John Donne
08.01.2006, 21:59
(Der Text ist recht lang; mir fällt es gelegentlich schwer, mich kurz zu fassen)
Zunächst einmal halte ich es für nötig, aufgrund der großen Zahl von Strängen, die schon thematisch den Islam, das Christentum oder auch beide behandeln, die Erstellung dieses Strangs rechtfertigen zu müssen. Dazu werde ich zunächst meine Motivation darstellen:
Anders als die ganz überwiegende Anzahl schon existierender Stränge zu diesem Thema soll in diesem Strang kein "Bashing" einer der beiden Religionen (oder sonst einer anderen) stattfinden. Man mag zurecht einwenden, daß auch nicht alle anderen Stränge zu diesem Thema ein reines "Bashing" darstell(t)en, sondern einige aufzeigen wollten, daß man mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten der heiligen Schrift einer jeder dieser Religionen nahezu alles begründen und übelste Demagogie betreiben kann. So wahr dies bis zu einem gewissen Grad ist (zu Einschränkungen komme ich weiter unten) und so nobel die Motivation auch sein mag, darauf hinzuweisen, daß in diversen Strängen über dem Islam der einer sachlichen Kritik angemesse Ton von einigen Diskutaten deutlich überschitten wurde, so sehr greifen nach meiner Meinung die in den hinweisenden Strängen gezogenen Konzequenzen zu kurz oder zu weit. Ziel dieses Strangs soll es sein, durch sachliche Kritik, in angemessenem und respektvollem Grundtton vorgetragen, an der Kompatibilität von Islam und Christentum mit dem modernen, westlichen Rechtsstaat darzulegen.
Zu weit greifen die in anderen Strängen gezogenen Schlußfolgerungen m.E. dann, wenn sie die Schwierigkeiten der Kompatibilität zwischen dem Islam und den modernen, westlichen Rechtsstaaten völlig leugnen und jede sachliche Kritik am Islam als latent xenophob zurückweisen. Zu kurz greifen sie m.E. dann, wenn sie die Existenz eines Kompatibilitätsproblems zwischen modernen, westlichen Rechtsstaaten und Islam zwar anerkennen, aber behaupten, dies sei bei allen anderen Religionen und insbesondere dem Christentum ebenso.
Meiner Meinung nach sind beide Konsequenzen im Sinne einer Lösungsorientierung wenn nicht gar schädlich dann zumindest weit suboptimal.
Über die heutzutage bestehenden Mängel in der Vereinbarkeit zwischen Christentum und modernem Rechsstaat wurde meines Wissen nach bisher in keinem Strang substanziell etwas geäußert.
Fangen wir mit dem Christentum an:
Da die Werte, auf denen die modernen, westlichen Rechtsstaaten fußen, Werte sind, die der christlich-jüdischen Tradition enstammen bzw. sich in ihr entwickelt haben, mag man auf den Gedanken kommen, daß gar kein Kompatibilitäsproblem (mehr) vorliegt. Dieser Schluß ist nicht zwingend.
In der Tat stellt die europäische Aufklärung in erheblichen Teilen eine Auseinandersetzung mit und eine Emazipation von traditionellen, dogmatischen und dabei vielfach durch die historische Entwicklung des Christentums, speziell der katholischen Kirche, geprägten Geisteshaltungen dar. Insofern stellen ganz wesentliche Teile der Aufklärung eine Auseinandersetzung Europas mit dem Christentum dar, das, wenn auch verspätet, in der (kath.) Kirche zu einer Selbstreflektion geführt hat, die am 2. Vatikanischen Konzil besonders deutlich wird.
Die Frage ist also, ob sich das kirchlich organisierte Christentum soweit gewandelt hat, das keinerlei Unvereinbarkeiten mit dem modernen Rechtsstaat mehr bestehen.
Das ist m.E. zwar nicht der Fall, jedoch sind kaum noch strittige Punkte übriggeblieben. Ganz wesenlich ist, daß das Christentum, das im Laufe des Hoch- und Spätmittelalters (z.B. durch den gewonnenen Investiturstreit) zu enormer weltlicher Macht gelangte und diese in der frühen Neuzeit auch behielt, den Verlust seiner weltlichen Macht verarbeitet hat und sich auf Seelsorge konzentriert. Dazu sind weltliche Macht oder ein Gottestaat keinesfalls notwendig, auch wenn Seelsorge keinesfalls nur in der Vorbereitung auf das Jenseits besteht.
Der christliche Gottesstaat, in der Spätantike(!) von Augustinus entworfen (De civitate Dei) und im Mittelalter gedanklich durchaus prägend (allerdings von Augustinus selbst für auf Erden für unerreichbar darstellt, wichtig dazu Joh. 18,36 "[..]Mein Reich ist nicht von dieser Welt.[..]"; Hintergrund für diese Schrift war die Erkenntnis, daß das christliche Rom wohl doch nicht mit der endzeitlichen Gottesherrschaft identisch sein könne, da es von den Westgoten erobert wurde.), spielt heutzutage keine Rolle mehr. Im Christentum ist heutzutage auch kein besonderes Rechtssystem vorgesehen, daß es auf Erden zu vollstrecken gilt. Weltliche Gerichte voll anerkannt.
Streiten kann man über bestimmte Passagen im CIC, die beispielsweise auf eine Rechtfertigung von sog. Kirchenasylen hinauslaufen und lauten "Der Bürger hat die Gewissenspflicht, die Vorschriften der staatlichen Ordnung nicht zu befolgen, wenn diese Anordnungen den Forderungen der sittlichen Ordnung, den Grundrechten des Menschen oder den Weisungen des Evangeliums widersprechen. Den staatlichen Autoritäten den Gehorsam zu verweigern , falls deren Forderungen dem rechten Gewissen widersprechen, findet seine Rechtfertigung in der Unterscheidung zwischen dem Dienst Gottes und dem Dienst an der staatlichen Gemeinschaft." Das geht m.E. deutlich über Art. 20 IV GG hinaus, wobei jedoch festzustellen ist, daß ein etwaiger vorsätzlicher Rechtsbruch der sich aus dem im CIC Gesagten ergibt, nicht davon entbindet, die entsprechende Strafe von der Staatsmacht auf sich zu nehmen. Hier liegt aber m.E. dennoch ein Konfliktpunkt vor. Weitere Punkte werden hoffentlich in der weiteren Diskussion dieses Stranges noch hinzugefügt.
Vor allem in der frühen Neuzeit wirkte die Kirche oftmals wissenschaftlicher Hemmschuh. Hier hat sie ihre Fehler weitgehend eingesehen und entsprechende Wissenschaftler, wenn auch spät, rehabilitiert. Den modernen Naturwissenschaften steht die Kirche aufgeschlossen aber teilweise sehr kritisch gegenüber. Etwas anderes bleibt ihr ohnehin nicht, da sie weit davon entfernt ist, die Publikation unliebsamer Ergebnisse unterdrücken zu können. Besonders im Bereich Kosmolgie ist die Kirche heute sehr interessiert, 1981 fand im Vatikan ein Symposium über dieses Thema statt, zu dem namhafte Vertreter eingeladen waren. Modernen Biotechnologien wie Klonen und Stammzellenforschung allgemein steht die Kirche sehr kritisch gegenüber. Die in Deutschland diesbezüglich bestehenden extensiven Verbote können jedoch nicht als aufgrund kirchlicher Kritik zustandegekommen angesehen werden.
Wesentlich ist auch die Historisierung der heiligen Schriften des Christentums, insbesondere des NT. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen und Veröffentlichungen existieren dazu. Keine der großen christlichen Kirchen bestreitet, daß die Heilige Schrift im Kontext gelesen werden muß.
Die Entwicklung des Christentums kann damit nicht vollständig abgeschlossen sein. Wie sie weitergehen sollte, darf und sollte hier durchaus diskutiert werden.
Der Islam:
Aufgrund geographischer und kultureller Unterschiede ist die Aufklärung an der islamischen Welt weitgehend vorbeigegangen. Insofern stellen die Werte des modernen Rechtsstaat aus Sicht des Islam ein gewissermaßen fremdes Konzept dar. Wesentlich ist, daß durch das Nichtdurchlaufen einer Aufklärung der (ausgelegte) Islam nach wie vor den Anspruch hat, auch weite Teile des weltlichen Lebens verbindlich zu regeln.
Hier treten zum modernen Rechtsstaat unmittelbar Reibungspunkte auf. Ich halte es für eine Grundlage des Zusammenlebens in einem modernen Rechtsstaat, daß dessen Befugnisse, Recht und Gerichtsbarkeit zu regeln, vorbehaltlos anerkannt werden. Das ist m.E. bei gleichzeitiger Anerkennung der Scharia als verbindlichem - und da göttlichen Ursprungs: übergeordnetem - Gesetz nicht der Fall. Ebenso scheint die Idee des islamischen Gottesstaates immer noch aktuell zu sein. Sie ist mit dem modernen Rechtsstaat keinesfalls vereinbar.
Weiter ist m.E. bedeutsam, daß es eine Historisierung des Koran nie gegeben hat. Nicht nur daß, eine derartige Forderung ist nach islamischer Ansicht geradezu blasphemisch. Ich dagegen bin wie Ex-Innenminister Schily der Meinung, man muß den Islam - wie alle anderen Religionen auch; gerade dem Christentum passiert das regelmäßig, was ich in einem modernen Rechtsstaat auch für nichts Außergewöhnliches halte - auch als grundsätzlichen "Irrtum" sehen dürfen, ohne vom Bannstrahl einer Fatwa oder - milder - dem Vorwurf des Antiislamismus getroffen zu werden.
Ich halte das Durchlaufen einer kritischen Selbstreflektion, verbunden mit einer Historisierung und Kontextualisierung ähnlich, wie es das Christentum in der Aufklärung getan hat, für den Islam für notwendig, um ihm in einem modernen, westlichen Rechtsstaat einen Großteil seines Konfliktpotentials zu nehmen. Ich halte diese Kritik für angemessen und das Verschweigen der Reibungspunkte zwischen Islam und Rechtsstaat für verwerflich. Der Islam wird, wenn er eine solche Entwicklung durchläuft, dadurch m.E. nicht derselbe bleiben. Wie er danach aussieht, wird die Zeit zeigen.
Grüße
John
Zunächst einmal halte ich es für nötig, aufgrund der großen Zahl von Strängen, die schon thematisch den Islam, das Christentum oder auch beide behandeln, die Erstellung dieses Strangs rechtfertigen zu müssen. Dazu werde ich zunächst meine Motivation darstellen:
Anders als die ganz überwiegende Anzahl schon existierender Stränge zu diesem Thema soll in diesem Strang kein "Bashing" einer der beiden Religionen (oder sonst einer anderen) stattfinden. Man mag zurecht einwenden, daß auch nicht alle anderen Stränge zu diesem Thema ein reines "Bashing" darstell(t)en, sondern einige aufzeigen wollten, daß man mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten der heiligen Schrift einer jeder dieser Religionen nahezu alles begründen und übelste Demagogie betreiben kann. So wahr dies bis zu einem gewissen Grad ist (zu Einschränkungen komme ich weiter unten) und so nobel die Motivation auch sein mag, darauf hinzuweisen, daß in diversen Strängen über dem Islam der einer sachlichen Kritik angemesse Ton von einigen Diskutaten deutlich überschitten wurde, so sehr greifen nach meiner Meinung die in den hinweisenden Strängen gezogenen Konzequenzen zu kurz oder zu weit. Ziel dieses Strangs soll es sein, durch sachliche Kritik, in angemessenem und respektvollem Grundtton vorgetragen, an der Kompatibilität von Islam und Christentum mit dem modernen, westlichen Rechtsstaat darzulegen.
Zu weit greifen die in anderen Strängen gezogenen Schlußfolgerungen m.E. dann, wenn sie die Schwierigkeiten der Kompatibilität zwischen dem Islam und den modernen, westlichen Rechtsstaaten völlig leugnen und jede sachliche Kritik am Islam als latent xenophob zurückweisen. Zu kurz greifen sie m.E. dann, wenn sie die Existenz eines Kompatibilitätsproblems zwischen modernen, westlichen Rechtsstaaten und Islam zwar anerkennen, aber behaupten, dies sei bei allen anderen Religionen und insbesondere dem Christentum ebenso.
Meiner Meinung nach sind beide Konsequenzen im Sinne einer Lösungsorientierung wenn nicht gar schädlich dann zumindest weit suboptimal.
Über die heutzutage bestehenden Mängel in der Vereinbarkeit zwischen Christentum und modernem Rechsstaat wurde meines Wissen nach bisher in keinem Strang substanziell etwas geäußert.
Fangen wir mit dem Christentum an:
Da die Werte, auf denen die modernen, westlichen Rechtsstaaten fußen, Werte sind, die der christlich-jüdischen Tradition enstammen bzw. sich in ihr entwickelt haben, mag man auf den Gedanken kommen, daß gar kein Kompatibilitäsproblem (mehr) vorliegt. Dieser Schluß ist nicht zwingend.
In der Tat stellt die europäische Aufklärung in erheblichen Teilen eine Auseinandersetzung mit und eine Emazipation von traditionellen, dogmatischen und dabei vielfach durch die historische Entwicklung des Christentums, speziell der katholischen Kirche, geprägten Geisteshaltungen dar. Insofern stellen ganz wesentliche Teile der Aufklärung eine Auseinandersetzung Europas mit dem Christentum dar, das, wenn auch verspätet, in der (kath.) Kirche zu einer Selbstreflektion geführt hat, die am 2. Vatikanischen Konzil besonders deutlich wird.
Die Frage ist also, ob sich das kirchlich organisierte Christentum soweit gewandelt hat, das keinerlei Unvereinbarkeiten mit dem modernen Rechtsstaat mehr bestehen.
Das ist m.E. zwar nicht der Fall, jedoch sind kaum noch strittige Punkte übriggeblieben. Ganz wesenlich ist, daß das Christentum, das im Laufe des Hoch- und Spätmittelalters (z.B. durch den gewonnenen Investiturstreit) zu enormer weltlicher Macht gelangte und diese in der frühen Neuzeit auch behielt, den Verlust seiner weltlichen Macht verarbeitet hat und sich auf Seelsorge konzentriert. Dazu sind weltliche Macht oder ein Gottestaat keinesfalls notwendig, auch wenn Seelsorge keinesfalls nur in der Vorbereitung auf das Jenseits besteht.
Der christliche Gottesstaat, in der Spätantike(!) von Augustinus entworfen (De civitate Dei) und im Mittelalter gedanklich durchaus prägend (allerdings von Augustinus selbst für auf Erden für unerreichbar darstellt, wichtig dazu Joh. 18,36 "[..]Mein Reich ist nicht von dieser Welt.[..]"; Hintergrund für diese Schrift war die Erkenntnis, daß das christliche Rom wohl doch nicht mit der endzeitlichen Gottesherrschaft identisch sein könne, da es von den Westgoten erobert wurde.), spielt heutzutage keine Rolle mehr. Im Christentum ist heutzutage auch kein besonderes Rechtssystem vorgesehen, daß es auf Erden zu vollstrecken gilt. Weltliche Gerichte voll anerkannt.
Streiten kann man über bestimmte Passagen im CIC, die beispielsweise auf eine Rechtfertigung von sog. Kirchenasylen hinauslaufen und lauten "Der Bürger hat die Gewissenspflicht, die Vorschriften der staatlichen Ordnung nicht zu befolgen, wenn diese Anordnungen den Forderungen der sittlichen Ordnung, den Grundrechten des Menschen oder den Weisungen des Evangeliums widersprechen. Den staatlichen Autoritäten den Gehorsam zu verweigern , falls deren Forderungen dem rechten Gewissen widersprechen, findet seine Rechtfertigung in der Unterscheidung zwischen dem Dienst Gottes und dem Dienst an der staatlichen Gemeinschaft." Das geht m.E. deutlich über Art. 20 IV GG hinaus, wobei jedoch festzustellen ist, daß ein etwaiger vorsätzlicher Rechtsbruch der sich aus dem im CIC Gesagten ergibt, nicht davon entbindet, die entsprechende Strafe von der Staatsmacht auf sich zu nehmen. Hier liegt aber m.E. dennoch ein Konfliktpunkt vor. Weitere Punkte werden hoffentlich in der weiteren Diskussion dieses Stranges noch hinzugefügt.
Vor allem in der frühen Neuzeit wirkte die Kirche oftmals wissenschaftlicher Hemmschuh. Hier hat sie ihre Fehler weitgehend eingesehen und entsprechende Wissenschaftler, wenn auch spät, rehabilitiert. Den modernen Naturwissenschaften steht die Kirche aufgeschlossen aber teilweise sehr kritisch gegenüber. Etwas anderes bleibt ihr ohnehin nicht, da sie weit davon entfernt ist, die Publikation unliebsamer Ergebnisse unterdrücken zu können. Besonders im Bereich Kosmolgie ist die Kirche heute sehr interessiert, 1981 fand im Vatikan ein Symposium über dieses Thema statt, zu dem namhafte Vertreter eingeladen waren. Modernen Biotechnologien wie Klonen und Stammzellenforschung allgemein steht die Kirche sehr kritisch gegenüber. Die in Deutschland diesbezüglich bestehenden extensiven Verbote können jedoch nicht als aufgrund kirchlicher Kritik zustandegekommen angesehen werden.
Wesentlich ist auch die Historisierung der heiligen Schriften des Christentums, insbesondere des NT. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen und Veröffentlichungen existieren dazu. Keine der großen christlichen Kirchen bestreitet, daß die Heilige Schrift im Kontext gelesen werden muß.
Die Entwicklung des Christentums kann damit nicht vollständig abgeschlossen sein. Wie sie weitergehen sollte, darf und sollte hier durchaus diskutiert werden.
Der Islam:
Aufgrund geographischer und kultureller Unterschiede ist die Aufklärung an der islamischen Welt weitgehend vorbeigegangen. Insofern stellen die Werte des modernen Rechtsstaat aus Sicht des Islam ein gewissermaßen fremdes Konzept dar. Wesentlich ist, daß durch das Nichtdurchlaufen einer Aufklärung der (ausgelegte) Islam nach wie vor den Anspruch hat, auch weite Teile des weltlichen Lebens verbindlich zu regeln.
Hier treten zum modernen Rechtsstaat unmittelbar Reibungspunkte auf. Ich halte es für eine Grundlage des Zusammenlebens in einem modernen Rechtsstaat, daß dessen Befugnisse, Recht und Gerichtsbarkeit zu regeln, vorbehaltlos anerkannt werden. Das ist m.E. bei gleichzeitiger Anerkennung der Scharia als verbindlichem - und da göttlichen Ursprungs: übergeordnetem - Gesetz nicht der Fall. Ebenso scheint die Idee des islamischen Gottesstaates immer noch aktuell zu sein. Sie ist mit dem modernen Rechtsstaat keinesfalls vereinbar.
Weiter ist m.E. bedeutsam, daß es eine Historisierung des Koran nie gegeben hat. Nicht nur daß, eine derartige Forderung ist nach islamischer Ansicht geradezu blasphemisch. Ich dagegen bin wie Ex-Innenminister Schily der Meinung, man muß den Islam - wie alle anderen Religionen auch; gerade dem Christentum passiert das regelmäßig, was ich in einem modernen Rechtsstaat auch für nichts Außergewöhnliches halte - auch als grundsätzlichen "Irrtum" sehen dürfen, ohne vom Bannstrahl einer Fatwa oder - milder - dem Vorwurf des Antiislamismus getroffen zu werden.
Ich halte das Durchlaufen einer kritischen Selbstreflektion, verbunden mit einer Historisierung und Kontextualisierung ähnlich, wie es das Christentum in der Aufklärung getan hat, für den Islam für notwendig, um ihm in einem modernen, westlichen Rechtsstaat einen Großteil seines Konfliktpotentials zu nehmen. Ich halte diese Kritik für angemessen und das Verschweigen der Reibungspunkte zwischen Islam und Rechtsstaat für verwerflich. Der Islam wird, wenn er eine solche Entwicklung durchläuft, dadurch m.E. nicht derselbe bleiben. Wie er danach aussieht, wird die Zeit zeigen.
Grüße
John