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Vollständige Version anzeigen : Das spanische Dilemma 1936



Delbrück
25.12.2003, 21:35
Die Teilnahme vieler nicht-spanischer Intellektueller am Bürgerkrieg auf Seiten der Republikaner, deren Darstellung des Kriegs und die Übernahme diese Bildes in den Massenmedien verzerren m.E. die Perspektive auf die Relation des Rückhalts der Kriegsparteien in der Bevölkerung. Wie in den Jahren der Weimarer Republik stand ein großer Teil der Bevölkerung dem neuen System ablehnend gegenüber, so auch Teile der Volksfront selbst, die heute fälschlicherweise als alleiniger Verfechter des demokratischen Gedankens im Spanien der 30er Jahre dargestellt wird.


Vorgeschichte:

1923 Militärputsch Miguel Primo de Riveras mit Einverständnis des Königs Alfons XIII.

1925 Umwandlung des Militärdirektoriums mit unpolitischen Fachministern in ein ziviles Kabinett mit Primo de Rivera als Ministerpräsidenten

1930 Diktatur Primo de Riveras scheitert an den Widerständen verschiedenster Gruppen (Intelektuelle, Adel, Geschäftswelt, Armeeführung) gegen seine konsequente Politik ohne einheitliche Linie. -> Rücktritt Primo de Riveras und Tod im franzöischen Exil

1931 Sieg der Republikaner bei den Gemeindewahlen -> König Alfons XIII. verlässt ohne Thronverzicht das Land

2. Spanische Republik beginnt mit dem Kabinett des liberalen Rechtsanwalts und Politikers Niceta Alcala Zamora. Dessen Koalition der republikanischen Parteien wird von den radikalen Sozialisten, den Anarcho-Syndikalisten und der "Sammlung aller konservativen Kräfte" (CEDA) abgelehnt/bekämpft.

1933 Sieg der Rechten führt zu schweren Kabinettskrisen und Unruhen, die 1936 zur Auflösung des Parlaments führen; Ministerpräsident bleibt Zamora.


Wahlen im Februar 1936: Die Parteien

Die wichtigsten spanischen Parteien formieren sich in zwei gegenüberstehenden Bündnissen:

- Die Volksfront vereint die linken Kräfte mit Ausnahme der Anarchisten und umfasst die sozialistische Partei (PSOE), die kommunistische Partei (PCE), die Esquerra Partei (katalonische Separatisten) und die Republikanische Union.

- Die Nationale Front stellt ein Bündelung der rechten, konservativen Kräfte dar und umfasst die Sammlung der konservativen Kräfte (CEDA) und die Carlisten (katholische Traditionalisten). Die damals eher unbedeutende Falange Espanola (vom Sohne Primo de Riveras gegründet) trat der Vereinigung nicht offiziel bei, das Gros ihrer Mitglieder stimmte jedoch mit den Zielen der NF überein.

Gegen diese zwei großen Kartelle standen des weiteren die demokratischen Parteien der Mitte.


Wahlen im Februar 1936: Das Ergebnis

Auf die Volksfront entfielen 4.654.116 Stimmen, also 34,3 Prozent.
Auf die Nationale Front entfielen 4.503.505 Stimmen, also 33,2 Prozent
Auf die Parteien der Mitte entfielen 526.615 Stimmen, also 5,4 Prozent

Die Volksfront mit 263 von 473 Stimmen im Cortes (Parlament) wurden mit der Regierungsbildung beauftragt, bemühten sich jedoch um keinen Ausgleich sondern trieben stattdessen durch die Ernennung des linken Manuel Azana zum Staatspräsidenten und ein entsprechendes Kabinett die Radikalisierung in Spanien voran.

In der Folge nehmen die Zustände im Lande bürgerkriegsähnliche Ausmaße an, bis es durch die Ermordung des monarchistischen Abgeordneten Calvo Sotelo am 13. Juli 1936 zum Ernstfall kommt.


Speziell das knappe Wahlergebnis verdeutlicht, dass die Darstellung des spanischen Bürgerkriegs als reinem Militärputsch Francos ohne Rückhalt in der Bevölkerung überholt ist.
Letztlich ist die Armee auch ein Teil des Volkes und rekrutiert sich zum geringsten Teil aus der dünnen Oberschicht!

pavement
25.12.2003, 21:59
Die Teilnahme vieler nicht-spanischer Intellektueller am Bürgerkrieg auf Seiten der Republikaner,

u.a. ernest hemingway (der über den spanischen bürgerkrieg später den absoluten klassiker ´wem die stunde schlägt´ schrieb).

aber ich hätt´ da noch ne frage: hat sich die komplette ´nationale front´ positiv gegenüber den putsch francos geäußert?

Delbrück
25.12.2003, 22:15
aber ich hätt´ da noch ne frage: hat sich die komplette ´nationale front´ positiv gegenüber den putsch francos geäußert?

Zum Militärputsch Francos, Molas und anderer in Marokko nicht geschlossen positiv, die Beseitigung der Volksfrontregierung nach dem Übersetzen nach Spanien haben sie aber mindestens stillschweigend gebilligt.

Nachtrag:
Der Teil der Nationalen Front der dem Putsch Francos am reserviertesten gegenüberstand, also die Monarchisten und Traditionalisten, wurde ja mit spätestens mit der Ermordung des monarch. Abg. auf dessen Seite gezogen.

pavement
25.12.2003, 22:20
Zum Militärputsch Francos, Molas und anderer in Marokko nicht geschlossen positiv,

hast du dazu vielleicht prozentzahlen?
du scheinst mir nämlich allein von der tatsache, dass auf die ´nationale front ´- in der deiner darstellung nach francos einfluss eher gering war (oder hab ich da was falsch verstanden?) - fast genauso viel wählerstimmen wie die ´volksfront´ bekam, darauf rückzuschließen, dass francos putsch in der bevölkerung auf einigen rückhalt stieß. sicher, dieser rückhalt musste vorhanden gewesen sein, denn ohne lässt sich kaum putschen - aber die frage ist doch, welcher prozentsatz der bevölkerung franco wirklich stützte; denn das dieser prozentsatz sehr gering sein kann, zeigt nicht zu letzt die bolschewistische revolution 1917 in russland.


die Beseitigung der Volksfrontregierung nach dem Übersetzen nach Spanien haben sie aber mindestens stillschweigend gebilligt.

das hätte ich jetzt gar nicht gedacht...

Delbrück
26.12.2003, 15:41
Zunächst sollten wir hier nicht simplifiziert von "Francos" Putsch reden, denn dieser beschränkte sich ja in der Anfangsphase auf Spanisch-Marokko und weitete sich erst später auf Südspanien aus.
Ein zweites großes Aufstandsgebiet bildet jedoch von Beginn an auch Nordspanien, wo am 23. Juli in Burgos eine nationale Gegenregierung unter General Miguel Cabanellas, eingesetzt wird. Franco wird erst nach dem erkämpften Zusammenschluss der beiden Aufstandsgebiete am 29. September 1936 in Salamanca zum Staatschef ernannt.

Des weiteren schielt mein Beitrag nicht auf die Beteiligung an sich sondern auf die Relation der Unterstützung für die beiden Kriegsparteien. Diese wird ja gemeinhin als sehr divergierend zu Gunsten der Volksfront propagiert.

Wie in Bürgerkriegen üblich, wird sich wohl kaum jemand einer Parteinahme verschließen haben können, wohl aber einer aktiven Beteiligung.
Nun stellt sich die Frage, warum der Rekrutierungsgrad unter den Volksfrontlern höher gewesen sein soll, als unter den Nationalisten, wenn schon ein größerer Teil des VOLKSheeres zu den Aufständischen übergelaufen ist! Man wird wohl keinen plausiblen Grund dafür finden, warum es sich so verhalten haben soll, wie es heutzutage dargestellt wird.


u.a. ernest hemingway (der über den spanischen bürgerkrieg später den absoluten klassiker ´wem die stunde schlägt´ schrieb).

Weiterhin wäre da noch George Orwell als herausragendem unter vielen Namen von Literaten zu nennen.


Letztlich könnte man sagen, dass wir in der heutigen ETA das letzte existierende Derivat der gescheiterten, äußerst heterogenen (zersplitterten) Volksfront erblicken dürfen.

pavement
26.12.2003, 15:47
auch george orwell? das wusste ich noch gar nicht. sehr interessant.

Delbrück
26.12.2003, 16:22
Hier das wohl berühmteste Bild aus dem spanischen Bürgerkrieg, fotografiert von Robert Capa.

Zu sehen ist ein "republikanischer" Soldat im Moment seines Todes. Das Bild repräsentiert mittlerweile aber die Toten beider Seiten im spanischen Bürgerkrieg, könne der Gezeigte ja auch gut und gerne als "Nationalist" durchgehen...