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Vollständige Version anzeigen : Freie Software - Fluch oder Segen?



Klopperhorst
06.11.2017, 08:44
Bei der von mir geschätzten Software "Logisim", die ich seit Jahren mal wieder benutzte, lese ich folgendes vom Entwickler.

Wie seht ihr das? Ist Software heute zu frei? Wenn man bedenkt, wie viele Mannstunden in guter, ausgereifter Software stecken, wie viel Zeit Bugfixing und Testen alleine verschlingt,
ist es doch ein Jammer, dass die meiste Software heute frei ist und den Entwicklern kein Geld einbringt.
GNU und andere Organisationen erinnern mich immer an Gutmenschen, die denken durch ihre freie Arbeit die Welt zu verbessern, dennoch aber meist nur zur Selbstausbeutung der Entwickler führen.


I am officially suspending development of Logisim. My prior employer supported work on Logisim; but the time came to move to another job. Working on Logisim is no longer compatible with my paid responsibilities.

I have dearly enjoyed working on Logisim, but I have never received a dime for my work on it. I toyed with the idea of pursuing enough funding to continue work on it full-time, but ultimately I don't particularly want to spend time on fundraising — nor does it seem realistic to expect upwards of a million dollars to fund the ongoing work.

If you are looking for a successor to Logisim, you will have to take to your favorite search engine and find it. I will not be endorsing any successor. The source code is out there; all are free to to take up the gauntlet and develop it further.
http://www.cburch.com/logisim/retire-note.html

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John Donne
06.11.2017, 12:13
Ich kann den Entwickler verstehen. Freie Software hat m.E. zwei wesentliche Nachteile. Neben dem von Dir genannten - kein Geld, Selbstausbeutung der Entwickler - habe ich die Erfahrung gemacht, daß die Akzeptanz freier Software im professionellen Umfeld stark darunter leidet, daß im Problemfall niemand Schuld ist; denn in der Regel wird freie Software "as is" angeboten, d.h. es wird keinerlei Garantie für Funktionalität übernommen, und Ersatzleistungen für finanzielle Nachteile/Schäden, die aus dem Einsatz der Software entstehen könnten, werden von vornherein ausgeschlossen (Wäre ja auch noch schöner. Sollte die der Entwickler diese nach der Selbstausbeutung aus seinem privaten Vermögen leisten?).
Was natürlich fehlt, ist überhaupt die Bereitschaft, auch als Privatperson mal Geld für Software zu bezahlen. Natürlich muß es Photoshop sein, aber Geld darf es nicht kosten...

FranzKonz
06.11.2017, 12:34
Ich kann den Entwickler verstehen. Freie Software hat m.E. zwei wesentliche Nachteile. Neben dem von Dir genannten - kein Geld, Selbstausbeutung der Entwickler -

Ganz so ist es auch wieder nicht. So manches Softwareprojekt wird recht gut gesponsort, und so mancher Entwickler hackt einfach lieber, als mit einer elektrischen Eisenbahn zu spielen.

Siehst Du am obigen Beispiel: Der Mann hat das Projekt gepflegt, solange sein Arbeitgeber es förderte. Nun läuft die Förderung aus, und er gibt das Projekt auf. Seine Entscheidung.

Wenn der Grundstock gut ist, wird sich ein neuer Sponsor und / oder Entwickler finden. Wenn nicht werden die Anwender über kurz oder lang auf Alternativen ausweichen.



habe ich die Erfahrung gemacht, daß die Akzeptanz freier Software im professionellen Umfeld stark darunter leidet, daß im Problemfall niemand Schuld ist; denn in der Regel wird freie Software "as is" angeboten, d.h. es wird keinerlei Garantie für Funktionalität übernommen, und Ersatzleistungen für finanzielle Nachteile/Schäden, die aus dem Einsatz der Software entstehen könnten, werden von vornherein ausgeschlossen (Wäre ja auch noch schöner. Sollte die der Entwickler diese nach der Selbstausbeutung aus seinem privaten Vermögen leisten?).
Was natürlich fehlt, ist überhaupt die Bereitschaft, auch als Privatperson mal Geld für Software zu bezahlen. Natürlich muß es Photoshop sein, aber Geld darf es nicht kosten...

Hmm. Die Erfahrung kannst Du leider auch mit kommerzieller Software machen. Nur hast Du dann zusätzlich das Problem, dass Du einen eventuellen Fehler nicht beseitigen kannst. Schön, die Wahrscheinlichkeit, dass Du einen Prozeß gegen den Hersteller gewinnst, ist groß. Nützt aber oftmals wenig, denn bis der Prozeß gewonnen ist, musst Du entweder eine andere Lösung kaufen oder den Laden schließen.

Einer meiner Kunden hat gerade so eine Erfahrung gemacht. Nach einem UpDate lief die Warenwirtschaft nicht mehr. Der Premium-Partner des Herstellers brachte sie irgendwie wieder in Gang und berechnete dafür einen satten Betrag. Mein Kunde klagte, und bekam Recht: Die Arbeiten mussten im Rahmen des Wartungsvertrags geleistet werden. Nun kündigte der Hersteller den Wartungsvertrag.

Schön, der Anwalt meinte, er habe sehr gute Chancen, denn ohne Wartungsvertrag ist die Software quasi wertlos. Aber jetzt geht's los: Zur Beweissicherung müsste der aktuelle Stand eingefroren und beiseite gelegt werden. Neuer Server, neue Software, Migration, einige Jahre Streiterei vor Gericht, mehr oder weniger ungewisser Ausgang und jede Menge finanzieller Vorleistungen.

Ich weiß noch nicht, was letztendlich dabei rauskommt. Einen großen Vorteil gegenüber einer freien Software kann ich jedenfalls nicht erkennen. Leider gibt es keine freie Software auf dem Gebiet, die mich überzeugen könnte.

Koslowski
06.11.2017, 13:16
Ich kontrolliere welche Software wie auf meinen Rechnern läuft. Mit proprietärer Software ist das nicht möglich. Im Binärformat könnte man mir alles mögliche unterjubeln.

wtf
06.11.2017, 13:25
Ich kontrolliere welche Software wie auf meinen Rechnern läuft. Mit proprietärer Software ist das nicht möglich. Im Binärformat könnte man mir alles mögliche unterjubeln.

Oh, Du arbeitest den Sourcecode durch, bevor Du installierst?

Stanley_Beamish
06.11.2017, 13:26
(...)
Ich weiß noch nicht, was letztendlich dabei rauskommt. Einen großen Vorteil gegenüber einer freien Software kann ich jedenfalls nicht erkennen. Leider gibt es keine freie Software auf dem Gebiet, die mich überzeugen könnte.

Ein Vorteil gegenüber der freien Software ist z.B., dass es sie überhaupt gibt. :D

Koslowski
06.11.2017, 14:01
Oh, Du arbeitest den Sourcecode durch, bevor Du installierst?

Nicht jede Zeile persönlich, aber im Verbund mit Vertrauenspersonen ergibt sich ein zuverlässiges Gesamtbild. Ideal ist natürlich, wenn die Macher selbst schon Vertrauenspersonen sind. Wenn man eine Software schon kennt, muß man auch nur die Änderungen ansehen. "Diffs" führen dabei direkt zum Ziel.

Klopperhorst
06.11.2017, 14:14
Nicht jede Zeile persönlich, aber im Verbund mit Vertrauenspersonen ergibt sich ein zuverlässiges Gesamtbild. Ideal ist natürlich, wenn die Macher selbst schon Vertrauenspersonen sind. Wenn man eine Software schon kennt, muß man auch nur die Änderungen ansehen. "Diffs" führen dabei direkt zum Ziel.

Das kann man aus dem Bauch entscheiden.
Wenn die freie Software von einer Seite stammt, die aussieht, als wäre sie mit dem Emacs 1991 programmiert, kann man dieser Software vertrauen, denn der Entwickler ist nur bestrebt, den Kern zu entwickeln und das "Marketing" dafür zu unterlassen.

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Koslowski
06.11.2017, 14:27
Das kann man aus dem Bauch entscheiden.
Wenn die freie Software von einer Seite stammt, die aussieht, als wäre sie mit dem Emacs 1991 programmiert, kann man dieser Software vertrauen, denn der Entwickler ist nur bestrebt, den Kern zu entwickeln und das "Marketing" dafür zu unterlassen.

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Es hat mit Erfahrung und Instinkt zu tun, ja.

FranzKonz
06.11.2017, 15:12
Ein Vorteil gegenüber der freien Software ist z.B., dass es sie überhaupt gibt. :D

Es gibt sie schon, zum Beispiel die diversen Compiere-Ableger. Nur sind die ziemlich amerikanisch, und schon zu groß, um mal einfach ein paar europäische Spezialitäten reinzufummeln.

Lichtblau
06.11.2017, 15:36
Dadurch das Windows nicht das geringste Rechtesystem hat und jedes Programm alles darf, programmiere ich für mich und meine Firma viel selbst. In zweiter Linie hole ich mir Source Code aus freier Software und kompiliere selbst und teste sie in einer Sandbox, erst in dritter Linie kaufe ich Komponenten, die ich auch erst in einer Sandbox teste, was die alles machen will, oder ich setze sie in einer abgeschotteten VM ein.

Das fehlende Rechtesystem bei Windows ist eine himmelschreiende Katastrophe.