliche unseres Gehirns ist, daß es aus den sensorischen Daten Bilder erzeugen kann, die in neuronalen Feldern gespeichert und mittels ähnlicher Daten assoziiert werden können. Alles, was den menschlichen Organismus erreicht (auch Vorgänge aus dem Inneren) erzeugt gewissermaßen ein Bild, das mit bereits vorgespeicherten Bildern assoziiert wird. Diese Assoziation, ich nenne sie hier auch Gedankenassoziation, erfolgt unbewusst und automatisch. Ein Bild ist hierbei nicht nur mit einem visuellen Eindruck zu vergleichen, ein Bild ist ein Bewusstseinsinhalt als Gesamtheit aller Erscheinungen, die sich in einem gewissen Zeitbereich in ihm widerspiegeln. Die komplexeste Form dieser Bilder sind Situationen und Szenen, z.B.: „Ich gehe auf einer belebten Straße und habe Hunger“ -> Das Lesen dieses Satzes selbst reicht schon aus, um die Gedankenassoziation dieser Situation zu erzeugen.
3. Bewusstseinsinhalte werden unbewusst bewertet; Basis des ICH-Gefühls
Jedes durch das Gehirn erzeugte Bild oder Objekt der Vorstellung wird unbewusst bewertet. Diese Wertung erfolgt durch den Charakter. Der Charakter ist im schopenhauerischen Sinne der WILLE, d.h. die unanbhändig der Erscheinungen agierende Triebfeder des menschlichen Organismus. Der Wille ist im Kern der unbewusste Drang zum Sein, er kennt nur Wollen; und das ganz entschieden. Beim Menschen läuft dieses Wollen im Wesentlichen darauf hinaus, die Erhaltung des Organismus zu garantieren (Nahrungsaufnahme) und die Reproduktion des Organismus zu vollziehen (Sexualtrieb). Alle Bewusstseinsinhalte werden nun dem Willen, der sich im Charakter des Menschen darstellt, in Form von Motiven vorgelegt, worauf dieser den Richterspruch fällt, nämlich „will ich“ oder „will ich nicht“. Dieser Richterspruch äussert sich in Gefühlen. Gefühle sind im einfachsten Sinne Bedürfnisse (z.B. Hunger, Schlafbedürfnis ...) und im komplexesten Sinne Gefühle wie Freude, Trauer, Wut, Angst und Liebe. Da der Wille metaphysisch keine Individualität besitzt, der Mensch jedoch ein Selbstbewusstsein verspürt, muss die Quelle desselben in dem Zusammenspiel von Bewusstseinsinhalt, Willen und dem daraus resultierenden Gefühl liegen. Der Bewusstseinsinhalt selbst würde unbewusst bleiben, solange er keine Gefühle hervorriefe. Erst die Reflexion des Gefühls kann das Selbstbewusstsein erklären. Diese Reflexion stellt sich nun aber wieder als Bewusstseinsinhalt dar, d.h. als Gedankenassoziation. Es entsteht ein Regelkreis, der als eine Art Rückkopplungsmechanismus oder Fokussierung arbeitet. Dieser Mechanismus ist das Selbstbewusstsein, d.h. das Wissen um seiner selbst, d.h. seine eigenen Gefühle und Regungen. Das Selbstbewusstsein selbst ist m.E. ein reines Gefühl, was durch diese Reflexion hervorgerufen wird.
4. Die Notwendigkeit der Gedankenassoziationen und die Unfreiheit des Willens
Die Bewusstseinsinhalte und die aus ihnen resultierenden Gefühle folgen dem Leitfaden der Kausalität, sie sind somit den Gesetzen der Notwendigkeit unterworfen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum eine Gedankenassoziation einem freien Willen unterworfen sein sollte, denn der Wille, sich darstellend im Charakter des Menschen, ist völlig unbewusst und unveränderbar (d.h. angeboren). Seine Reflexe, Bedürfnisse und Gefühle sind determiniert; wären sie dies nicht, würde der Wille in der Zeit liegen, also selbst veränderbar sein und sich als das Primäre der Natur ad absurdum führen. Denn er erst bringt die Zeit als Form der Anschauung des Verstandes hervor, der Verstand zeigt ihm die Motive, die er gemäß seines unveränderbaren Wesens bewertet. Das der Mensch sein Verhalten ändern kann, liegt lediglich daran, daß sich im Laufe des Lebens die Bewusstseinsinhalte anhäufen, somit auch die mit ihnen verbundenen Gefühle und Regungen des Willens. Man weiss also mit der Zeit, wer man ist, man kennt sich und seine Gefühle. Somit können stärkere Motive auf den Willen wirken, z.B. das Motiv der Mäßigung des eigenen Verlanges (z.B. Zigarettenrauchen) aufgrund des daraus entstehenden Nachteils für den Organismus (Erhaltungstrieb). Dies nennt man auch den empirischen Charakter im Gegensatz zum intelligiblen. Der unveränderbare Wille, der intelligible Charakter, hat jedoch immer das letzte Wort. Und so schrieb Schopenhauer auch:
Man kann zwar tun was man will, aber nicht wollen was man will.
Zusammenfassung
Das menschliche Bewusstsein wird durch das menschliche Gehirn, als Verarbeitungseinheit für alle sensorischen Daten, die den Organismus erreichen, ermöglicht. Bewusstseinsinhalte sind Bilder und Gedankenassoziationen, welche als Motive auf den Charakter des Menschen wirken. Der Charakter des Menschen ist metaphysisch der unbewusste und unveränderbare Wille zum Sein. Die aufsteigenden Bilder und Gedankenassoziationen werden vom Willen in Form von Gefühlen bewertet. Gefühle erzeugen als rückgekoppelte Bewusstseinsinhalte das Gefühl des Selbstbewusstseins, als das Wissen um die eigenen Regungen. Gedankenassoziation und Gefühle sind notwendig, denn sie folgen dem Leitfaden der Kausalität. Durch Anhäufung von Bewusstseinsinhalten im Laufe eines Lebens erkennt man das eigene Wollen. Stärkere Motive können somit auf den Willen wirken.
(Schopenhauer)
Im Folgenden will ich ein kleines Modell des menschlichen Bewusstseins skizzieren, auf Basis der schopenhauerischen Willens-Philosophie.
Begriffsdefinitionen
- Bewusstsein: Die Vergegenwärtigung (innere Reflexion) der Erscheinungen, Basis der Vernunft
- Erscheinung: Durch den Verstand und die Formen der Erkenntnis (Raum/Zeit/Kausalität) erzeugte objektivierte Anschauung, d.h. Objekt der Vorstellung realer Dinge im Gegensatz zum Ding an sich, auch Schleier der Maja in der indischen Vedensphilosophie
- Vernunft: Logisches Begriffssystem (Sprache) der objektivierten Anschauung
1. Das Gehirn ist Erzeuger des Bewusstseins
Das zentrale Nervensystem ist der Bündlungsort für alle sensorischen Nervenfasern und somit der fünf Sinne des Menschen, welche die Daten für den Verstand liefern, der die Objekte der Vorstellung erzeugt, welche durch das Bewusstsein reflektiert und vergegenwärtigt werden. Die den menschlichen Organismus erreichenden Daten, z.B. akustische Impulse, werden durch den Verstand in eine für das Bewusstsein „lesbare“ Form gebracht. Dies kann man auch als Vorverarbeitung bezeichnen. Im Wesentlichen werden sie in ein System von Raum/Zeit/Kausalität transformiert. Alles, was der Verstand für das Bewusstsein abbildet, erscheint in diesem System.
2. Bewusstseinsinhalte sind „Bilder“, „Bilder“ sind Gedankenassoziationen
Das Wesentliche unseres Gehirns ist, daß es aus den sensorischen Daten Bilder erzeugen kann, die in neuronalen Feldern gespeichert und mittels ähnlicher Daten assoziiert werden können. Alles, was den menschlichen Organismus erreicht (auch Vorgänge aus dem Inneren) erzeugt gewissermaßen ein Bild, das mit bereits vorgespeicherten Bildern assoziiert wird. Diese Assoziation, ich nenne sie hier auch Gedankenassoziation, erfolgt unbewusst und automatisch. Ein Bild ist hierbei nicht nur mit einem visuellen Eindruck zu vergleichen, ein Bild ist ein Bewusstseinsinhalt als Gesamtheit aller Erscheinungen, die sich in einem gewissen Zeitbereich in ihm widerspiegeln. Die komplexeste Form dieser Bilder sind Situationen und Szenen, z.B.: „Ich gehe auf einer belebten Straße und habe Hunger“ -> Das Lesen dieses Satzes selbst reicht schon aus, um die Gedankenassoziation dieser Situation zu erzeugen.
3. Bewusstseinsinhalte werden unbewusst bewertet; Basis des ICH-Gefühls
Jedes durch das Gehirn erzeugte Bild oder Objekt der Vorstellung wird unbewusst bewertet. Diese Wertung erfolgt durch den Charakter. Der Charakter ist im schopenhauerischen Sinne der WILLE, d.h. die unanbhändig der Erscheinungen agierende Triebfeder des menschlichen Organismus. Der Wille ist im Kern der unbewusste Drang zum Sein, er kennt nur Wollen; und das ganz entschieden. Beim Menschen läuft dieses Wollen im Wesentlichen darauf hinaus, die Erhaltung des Organismus zu garantieren (Nahrungsaufnahme) und die Reproduktion des Organismus zu vollziehen (Sexualtrieb). Alle Bewusstseinsinhalte werden nun dem Willen, der sich im Charakter des Menschen darstellt, in Form von Motiven vorgelegt, worauf dieser den Richterspruch fällt, nämlich „will ich“ oder „will ich nicht“. Dieser Richterspruch äussert sich in Gefühlen. Gefühle sind im einfachsten Sinne Bedürfnisse (z.B. Hunger, Schlafbedürfnis ...) und im komplexesten Sinne Gefühle wie Freude, Trauer, Wut, Angst und Liebe. Da der Wille metaphysisch keine Individualität besitzt, der Mensch jedoch ein Selbstbewusstsein verspürt, muss die Quelle desselben in dem Zusammenspiel von Bewusstseinsinhalt, Willen und dem daraus resultierenden Gefühl liegen. Der Bewusstseinsinhalt selbst würde unbewusst bleiben, solange er keine Gefühle hervorriefe. Erst die Reflexion des Gefühls kann das Selbstbewusstsein erklären. Diese Reflexion stellt sich nun aber wieder als Bewusstseinsinhalt dar, d.h. als Gedankenassoziation. Es entsteht ein Regelkreis, der als eine Art Rückkopplungsmechanismus oder Fokussierung arbeitet. Dieser Mechanismus ist das Selbstbewusstsein, d.h. das Wissen um seiner selbst, d.h. seine eigenen Gefühle und Regungen. Das Selbstbewusstsein selbst ist m.E. ein reines Gefühl, was durch diese Reflexion hervorgerufen wird.
4. Die Notwendigkeit der Gedankenassoziationen und die Unfreiheit des Willens
Die Bewusstseinsinhalte und die aus ihnen resultierenden Gefühle folgen dem Leitfaden der Kausalität, sie sind somit den Gesetzen der Notwendigkeit unterworfen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum eine Gedankenassoziation einem freien Willen unterworfen sein sollte, denn der Wille, sich darstellend im Charakter des Menschen, ist völlig unbewusst und unveränderbar (d.h. angeboren). Seine Reflexe, Bedürfnisse und Gefühle sind determiniert; wären sie dies nicht, würde der Wille in der Zeit liegen, also selbst veränderbar sein und sich als das Primäre der Natur ad absurdum führen. Denn er erst bringt die Zeit als Form der Anschauung des Verstandes hervor, der Verstand zeigt ihm die Motive, die er gemäß seines unveränderbaren Wesens bewertet. Das der Mensch sein Verhalten ändern kann, liegt lediglich daran, daß sich im Laufe des Lebens die Bewusstseinsinhalte anhäufen, somit auch die mit ihnen verbundenen Gefühle und Regungen des Willens. Man weiss also mit der Zeit, wer man ist, man kennt sich und seine Gefühle. Somit können stärkere Motive auf den Willen wirken, z.B. das Motiv der Mäßigung des eigenen Verlanges (z.B. Zigarettenrauchen) aufgrund des daraus entstehenden Nachteils für den Organismus (Erhaltungstrieb). Dies nennt man auch den empirischen Charakter im Gegensatz zum intelligiblen. Der unveränderbare Wille, der intelligible Charakter, hat jedoch immer das letzte Wort. Und so schrieb Schopenhauer auch:
Man kann zwar tun was man will, aber nicht wollen was man will.
Zusammenfassung
Das menschliche Bewusstsein wird durch das menschliche Gehirn, als Verarbeitungseinheit für alle sensorischen Daten, die den Organismus erreichen, ermöglicht. Bewusstseinsinhalte sind Bilder und Gedankenassoziationen, welche als Motive auf den Charakter des Menschen wirken. Der Charakter des Menschen ist metaphysisch der unbewusste und unveränderbare Wille zum Sein. Die aufsteigenden Bilder und Gedankenassoziationen werden vom Willen in Form von Gefühlen bewertet. Gefühle erzeugen als rückgekoppelte Bewusstseinsinhalte das Gefühl des Selbstbewusstseins, als das Wissen um die eigenen Regungen. Gedankenassoziation und Gefühle sind notwendig, denn sie folgen dem Leitfaden der Kausalität. Durch Anhäufung von Bewusstseinsinhalten im Laufe eines Lebens erkennt man das eigene Wollen. Stärkere Motive können somit auf den Willen wirken.