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Vollständige Version anzeigen : Die Deutschen - eine Milieugesellschaft?



basti
28.03.2006, 16:37
hier die neuesten ergebnisse des heidelberger forschungsinstituts 'sinus sociovision'.

es gibt demnach 10 verschiedene milieus, von denen jedoch ein paar aussterben werden.

konkret:



"Konservative": das alte Bildungsbürgertum; gehobene Umgangsformen, konservative Kritik am Zeitgeist.

"Traditionsverwurzelte": die Überlebenden der Kriegsgeneration, der Kleinbürger- oder Arbeiterkultur verhaftet.

"Etablierte": das selbstbewusste Establishment; Erfolgsethik, Luxuskonsum.

"DDR-Nostalgische": die resignierten ostdeutschen Wendeverlierer.

"Bürgerliche Mitte": streben nach Wohlstand, einem sicheren Beruf und einem harmonischen Heim.

"Konsummaterialisten": die materialistische Unterschicht; shoppen gegen die Abstiegsangst.

"Postmaterielle": intellektuelle Selbstverwirklichung statt Karriere um jeden Preis.

"Hedonisten": die junge, spaßorientierte untere Mittelschicht.

"Experimentalisten": die neue Boheme; Individualismus, Spontaneität und Patchwork-Karriere.

"Moderne Performer": die junge, unkonventionelle Leistungselite.

ein grafik dazu:

http://www.manager-magazin.de/magazin/artikel/0,2828,bild-591503-395921,00.html
(gleichzeitig die quelle)



was meint ihr, ist die unterteilung einer gesellschaft in milieus besser als eine unterteilung in schichten oder gar klassen?
besser wäre es doch, den begriff "klasse" wieder einzuführen, meint ihr nicht?
die wohlstandgesellschaft ist vorbei, der mittelstand stürzt nach und nach weiter ab, so daß es im endeffekt wieder zu einer aufspaltung der gesellschaft zwischen oben und unten kommt.

mir fällt noch ein, was ist mit den muslimen in deutschland? lösen die sich auf oder wie?

Pandulf
28.03.2006, 18:09
mir fällt noch ein, was ist mit den muslimen in deutschland? lösen die sich auf oder wie?

Das Forschungsinstitut hatte wohl Angst, die eingewanderten Moslems zu klassifizieren. Wäre wohl nicht möglich ohne Verstoß gegen die Political Correctness.

Ausserdem hätte dies das schöne Bild von der postnationalen, modernen BRD-Gesellschaft verhunzt.

Kenshin-Himura
28.03.2006, 18:12
was meint ihr, ist die unterteilung einer gesellschaft in milieus besser als eine unterteilung in schichten oder gar klassen?

Es unterteilt ja in mehr Gruppen, ist demnach m.E. genauer und besser.


besser wäre es doch, den begriff "klasse" wieder einzuführen, meint ihr nicht?
die wohlstandgesellschaft ist vorbei, der mittelstand stürzt nach und nach weiter ab, so daß es im endeffekt wieder zu einer aufspaltung der gesellschaft zwischen oben und unten kommt.

Das ist richtig, aber wie gesagt - die Millieus teilen halt genauer ein. Es kommt halt auch drauf an, nach welchen Kriterien man unterteilen will - ob das reine Geld, oder auch die Lebensweise und Philosophie.

Ich selbst würde mich von diesen 10 Gruppen am ehesten den Postmaterialisten zurechnen.

Ich würde das Bürgertum in 2 Gruppen unterteilen:

1. Materialistisches Bürgertum (,,Etablierte"): Hassen alle ,,reichen arroganten Schnösel" (also alle die, die mindestens 20% mehr verdienen, als sie selbst :rolleyes: ), und hassen alle ,,faulen schäbigen proletischen Penner" (also alle die, die mindestens 20% weniger verdienen, als sie selbst...).

2. Humanistisches Bürgertum - dem würde ich mich zurechnen - antimaterialistisch, Toleranz gegenüber proletarischer Rotzlöffligkeit, zuweilen auch selbst proletarische Rotzlöffligkeit. -> eigentlich schon immer antibürgerlich, aber mit bürgerlichem Menschenbild (Humanismus).

Ich weiß nicht, was mich mehr anwidert:

1. Plebejische Dumpfbatzen (,,die Politiker nehmen den kleinen Mann aus", ,,Jeder muss sich anpassen", ,,Da gibt's überhaupt nix zu diskutieren", ,,Mein Hund haart immer auf dem Sofa aus",...) -> der Mob

2. Dekadentes, arrogantes, snobbistisches Gymnasiastenpack, geistige Monocle-Träger (,,das ist überhaupt nicht mein Niveau", ,,diese Frau hat einfach Klasse", ,,Ein bisschen Kultur [Oper] könnte euch 'mal gut tun!"). -> Der Snob.

Denn in Wirklichkeit ist der Snob nur eine Unter-Art des Mob's. Manchmal denke ich, dass es wohl kein Zufall war, dass diese beiden Worte ähnlich klingen.

basti
28.03.2006, 18:35
Es unterteilt ja in mehr Gruppen, ist demnach m.E. genauer und besser.

Das ist richtig, aber wie gesagt - die Millieus teilen halt genauer ein. Es kommt halt auch drauf an, nach welchen Kriterien man unterteilen will - ob das reine Geld, oder auch die Lebensweise und Philosophie.


da hast du teilweise recht, lebensstil ergibt sich aber aus dem vorhandenen geld. zbs., hedonist kann man sein, wenn man kohle hat. viele unterschiedliche lebensstile drücken den wohlstand einer gesellschaft aus. hat man geld und zeit, kann man seine vorstellungen vom leben verwirklichen.

man kann also auch noch in subkulturen und in dutzende andere lebenstile differenzieren, wenn man will. ob es am ende irgendeinen aussagewert zur entwicklung der gesellschaft besitzt, ist eine andere frage.

ein arbeiter, der früher 12 h tag gearbeitet hatte, hat sich keine gedanken darüber gemacht, wie er am besten sein Leben leben sollte. der war froh, wenn er ein auskommen für seine familie besorgen konnte.

was ich sagen will, ist, daß es im grunde ein luxus ist, denn wir uns als gesellschaft leisten können.
wie es aussieht, wenn nur wenig geld vorhanden ist, sieht man an den ärzten in den unikliniken. die arbeiten bis zum umfallen in einer ätzenden hackordnung und haben im prinzip nicht viel vom leben, weil sie es in der klinik verbringen.



Ich selbst würde mich von diesen 10 Gruppen am ehesten den Postmaterialisten zurechnen.

Ich würde das Bürgertum in 2 Gruppen unterteilen:

1. Materialistisches Bürgertum (,,Etablierte"): Hassen alle ,,reichen arroganten Schnösel" (also alle die, die mindestens 20% mehr verdienen, als sie selbst :rolleyes: ), und hassen alle ,,faulen schäbigen proletischen Penner" (also alle die, die mindestens 20% weniger verdienen, als sie selbst...).

2. Humanistisches Bürgertum - dem würde ich mich zurechnen - antimaterialistisch, Toleranz gegenüber proletarischer Rotzlöffligkeit, zuweilen auch selbst proletarische Rotzlöffligkeit. -> eigentlich schon immer antibürgerlich, aber mit bürgerlichem Menschenbild (Humanismus).

Ich weiß nicht, was mich mehr anwidert:

1. Plebejische Dumpfbatzen (,,die Politiker nehmen den kleinen Mann aus", ,,Jeder muss sich anpassen", ,,Da gibt's überhaupt nix zu diskutieren", ,,Mein Hund haart immer auf dem Sofa aus",...) -> der Mob

2. Dekadentes, arrogantes, snobbistisches Gymnasiastenpack, geistige Monocle-Träger (,,das ist überhaupt nicht mein Niveau", ,,diese Frau hat einfach Klasse", ,,Ein bisschen Kultur [Oper] könnte euch 'mal gut tun!"). -> Der Snob.

Denn in Wirklichkeit ist der Snob nur eine Unter-Art des Mob's. Manchmal denke ich, dass es wohl kein Zufall war, dass diese beiden Worte ähnlich klingen.


proletariat und bürgertum schließt sich eigentlich aus, aber man kann auch mal aus existenten paradigmen ausbrechen.
was es gibt, ist ein gebildetes proletariat. das besitzt zwar ein hohe kapital in bezug auf bildung, aber kulturelles kapital ist kaum vorhanden. das passiert, wenn aufsteiger aus den unterschichten in den genuss hoher bildungsabschlüsse geraten. zumeist sind das uni-abschlüsse in den naturwissenschaften.

Settembrini
28.03.2006, 19:15
Ich finde den vorliegenden Versuch einer Unterteilung gar nicht mal so schlecht.


mir fällt noch ein, was ist mit den muslimen in deutschland? lösen die sich auf oder wie?

Die zaehlen wohl groesstenteils zu den "Konsummaterialisten".


lebensstil ergibt sich aber aus dem vorhandenen geld. zbs., hedonist kann man sein, wenn man kohle hat. viele unterschiedliche lebensstile drücken den wohlstand einer gesellschaft aus. hat man geld und zeit, kann man seine vorstellungen vom leben verwirklichen.

Man kann das auch ohne; es kommt auf die individuellen Lebensideale an. Hedonismus ist nicht zwingend mit geldverschlingendem Konsum verbunden.


ein arbeiter, der früher 12 h tag gearbeitet hatte, hat sich keine gedanken darüber gemacht, wie er am besten sein Leben leben sollte. der war froh, wenn er ein auskommen für seine familie besorgen konnte.
was ich sagen will, ist, daß es im grunde ein luxus ist, denn wir uns als gesellschaft leisten können.
wie es aussieht, wenn nur wenig geld vorhanden ist, sieht man an den ärzten in den unikliniken. die arbeiten bis zum umfallen in einer ätzenden hackordnung und haben im prinzip nicht viel vom leben, weil sie es in der klinik verbringen.

Dieser Analyse kann man durchaus zustimmen; da sich unsere Gesellschaft den angesprochenen Luxus aber eben groesstenteils leisten kann, spricht aus meiner Sicht nichts gegen einen Strukturierungsversuch unter genau dieser Praemisse.


proletariat und bürgertum schließt sich eigentlich aus, aber man kann auch mal aus existenten paradigmen ausbrechen.

Warum schliesst sich das aus?

twoxego
28.03.2006, 19:39
welchen sinn hat nun so etwas ?

viele werden nicht einsehen, zu welcher gruppe sie gehören und also
ihre armbinden nicht tragen wollen.


was man sich aber auch so alles ausdenken kann.

kritiker_34
28.03.2006, 20:02
hier die neuesten ergebnisse des heidelberger forschungsinstituts 'sinus sociovision'.

es gibt demnach 10 verschiedene milieus, von denen jedoch ein paar aussterben werden.

konkret:

was meint ihr, ist die unterteilung einer gesellschaft in milieus besser als eine unterteilung in schichten oder gar klassen?
besser wäre es doch, den begriff "klasse" wieder einzuführen, meint ihr nicht?
die wohlstandgesellschaft ist vorbei, der mittelstand stürzt nach und nach weiter ab, so daß es im endeffekt wieder zu einer aufspaltung der gesellschaft zwischen oben und unten kommt.

mir fällt noch ein, was ist mit den muslimen in deutschland? lösen die sich auf oder wie?


absolut willkürliche definitionen: es gibt, speziell in der jugend gaanz andere orientierungen. z.B. nach musikrichtungen. da hast du punks, techno-freaks oder heavy metal fans. hat mit schulbildung oder familie nur bedingt was zu tun.

dann hast du fussball verrückte, die sich drüber aufregen, wenn rostock null zu null in bielefeld spielt.

also ich halt nix von dieser liste.

Achsel-des-Bloeden
28.03.2006, 23:08
was meint ihr, ist die unterteilung einer gesellschaft in milieus besser als eine unterteilung in schichten oder gar klassen?...
Unbedingt.

Die Dinge entwickeln sich weiter.
Der Milieus- Ansatz scheint mir bzgl. Konkretisierung des Heute der dümmste nicht.
Freilich können die meinungsformenden Kreise auch hier kraftvollst zubeißen ...

MarcinMaximus
28.03.2006, 23:24
?( Also irgendwie bin ich ein Mix aus allem, ausgenommen DDR-Nostalgische.

basti
28.03.2006, 23:32
?( Also irgendwie bin ich ein Mix aus allem, ausgenommen DDR-Nostalgische.

das ist das problem.
meiner meinung nach ist diese extreme ausdifferenzierung der gesellschaft in vielfältige milieus nur ein billiger ausweg, um die mangelnde erklärungskraft der empirischen methoden dieses instituts zu kaschieren.
ein steile these, ich weiß.

basti
28.03.2006, 23:38
proletariat und bürgertum schließt sich eigentlich aus, aber man kann auch mal aus existenten paradigmen ausbrechen.

Warum schliesst sich das aus?

weil das proletariat nur wegen der bildungsexpansion in den genuß höherer bildung gekommen ist. was sonst niemals passiert wäre.
die gegenwärtige entwicklung bestätigt das. die einführung der BA- und MA-studiengänge bewirken einen rückschritt in sachen bildungsexpansion.
die finanzielle schlechter gestellten unteren schichten bis mittelschichten werden sich mit ach und krach gerade so eine ausbildung ihrer kinder zu BA's leisten können.
den master, also die vorrausetzung zur graduierung zum doktor und später eventuell zum prof., werden nur kindern der gehobenen schichten vorbehalten sein.
ich halte das für eine katastrophale entwicklung in sachen bildungspolitik.