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Vollständige Version anzeigen : Mit Freude in der Schule lernen



Pelle
13.08.2018, 19:54
"Die hebbsche Lernregel, verkürzt in dem Ausspruch: „What fires together, wires together“, ist die grundlegende Essenz dessen, was die vergangenen Jahrzehnte in der Hirnforschung hervorgebracht haben. Neuroplastizität nennt sich das dahinter verborgene Phänomen, welches ganz nach seiner inhärenten Logik dafür sorgt, dass wir alle, die wir eine Schule aufgesucht haben, den Lernprozess unweigerlich mit dieser Institution in Verbindung setzen. Nun würde dies an sich kein Problem darstellen, wenn Schulen tatsächlich Orte wären, in denen die im Menschen verankerte Lernbereitschaft genährt würde und Rücksicht auf die individuellen Voraussetzungen eines jeden Einzelnen genommen würde. Wie wir wissen, ist die Realität jedoch vielerorts eine andere: Die Mehrheit der Menschen musste von der frühen Kindheit bis ins junge Erwachsenenalter die Erfahrung machen, dass an Schulen genau das Gegenteil dessen passiert, was sich alle Beteiligten – von den Eltern über die Schüler bis zu den Lehrern – von ihr erhoffen. Bereits wenige Jahre, in denen einem jungen Menschen die Zwangsjacke der Schulpädagogik übergestreift wird, reichen aus, um das innere Feuer der Neugierde – die oft beschworene „Freude am Lernen“ – für immer auszulöschen. Zwar stellt die Gesellschaft eine breite Palette an Ersatzbefriedigungen bereit, um das entstandene Loch irgendwie zu stopfen, doch keine Fast-Food-Orgie und auch kein Konsumrausch werden auf lange Sicht je in der Lage sein, ein wohliges Kohärenzgefühl im Gehirn zu erwirken. Schulen sind keine Entfaltungsorte, sondern ein wichtiger Seitenarm des Systems zur Wahrung von Konformität gegenüber der herrschenden Ordnung. Dass dies nun schon seit Jahrhunderten so geht, unterstreicht nur wie überfällig ein neues Lernkonzept ist. Denn um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu meistern, bedarf es mehr als einer großen Masse angepasster Ja-Sager, die in die Schule geht, weil man halt muss. Stattdessen muss Schule ein Ort werden, zu dem die Kinder gehen, weil sie Lust haben, etwas Gutes auf diesem Planeten zu tun und wo ihnen als Schlüssel zur Problembewältigung individuelles Denken und Kooperationsbereitschaft mit auf den Weg gegeben werden. Wer ernsthaft daran interessiert ist, eine solche Entwicklung voranzutreiben, sollte sich einen kompetenten Hirnforscher mit ins Boot holen. Menschen wie Gerald Hüther, die sich seit vielen Jahren mit dem wichtigsten Lernorgan des Menschen beschäftigen, kennen die Rahmenbedingungen, die erfüllt sein müssen, um Lernen von einem äußeren Zwang zu einer intrinsischen Motivation zu verwandeln. Wer Hüther zuhört, erlebt ein sonderbares Wechselbad der Gefühle. Die Begeisterung über den breiten Wissensschatz, den uns die Neurobiologie inzwischen zur Verfügung stellt, paart sich mit einer Wut über die Starrheit des Systems, welches sich partout weigert, das zu machen, was es eigentlich vermitteln sollte: Aus eigenen Fehlern zu lernen. Jeder Einzelne, der nun Empörung über die aktuellen Zustände empfindet, ist dazu aufgefordert, diese Kraft in positive Bahnen zu lenken. Da verhält es sich wie mit einer schlechten Gewohnheit. Andere Personen können einen zwar darauf hinweisen, aber sich zu ändern, das liegt einzig und alleine in den Händen des Betroffenen."

„Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir.“ Diese Weisheit stimmt. Sie sagt uns, dass es noch mehr gibt, als das, was uns in über einem Jahrzehnt Schulzeit versucht wird beizubringen. Unser Schulsystem hat mit seinem Lehrauftrag genau das zum Ziel: Jungen Menschen Wissen und Kenntnisse zu vermitteln, die ihnen im Leben weiterhelfen – an Haupt-, Realschulen und Gymnasien. Und da sind wir schon beim einem Kernproblem: Der „Selektion“. Schon bei der Wahl des Schultyps stellt man Weichen. Bei dieser Vorauswahl können wir bereits erkennen, wer es voraussichtlich im Leben zu etwas bringen und Karriere machen könnte und wem das verwehrt bleibt. In diesem Konkurrenzsystem fallen die Würfel früh. Hinzukommt, dass der Lehrplan im Mittelpunkt steht und nicht die individuelle Leistungsförderung. Schneller, höher, weiter ist das Gebot der Stunde und mit dem gescheiterten G8 hatte man genau das zum Ziel: die neoliberalen Märkte brauchen gehorsame Arbeiter und Konsumenten, keine Kreativen und Freidenker. Margret Rasfeld war Leiterin an der Evangelischen Schule Berlin Zentrum und ist Mitbegründerin der Initiative „Schule im Aufbruch“. Sie hat diese Probleme erkannt und wirbt intensiv für einen grundsätzlichen Wandel im Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Nicht der Lehrplan sollte im Fokus stehen, sondern der Mensch, der lernwillig und wissbegierig ist, mit all seinen Vorlieben, Eigenheiten und besonderen Fähigkeiten. Lernen im Gleichschritt funktioniert nicht. Von Geburt an sind wir Wesen, die mit dem Turbo-Booster „Neugier“ ausgestattet sind. Er befeuert unser Gehirn derart, dass wir innerhalb kurzer Zeit eine Sprache lernen und höchst komplexe, feinmotorische Bewegungsabläufe beherrschen können – niemand sonst lernt so schnell, wie ein Kleinkind. Und warum? Weil es Freude macht. Seltsamerweise wird uns diese Freude, und damit die Lust am Lernen, sukzessive abtrainiert, sehr früh und sehr methodisch; mit Frontalunterricht und Ganztagsschulen ohne wirkliche Beziehungspersonen. Zeit für Freizeit? Keine Chance. All die vielen Abenteuer in der Natur sterben heute im Klassenzimmer. Dass uns aber ein funktionierender, gehorsamer Nachwuchs nicht weiterhilft, ja sogar noch weiter in die Krisen des 21. Jahrhunderts treibt, können oder wollen Bildungspolitiker wohl nicht einsehen. Alternative Wege gibt es aber schon. Sie müssen nicht delegiert, sie müssen verwirklicht werden; zum Beispiel mit einem Schulfach „Verantwortung“. Margret Rasfeld beschreibt in ihrem Buch „Schulen im Aufbruch – eine Anstiftung“ einen Weg – gehen müssen wir ihn wohl selbst. Lassen wir uns dazu anstiften!


https://www.youtube.com/watch?v=Ju0IpK1dSLA

Pelle
13.08.2018, 19:54
https://www.youtube.com/watch?v=dzHhHs2bmvg

tabasco
13.08.2018, 20:17
Muss ich das alles hier lesen und gucken, oder reichen zwei schulpflichtige Kinder um hier mitreden zu dürfen?

Zirrus
13.08.2018, 21:57
Muss ich das alles hier lesen und gucken, oder reichen zwei schulpflichtige Kinder um hier mitreden zu dürfen?

Zwei sind schon mal ein guter Anfang.

KatII
13.08.2018, 22:06
KenFM ist Pelles Lieblingsquelle.

Rikimer
14.08.2018, 01:20
Pelle, was du und KenFM nicht erkennen könnt oder wollt: das Schulsystem ist so konzipiert worden mit Bedacht. Es ist kein Unfall, kein Zufall, das Ergebnis ist genauso auch gewollt.

Ich habe dazu im Gesprächsfaden: Lehrer - die Dummköpfe der Nation, folgendes geschrieben: https://www.politikforen.net/showthread.php?180467-Lehrer-die-Dummköpfe-der-Nation&p=9398498&viewfull=1#post9398498

Ein Auszug daraus:

https://thebreakaway.files.wordpress.com/2017/02/conformity2.jpg?w=272&h=376&zoom=2


https://www.youtube.com/watch?v=eP98ZKt709A
"The Six Purposes of Schooling" - John Taylor Gatto


“..makes it perfectly clear that compulsory schooling on this continent was intended to be just what it had been for Prussia in the 1820s: a fifth column into the burgeoning democratic movement that threatened to give the peasants and the proletarians a voice at the bargaining table.*Divide children by subject, by age-grading, by constant rankings on tests, and by many other more subtle means, and it was unlikely that the ignorant mass of mankind, separated in childhood, would ever re-integrated into a dangerous whole.”
John Taylor Gattos: Weapons of Mass Instruction: A Schoolteacher's Journey Through the Dark World of Compulsory Schooling



1. The adjective or adaptive function.*Schools are to establish fixed habits of reaction to authority…It is also pretty much destroys the idea that useful or interesting material should be taught, because you can’t test for reflexive obedience until you know whether you can make kids learn, and do, foolish and boring things.

2. The integrating function. This might well be called*“the conformity function,” because its intention is to make children as alike as possible. People who conform are predictable, and this is of great use to those who wish to harness and manipulate a larger labor force.

3. The diagnostic and directive function. School is meant*to determine each student’s proper role in society.

4. The differentiating function. Once the social role has been “diagnosed,” children are to be sorted by role and*trained only so far as their destination in the social machine merits – and not one step further. So much for making kids their personal best.

5. The selective function. This refers not to human choice at all but to Darwin’s theory of natural selection as applied to what he called “the favored races…Schools are meant to tag the unfit – with poor grades, remedial placement, and other punishments – clearly enough that their peers will accept them as inferior and effectively bar them from the reproductive sweepstakes.*That’s what all those little humiliations from first grade onward were intended to do: wash the dirt down the drain.

6. The propaedeutic function. The societal system implied by these rules will*require an elite group of caretakers.*To that end, a small fraction of the kids will be*quietly taught how to manage this continuing project, how to watch over and control a population deliberately dumbed*down and declawed in order that government might proceed unchallenged and corporations might never want for obedient labor.


Alexander Inglis’s Buch: Principles of Secondary Education (https://archive.org/details/principlesofseco00ingliala) aus dem Jahr 1918. Ein Vordenker der modernen Progressiven und Liberalen. Nach ihm ist das moderne amerikanische Schulsystem aufgebaut: Inglis lecture.

Zyankali
14.08.2018, 01:27
https://islieb.de/blog/wp-content/uploads/2017/04/islieb-schulkritik.png

Pulchritudo
14.08.2018, 01:58
https://islieb.de/blog/wp-content/uploads/2017/04/islieb-schulkritik.png

Jede 'Gesellschaft', ob gross oder klein, ob kapitalistisch oder nicht, verlangt von den Mitgliedern, dass sie zum Wohle der Allgemeinheit und eines funktionierenden Zusammenlebens reibungslos funktionieren. Ein traditionell lebender Aboriginee oder Buschmann ist noch viel mehr strikten Konventionen unterworfen, als wir. Da dient es dem Überleben der Gruppe.

Das will aber der arbeitsscheue, wohlstandsverwöhnte linksgespülte Westler nicht begreifen. Lieber motzt er an der Gesellschaft rum, die ihm ein schönes, angenehmes Leben ermöglicht.

Zyankali
14.08.2018, 02:17
Jede 'Gesellschaft', ob gross oder klein, ob kapitalistisch oder nicht, verlangt von den Mitgliedern, dass sie zum Wohle der Allgemeinheit und eines funktionierenden Zusammenlebens reibungslos funktionieren. Ein traditionell lebender Aboriginee oder Buschmann ist noch viel mehr strikten Konventionen unterworfen, als wir. Da dient es dem Überleben der Gruppe.

Das will aber der arbeitsscheue, wohlstandsverwöhnte linksgespülte Westler nicht begreifen. Lieber motzt er an der Gesellschaft rum, die ihm ein schönes, angenehmes Leben ermöglicht.

mag ich nicht anzweifeln. dennoch halte ich das aktuelle schulsystem für bescheuert.

https://volksbetrugpunktnet.files.wordpress.com/2014/08/kari_schulsystem.jpg


tschuldigung das ich hauptsächlich mit bildern antworte, doch bild und tausend worte und so... ;)

Rikimer
14.08.2018, 02:55
Jede 'Gesellschaft', ob gross oder klein, ob kapitalistisch oder nicht, verlangt von den Mitgliedern, dass sie zum Wohle der Allgemeinheit und eines funktionierenden Zusammenlebens reibungslos funktionieren. Ein traditionell lebender Aboriginee oder Buschmann ist noch viel mehr strikten Konventionen unterworfen, als wir. Da dient es dem Überleben der Gruppe.

Das will aber der arbeitsscheue, wohlstandsverwöhnte linksgespülte Westler nicht begreifen. Lieber motzt er an der Gesellschaft rum, die ihm ein schönes, angenehmes Leben ermöglicht.

Um das von dir Geforderte effektiv umzusetzen braucht es keine Schule.

Ein Arbeitsethos getragen durch das Elternhaus, dem Vorbild durch die ehrwürdigen Ahnen, eine Kultur, welche auf dem protestantischen Arbeitsethos bzw. in einem anderen Kulturkreis auf dem Konfuzianismus fusst, sind zielstrebiger, als auf den Staat und dessen Bürokratie zu setzen. Ist nämlich der Staat in Bezug zu seinen Bürger (bzw.: Untertanen oder Sklaven) zu mächtig und wird dieser Staat totalitär und tyrannisch durch eine etwa kulturmarxistische Weltanschauung, heben sich alle Vorteile eines von oben gelenkten Systems auf.

Nein, die souveräne Freiheit ist dem vorzuziehen. Wie es etwa im Stadtstaat Nowgorod u. a. war, dessen Bürger allesamt des Schreibens und Lesens kundig waren, bevor es von Moskau, dem Vasall der Tartaren, zerstört und in ein sklavisches Zentralsystem unterführt worden ist. In geistige Dunkelheit.

Aber glaube weiterhin an den Zentralstaat als Lõsung für alle Probleme.

Pulchritudo
14.08.2018, 03:22
Um das von dir Geforderte effektiv umzusetzen braucht es keine Schule.

Ein Arbeitsethos getragen durch das Elternhaus, dem Vorbild durch die ehrwürdigen Ahnen, eine Kultur, welche auf dem protestantischen Arbeitsethos bzw. in einem anderen Kulturkreis auf dem Konfuzianismus fusst, sind zielstrebiger, als auf den Staat und dessen Bürokratie zu setzen. Ist nämlich der Staat in Bezug zu seinen Bürger (bzw.: Untertanen oder Sklaven) zu mächtig und wird dieser Staat totalitär und tyrannisch durch eine etwa kulturmarxistische Weltanschauung, heben sich alle Vorteile eines von oben gelenkten Systems auf.

Nein, die souveräne Freiheit ist dem vorzuziehen. Wie es etwa im Stadtstaat Nowgorod u. a. war, dessen Bürger allesamt des Schreibens und Lesens kundig waren, bevor es von Moskau, dem Vasall der Tartaren, zerstört und in ein sklavisches Zentralsystem unterführt worden ist. In geistige Dunkelheit.

Aber glaube weiterhin an den Zentralstaat als Lõsung für alle Probleme.

Als Schweizer bin ich sicher der Letzte, der sich einen 'Zentralstaat' wünscht, keine Ahnung, wie Du jetzt darauf kommst. :bäh:

Ja, Schule ist Kagge: Kapitalsozialistische Indoktrination, ödes Büffeln, Hausaufgaben, depperte Mitschüler und Lehrer (natürlich von beiden auch viele tolle), öder und veralteter Lernstoff ('Literaturklassiker' gäääääääääähn), Bewegungsmangel, Langeweile hoch zehn etc.

Ach, was mache ich mir Gedanken... Ich habe keine Kinder. Mir war schon als Knirps bewusst, dass es in Mitteleuropa für den Erhalt der Gesellschaft kurz- bis mittelfristig keine weiteren Kinder von sämtlichen Bewohnern braucht, weil schlichtweg nicht genug Platz für einen nachhaltigen Bevölkerungszuwachs da ist. Auch war mir früh bewusst, dass die Menschheit als solches auf einem riesigen selbstfabrizierten Scheisshaufen sitzt, der irgendwann platzen muss, Stichworte Technologisierung ohne geistigen Fortschritt, Artenschwund, Versiegelung, ungehemmte Bevölkerungszunahme der Primitiven unter den Völkern, Nahrungsmittel- und Trinkwasserknappheit etc. Ne danke, für das sind mir meine Kinder zu schade, darum wollte ich nie welche.

Zyankali
14.08.2018, 03:57
...kulturmarxistische Weltanschauung...

das ist doch mittlerweile auch bloss zu einem reinen schlagwort verkommen.



Aber glaube weiterhin an den Zentralstaat als Lõsung für alle Probleme.

ne, glaube ich nicht. ein beispiel dagegen hast du doch mit novgorod genannt.

vatikan hat auch nicht geklappt...


ein zentralstaat funktioniert einfach nicht gut. es funktioniert zwar irgendwie, aber nicht gut...