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Vollständige Version anzeigen : Demokratie in Deutschland gescheitert?



Tomsax
27.03.2006, 21:32
Ist die Demokratie in der heutigen Form in Deutschland gescheitert?
Wie ich darauf komme?
Demokratie bedeutet Herrschaft des Volkes. Doch wenn nicht einmal mehr 50% von ihrem Wahlrecht gebrauch machen, wo bleibt da der Volkswille? Sicher könnte man sagen, dass sie auch eine Wahl getroffen haben, nämlich nicht zu wählen. Doch ist es wirklich so? Die mangelnde Wahlbeteiligung liegt nicht am allgemeinen Desinteresse.
Viele können sich nur einfach nicht mehr mit den „großen“ politischen Parteien identifizieren. Doch kleine Parteien (so die einhellige Medienmeinung) sind „nicht wählbar“….aus welchen Gründen auch immer.

Also bleibt dem Bürger doch nur noch folgende Wahl:
1. jemanden zu wählen, mit dem man sich nicht identifizieren kann
2. jemanden zu wählen, mit dem man sich nicht identifizieren darf
3. oder gar nicht zu wählen

Ist das das Ergebnis einer großen Idee? Ich glaube, die Demokratie in dieser Form (der Repräsentative Demokratie) ist gescheitert.

Und was meint ihr?

(PS: Eh die Frage kommt, ich war wählen)

Lucky punch
27.03.2006, 21:58
Wenn das Volk nicht wählen geht: ja.

Kenshin-Himura
27.03.2006, 22:17
Ist die Demokratie in der heutigen Form in Deutschland gescheitert?
Wie ich darauf komme?
Demokratie bedeutet Herrschaft des Volkes. Doch wenn nicht einmal mehr 50% von ihrem Wahlrecht gebrauch machen, wo bleibt da der Volkswille? Sicher könnte man sagen, dass sie auch eine Wahl getroffen haben, nämlich nicht zu wählen. Doch ist es wirklich so? Die mangelnde Wahlbeteiligung liegt nicht am allgemeinen Desinteresse.
Viele können sich nur einfach nicht mehr mit den „großen“ politischen Parteien identifizieren. Doch kleine Parteien (so die einhellige Medienmeinung) sind „nicht wählbar“….aus welchen Gründen auch immer.

Also bleibt dem Bürger doch nur noch folgende Wahl:
1. jemanden zu wählen, mit dem man sich nicht identifizieren kann
2. jemanden zu wählen, mit dem man sich nicht identifizieren darf
3. oder gar nicht zu wählen

Ist das das Ergebnis einer großen Idee? Ich glaube, die Demokratie in dieser Form (der Repräsentative Demokratie) ist gescheitert.

Und was meint ihr?

(PS: Eh die Frage kommt, ich war wählen)

Ist alles richtig. Nur:

WAS IST DIE ALTERNATIVE ?

Die Demokratie ist m.E. das kleinste Übel. Es kommt natürlich auf die Führung an. Eine Diktatur mit mich als Diktator wäre sicherlich besser als eine Demokratie. Aber davon, dass der Diktator jedesmal so fähig, klug und zugleich gütig ist wie ich, kann man nunmal leider nicht ausgehen.

GmbH
27.03.2006, 22:25
Die durch mindere Wahlbeteiligung ans "Ruder" gekommenen sog. Volksvertreter, mißbrauchen schon seit langer Zeit ihre "Macht" !

Wenn man sieht wie z.B. die Solidargemeinschaft auf dem Sektor Krankenkasse, regelrecht um ihre Beiträge u. Leistungen beschissen, übervorteilt u. betrogen wird ...

von der Solidargemeinschaft Rente, Sozialhilfe usw. erst gar nicht zu sprechen ...

Man müßte eigentlich dazu aufrufen, schlagartig keinen einzigen Euro mehr in diese Betrugs-Solidargemeinschaften einzuzahlen ...

Tomsax
27.03.2006, 22:55
Ist alles richtig. Nur:

WAS IST DIE ALTERNATIVE ?

Die Demokratie ist m.E. das kleinste Übel. Es kommt natürlich auf die Führung an. Eine Diktatur mit mich als Diktator wäre sicherlich besser als eine Demokratie. Aber davon, dass der Diktator jedesmal so fähig, klug und zugleich gütig ist wie ich, kann man nunmal leider nicht ausgehen.

Es gibt sicher alternativen. Diese kann man hier nur nicht in drei Sätzen näher bringen. Aber eine Alternative wäre z.B. eine Art moderne Räterepublik (überarbeitetes Konzept). Darin würde die direkte Demokratie viel mehr zum Tragen kommen. Aber wie gesagt, dass ist jetzt nur ein Schlagwort und bedürfte der nähren und vor allem ausführlicheren Erörterung.

Kenshin-Himura
28.03.2006, 00:08
Es gibt sicher alternativen. Diese kann man hier nur nicht in drei Sätzen näher bringen. Aber eine Alternative wäre z.B. eine Art moderne Räterepublik (überarbeitetes Konzept). Darin würde die direkte Demokratie viel mehr zum Tragen kommen. Aber wie gesagt, dass ist jetzt nur ein Schlagwort und bedürfte der nähren und vor allem ausführlicheren Erörterung.

Hm, ok. Kannst ja mal dazu einen Thread aufmachen. Auf den ersten Blick kommt mir auch das nicht überzeugend vor. Für die Arbeit in den Räten muss ja auch das entsprechende politische Engagement da sein. Aber es wäre ja sowieso keine wirkliche Alternative, sondern auch Demokratie, nur in einer anderen Form. Demokratie in einer anderen Form würde ich ja auch bevorzugen, aber da müsste ich jetzt auch länger ausführen. Das wichtigste ist jedenfalls politisches Engagement, Dialog. Im Übrigen glaube ich, dem Volk die Macht zu übergeben, bringt auch nix - die Mehrheit des Volkes ist einfach zu dumm und macht es nur noch schlimmer anstatt besser. Ich halte daher auch nicht viel von Volksabstimmungen, da kann mir nur das Grausen kommen, da kann ich noch froh sein, dass es noch Politiker gibt, die mich vor dem Volk beschützen. Die da unten machen ja sowieso, was sie wollen.

Kenshin-Himura
28.03.2006, 00:11
http://www.politikforen.de/showthread.php?t=22038

Rocky
28.03.2006, 00:50
. Doch wenn nicht einmal mehr 50% von ihrem Wahlrecht gebrauch machen, wo bleibt da der Volkswille?


Das Wahlrecht beinhaltet auch die Entscheidung des Buergers, nicht zu waehlen. Der Buerger sagt damit, wer immer gewaehlt wird, ist OK mit mir.

Rocky

Bela Lugosi
28.03.2006, 09:59
Es gibt sicher alternativen. Diese kann man hier nur nicht in drei Sätzen näher bringen. Aber eine Alternative wäre z.B. eine Art moderne Räterepublik (überarbeitetes Konzept). Darin würde die direkte Demokratie viel mehr zum Tragen kommen. Aber wie gesagt, dass ist jetzt nur ein Schlagwort und bedürfte der nähren und vor allem ausführlicheren Erörterung.
Mehr direkte Demokratie gerade im kommunalem Bereich könnte sicher nicht schaden, würde vor allem Demokratie für den Normalbürger erfahrbarer machen, dass dies mehr bedeutet, als alle paar Jahre ein Zettelchen anzukreuzen und dann 4 Jahre das Ergebnis zu bejammern.

Desweiteren halte ich für zu weit geschlossen, aus eine verringerten Wahlbeteiligung das Scheitern der Demokratie zu schliessen. Auch wenn viel nicht Wählen gehen, weil sie in den gängigen Parteinen keine Alternative sehen und/oder diese ablehnen, bedeutet dies noch lange nicht, dass sie die Staatsform der Demokratie insgesamt ablehnen.

Diese Schlussweise hiesse dann doch, dem Argumentationsstrang der Parteien zu sehr Glauben schenken, die sich tatsächlich gerne mit Demokratie gleichsetzen. Sie sind es aber nicht. Ihnen ist eine wichtige Rolle bei der politischen Willensbildung zugestanden, mehr nicht. Umgekehrt, es wäre eher ertrebenswert, die Parteien würden sich dessen wieder mehr bewusst.

Andreas63
28.03.2006, 11:19
Ich denke, daß die geringe Wahlbeteiligung ein Zeichen für den Überdruß der Bevölkerung gegenüber den etablierten Parteien ist. Vielleicht sollte man die Parteien ganz abschaffen und die Volksvertreter direkt wählen. Dann gebe es auch nicht das Gerangel mit der Opposition und notwendige Gesetze könnten schneller verabschiedet werden.

malnachdenken
28.03.2006, 11:39
Ist dann der Umkehrschluss von "kaum Wähler=gescheiterte Demokratie" auch korrekt: "maximale Wähler=gesicherte Demokratie"? Ein Blick auf die DDR lässt das bezweifeln.

Kenshin-Himura
28.03.2006, 18:21
Ist dann der Umkehrschluss von "kaum Wähler=gescheiterte Demokratie" auch korrekt: "maximale Wähler=gesicherte Demokratie"? Ein Blick auf die DDR lässt das bezweifeln.

Was für ein schwachsinniger Vergleich in der DDR wurde nicht gewählt, in der DDR wurde nur angekreuzt. Soll dein Kommentar ein Argument dafür sein, dass trotz der geringen Wahlbeteiligung alles in Butter ist oder was ?

Rocky
28.03.2006, 19:37
Was für ein schwachsinniger Vergleich in der DDR wurde nicht gewählt, in der DDR wurde nur angekreuzt. Soll dein Kommentar ein Argument dafür sein, dass trotz der geringen Wahlbeteiligung alles in Butter ist oder was ?

Die Nicht-Waehler haben eine sehr eindeutige Wahl getroffen: Unter dem Angebot ist es ihnen schnuppe, wer am Ruder ist. Das kann Beides, extreme Zufriedenheit oder extreme, beinahe fatalistische Unzufriedenheit, ausdruecken. Es drueckt sicher keinen Willen zur Reform oder zum Experiment irgendwelcher Art aus.

Und genau da scheinen die Waehler mit dem alten Adenauer uebereinzustimmen, naemlich: "Keine Experimente".
Wie sie mit der Merkel uebereinstimmen, ist nicht so einfach zu sagen.

Die Rhetorik der Merkel ist sicher nicht nach dem Sinn der "Keine Experimente" Waeshler. Aber getan hat sie bis jetzt noch nix. Das gibt den Waehlern eben Zuversicht. Wenn sie nix tut, wird sie garantiert wieder gewaehlt. Wenn sie anfaengt zu reformieren, oder wenigstens den ernsthaften Eindruck erweckt, dass sie sich nicht davon abhalten laessts, ist sie genau so in Schwierigkeiten wie sein Vorgaenger.

Nun, ich schaue mir gerade die franzoesischen Demonstranten live an, weil der Dominique diese (offensichtlich bis jetzt vorhandene )Lebensstellung bis zum Alter 26 fuer Studierte absaegen will. Nun, das ist das "Keine Experimente", "Nichts aendern" Sentiment auf die Spitze getrieben, genau so wie der 18 Minuten mehr pro Tag Streik von Verdi.

Ich habe meine dreizehnjaherige Enkeltochter hier. Es sind Schulferein in New Mexiko fuer eine Woche. Sie schaut sich die Wasserwerfer in Paris auch an, so neben dem Kauen von einer Semmel mit deutscher Wurst in der Kueche. Sie fraegt mich was die alle eigentlich Wollen, und wenn's ihr meine Frau erzaehlt, die hat mehr Geduld als ich, schuettelt die Enkeltochter den Kopf unglauebig. Das kann's nicht sein, sagt sie, das waere zu bizarr.

Rocky

meckerle
28.03.2006, 21:48
Ich denke, daß die geringe Wahlbeteiligung ein Zeichen für den Überdruß der Bevölkerung gegenüber den etablierten Parteien ist. Vielleicht sollte man die Parteien ganz abschaffen und die Volksvertreter direkt wählen. Dann gebe es auch nicht das Gerangel mit der Opposition und notwendige Gesetze könnten schneller verabschiedet werden.Genau das ist der Knackpunkt Andreas, der Wähler kann sein Kreuzchen bei einer Partei machen. Basta.
Was danach geschieht, darauf hat er keinen Einfluss mehr. Das Postengeschacher nimmt seinen Lauf.

tommy3333
28.03.2006, 21:54
Die Nicht-Waehler haben eine sehr eindeutige Wahl getroffen: Unter dem Angebot ist es ihnen schnuppe, wer am Ruder ist. Das kann Beides, extreme Zufriedenheit oder extreme, beinahe fatalistische Unzufriedenheit, ausdruecken. Es drueckt sicher keinen Willen zur Reform oder zum Experiment irgendwelcher Art aus.
Zufriefenheit glaube ich weniger. Dafür gibt es in Deutschland keinen Anlass. Ich denke eher, da mischen sich Unzufriedenheit mit Resignation und gefühlter Ohnmacht bei vielen Nichtwählern, während immer mehr Wähler scheinbar mehr aus Schadensbegrenzung das für sie vermeintlich "kleinste Übel" wählen.


Die Rhetorik der Merkel ist sicher nicht nach dem Sinn der "Keine Experimente" Waeshler. Aber getan hat sie bis jetzt noch nix. Das gibt den Waehlern eben Zuversicht. Wenn sie nix tut, wird sie garantiert wieder gewaehlt. Wenn sie anfaengt zu reformieren, oder wenigstens den ernsthaften Eindruck erweckt, dass sie sich nicht davon abhalten laessts, ist sie genau so in Schwierigkeiten wie sein Vorgaenger.
Den Eindruck habe ich auch. Sie hatte sich auch bestimmt ein besseres Ergebnis bei der Bundestagswahl erhofft, und hat für ihre "Sturm-und-Drang-Phase" nun einen Koalitionspartner am Hals, mit dem sich die Koalition wahrscheinlich kaum auf "Experimente" verständigen kann. Um des lieben (Weiter-)Regierens Willen wird man notwendige Lösungen wohl wieder in die Zukunft verschieben.

Dein nachfolgend genanntes Beispiel - Verdi und die 18 Minuten - trifft voll ins Schwarze, auch wenn die Regierung zwar nichts mit den Tarifentscheidungen zu tun hat ("Tarifautonomie" - naja, im ÖD kann man vielleicht doch nicht ganz nichts sagen), aber die Streikenden, die ihre eigenen Besitzstände, Freizeit und Vollkaskomentalität beibehalten wollen, bilden wohl auch ein nicht unbeträchtliches Wählerpotential.