PDA

Vollständige Version anzeigen : Stanley Kubrick's Clockwork Orange



Irratio
09.02.2006, 18:38
Wer kennt den Film, und was haltet ihr davon? Würdet ihr, und wenn ja, wie, dem Film eine Gesamtaussage zuordnen?

Irratio.

discipulus
09.02.2006, 18:45
Ich kenne den Film nicht.
Allerdings habe ich die Geschichte als exelentes Theaterstück gesehen.

Eine sehr interessante wenn auch technisch nicht machbare Form der Bestrafung.
Ich würde sie bei Schwerverbrechern sogar der Hinrichtung vorziehen.

Anti-Zionist
09.02.2006, 18:48
Wer kennt den Film, und was haltet ihr davon? Würdet ihr, und wenn ja, wie, dem Film eine Gesamtaussage zuordnen?

Irratio.
Der Film ist außergewöhnlich - ein gesellschaftskritisches Meisterwerk. Er zeigt, dass Gewalt, egal von wem sie ausgeht, ob von Kriminellen oder vom Staat, nur negatives nach sich bringt, und wie Gewalttätige selbst zu Opfern werden können. Ja, man beginnt hier sogar mit dem anfänglichen Täter Alex mitzufühlen, als er zu einem Opfer wird und keine Chance mehr bekommt, ein Teil der Gesellschaft zu werden.

discipulus
09.02.2006, 18:50
Der Film ist außergewöhnlich - ein gesellschaftskritisches Meisterwerk. Er zeigt, dass Gewalt, egal von wem sie ausgeht, ob von Kriminellen oder vom Staat, nur negatives nach sich bringt, und wie Gewalttätige selbst zu Opfern werden können. Ja, man beginnt hier sogar mit dem anfänglichen Täter Alex mitzufühlen, als er zu einem Opfer wird und keine Chance mehr bekommt, ein Teil der Gesellschaft zu werden.Das Mitleid mit Verbrechern ist ein auch in der Realität vorkommendes Problem.

Settembrini
09.02.2006, 18:55
Ein ausgezeichneter Film. Neben Full Metal Jacket halte ich ihn fuer Kubrick's Meisterwerk.

Nebenbei auch eine der besten Buchverfilmungen aller Zeiten.

Die Romanvorlage ist dennoch ebenso empfehlenswert (der Film basiert allerdings auf der amerikanischen Urversion des Buchs):

Kritik an totalitaeren Systemen, Postulierung menschlicher Individualitaet, Vorwuerfe an Politik und Wissenschaft; nicht zu vergessen natuerlich auch die aeusserst provokative Darstellung von Gewalt. Es gibt meines Erachtens einige gleichberechtigte Hauptintentionen des Films. Daher finde ich es schwierig, ihn auf eine einzige Kernaussage zu reduzieren. Was meinst du denn dazu, Irratio?

John Donne
09.02.2006, 19:00
Ich kenne den Film. Meine Meinung ist möglicherweise sehr gefärbt, da ich Kubrick für einen der größten Regisseure aller Zeite halte, dem nur wenige auf seinem Gebiet das Wasser reichen können.
Der Film ist hervorragend, Malcolm MacDowells schauspielerische Leistung bestechend. Unabhängig davon, ob man den Film mag hatte und hat er m.E. relativ starke kulturelle Einflüsse.
Es ist schwer, die Gesamtaussage des Films kurz zu beschreiben. Sehr kurz gefaßt würde ich sagen, ist sie, daß das Problem von Egoismus, sozialem Desinteresse und der deraus und aus schierer Langeweile resultierenden Gewalt nicht durch einen Entzug der Willensfreiheit bekämpft werden kann, ohne daß eine Entfremdung entritt.

Grüße
John

Anti-Zionist
09.02.2006, 19:04
Das Mitleid mit Verbrechern ist ein auch in der Realität vorkommendes Problem.
Jeder Gegner der Todesstrafe hat Mitleid mit Verbrechern.

MorganLeFay
09.02.2006, 19:11
Ich kenne nur das Buch. Aber auch fuer das kann ich unterschreiben, was John sagt:


Es ist schwer, die Gesamtaussage des Films kurz zu beschreiben. Sehr kurz gefaßt würde ich sagen, ist sie, daß das Problem von Egoismus, sozialem Desinteresse und der deraus und aus schierer Langeweile resultierenden Gewalt nicht durch einen Entzug der Willensfreiheit bekämpft werden kann, ohne daß eine Entfremdung entritt.

Salazar
09.02.2006, 19:44
Ich kenne auch nur das Buch und muss sagen, dass es mir ausserordentlich gut gefallen hat. Und was Anti-Islamist oben bereits geschrieben hat ist eigentlich genau meine Meinung. Ein Aspekt den ich auch noch ganz nett finde ist Alex Vorliebe für klassische Musik.

Mark Mallokent
09.02.2006, 20:37
Buch und Film sind vorzüglich. Ich möchte sie aber nicht einfach auf eine Grundaussage reduzieren. Dazu sind sie zu komplex.

Luzifers Freund
09.02.2006, 20:59
Buch und Film sind vorzüglich. Ich möchte sie aber nicht einfach auf eine Grundaussage reduzieren. Dazu sind sie zu komplex.
Man muss den Film vor dem Hintergrund der damaligen Zeit sehen, als das Buch geschrieben und der Film gedreht wurde. Auf eine Grundaussage alleine reduziert würde dem Film die Gesellschaftskritische Komponente nehmen, die sich aber nicht in den plumpen "das darf man nicht" erschöpft.
Ich sehe den Film auch im Zusammenhang mit den anderen Werken Kubriks. "Dark Star" zum Beispiel knüpft sehr eng daran an. Es zeigt eigentlich das gleiche gesellschaftspolitsche Ambiente, nur aus der Sicht einer verlodderten Hippiekultur.
Während in Clockwork Orange eher die brutale Seite der Gesellschaft zum Vorschein kommt, wird die gleiche Brutalität in Dark Star auf die leichte Schulter genommen.

Baxter
09.02.2006, 21:02
Jeder ist sich selbst der nächste.

http://www.robokopp.de/images/clockwork_orange/a_clockwork_orange_05.jpg

mfg
Alex

Settembrini
09.02.2006, 21:12
Ich sehe den Film auch im Zusammenhang mit den anderen Werken Kubriks. "Dark Star" zum Beispiel knüpft sehr eng daran an. Es zeigt eigentlich das gleiche gesellschaftspolitsche Ambiente, nur aus der Sicht einer verlodderten Hippiekultur.


Da ist dir jetzt ein kleiner, aber unverzeihlicher Fehler unterlaufen. Ohne Zweifel ist auch "Dark Star" ein grossartiger Film. Der Regisseur ist jedoch nicht Stanley Kubrick, sondern John Carpenter.

Irratio
09.02.2006, 23:05
Kritik an totalitaeren Systemen, Postulierung menschlicher Individualitaet, Vorwuerfe an Politik und Wissenschaft; nicht zu vergessen natuerlich auch die aeusserst provokative Darstellung von Gewalt. Es gibt meines Erachtens einige gleichberechtigte Hauptintentionen des Films. Daher finde ich es schwierig, ihn auf eine einzige Kernaussage zu reduzieren. Was meinst du denn dazu, Irratio?
Aussagen gibt es natürlich zuhauf in diesem Film, bzw. Darstellungen, die verschiedene Auffassungen recht kritisch ansehen. Ich glaube auch nicht, dass es eine Hauptaussage geben sollte - wenn überhaupt, dann die Aussage, die m. E. der Filmname schon macht: Die Gesellschaft und der Mensch, deren Reaktionen wie ein Uhrwerk funktionieren:

Einerseits braucht sich Alex nicht zu wundern, er hat die Räder, die ihn später zermalmen, selbst in Gang gesetzt. Andererseits hat er nichts mehr mit ihnen zu schaffen. Er kann nicht mehr Täter sein, und wird trotzdem das Opfer seiner früheren Opfer. (Auch wenn das nicht die eigentliche Aussage des Titels ist, ist der erste Teil hier ebensogut darauf anzuwenden.)

Wenn ich aber der Meinung wäre, der Film müsse so interpretiert werden, und nur so, dann hätte ich diese Interpretation in den Raum gestellt. Es gibt noch viel mehr Dinge, die dieser Film aussagt.

Insbesondere finde ich interessant, wie ihm mit seiner Gewalttätigkeit auch der 4. Satz der 9. Symphonie genommen wird. Ironischerweise ist das die "Ode an die Freude", vom Freigeist der Deutschen Literatur geschrieben, vom ersten wirklich freien Musiker vertont. Der Text, sowie schon der Titel des Stückes ("Ode an die Freude") sind bezeichnend dafür, was ihm genommen wird:
"Deine Zauber binden wieder
Was die Mode streng geteilt
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt."

Dazu noch die Geschichte des verlorenen Sohns, wie sie in der Bibel steht. Gleichzeitig wehrt sich der Priester dagegen, dass er keine Wahl hat, sondern nicht anders kann...

Wenn man wollte, könnte man das ganze auf den Konflikt Freiheit-Sicherheit zusammenfassen. Will ich aber nicht, da der Film noch so viel mehr Menschliches enthält, was dann verloren gehen würde. Es würde außerdem nur das "warum" abhandeln, und nicht mal das vollständig.

Ich empfinde den Film aus diversen Gründen als genial. Die Inszenierung ist fantastisch, kein Wort zuviel und kein Wort zuwenig wird gesprochen. Der Zeitraffer, der gelegentlich eingesetzt wird, fand ich besonders passend... Schwarz-weiß Denkern wird es schwerfallen, dieses Denken über den ganzen Film beizubehalten. Die bittere Zynik und Ironie des Filmes sind auch zwei Elemente, die ihn mir noch ein Ende "sympathischer" gemacht haben.

Ich hab den Film vor ein paar Tagen das erste Mal gesehen, hatte aber vorher schon viel drüber gelesen. Ich werde ihn heute wohl nochmal gucken...

Irratio.

Ekelbruehe
09.02.2006, 23:56
Natürlich war, wie so oft bei Verfilmungen, das Buch besser, in diesem fall von Anthony Burgess, aber die Verfilmung von Clockwork Orange hatte etwas, nicht zuletzt durch den genialen Malcolm McDowell.

Das Buch war irgendwie anders, aber der Film hatte schon Stil, insbesondere, wenn man es auf heutige Ansichtsweisen, wie es in der Zukunft so aussieht, projiziert.

Dieser nostalgische 70's Stil hatte schon was, es war irgendwie erfrischend, aber natürlich nur in Relation gesehen; wenn man heutige "Zukunftsvisionen als Maßstab so sieht, dann würden in 30 Jahren die Leute auch lachen...

Nichtsdestotrotz war CO der mit Abstand beste Film von Kubrick.

Ich habe ihn das erste mal so ca. 1988 gesehen und seitdem ist Ludwig van mein Gott.

Allein schon die Sprüche waren geil, toppen konnte das nur 1984.

Der Rest von Kubrick's Werken war nur pseudointellektueller Schwachsinn, ohne irgendwelche Relevanz.

Luzifers Freund
10.02.2006, 08:47
Da ist dir jetzt ein kleiner, aber unverzeihlicher Fehler unterlaufen. Ohne Zweifel ist auch "Dark Star" ein grossartiger Film. Der Regisseur ist jedoch nicht Stanley Kubrick, sondern John Carpenter.
Oh.
Da muss ich wohl was verwechselt haben. (2001 - Odyssee im Weltraum vs. Dark Star)
Es ändert aber nichts daran, dass beide im Abstand von drei Jahren entstanden sind und dass beide Filme den Zeitgeist der 70er widerspiegeln.

Heinrich_Kraemer
10.02.2006, 21:40
Grüß Gott,

ja kenne ich. Very british, i guess. Aussage dürfte sein: Tausch eines Teils der Willensfreiheit gegen die physische Freiheit?!

Viele Grüße

Manfred_g
10.02.2006, 22:00
Man muss den Film vor dem Hintergrund der damaligen Zeit sehen, als das Buch geschrieben und der Film gedreht wurde. Auf eine Grundaussage alleine reduziert würde dem Film die Gesellschaftskritische Komponente nehmen, die sich aber nicht in den plumpen "das darf man nicht" erschöpft.
Ich sehe den Film auch im Zusammenhang mit den anderen Werken Kubriks. "Dark Star" zum Beispiel knüpft sehr eng daran an. Es zeigt eigentlich das gleiche gesellschaftspolitsche Ambiente, nur aus der Sicht einer verlodderten Hippiekultur.
Während in Clockwork Orange eher die brutale Seite der Gesellschaft zum Vorschein kommt, wird die gleiche Brutalität in Dark Star auf die leichte Schulter genommen.

Immer dann, wenn mir ein Film wegen seiner ausufernden Brutalität imponiert, dann kommt irgendein Intellektueller und versaut mir die Suppe dadurch, daß er mir erzählen will, das sei gar nicht so gemeint und da wäre ein tieferer Sinn und all son Zeugs drin. :( X(
Laßt halt einfach mal gut sein...
;) :2faces: