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Vollständige Version anzeigen : Die großen Komponisten



derNeue
27.07.2017, 09:17
In diesem Strang möchte ich in unregelmäßigen Abständen meine ganz persönliche Sicht auf die sogenannten "großen Komponisten" äußern. Ohne Fachausdrücke, ohne die professionelle Sicht eines Musikwissenschaftlers (der ich nicht bin)und mit dem Bekenntnis zur ganz subjektiven Stellungnahme und zum -ebenso subjektiven- Werturteil.
Natürlich ist jeder eingeladen, darüber zu diskutieren bzw. seine eigene persönliche Sichtweise dagegen zu stellen, eine Diskussion zu beginnen. Die Beiträge können aber auch unkommentiert bleiben und einfach in den Raum gestellt werden. Musikalische Fachkenntnisse sollen nicht erforderlich sein.

Mozart

Als ersten habe ich mir Mozart ausgesucht. Aus dem einfachen Grund, weil meine Sichtweise über ihn eine ziemlich krasse Außenseiterposition in der Musikwelt darstellt. Dementsprechend stoße ich auch regelmäßig auf Unverständnis, wenn es um Mozart geht.
Ich halte ihn nämlich für den überschätztesten Komponisten der Geschichte. Gar nicht nur in Bezug auf seine früheren Werke: hier stimmen noch viele zu. Die unzähligen austauschbaren Klaviervariationen, die alle mehr oder weniger klingen wie "Morgen kommt der Weihnachtsmann", die formelhaften Sonaten und Sonatinen, die ihre ewigen Variationen von simpelsten Skalen oder Dreiklängen als "Melodie", als "Thema" verkaufen, die frühen Opern: sie sind es sowieso nicht, die Mozarts einmaligen Ruf begründen. Aber das Klarinettenkonzert, die g-moll Sinfonie, die Zauberflöte, das Requiem etc.: wie steht es damit?
Zweifellos hat Mozart sich in seinen letzten Jahren unsterbliche Melodien einfallen lassen, aber daß es Werke wären, die mir etwa soviel bedeuten, wie Schuberts Spätwerke: nein, das kann ich wirklich nicht behaupten. Es fehlt für mich schlicht die musikalische Tiefe, das persönliche Bekenntnis. Die Zauberflöte etwa hatte in Mozarts eigener Sicht gar nicht den Stellenwert, der ihr später von der Nachwelt gegeben wurde. Ein paar eingängige Melodien fürs Volk und Volkstheater, klar abgrenzbare "Nummern", Gassenhauer: mehr war dieses "Singspiel" (Eigenzitat) für Mozart nicht. So etwa in der Intention, wie Bach seine Bauernkantate geschrieben hat.
Interessant ist daher für mich eher die Frage: Warum gilt Mozart als einer der größten Komponisten und warum hat er diese riesige Popularität bis heute? Einen Teil dazu hat sicher der in den 80ern erschienene Amadeusfilm beigetragen, der tatsächlich ein Meisterwerk ist. Aber natürlich hatte seine Musik diese ungeheure Wertschätzung auch schon vorher.
Der Grund ist für mich in erster Linie ein anderer:
Mozarts Musik ist einfach "zu verstehen". Jedes Kind kann sie nachsingen und schön finden. Das liegt an ihrer Struktur, die wiederum ein Abbild des Schönheitsideals zu Mozarts Zeit ist.
Das ästhetische Ideal der Wiener Klassik bzw. der Aufklärung kann man mit ein paar Stichworten beschreiben: Einfachheit, Bescheidenheit, "innere Größe", Allgemeinverständlichkeit, Zeitlosigkeit, Symmetrie. Kleinen Kindern spielt man als erstes die Musik Mozarts oder Haydns vor, nicht die Musik Bachs z.B.
Mozarts ist also der Komponist "fürs Volk", den auch der ungebildete Klassikhörer gleich versteht, der mit seinen abgerundeten und perfekt ausgewogenen Werken auf den heutigen Menschen eine entspannende und der Hektik der heutigen Zeit gegenüber beruhigende Wirkung ausübt. Sein eigener Ausspruch, Musik müsse immer "schön" sein, ist keineswegs so trivial gemeint, wie er zunächst klingt. Vielmehr fasst er Mozarts ganzes Schönheitsideal und den Zweck seiner Musik perfekt zusammen. Weder vor noch nach seiner Zeit hätte ein Komponist derartiges als Endzweck seines Schaffens definiert.
Aber ist Mozart deswegen auch einer der genialsten Komponisten aller Zeiten, also der, als der er eingeordnet wird?
Für mich persönlich nicht.

derNeue
27.07.2017, 10:15
Bruckner

Anton Bruckner ist ein Komponist, der für mich nie eine hervorstechende Rolle gespielt hat. Die Sinfonien schon zu Schulzeiten kennengelernt, im Studium musiziert, jedoch bald beiseite gelegt. Kürzlich las ich einige interessante Details über den Komponisten und seine Musik in dem Buch des Dirigenten Kent Nagano, der Bruckner ein ganzes Kapitel widmet, das er mit "Entgrenzung" überschreibt. Nagano gehört zu den Musikern, für die Bruckner eine Schlüsselrolle, quasi eine "heilige Rolle" spielt. Der österreichische Komponist hat seine "Fans", die seine Musik über alles andere schätzen und wieder andere, die das nicht tun. Hier unterscheidet er sich etwa von Mozart, Brahms und anderen,deren Bedeutung sozusagen unbestritten ist und universal akzeptiert wird. An Bruckner dagegen beginnen sich die Geister schon zu scheiden.
Nagano fasziniert an Bruckner vor allem, daß- wie er es formuliert- in seinen Sinfonien "die Zeit stillsteht"
Nun ist das natürlich eine sehr subjektive und deswegen eher nichtssagende Aussage. Jedoch habe ich daraufhin nochmal eingehend die 7. und 8. gehört. Ich kann nachvollziehen, was Nagano meint. Bruckners Musik entwickelt sich ständig, ein ewiges Weiterweben und Fortpflanzen musikalischer Ideen. Es werden nicht mehr Themen in ihrer Gegensätzlichkeit gegeneinander gestellt, alles entwickelt sich zu einem großen, manchmal schwelgerisch hymnischen Ganzen. Es wirkt wie eine monumentale Orgelimprovisation für Sinfonieorchester. Jedoch: hat man sich am großartigen Orchesterklang sattgehört, und reduziert die melodischen Einfälle auf ihre Substanz, dann bleibt eigentlich- ähnlich wie bei Wagner oder Mahler- sehr wenig. Hanslick schrieb, die Essenz der Musik liege in der Melodie im melodischen Einfall. Für Musikhörer mit einer solchen Grundhaltung ist Bruckner nicht der zentrale Komonist, für sinfonische Klangfarbenhörer dagegen kann er es durchaus sein.
Wollte man überkritisch, und damit ungerecht sein, könnte man seine Musik durchaus als langweilig bezeichnen. Andere werden durch sie in einen tranceartigen Zustand der Versunkenheit versetzt, den sie gerade über alles lieben. Trotzdem ist die oft gehörte Kritik "langweilig" bei aller Böswilligkeit doch auch nicht völlig falsch: es fehlt in seiner Musik die Theatralik Mahlers oder der überragende Sinn für Effekt, der etwa an Stückern wie Wagners Walkürenritt die Hörer in die Sitze fesselt.
Ich würde das so formulieren: um Bruckner über alles zu lieben, bedarf es einer gewissen melancholischen Gemütsverfassung, und die hat eben nicht jeder.

derNeue
27.07.2017, 11:58
Wagner

Richard Wagner ist ein Komponist, der wie kein anderer die Gemüter spaltet. Freund und Feind, dazwischen gibt es wenig, scheint wenig überhaupt möglich. Die Wagner-Feinde beziehen sich dabei meist auf die Historie, sie trennen diese nicht vom Werk selbst, vom künstlerischen Anspruch. Nun mag Wagner ein unausstehlicher Mensch gewesen sein, sicher ein zumindest zeitweiliger Antisemit, sicher im dritten Reich propagandistisch instrumentalisiert, nur: Was hat das alles mit der Qualität seiner Musik zu tun?

Die unerbittliche Feindschaft seiner Gegner liegt übrigens nicht nur an Wagners Rolle in der Geschichte allein, sondern auch daran, daß diese Rolle einerseits mit der gewaltigen Wucht seiner Musik und dem unbestreitbar tiefen Eindruck, den sie auf praktisch jeden Hörer ausübt, einhergeht. Wäre das nicht so, würde Wagners Musik etwa so klingen wie die Bruckners, dann behaupte ich, seine Gegner wären nicht so erbittert, die Kritik an ihm nicht so vernichtend. Das "Böse" hat eben auch immer etwas Faszinierendes. Faszination und Haß liegen eng beieinander, wie man an der Sichtweise der Weltöffentlichkeit gegenüber dem Nationalsozialismus sehr gut sehen kann.
Unter diesen Umständen fällt es gar nicht so leicht, ein nüchternes, nur an der Musik ausgerichtetes Urteil zu fällen. Um es kurz zu machen: Wagner ist "not my cup of tea". Unter Musikern hört man oft die Äußerung: "Worüber andere Komponisten einen Satz schreiben, schreibt Wagner ein Buch." Das aber trifft es nur zum Teil. Robert Schumann äußerte über Wagners Musik gegenüber dem Komponisten, nachdem er einer Probe beigewohnt hatte: "Erstaunlich, Herr Wagner". In diesem "erstaunlich" liegt einerseits die anerkennende Würdigung der großen Wirkung, andererseits aber auch eine kritische Distanz. Das fasst es gut zusammen. Mich persönlich ermüdet diese ständige Über-Aufgeregtheit, dieses Dauerdramatik, dieses ständige "auf 180 sein" in seinen Opern. Die Wirkung läßt schnell nach, da mag die Orchestrierung, die Kraft und Wucht dieser Musik noch so genial sein.
Diese ständigen in höchster Lage tremolierenden Singstimmen, bei einer Melodik, die doch oft eher trivial daherkommt, wenn man sich alles Beiwerk wegdenkt. In ähnliche Richtung gehen auch die an der Sache orientierten Kritiker seiner Musik, wie E. Hanslick oder später Nietzsche.
Genau genommen stört mich weniger seine Musik an sich (die ich sogar sehr bewundere), sondern die in der Musik verbreitete Stimmung, die mich in einen Zustand der Aufgeregtheit versetzt, der nicht lange zu ertragen ist. Ich höre ihn eigentlich am liebsten in Ausschnitten, eine ganze Oper tue ich mir selten an, wenn es nicht gerade der Holländer ist.

derNeue
27.07.2017, 18:52
Schubert und Schumann

Zwei seelenverwandte Komponisten, die dennoch unterschiedlicher nicht sein könnten. Beiden gemeinsam ist, daß sie in ihrer Musik ihr Innerstes nach außen kehren. Die Musik wird für sie ein Ausdruck ihrer tiefsten Gefühle und Regungen. Schubert, den Schumann bewunderte, wuchs unter einfachen Verhältnissen auf, Sohn eines Volksschullehrers. Größere Allgemeinbildung oder kritischer Verstand oder politische Bewußtsein wurde ihm im Internat wohl kaum vermittelt. Ein gesellschaftlicher Außenseiter, nie verheiratet und ohne festen Wohnsitz, allein auf die Unterstützung seines Freundeskreises angewiesen. Nie größere Anerkennung über den Freundeskreis hinaus. Und doch sind die Spätwerke unglaublich fesselnd. Und was heißt "Spätwerk" wenn einer mit gerade 30 stirbt?
Schumann dagegen wurde immerhin Mitte 40. Sohn eines Buchhändlers, der zur Intellektuellenschicht seiner Heimatstadt Zwickau gehörte und so kam auch der Sohn früh mit großer Literatur in Berührung. Die Textvorlagen für seine Lieder sucht er immer sehr sorgfältig und qualitätsbewußt aus. Entscheidet sich erst spät für den Komponistenberuf. Heute gehört er sicher zu den "Top ten" der sog. großen Komponisten. Jedoch wird etwa nur ein Drittel seiner Werke regelmäßig gespielt. Was viele nicht wissen: Schumann war tatsächlich ein Vielschreiber. Sein Klavierwerk übertrifft an Opuszahlen sogar das viel bekanntere Chopins.
Und: alles von Schumann ist genial! Da gibt es eigentlich nichts Mittelmäßiges. Angefangen von den frühen Abegg-Variationen bis hin zu den "Gesängen der Frühe", seinem vorletzten Werk.
Aber: nicht alles gefällt in gleicher Weise, nicht alles schmeichelt dem Massengeschmack. Eben ungefähr nur ein Drittel. Clara Schumann, die sehr auf Reputation und Erfolg und Salonbekanntheit bedacht war, wußte das, als sie Schumanns Spätwerk zurückhielt und leider teilweise sogar vernichtete. So etwa die Reinschrift von seiner 3. Violinsonate oder die 5 Romanzen für Cello und Klavier. Sind Schumanns Spätwerke Zeichen und Ausdruck seiner Geisteskrankheit, bzw. wird ihr Wert dadurch verringert? Hier scheiden sich die Geister auch innerhalb der Musiker. Heute setzt sich eher die Ansicht durch, daß dem nicht so ist. Zumal Schumann nicht geistekrank im Sinne von verrückt war. Wie man heute weiß, hatte er die sogenannte "Postsyphillis" bei der Teile des Gehirns immer mehr aussetzen, es auch zu Wahnvorstellugen kommt, aber eben keine Geisteskrankheit im engeren Sinn.
Für mich sind Schumanns späte Werke sowieso das Großartigste, was dieser Komponist geschrieben hat und mit das Wertvollste, was überhaupt je geschrieben wurde. Aber: es ist oft kratzbürstig, es hat keine schimmernde und glitzernde Schale wie die Werke von Chopin oder Mendelssohn. Man muß sich Zeit dafür nehmen, ein Ohr entwickeln und dann zeigt sich die Tiefe dieser Musik,in der Schumann sein persönlichstes Innerstes offenbart. Auf den ersten Blick mag es seltsam oder langweilig erscheinen und da darf man sich auch nicht von der schlechten Meinung anderer, etwa über die angeblich "schwache Orchestrierung" im Cellokonzert, irritieren lassen. Es ist keine "schwache", es ist Schumanns Orchestrierung! Das Cellokonzert ist das beste seiner Gattung, ebenso wie das Violinkonzert das von Mendelssohn und sogar Brahms an romantischem Empfinden übertrifft. Schumann gilt zurecht als der romantischste Komponist überhaupt. Schubert hat ihm mit seinen Spätwerken den Weg geebnet. Aber der war noch sehr in der klassischen Tradition gefangen. Schumann läßt das alles hinter sich und zieht freie Formen der Sonate oder Sinfonie vor. Überhaupt liebt er das Kleine, das Intime, die Kammermusik. Er war ein Stubenhocker, der sich in die idyllische Welt der Kindheit vertiefen konnte und paßte von daher nicht zu seiner Frau Clara, die ein Gesellschaftsmensch war. Als er einmal den von ihm verehrten Eichendorff trifft, sagt er später: "Da war tatsächlich einer, dernoch wortkarger war als ich".
Warum wird Schumanns Musik im Vergleich zu der Chopins so relativ wenig gewürdigt? Weil sie eben keinen Glanz und Glimmer hat, keinen Zuckerguß, wo man eigentlich nicht weiß, was sich darunter verbirgt. Schumanns Musik dagegen ist einfach und kommt von innen. Läßt man sich auf sie ein, so kommt man dem Menschen näher, als das bei irgendeinem anderen Komponisten möglich ist.

derNeue
27.07.2017, 19:41
Chopin

Über Chopin habe ich mal ein vernichtendes Urteil gehört: "Die feinste und ästhetischste Form von Kitsch, die je geschaffen wurde". Gemein, aber trotzdem was dran.
Chopins Musik kann man mit einem Wort umreißen: elegant. Natürlich hat Schumann ihn bewundert, das lag nahe. Umgekehrt war das wohl nicht ganz so der Fall, Chopin war schon berühmt und gefeiert, als sich Schumanns Kompositionen noch durchsetzen mußten.
Mir fehlt,bei aller Wertschätzung, in seinen Werken die Innerlichkeit und auch die Einfachheit, die Schubert so perfekt verkörpert. Ich stelle mir immer einen Salonlöwen vor, der in erster Linie für seine Klatscher schreibt, die Bewunderer aus dem Bildungsbürgertum, die damals so zahlreich waren. Ähnlich wie Paganini, Liszt und andere. Brahms sagte übrigens über Paganini, der habe sein Talent in den Salons verscherbelt. Nun kann man Paganinis Werke nicht mit denen Chopins auf die gleiche Stufe stellen. Möglich ist aber, daß Brahms, dem es wie Schumann immer um die musikalische Essenz und Tiefe des Audrucks ging, über Chopin ähnlich dachte. Als Student hörte ich ein paarmal Klavierabende bekannter Pianisten, in denen ausschließlich Chopin gespielt wurde. Irgendwann war alles zu glatt, zu süß, zu schön, man bekam quasi Zahnschmerzen von der Glitzerwelt seiner unzähligen Walzer, Polonaisen, Mazurkas etc.
Nichtsdestotrotz bewundere ich seine Musik, jeder musikalische Mensch wird das tun. Sie steht nur nicht im Mittelpunkt meines musikalischen Interesses.

Coriolanus
28.07.2017, 17:23
Schubert und Schumann

Zwei seelenverwandte Komponisten, die dennoch unterschiedlicher nicht sein könnten. Beiden gemeinsam ist, daß sie in ihrer Musik ihr Innerstes nach außen kehren. Die Musik wird für sie ein Ausdruck ihrer tiefsten Gefühle und Regungen. Schubert, den Schumann bewunderte, wuchs unter einfachen Verhältnissen auf, Sohn eines Volksschullehrers. Größere Allgemeinbildung oder kritischer Verstand oder politische Bewußtsein wurde ihm im Internat wohl kaum vermittelt. Ein gesellschaftlicher Außenseiter, nie verheiratet und ohne festen Wohnsitz, allein auf die Unterstützung seines Freundeskreises angewiesen. Nie größere Anerkennung über den Freundeskreis hinaus. Und doch sind die Spätwerke unglaublich fesselnd. Und was heißt "Spätwerk" wenn einer mit gerade 30 stirbt?[...]

Daß Schubert zu dieser Zeit bereits auf ein gewaltiges Schaffen zurückblicken konnte? Seine ersten Kompositionen lagen schließlich viele Jahre zurück. Was seinen Hintergrund angeht, sollte man nicht vergessen, daß Schubert sehr wohl ein politischer Mensch war und unter anderem deshalb kam er mit seiner Karriere auch nicht voran, da er als Dissident auf der schwarzen Liste von Metternich stand:


Durch Veröffentlichungen verschiedener Autoren ist in den vergangenen Jahren eine zweite Deutungsebene der Winterreise publik geworden. Mit der Vertonung von Zeilen wie „Hie und da ist an den Bäumen manches bunte Blatt zu seh’n“ (Lied 16; Hoffnung) habe Schubert auch ganz bewusst und gezielt subtile Kritik am herrschenden System geübt. So stehe der Winter bei ihm auch als Metapher für das System der reaktionären Restauration unter Kanzler Metternich. Schubert, der enge Kontakte zu den Kreisen der Opposition unterhielt, sei durch seine exponierte Begabung ein wichtiges Sprachrohr der Intellektuellen gewesen. Auch das folgende Lied, Im Dorfe („Es bellen die Hunde, es rasseln die Ketten, …“), spricht für diese Interpretation. Einer Razzia beim Dissidentenverein seiner Freunde im Jahr 1826 entging Schubert nur durch eine frühzeitige Warnung. Die 1822 verbotene Leipziger Literaturzeitschrift Urania mit den Texten des Dichters Wilhelm Müller hatte sich Schubert illegal besorgt.

https://meinsammelsuriumblog.wordpress.com/2017/01/21/peter-schreiner-andras-schiff-winterreise-franz-schubert-1994/

Auf der Liste stand auch Beethoven, der allerdings einen viel größeren Namen hatte und sich daher gegenüber dem Regime mehr Freiheiten erlauben konnte, obwohl man ihn ständig davor warnte, in der Öffentlichkeit vorsichtiger zu sein. Bin übrigens sehr gespannt, ob zu ihm auch noch was kommt?

derNeue
29.07.2017, 07:50
Daß Schubert zu dieser Zeit bereits auf ein gewaltiges Schaffen zurückblicken konnte? Seine ersten Kompositionen lagen schließlich viele Jahre zurück. Was seinen Hintergrund angeht, sollte man nicht vergessen, daß Schubert sehr wohl ein politischer Mensch war und unter anderem deshalb kam er mit seiner Karriere auch nicht voran, da er als Dissident auf der schwarzen Liste von Metternich stand:



Auf der Liste stand auch Beethoven, der allerdings einen viel größeren Namen hatte und sich daher gegenüber dem Regime mehr Freiheiten erlauben konnte, obwohl man ihn ständig davor warnte, in der Öffentlichkeit vorsichtiger zu sein. Bin übrigens sehr gespannt, ob zu ihm auch noch was kommt?

Danke für den interessanten Text zu Schubert!
Meiner Ansicht nach ist er jedoch völlig abwegig. Schubert hat die Winterreise einfach deswegen vertont, weil sie ihn persönlich ergriffen hat. Und Müller kannte er schon durch die Vertonung der "schönen Müllerin" (wenngleich er ihm auch nie begegnet ist). Seine ganzen Zitate zur Winterreise bestätigen das. Ich persönlich sehe auch absolut keine politische Aussage in dem Text. Für mich ist das ein typisch romantisches persönliches Bekenntnis. Aber das mögen andere anders bewerten. Metternich zensierte so ziemlich alles, was mit moderner Literatur zu tun hatte ungeachtet seines Inhaltes. Schumann z.B. mit seiner Zeitschrift hätte viel mehr Sorgen haben müssen und hatte dementsprechend auf seiner Wien-Reise (bei der er Schuberts 9. mitnahm) auch große Schwierigkeiten durch die Zensur. Er durfte erst gar nicht einreisen.
Ich sehe das eher so: Wir sehen heute die großen Werke und neigen dazu, viel hineinzuinterpretieren, vor allem auch politische oder Gesellschaftskritik. Die Komponisten selber waren aber i.d.R. davon ganz unberührt. Mozart hat den Figaro auch nicht vertont um den Kaiser zu ärgern sondern erst mal nur, weil ihm der Stoff gefallen hat. Daß er hinterher damit Probleme bekam, steht auf einam anderen Blatt.

derNeue
29.07.2017, 07:58
Daß Schubert zu dieser Zeit bereits auf ein gewaltiges Schaffen zurückblicken konnte? Seine ersten Kompositionen lagen schließlich viele Jahre zurück


Ein gewaltiges Schaffen kann man das durchaus nennen. Aber da war er auch nicht der einzige. Schubert ging das Schreiben ebenso schnell von der Hand wie Mozart. Er brachte es ja angeblich auf "bis zu 3 Liedern pro Tag". Der große und einzigartige Genius tritt meiner Ansicht nach allerdings erst in den Spätwerken zutage. Und die kann man fast (nicht ganz) an 10 Fingern abzählen. Die Frühwerke (die ich allerdings auch sehr mag) erinnern mich noch stark an Mozart. Sie haben meistens noch keinen "romantischen" Einschlag.

Daggu
29.07.2017, 08:11
Ein gewaltiges Schaffen kann man das durchaus nennen. Aber da war er auch nicht der einzige. Schubert ging das Schreiben ebenso schnell von der Hand wie Mozart. Er brachte es ja angeblich auf "bis zu 3 Liedern pro Tag". Der große und einzigartige Genius tritt meiner Ansicht nach allerdings erst in den Spätwerken zutage. Und die kann man fast (nicht ganz) an 10 Fingern abzählen. Die Frühwerke (die ich allerdings auch sehr mag) erinnern mich noch stark an Mozart. Sie haben meistens noch keinen "romantischen" Einschlag.

Interessanter Thread, schönes Thema, man lernt also wirklich niemals aus!

In dem Zusammenhang eine Frage an die Experten klassischer Musik: Ich suche schon seit längerer Zeit eine wirklich gute Biographie über Beethoven. Vielleicht weiß da jemand einen Rat, kann auch antiquarisch sein.

derNeue
29.07.2017, 08:48
Schostakowitsch

Zu D. Schostakowitsch habe ich ein besonderes Verhältnis. Nicht nur seiner Memoiren wegen, die in den 70ern erstmalig im Westen in der Zeitschrift "Der Spiegel" veröffentlicht wurden. Er beschließt sie mit dem Satz: "Den jungen Menschen wünsche ich, daß sie besser vorbereitet und besser abgehärtet ins Leben gehen. Vielleicht wird ihr Leben frei sein von den Bitternissen, die meins grau gefärbt haben".
Nein: Bei Schostakowitsch weiß ich auch einiges aus erster Hand, von Zeitzeugen, die ihn persönlich kannten. Sein Leben lang hat er unter dem Sowjetregime gelitten, wurde unter Stalin als "Volksfeind" verfemt, litt unter ständiger Angst, abgeholt und ermordet zu werden, ein Schicksal, daß viele seiner Freunde erlitten. Ein bescheidener Mensch, ein Intellektueller, nicht polternd selbstbewußt wie Prokoview, kein Aristokrat wie Rachmaninow. Der sich sein Brot anfangs als Kinopianist verdienen mußte. Nur scheinbar schrieb er propagandistische Jubelwerke wie die Leningrader Sinfonie, in Wahrhheit läßt er ganz andere Dinge durchblicken. Nur selten darf er überhaupt die SU verlassen, seine Familie wird als Geisel genommen.
Diese Bitternis ist in seinen Werken ständig präsent. Seine frühen Werke sind geprägt von markanter Rhythmik und eindrücklichen melodischen Motiven, die sich in ähnlicher Form in verschiedenen Werken sogar wiederholen. Eine mitreißende Musik und allen Interessierten, die den Komponisten noch nicht kennen, zum Einstieg empfohlen. Zu nennen wären dafür einige frühe Streichquartette, die Kl-Trios (vor allem das zweite), das Konzert für Klavier und Trompete, das erste Cellokonzert, das Violinkonzert, die Walzer, die Jazzkompositionen u.v.a.
Der späte Schostakowitsch dagegen klingt rauh, schroff und karg. Zu seinen Sinfonien fügt er jetzt öfters vokale Passagen hinzu. Insgesamt aber, wie man an der Aufzählung oben auch sehen kann, war Schostakowitsch ein "konservativer" Komponist. Das Gerüst der klassischen Formen hat er im Großen und Ganzen nie verlassen (wie so viele andere russische Komponisten der Zeit auch). Wenngleich er sich auch intensiv mit den Entwicklungen des Westens, etwa der Wiener Schule, befasst hat, so wurde das doch nie "seine Musik". Seine Harmonik nimmt Rücksicht auf den Klanggehalt, seine Rhythmik ist "erfahrbar" und mitreißend. So ist es wohl auch zu erklären, daß sich Schostakowitschs Musik im Westen nach dem Krieg schnell verbreitete. Die 5. Sinfonie (auch so ein "Einstiegswerk") erklang in deutschen Konzertsälen bereits 1946, die Übersetzung einer Biografie und Werkbeschreibung folgte ein Jahr später.
Heute hat sich seine Musik weltweit durchgesetzt und die der ursprünglich hochgehaltenen deutschen Kriegs-und Nachkriegspomonisten, etwa des viel trockeneren Paul Hindemith, eindeutig auf die Plätze verwiesen. Wer spielt heute noch Fortner, Genzmer, Zimmermann und wie sie alle heißen?
Überhaupt ist für mich persönlich das 20. Jhrh. in musikalischer Hinsicht das "Jahrhundert der Russen". Ähnlich wie in politischer Hinsicht: sie machen eben nicht jeden Trend mit, der im Westen gerade en vogue ist, sie hinken in ihrer Entwicklung und in ihrem Bewußtsein vielleicht 100 Jahre hinterher, aber sie knüpften an die großen Traditionen der deutschen Romantik an und gerade das begründet zum Teil ihren heutigen Erfolg.

derNeue
29.07.2017, 08:53
Interessanter Thread, schönes Thema, man lernt also wirklich niemals aus!

In dem Zusammenhang eine Frage an die Experten klassischer Musik: Ich suche schon seit längerer Zeit eine wirklich gute Biographie über Beethoven. Vielleicht weiß da jemand einen Rat, kann auch antiquarisch sein.

Danke für das Lob!
Ich habe ehrlich gesagt noch nie eine gelesen. Ansonsten kann ich durchaus den Film "Klang der Stille" empfehlen. Die Geschichte selbst ist fiktiv und es ist nicht so, daß Beethovens "Leben" hier beschrieben würde sondern nur eine Episode am Ende seines Lebens. Jedoch wird der Charakter des Menschen sehr gut getroffen und auch sehr realistisch dargestellt. Ebenso zeigt der Film sehr anschaulich, wie Beethoven in seinen Spätwerken das Schöheitsideal der Klassik überwindet und wie die Zeitgenossen reagiert haben.

Schopenhauer
29.07.2017, 09:00
Danke für das Lob!
Ich habe ehrlich gesagt noch nie eine gelesen. Ansonsten kann ich durchaus den Film "Klang der Stille" empfehlen. Die Geschichte selbst ist fiktiv und es ist nicht so, daß Beethovens "Leben" hier beschrieben würde sondern nur eine Episode am Ende seines Lebens. Jedoch wird der Charakter des Menschen sehr gut getroffen und auch sehr realistisch dargestellt. Ebenso zeigt der Film sehr anschaulich, wie Beethoven in seinen Spätwerken das Schöheitsideal der Klassik überwindet und wie die Zeitgenossen reagiert haben.

Den Film kenne ich jetzt nicht. Empfehlen kann ich diese beiden Bücher, u.a., versteht sich:

https://www.amazon.de/Beethoven-einsame-Revolution%C3%A4r-Jan-Caeyers/dp/3406631282/ref=pd_cp_14_1?_encoding=UTF8&psc=1&refRID=JCH0B7VV61VH8P7B5VAY
https://www.amazon.de/Beethovens-Einzige-Geliebte-Josephine-Biografie/dp/1470098075/ref=la_B0069Z2PVM_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1501314968&sr=1-1

:)

Daggu
29.07.2017, 09:05
Danke für das Lob!
Ich habe ehrlich gesagt noch nie eine gelesen. Ansonsten kann ich durchaus den Film "Klang der Stille" empfehlen. Die Geschichte selbst ist fiktiv und es ist nicht so, daß Beethovens "Leben" hier beschrieben würde sondern nur eine Episode am Ende seines Lebens. Jedoch wird der Charakter des Menschen sehr gut getroffen und auch sehr realistisch dargestellt. Ebenso zeigt der Film sehr anschaulich, wie Beethoven in seinen Spätwerken das Schöheitsideal der Klassik überwindet und wie die Zeitgenossen reagiert haben.

Danke, und wieder einmal ist guter Rat nicht teuer.

derNeue
29.07.2017, 11:10
Den Film kenne ich jetzt nicht. Empfehlen kann ich diese beiden Bücher, u.a., versteht sich:

https://www.amazon.de/Beethoven-einsame-Revolution%C3%A4r-Jan-Caeyers/dp/3406631282/ref=pd_cp_14_1?_encoding=UTF8&psc=1&refRID=JCH0B7VV61VH8P7B5VAY
https://www.amazon.de/Beethovens-Einzige-Geliebte-Josephine-Biografie/dp/1470098075/ref=la_B0069Z2PVM_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1501314968&sr=1-1

:)

Danke für die Buchempfehlungen!

Schopenhauer
29.07.2017, 11:21
Danke für die Buchempfehlungen!

Gern geschehen. :)
Sie sind ganz klasse geschrieben und sehr informativ.

derNeue
29.07.2017, 11:46
Beethoven

Beethovens Werk wird eingeteilt in die frühe, die mittlere und die späte Schaffensperiode. Jeder dieser Bereiche ist eine Welt für sich, ein eigener unerschöpflicher Kosmos. Seine Genialität ist, jedenfalls für mich, schon von den ersten Takten Musik an klar, da gibt es nichts Mittelmäßiges, nichts, wo er nur "ausprobierte". (Oder besser: fast nichts, aber diese 2-3 Werke fallen nicht ins Gewicht!). In dieser Hinsicht gleicht er Bach.
Schon sein op. 1 Nr.1, ein Klaviertrio, ist geprägt von einer ungeheuren Kraft und Spontanität, einem großen Individualismus, der für diese Zeit unerhört war. Die Zeitgenossen waren tief beeindruckt und das aufkommende Bildungsbürgertum trägt Beethovens Existenz, macht ihn unabhängig vom Adel, ein Zustand, den Mozart sich wohl auch gewünscht hätte.
Beethovens Personalstil ist von der ersten Note an unverwechselbar. Ich erkenne ihn sofort, auch wenn ich das Stück nie zuvor gehört habe. Bei Mozart und Haydn z.B. kann es da durchaus zu Verwechslungen kommen. Hätte Beethoven nur seine 2. Sinfonie geschrieben und die ersten beiden Klavierkonzerte, hätten Zeitgenossen und Nachwelt bereits gestaunt und gesagt: Was für eine Kraft! Aber es sollte noch so viel mehr folgen...
Beethoven hat sein Leben lang keine Kompromisse gemacht. Er ist stets seinem Innersten gefolgt, seinem unbändigen Ausdruckswillen. Ein paar Auftragswerke gab es schon, und man hört es diesen auch an, etwa bei einigen seiner Lieder, die er für einen englischen Auftraggeber schrieb. Aber im Großen Und Ganzen: keine Rücksicht auf die Umwelt. Vor allem gegen Ende seines Lebens: da folgt er einem gänzlich anderen Plan.
Die schweren Schicksalsschläge, die er erlebte, finden sich durchaus in seiner Musik. Aber er verarbeitet sie nicht mit Schmerz, mit Trauer oder Wehklagen, sondern mir seiner typischen Wut und seinem zügellosen Temperament.
Wie läßt sich Beethovens Musik beschreiben: sie ist spontan, sie ist wechsehaft und aufbrausend, sie zeigt einen intellektuellen Geist und oft einen echten Sinn für Witz. Oft macht er aus Nichts etwas ganz Großes, wie etwa beim Seitenthema des 5. Klavierkonzertes. Die Hörer stehen davor und denken: so klingt ein musikalisches Genie. Über diese Frage kann es keine Diskussion geben.
Er bricht Grenzen seiner Zeit in formaler Hinsicht, besonders in den Spätwerken, wo ihm die zeitgenössischen Hörer nicht mehr folgen konnten. Über seine letzten Streichquartette schreibt Goethe: "wie wenn 4 vernünftige Menschen sich unterhalten". Vernunft: ein Stichwort der Aufklärung und so finde ich auch nicht, wie einige sagen, daß er mit seinem Spätwerk das Tor zur Romantik geöffnet hätte. Das hat er gerade nicht getan, sondern er hat etwas ganz Neues, Einzigartiges geschaffen. Der Wegbereiiter der Romantik war zur gleichen Zeit Schubert.
Beethovens Musik wird nie langweilig, man kann sie immer wieder hören, immer wieder spielen, auch hierin ähnelt er Bach.
Vielleicht liegt ein Schlüssel seiner Bedeutung darin, daß er eben nie Kompromisse gemacht hat, daß er nur in sich hinein gehört hat. Man merkt auch, daß seine musikalischen Ideen am Klavier, in der Improvisation entstanden sind, in dieser Hinsicht ähnelt er wieder Schumann.
Beethoven wirkt auf jeden, sogar auf eher unmusikalische Menschen. Deswegen ist er auch einer der am meisten gespielten Komponisten. Oft ist er sozusagen der Publikumsmagnet, um den herum dann dann die weniger beliebten Stücke alibihaft platziert werden. Zugeben und bekennen tun das freilich nur wenige. Aber insgeheim denken doch viele: Schön, hier wird Beethoven gespielt, dann tue ich mir die Sinfonie von XY auch noch an. Das Zugpferd der Konzertsäle sozusagen.
Für einen klassischen Musiker ist eine Welt ohne Beethoven ebensowenig vorstellbar wie eine ohne Bach.

Coriolanus
29.07.2017, 19:09
Ich sehe das eher so: Wir sehen heute die großen Werke und neigen dazu, viel hineinzuinterpretieren, vor allem auch politische oder Gesellschaftskritik. Die Komponisten selber waren aber i.d.R. davon ganz unberührt. Mozart hat den Figaro auch nicht vertont um den Kaiser zu ärgern sondern erst mal nur, weil ihm der Stoff gefallen hat. Daß er hinterher damit Probleme bekam, steht auf einam anderen Blatt.

Ich denke, man muss von Fall zu Fall unterscheiden. Du hast im Zusammenhang mit Chopin Franz Liszt erwähnt, das wären zum Beispiel Komponisten, die offensichtlich eher unpolitisch waren, und eben wie Du ausführtest, gewisse Bedürfnisse der 'High Society' befriedigt haben.

Bei Schubert aber findet man doch reichlich Hinweise dafür, daß er nicht "unberührt" war von den politischen Zuständen in jener Zeit.

Um das Ganze richtig einschätzen zu können, muss man sich in Erinnerung rufen, daß Schubert zu seiner Zeit eben kein Mann war, der großen Einfluss hatte. Daß er in seinen Liederzyklen Botschaften vertonte, die nicht für jedermanns Ohr bestimmt waren, ist meiner Meinung nach nicht von der Hand zu weisen.

Insbesondere die 'Winterreise" weist in dem Zusammenhang eine unüberschaubare Anzahl von Anspielungen und Zweideutigkeiten auf, und für meinen Geschmack, erhält dieses Werk dadurch eine gewisse Brisanz und Spannung, die man dann auch raushören kann.

Ich finde es gar nicht einmal so wichtig zu wissen, welche 'Geheimbotschaften' en detail zu jener Zeit umgingen. Entscheidend ist, daß man damals gezwungen war, ein Blatt vor den Mund zu nehmen und genau das tat Schubert, der ansonsten ein leichtes Opfer für die Staatsgewalt gewesen wäre.

Was bei Franz Schubert noch ein wenig im Verborgenen liegt, tritt bei Ludwig van Beethoven dagegen in offenem Licht zu Tage. Aus der Beethoven-Biografie von Jan Caeyers:


*Beethoven nahm nie ein Blatt vor den Mund; er war schlagfertig und neigte zu Übertreibungen. Natürlich war er immer kritisch bis zum Sarkasmus, vor allem, wenn es um die Regierung, die Justiz, die Polizei und die Amoralität des Adels ging. Bemerkungen wie die, daß der Schurke Franz I. an den Galgen gehöre, kamen ihm leicht über die Lippen.

Freunde ermahnten ihn deshalb immer wieder, sich zumindest in der Öffentlichkeit vorsichtiger und leiser zu äußern. Schließlich konnten ihn Wien die Wände Ohren haben*, (Caeyers, S. 663)

Sinfonie Nr. 7 steht in einem direkten Zusammenhang mit Befreiung aus der Besatzerherrschaft. Seine Oper Fidelio dreht sich um die Befreiung eines politischen Gefangenen.

Zumindest bei Ludwig van Beethoven muss man also gar nicht mehr irgendetwas hineininterpretieren, denn seine Werke für sich bezeugen ja, daß er ein durch und durch politischer Mensch war.

Was Mozart angeht, sind die Dinge noch einmal ganz anders gelagert. Es steht außer Zweifel, daß ihm und da Ponte mit Don Giovanni, Hochzeit des Figaro, und Così fan tutte Werke geglückt waren, die eine unerhört bissige Gesellschaftskritik darstellten, aus der man noch heute ausgezeichnete Quervergleiche zum herrschenden System rausziehen kann.

Dahinter steckt womöglich nicht der konsequente Widerstandsgeist eines Ludwig van Beethoven, dennoch war Mozart bereit, große Risiken mit seinen Opern einzugehen, was zu seiner Zeit eher die Ausnahme war. Nicht zuletzt diese drei Opern, bilden aus meiner Sicht auch das Fundament für seinen heutigen Stellenwert.

derNeue
29.07.2017, 19:33
Ich denke, man muss von Fall zu Fall unterscheiden. Du hast im Zusammenhang mit Chopin Franz Liszt erwähnt, das wären zum Beispiel Komponisten, die offensichtlich eher unpolitisch waren, und eben wie Du ausführtest, gewisse Bedürfnisse der 'High Society' befriedigt haben.

Bei Schubert aber findet man doch reichlich Hinweise dafür, daß er nicht "unberührt" war von den politischen Zuständen in jener Zeit.

Um das Ganze richtig einschätzen zu können, muss man sich in Erinnerung rufen, daß Schubert zu seiner Zeit eben kein Mann war, der großen Einfluss hatte. Daß er in seinen Liederzyklen Botschaften vertonte, die nicht für jedermanns Ohr bestimmt waren, ist meiner Meinung nach nicht von der Hand zu weisen.

Insbesondere die 'Winterreise" weist in dem Zusammenhang eine unüberschaubare Anzahl von Anspielungen und Zweideutigkeiten auf, und für meinen Geschmack, erhält dieses Werk dadurch eine gewisse Brisanz und Spannung, die man dann auch raushören kann.

Ich finde es gar nicht einmal so wichtig zu wissen, welche 'Geheimbotschaften' en detail zu jener Zeit umgingen. Entscheidend ist, daß man damals gezwungen war, ein Blatt vor den Mund zu nehmen und genau das tat Schubert, der ansonsten ein leichtes Opfer für die Staatsgewalt gewesen wäre.

Was bei Franz Schubert noch ein wenig im Verborgenen liegt, tritt bei Ludwig van Beethoven dagegen in offenem Licht zu Tage. Aus der Beethoven-Biografie von Jan Caeyers:



Sinfonie Nr. 7 steht in einem direkten Zusammenhang mit Befreiung aus der Besatzerherrschaft. Seine Oper Fidelio dreht sich um die Befreiung eines politischen Gefangenen.

Zumindest bei Ludwig van Beethoven muss man also gar nicht mehr irgendetwas hineininterpretieren, denn seine Werke für sich bezeugen ja, daß er ein durch und durch politischer Mensch war.

Was Mozart angeht, sind die Dinge noch einmal ganz anders gelagert. Es steht außer Zweifel, daß ihm und da Ponte mit Don Giovanni, Hochzeit des Figaro, und Così fan tutte Werke geglückt waren, die eine unerhört bissige Gesellschaftskritik darstellten, aus der man noch heute ausgezeichnete Quervergleiche zum herrschenden System rausziehen kann.

Dahinter steckt womöglich nicht der konsequente Widerstandsgeist eines Ludwig van Beethoven, dennoch war Mozart bereit, große Risiken mit seinen Opern einzugehen, was zu seiner Zeit eher die Ausnahme war. Nicht zuletzt diese drei Opern, bilden aus meiner Sicht auch das Fundament für seinen heutigen Stellenwert.

In Bezug auf Beethoven gebe ich Dir absolut recht. Er war ein politischer Mensch, der erst Napoleon bewunderte, sich aber später distanzierte. Über Fürsten sagte er, daß sie "vor ihm (Beethoven) Respekt zu haben lernen müssen". Eine Unerhörte Aussage, die sicher nicht nur darauf zurückzuführen ist, daß er finanziell unabhängig war. Es entsprach auch schlicht seinem Naturell, sich nicht zu ducken.

Aber Schubert und Mozart? Ihre zahlreichen Briefe geben das nicht her, zeigen kein besonderes politisches Interesse. Und wenn Du Schubert anführst, dann solltest Du doch das für Deine These viel naheliegenderes Lied "Die Forelle" nennen! Ein typisches Aufrührerlied, für das ihr Urheber, Daniel Schubart, über 10 Jahre im Gefängnis verbringen mußte.
Nun hat Schubert es vertont und es ist anzunehmen, daß er sich über die Brisanz des Textes durchaus im Klaren war. Andererseits hat Schubert aber auch vieles andere vertont (unterschiedlichster Art), genauer gesagt: alles, was ihm so in die Finger kam.
Wenn ich die Melodie der Forelle höre, denke ich von der Musik her nicht an eine politische Aussage. Ich habe das Gefühl, Schubert stellt sich einfach die Forelle in ihrem Bach vor, wie sie ausgelassen herumschwimmt und zappelt. Die Wassermühle, der Bach, die Forelle: typisch österreichische Motive, die mit der Landschaft zusammenhängen. Bei T. Storm wäre es dann eben der Schimmelreiter gewesen, der über die Deiche Frieslands reitet.
Etwas Politisches habe ich bei Schubert bisher nicht bemerken können, aber natürlich kann es das trotzdem gegeben haben.

Grundsätzlich ist es aber fraglich, ob ein Komponist, der ein Libretto oder ein Gedicht zu Musik macht, sich deswegen auch mit der Aussage unbedingt identifiziert. Suchst Du also versteckte politische Kritik in der Winterreise, müßtest Du diese eher Wilhelm Müller zuschreiben.

Coriolanus
29.07.2017, 19:38
Interessant ist daher für mich eher die Frage: Warum gilt Mozart als einer der größten Komponisten und warum hat er diese riesige Popularität bis heute? Einen Teil dazu hat sicher der in den 80ern erschienene Amadeusfilm beigetragen, der tatsächlich ein Meisterwerk ist.[...]

Genau gesagt ist es ein jüdisches 'Meisterwerk', indem ein unbescholtener Komponist der europäischen Geschichte auf Basis von Mythen durch den Dreck gezogen wird. Als ich den Film früher einmal sah, hatte ich weiß Gott noch gar keine Ahnung von klassischer Musik oder Geschichte, dennoch stieß mir damals die Darstellung von Antonio Salieri schon sehr unangenehm auf. Und in der Tat war Salieri offenbar ein Mann von hoher Integrität und zudem ein Freund der Mozarts, während er in dem Film plump und billig als zynischer, neidischer, mittelmäßiger und verbitterter Giftmischer gezeichnet wurde, der es auf das unschuldige Genie Mozart abgesehen hat.

In Wirklichkeit war Salieri zu seiner Zeit hoch geachtet, er hatte damals als Hofkapellmeister in Wien ein bessere Stellung als Mozart, der frei schaffender Künstler war. Salieri hatte - nicht wie Wolfgang - genau die Frau bekommen, die er liebte, und auch darüber hinaus international große Erfolge gefeiert, wie zum Beispiel in Paris.

In Wahrheit hätte Mozart also viel eher Grund gehabt, auf Salieri neidisch zu sein, und es gibt auch Indizien dafür, daß es so war.

Ich halte "Amadeus" daher für verklärend, unverschämt, und nicht empfehlenswert.

Coriolanus
29.07.2017, 19:48
In Bezug auf Beethoven gebe ich Dir absolut recht. Er war ein politischer Mensch, der erst Napoleon bewunderte, sich aber später distanzierte. Über Fürsten sagte er, daß sie "vor ihm (Beethoven) Respekt zu haben lernen müssen". Eine Unerhörte Aussage, die sicher nicht nur darauf zurückzuführen ist, daß er finanziell unabhängig war. Es entsprach auch schlicht seinem Naturell, sich nicht zu ducken.

Aber Schubert und Mozart?

Ja, wer denn sonst, Herrgott nochmal. Die beiden Männer lebten doch zur Zeit der französischen Revolution, bzw. der Napoleon-Kriege und der Restauration. Schon zu Mozarts Zeiten war Europa in Aufruhr, die Neue Welt war entdeckt und allerorten schossen plötzlich Geheimbünde und Logen aus dem Boden, die der alten Ordnung den Kampf ansagten.

Mozart war, wie jeder wissen sollte, selbst ein Logenbruder. Denkst Du, die haben, wie kopflose BRDlinge dort nur verträumt und vielleicht romantisiert an Ärsche, Titten, Fußball, Saufen und Fressen gedacht?

derNeue
29.07.2017, 20:08
Richard Strauß

Richard Strauß beschrieb ein befreundeter Musiker mir gegenüber mal so: "Unter Strauß stelle ich mir immer so einen tolpatschigen Bayern vor, der polternd in Lederhosen die Tür hereinkommt".
Hört man Stücke wie "Das Heldenleben" oder "Die Alpensinfonie" oder etwa den "Till Eulenspiegel", dann ist dieses Urteil gut nachvollziehbar.
Jedoch dagegen die Biografie: der Mann hat beide Weltkriege erlebt, starb 1949 (!) im größten Chaos und Schrecken, den Deutschland seit dem 30jährigen Krieg erlebt hatte. Er mußte über Jahrzehnte den Untergang der romantischen Epoche, der er doch so eindeutig anhing, mit ansehen, zum Schluß selber als ein "längst aus der Zeit Gefallener!"
Wie paßt das zum unbekümmerten Draugängertum eines Till Eulenspiegel, oder zum heiter ironischen Selbstportrait des "Heldenlebens"?
Natürlich: Strauß hat auch viel Ernstes geschrieben, die "vier letzten Lieder" stehen dafür sinnbildlich. Aber daß ein Künstler am Ende seines langen Lebens etwas Ernstes, in sich gekehrtes schreibt, liegt ja auch wieder nahe. Das hätte jeder Komponist wohl so getan.
Nein: Strauß's Natur war das Theatralische, er war ein Tonmaler, einer, der immer außermusikalische Inhalte in Töne umsetzte und dementsprechend auch ausschließlich die sinfonische Dichtung bevorzugte. Er ist sozusagen der deutsche Prokoview, oder besser umgekehrt: Prokoview ist der russische Strauß.
Kurzzeitig versuchte er, die Grenzen der Romantik zu sprengen, namentlich in seinen Opern Salome und Elektra, entstanden im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, in seiner Berliner Zeit. Vermutlich wurde er angesteckt und inspiriert von Schönberg, Stravinsky, Debussy. Aber insgesamt blieben diese Versuche doch sehr zaghaft. Eigentlich blieb er immer Romantiker und findet zu diesem "reinen" Stil auch später zurück.
Strauß war ebenso wie Mahler, Bruckner und Wagner ein Virtuose der Orchestrierung, ein Meister der Klangwirkung. Klangfarbenhörer, die diese Komponisten schätzen, werden auch Richard Strauß lieben. Seine musikalischen Ideen sind frecher, unkonventioneller, "moderner" als die der vorher genannten. Tragik, die sogar zu Schwulst ausarten kann, liegt ihm allerdings fern.
Für mich bleibt die Frage: Wie kann jemand, die alle Katastrophen des 20. Jahrhunderts so hautnah erlebte, der nicht die "Gnade des frühen Todes" hatte, dennoch auch gegen Ende seines Lebens noch so heitere und kratvoll optimistische Musik schreiben?
Beantworten kann ich diese Frage nicht, weil ich auch nie eine Biografie des Komponisten gelesen habe. Vorstellen könnte ich mir: Strauß lebte in den letzten Jahrzehnten in der Vergangenheit, im "goldenen Zeitalter" der Künste, der Hochzeit der deutschen Musik, der wilhelminischen Ära. Diese Jahrzehnte hatten seine Musik zu Weltruhm geführt, er gab gefeierte Konzerte in New York und anderen Metropolen weltweit. Vielleicht hat er sich einfach von der schlimmem Gegenwart späterer Jahrzehnte innerlich abgewandt.

Coriolanus
29.07.2017, 20:10
Wer ein persönliches Bekenntnis vermissen sollte, Mozart gab u. a. eins in der Klaviersonate Nr. 9 a-Moll, nach dem Köchelverzeichnis Nr. 8, KV. 310. Entstanden in 1778 Paris unmittelbar nach dem Tod seiner Mutter:


https://www.youtube.com/watch?v=fRgxY8VUOz

derNeue
29.07.2017, 20:27
Ja, wer denn sonst, Herrgott nochmal. Die beiden Männer lebten doch zur Zeit der französischen Revolution, bzw. der Napoleon-Kriege und der Restauration. Schon zu Mozarts Zeiten war Europa in Aufruhr, die Neue Welt war entdeckt und allerorten schossen plötzlich Geheimbünde und Logen aus dem Boden, die der alten Ordnung den Kampf ansagten.

Mozart war, wie jeder wissen sollte, selbst ein Logenbruder. Denkst Du, die haben, wie kopflose BRDlinge dort nur verträumt und vielleicht romantisiert an Ärsche, Titten, Fußball, Saufen und Fressen gedacht?
Es wäre sehr freundlich, wenn Du den Strang nicht durch solche unflätigen Fluchereien entwerten würdest.
Es ist mir durchaus bewußt, daß Mozart Freimaurer war. Jedoch ist er erst ganz am Ende seines Lebens, genauer durch Herrn Schikaneder und sein Libretto, dazu gekommen. Erst als er am Hof keinen Erfolg mehr hatte. Ein politischer Mensch war er deswegen nicht. Ebensowenig beweist das seine Vertonung des politisch brisanten Opernstoffes.

Und in Bezug auf Deine Einschätzung des Amadeus-Filmes gebe ich Dir auch nicht recht. Wir wissen nicht genau, wie Salieri war, aber höchstwahrscheinlich war er tatsächlich so, wie Du ihn beschreibst. Jedoch ist Dein Anspruch an den Film falsch: es soll hier eben kein historisch korrekter Ablauf gezeigt werden, sondern eine auch spannende und dramatische Mordgeschichte. Insofern mußte die fiktive (aber nicht unmögliche) Geschichte her.
Der Wert des Filmes liegt in etwas ganz anderem: dem exakt genauen Einfühlen in Mozarts Charakter und dem der Personen in seinem Umfeld. Durch diesen Film konnte sich erstmals ein Millionenpublikum ein sehr gründliches ,sorgfältiges und auch zutreffendes Bild über den Menschen Mozart machen. Ein Bild, für das ansonsten ein Musikwissenschaftler den gesamten Briefwechsel Mozarts mit seiner Familie hätte lesen müssen.

Makkabäus
29.07.2017, 20:30
Wann kommt bei dir Mussorgsky ?


http://youtu.be/TB6G2UlAC4M

Coriolanus
29.07.2017, 20:32
Beethoven
Beethovens Personalstil ist von der ersten Note an unverwechselbar. Ich erkenne ihn sofort, auch wenn ich das Stück nie zuvor gehört habe. Bei Mozart und Haydn z.B. kann es da durchaus zu Verwechslungen kommen.

Das passiert mir leider nicht gerade selten, daß ich Haydn und Mozart verwechsle, und das, obwohl ich die Werke vorher schon einmal vermeinte gehört zu haben. Wenn ich damit keine Ausnahme bin, stellen sich natürlich Fragen. :D


Vielleicht liegt ein Schlüssel seiner Bedeutung darin, daß er eben nie Kompromisse gemacht hat, daß er nur in sich hinein gehört hat.[...]

Obwohl das grundsätzlich schon so stimmt, erinnere ich mich an ein Beispiel, das drastisch aufzeigt, wie sehr Beethoven unter Konformitätsdruck zu Leiden hatte. Man hat seinen Freigeist nicht gefördert, sondern von ihm Zugeständnissse an den Zeitgeist erwartet. Im Zusammenhang mit op. 133 "Große Fuge" kann man erkennen, daß auch Beethoven irgendwann resignierte, und zumindest dort musste er notgedrungen einen Kompromiß machen, und vertonte dem Auftraggeber einen neuen, "gefälligeren" Schlußsatz.

Was das Finanzielle betrifft, es stimmt, daß er Förderer hatte. Aber ausgesorgt hatte er zu keiner Zeit. Und durch seine politische Haltung hatte er eben auch Feinde. Metternich ging sogar soweit, daß er das Zustandekommen eines Fonds für Beethoven verhinderte, mit der Begründung, daß Beethoven das Geld ja "doch nur verjuxe".

Coriolanus
29.07.2017, 20:39
Es wäre sehr freundlich, wenn Du den Strang nicht durch solche unflätigen Fluchereien entwerten würdest.


https://www.youtube.com/watch?v=C78HBp-Youk


[...]Der Wert des Filmes liegt in etwas ganz anderem: dem exakt genauen Einfühlen in Mozarts Charakter und dem der Personen in seinem Umfeld.

Eben genau das macht er ja nicht, stattdessen wurde eine Legende aufgegriffen, die auf einer fiktionalen Geschichte von Alexander Puschkin basiert. Im Grunde bedient der Film nur Klischees und Stereotypen.

derNeue
29.07.2017, 21:02
Mussorgski

Bei Modest Mussorgski denke ich immer an die "Gruppe der fünf", also an die russischen Komponistenfreunde, zu der auch der Arzt Borodin, C, Cui (der unbekannteste unter ihnen), Balakirew, der revolutionäre Klavierwerke schrieb, und vor allem Rimsky-Korsakow.
Ich mag sie alle, wie ich überhaupt die russische Musik liebe. Gelegentlich verwechsele ich, welches Werk von wem stammt, da sie sich doch sehr ähneln. Im Schostakowitsch-Abschnitt schrieb ich, daß die russische Musik gegenüber der westeuropäischen immer so etwa 50-100 Jahre hinterherhinkt. In der Romantik kann man das auch so sehen, vergleicht man diese Komponisten etwa mit Mahler, Wagner, Strauß etc.
Trotzdem handelt es sich für mich um geniale Musik, einfach schlicht, von einer kindlichen Naivität, und doch genial. Die begabtesten unter ihnen waren meiner Meinung nach R. Korsakow und Mussorgsky. Typisch für ihre Welt ist das Verherrlichen, aber auch ins Klischee gehenden Darstellungen des Fremden, besonders des Orientalischen. Diese fremde Welt wird mit einer kindlichen Naivität, wie aus dem Märchenbuch, musikalisch gemalt. Gleichzeitig aber mit größtem Können und zartesten Klangfarben. So etwa im "Sindbad der Seefahrer"aus der Scheherazade von Korsakow, der "Orientale" von Cesar Cui, oder der viel zu unbekannten Oper "der goldene Hahn" mit herrlichen orientalisch fremd klingenden Molltonleitern.
Die Tendenz, fremde Welten oder auch alte Zeiten klischeehaft mythologisiert dazustellen, ist in der Romantik ja sowieso inhärent, man denke z.B an Brahms "ungarische Raphsodien" oder "Sarasates Zigeunerweisen".
Bei der "Gruppe der Fünf" ist dieser Drang aber besonders stark erkennbar.
Sie beforzugten Charakterstücke und sinf. Dichtungen, also freie Formen, auch Salonstücke wie den "Hummelflug", die aber nicht als oberflächliche "Salonmusik" abgetan werden können, wie das bei vielen anderen Komponisten der Zeit der Fall ist. Von Mussorgsky liebe ich am meisten die "Nacht auf dem kahlen Berge" (als Kind oft gehört), was wohl den Blocksberg darstellen soll. Allerdings hört man sich auch schnell satt, die Themen sind allzu einschmeichelnd, die Ohrwurmgefahr ist zu groß.
Mussorgsky und Korsakow sind für mich wie naive Malerei in Musik umgesetzt.

derNeue
29.07.2017, 21:12
Das passiert mir leider nicht gerade selten, daß ich Haydn und Mozart verwechsle, und das, obwohl ich die Werke vorher schon einmal vermeinte gehört zu haben. Wenn ich damit keine Ausnahme bin, stellen sich natürlich Fragen. :D

Gerade bei den Frühwerken dieser Komponisten könnte das wohl niemand.


Obwohl das grundsätzlich schon so stimmt, erinnere ich mich an ein Beispiel, das drastisch aufzeigt, wie sehr Beethoven unter Konformitätsdruck zu Leiden hatte. Man hat seinen Freigeist nicht gefördert, sondern von ihm Zugeständnissse an den Zeitgeist erwartet. Im Zusammenhang mit op. 133 "Große Fuge" kann man erkennen, daß auch Beethoven irgendwann resignierte, und zumindest dort musste er notgedrungen einen Kompromiß machen, und vertonte dem Auftraggeber einen neuen, "gefälligeren" Schlußsatz.

Was das Finanzielle betrifft, es stimmt, daß er Förderer hatte. Aber ausgesorgt hatte er zu keiner Zeit. Und durch seine politische Haltung hatte er eben auch Feinde. Metternich ging sogar soweit, daß er das Zustandekommen eines Fonds für Beethoven verhinderte, mit der Begründung, daß Beethoven das Geld ja "doch nur verjuxe".

Völlig richtig, aber die späten Streichquartette haben ja alle Zeitgenossen nicht mehr verstanden. Mit oder ohne großer Fuge: der Verleger hat sich wohl nur noch die Haare gerauft.
Beethoven stand allerdings nicht unter einem vergleichbaren Druck wie etwa Mozart. Für Mozart war das eine reine Existenzfrage, Beethoven war durch seine Rente finanziell abgesichert und hatte auch schon massenhaft Einnahmen durch den Druck seine Werke.
Beethoven konnte man auch weniger anhaben: seine Reputation war schon viel zu groß. Tausende begleiteten den Trauerzug bei seinem Tod.

Coriolanus
30.07.2017, 12:32
Möchte jeden einladen, sich mit Mozarts Klavierkonzerten zu beschäftigen, die eine Welt für sich sind. KV 503, C-Dur, gibt sich ganz anders als das im Zeichen des Abschieds und verhaltener Melancholie stehende KV 595 glanzvoll, repräsentativ, auf äußere Wirkung bedacht, die aber immer wieder durch Ausflüge in's Persönliche aufgebrochen wird.


https://www.youtube.com/watch?v=u2HeV28IQNk

Bitte zu beachten, daß wir es bei Mozart niemals mit einem quasi monolithischen Orchesterblock zu tun haben, und der Klang laufend ausdifferenziert und farblich gestuft wird, vor allem durch Holz- und sparsamen Einsatz der Blechbläser, als würde man Licht durch ein Prisma schicken.

In der Kunst, mit sparsamsten orchestralen Mitteln ein Maximum an Klangfarben zu erzeugen, ist Mozart der Meister aller Klassen. Für mich jedenfalls.

Allen, denen Deutschland etwas bedeutet, sollten sich schleunigst um Mozart kümmern. Wie kaum ein Genie sonst gilt er seit Gioacchino Rossinis Bewunderung als Inbegriff dessen, was La Germania an Vollkommenheit hervorbringen kann.

Beim Erbfeind hält man ihn zu meiner großen Genugtuung neben Einstein für den Inbegriff der Genialität, erweitert um so undeutsche Aspekte wie Leichtigkeit und Schönheit.

http://********************/index.php/Thread/1741-F%C3%BCr-Freunde-der-klassischen-Musik/?pageNo=4

Coriolanus
30.07.2017, 13:08
Zehn Minuten, so viel sind es ja gar nicht, sollte jeder übrig haben, um sich von Don Giovanni einen Eindruck zu verschaffen.

Gezeigt wird ein Fest, das es in sich hat: Bei 2:00 hören wir *viva, viva la libertà*. Das muß damals so provozierend gewirkt haben wie heute, wenn auf der Bühne jemand Robert Faurisson und den Revisionismus hochleben ließe.

Für die Wiener Aufführung hat Mozart die Stelle gestrichen!

Im Anschluß folgt eines von Mozarts kompositorischen Kunstücken, drei Tänze gleichzeitig, Menuett, Contredanse und Deutscher, die jeweils unterschiedlichen sozialen Schichten zugeordnet werden.

Alles andere erklären die englischen Untertitel.


https://www.youtube.com/watch?v=dK-HHwVVAB0

*Tutto, tutto già si sa*, alles ist offenkundig! Das könnte man jetzt auf verschiedene Weise auslegen, auch im Hinblick auf Don Giovanni als chronisch geilen Repräsentanten der Eliten mit Neigung zu Vergewaltigung, Totschlag, Sadismus und Pädophilie.


Mann, Mann, Brutus!

Jetzt übertreib mal nicht im Revisions-Wahn. Laß' bitte unsere musikalischen Altvorderen aus Deinem Schema. Vermutlich hast nur etwa übertreiben wollen, gelle?


Es gibt nichts Schöneres, als den deutschen Spießern mithilfe des kulturellen Erbes auf's Brot zu schmieren, wie langweilig, verschnarcht und spießig sie sind. Halten sich für konservativ und haben von der Verrgangenheit keine Ahnung.

Von Übertreibung meinerseits kann kaum die Rede sein, weil es in der anerkannten Literatur einen anderen Freiheitsbegriff als den von mir erwähnten gar nicht gibt, heute so wenig wie im 18. Jahrhundert.

Die Titelfigur aus Mozarts Oper versteht unter Libertà haargenau das Gleiche wie Voltaire, Turgot, Condorcet, Lepeletier de Saint Fargeau, Le Chapelier oder der nachgewiesen pädophil-sadistische Prince de Conti.

Zufall? Glaube ich eher nicht, weil ich nicht zu denen gehöre, die Leute für doof halten, nur weil sie vor 230 Jahren gelebt und einen Zopf getragen haben.

Wäre das *Viva, viva la Libertà* nicht eine neuralgische Stelle, hätte sie Mozart nicht bei der Wiener Uraufführung gestrichen.

Jetzt kann man fragen, wieso er das gemacht hat?

Vermutlich, weil Freiheitsaufrufe niemals besonders gern gesehen und gehört werden.

Aber unabhängig davon, was Mozart zu dieser Kürzung bewogen hat, bleibt festzuhalten, daß die von Don Giovanni geforderte Freiheit haargenau dem entspricht, wofür in Frankreich Revolution gemacht wurde und eine breite Schicht von Intellektuellen Propaganda trieb.

Meine Interpretation hat also den Vorzug, daß sie nahtlos in die Zeit Da Pontes und Mozarts paßt, das Stück aus seiner Zeit heraus zu erklären versucht und nicht aus Sicht des 20. Jahrhunderts und seiner Märchen.

Leider ist den meisten der Vergangenheitsbezug verlorengegangen, so daß sie nur kulinarisch genießend oder romantisch glotzend im Theater sitzen.

Ich dagegen meine, daß viele Werke noch ganz andere, tiefer liegende und äußerst interessante Facetten aufweisen als das, was man in sich hineinschlürfen kann. Das ist auch eine schöne Sache, nur eben ein wenig oberflächlich.

Wer sich damit zufrieden geben will, bitte! Für mich beginnt das Aufregende und Interessante der europäischen Geschichte und Kultur dort, wo die reine Kulinarik aufhört.


http://********************/index.php/Thread/1741-F%C3%BCr-Freunde-der-klassischen-Musik/?pageNo=18

derNeue
31.07.2017, 12:43
Dvorak

Im böhmischen Mühlhausen wird im Jahr 1841 der tschechisch-österreichische Komponist Anton(in) Dvorak geboren. Es ist die Zeit des erwachenden tschechischen Nationalismus. Erstmalig wird in Prag ein vollständig "tschechischer Ball" abgehalten, man pflegt und erinnert sich an die tschechische Sprache, die tschechische Kultur, die tschechischen Märchen und Sagen. Kein Wunder: das 19. Jhrh. war das Zeitalter des Nationalbewußstseins, der "nationalen Schulen" in der Musik. Und die Tschechen hatten einiges nachhzuholen: 200 Jahre in den habsburgischen Vielvölkerstaat gepreßt, zwangskatholisiert, ihre eigene Sprache als "Bauernsprache" vernachlässigt. Landarbeiter, die in Böhmen zur Unterschicht gehörten, ebenso wie die Polen in Oberschlesien. In dieser Atmosphäre wächst der junge Dvorak auf, wird von ihr beeinflußt und bleibt sein Leben lang das, als was er geprägt wurde: ein tschechischer Nationalkomponist. Tief verwurzelt in den Traditionen seiner Heimat ungeachtet anderer, z.B. amerikanischer Einflüsse später. Wer Böhmen kennt, kann sich die Heimatliebe der Bewohner, auch der vertriebenen Sudetendeutschen, gut vorstellen: ein lieblicher Landstrich: hügelig, fruchtbar, grün, mit kleinen Städtchen und Schlössern in jedem zweiten Dorf. Dvorak wächst im Schatten des Schlosses derer von Lobkowitz auf, denen schon Haydn und Beethoven Werke widmeten.
Dvorak sagte über sich selbst: er sei sein Leben lang im Herzen ein einfacher Musikant geblieben, trotz späterem Welterfolg. Das Völkchen, das diesen Landstrich bewohnt, ist auch urmusikalisch und- was ungewöhnlich ist: Volksmusik auf dem Lande ist hier Streichermusik. Blaskapellen und "Musikvereine" auf den Dörfern gibt es überall, aber eine Streichertradition ist eher selten. Böhmen ist auch die Heimat des Geigenbaus: Markneukirchen gegenüber auf der deutschen Seite, ein Geigenbauerdorf wie Mittenwald. Man denke nur an die Bauernhochzeit in der Moldau, die von Geigen gespielt wird. Hier in BW wären das wohl eher Posaunen, Klarinetten etc. gewesen.
So ist es auch sicher kein Zufall, daß Dvoraks Oeuvre sehr "streicherbetont" ist: 9 Sinfonien, Streichquartette, Kl-Trios und die einzigartige, luftig-leicht dahinschwebende Streicherserenade. (Gut: es gibt auch eine Bläserserenade, aber insgesamt ist Dvoraks Schwerpunkt eindeutig). Was eher wenige wissen: er schrieb auch ganze 10 Opern (Rusalka kennen noch viele, aber sonst?)
Bei Dvorak ist nicht alles gleich gut, er war nicht ein "fertiger" Komponist von vornherein. Aber seine besten Werke kommen für mich ganz oben in der Rangliste der romantischen Komponisten. Genauer gesagt: Schumann, Schubert, Brahms und dann kommt für mich schon Dvorak. Vor Tschaikowsky, Wagner, Sibelius, Saint Saens und allen anderen.
Wie kann man seine Musik beschreiben? Sie ist immer geprägt vom Klang seiner Heimat, sie hat eine urwüchsige Kraft und Schwermut, die langsamen Sätze sind rhapsodisch und schwerblütig, weniger tragisch oder oder traurig wie die von Brahms. Dvoraks Musik leuchtet irgendwie von innen (könnte man wiederum über Brahms, seinen Förderer, auch sagen). Eins ist aber klar: sie ist weniger intellektuell, sie kommt aus dem Musikantischen und verleugnet ihre Herkunft nie. Dvorak äußert über Brahm's Atheismus erschüttert: "Der glaubt doch tatsächlich an gar nichts".
Wie immer ist es schwer, Adjektive zu finden, die nicht zu subjektiv-allgemein und daher eigentlich nichtssagend sind. Man muß die Musik eben hören. Es dauert nicht so lange wie etwa bei Schumann, sich ihr zu nähern. Über Smetana würde ich so ziemlich das gleiche sagen, nur mir dem Unterschied, daß es hier nur sehr wenige Werke sind, die mich in gleicher Weise fesseln.

Grundsätzlich: Alle hier geäußerten Meinungen über Komponisten sind rein subjektiv. Sie sind zwar gut begründet und stützen sich auf eine gute Kenntnis und eine lebenslange Beschäftigung mit klassischer Musik. Trotzdem erheben sie weder den Anspruch auf Vollständigkeit, noch auf irgendeine "Wahrheit", was ja sowieso bei Diskussionen über Kunst unsinnig wäre.

kotzfisch
31.07.2017, 17:38
Der größte von allen hätte als Erster genannt werden müssen- es ist BACH.

kotzfisch
31.07.2017, 17:47
Siehe die Komponistensonne von 1799.
Gluck auch ein ganz Großer.

Coriolanus
01.08.2017, 07:26
Richard Strauß

Richard Strauß beschrieb ein befreundeter Musiker mir gegenüber mal so: "Unter Strauß stelle ich mir immer so einen tolpatschigen Bayern vor, der polternd in Lederhosen die Tür hereinkommt".[...]

In der Politikarena hat Brutus, den ich hier bereits zitierte, nicht gerade wenige Beiträge über Richard Strauss verfasst. Ist ein Jammer, daß Du die Klassik-Threads dort nicht verfolgt hast.

Jedenfalls war Strauss alles andere als ein 'tolpatschiger Bayer', und ich persönlich habe mir ihn auch nie so vorgestellt. Wenn ich mich recht entsinne, beschrieb Brutus ihn als außerordentlich elegant und stilsicher, also eher wie man sich einen waschechten Bayer nicht vorstellen würde.

Daß Strauss sich für Juden einsetzte, ist sicher erwähnenswert, gerade weil offiziell heute behauptet wird, über ihm hinge der Schatten des Nationalsozialismus. Das ist völiger Blödsinn, und ich erinnere mich an Worte von Carlos Kleiber, der noch Jahrzehnte später von einem Besuch mit seinem Vater Erich beim alten Strauss schwärmte.

Laut einer anderen Anekdote, wurde Hans Pfitzner bei einem der wenigen Zusammentreffen angeblich von Strauss gefragt, warum er denn komponiere, wenn er sich so schwer tue. Humor hatte Strauss auf jeden Fall. Und ja, dadurch daß er beide Weltkriege, und zuvor noch das Kaiserreich erlebte, fällt sein Wirken in eine der ereignisreichsten Epochen der deutschen Geschichte.

Hans Hotter erzählte mal in einer Fernsehsendung von einem Erlebnis gegen Ende des Kriegs, als Strauss' Oper 'Capriccio' wegen eines alliierten Bombenangriffs unterbrochen werden musste. Strauss selbst sei zu den Musikern auf die Bühne gekommen, und habe gesagt:

*Das ist das Ende der abendländischen Kultur*

Was die Musik betrifft, so halte ich 'Also sprach Zarathrustra' für einen Meilenstein, und zudem ein Werk, das später sehr gerne "zweckentfremdet" wurde, und so große Verbreitung fand.


https://www.youtube.com/watch?v=Szdziw4tI9o

derNeue
01.08.2017, 08:02
In der Politikarena hat Brutus, den ich hier bereits zitierte, nicht gerade wenige Beiträge über Richard Strauss verfasst. Ist ein Jammer, daß Du die Klassik-Threads dort nicht verfolgt hast.

Jedenfalls war Strauss alles andere als ein 'tolpatschiger Bayer', und ich persönlich habe mir ihn auch nie so vorgestellt. Wenn ich mich recht entsinne, beschrieb Brutus ihn als außerordentlich elegant und stilsicher, also eher wie man sich einen waschechten Bayer nicht vorstellen würde.

Daß Strauss sich für Juden einsetzte, ist sicher erwähnenswert, gerade weil offiziell heute behauptet wird, über ihm hinge der Schatten des Nationalsozialismus. Das ist völiger Blödsinn, und ich erinnere mich an Worte von Carlos Kleiber, der noch Jahrzehnte später von einem Besuch mit seinem Vater Erich beim alten Strauss schwärmte.

Laut einer anderen Anekdote, wurde Hans Pfitzner bei einem der wenigen Zusammentreffen angeblich von Strauss gefragt, warum er denn komponiere, wenn er sich so schwer tue. Humor hatte Strauss auf jeden Fall. Und ja, dadurch daß er beide Weltkriege, und zuvor noch das Kaiserreich erlebte, fällt sein Wirken in eine der ereignisreichsten Epochen der deutschen Geschichte.

Hans Hotter erzählte mal in einer Fernsehsendung von einem Erlebnis gegen Ende des Kriegs, als Strauss' Oper 'Capriccio' wegen eines alliierten Bombenangriffs unterbrochen werden musste. Strauss selbst sei zu den Musikern auf die Bühne gekommen, und habe gesagt:

*Das ist das Ende der abendländischen Kultur*

Was die Musik betrifft, so halte ich 'Also sprach Zarathrustra' für einen Meilenstein, und zudem ein Werk, das später sehr gerne "zweckentfremdet" wurde, und so große Verbreitung fand.


https://www.youtube.com/watch?v=Szdziw4tI9o

Ich habe die Beiträge in der Arena größtenteils duchaus verfolgt.
Du mißverstehst hier etwas: in diesem Thread geht es um eine subjektive Beschreibung der Musik eines Komponisten. Das Bild vom polternden Bayern entsteht, wenn man seine Werke hört. Daß Strauß im wirklichen Leben ein weltgewandter Mensch war, ist davon unabhängig. Strauß war gewandt, aber auch sehr von sich eingenommen, für viele Zeitgenossen kam er auch arrogant rüber. So etwa beschreibt ihn der Cellist G. Piatigorsky. Er stellte sich selbst in die Reihe der größten Komponisten und zwar ausdrücklich vor Bruckner und Mahler, die er als Epigonen Beethovens bezeichnete. Das tat er-meiner Ansicht nach- zwar zurecht, aber es zeigt eben auch ein dickes Fell und ein extremes Selbstbewußtsein. Schönbergs Musik bezeichnete er einmal als "Bockmist". Von daher habe ich ihn vom Naturell her mit Prokoview verglichen.
Der Zarathustra ist der "Ohrwurm", aber für mich keineswegs sein wichtigstes Werk.

Grundsätzlich habe ich den Eindruck, daß Du mir mein abschätziges Urteil über Mozart übel nimmst. Das ist ganz unnötig!
Mal davon agesehen, daß Du hier die große Mehrheit der Musiker auf Deiner Seite hast und ich der Außenseiter bin: hier geht es eben nur um subjektive Eindrücke. Über die kann man nie ergebnisorientiert diskutieren wie über wissenschaftliche Fragen. Man kann sie nur gegeneinanderstellen und versuchen, die Sichtweise des anderen nachzuvollziehen.
Die Ebene, auf der man sich dabei austauscht kann laienhaft oder von Fachwissen, Hintergrundwissen und musikalischer Vorbildung geprägt sein. Aber egal, um welche Ebene es geht: bei Urteilen über Kunst und Musik wird es nie ein Ergebnis, ein "richtig oder falsch" geben. Insofern ist das Urteil des Laien auch immer genau soviel wert und genauso berechtigt wie das des "Experten".
Versuche also besser, Deine Sicht auf Mozart, was Dich an seiner Musik fasziniert, zu verbalisieren und gegen meine Sicht zu stellen und nicht einfach nur, Werke zu posten. Dafür wäre ein anderer Klassikstrang besser geeignet.

derNeue
01.08.2017, 08:06
Der größte von allen hätte als Erster genannt werden müssen- es ist BACH.

Bach zu beschreiben wäre schwierig und umfangreich, daher kam er auch nicht als erster. Aber irgendwann werde ich etwas über ihn schreiben.

Coriolanus
01.08.2017, 08:27
Ich habe die Beiträge in der Arena größtenteils duchaus verfolgt.
Du mißverstehst hier etwas: in diesem Thread geht es um eine subjektive Beschreibung der Musik eines Komponisten. Das Bild vom polternden Bayern entsteht, wenn man seine Werke hört.

Die Rede war vom tolpatschigen Bayern, der poltert. ;)

Aber wie auch immer, mein Eindruck von Strauss ist das nicht, auch nicht bei der Alpensinfonie. Vielleicht fehlte mir da aber auch so der Impuls, muss ich mal drauf achten beim Hören.


Grundsätzlich habe ich den Eindruck, daß Du mir mein abschätziges Urteil über Mozart übel nimmst.[...]

Nein, gar nicht. In den meisten Beiträgen bemühte ich mich nur darum, eine weitere Sichtweise, oder zusätzliche Informationen anzugeben. Außer halt in einigen Punkten, in denen ich mich nicht unterstehen konnte, meine Meinung zum Besten zu geben.

Ich werde manche Dinge später sicher noch einmal aufgreifen, auch wenn sie nicht direkt die Musik betreffen. Zum Beispiel die Sache mit Mozart und der Freimaurerei. Ich weiß nicht genau, wie lange er dort mitmischte, aber mir ist bekannt, daß er selbst dann noch Mitglied blieb, als der Staat bereits Listen anfertigte und es offiziell verboten wurde, in einer nicht registrierten Loge Mitglied zu sein. Man hatte dann mehrere Logen in Wien zusammengeschlossen und Mozart blieb aktiv dabei.

derNeue
01.08.2017, 09:49
Die Rede war vom tolpatschigen Bayern, der poltert. ;)

Aber wie auch immer, mein Eindruck von Strauss ist das nicht, auch nicht bei der Alpensinfonie. Vielleicht fehlte mir da aber auch so der Impuls, muss ich mal drauf achten beim Hören.


Vielleicht war es auch etwas unklar von mir formuliert. Das Zitat bezog sich auf ein Bild, das beim Hören der Musik entsteht, nicht auf den realen Strauß. Ich habe mich der Musik immer rein vom Hören her genähert. Das Beschäftigen mit der Biografie kam immer erst später, wenn das Interesse durch das Hören geweckt war. Ich vermute, das ist b ei den meisten so.



Nein, gar nicht. In den meisten Beiträgen bemühte ich mich nur darum, eine weitere Sichtweise, oder zusätzliche Informationen anzugeben. Außer halt in einigen Punkten, in denen ich mich nicht unterstehen konnte, meine Meinung zum Besten zu geben.
Darum geht es doch gerade hier: die eigene Meinung bzw. den eigenen Eindruck zu beschreiben. Wenn etwas, was ich über biografische Einzelheiten schreibe, falsch sein sollte, bin ich natürlich auch da froh über Korrekturen.


Ich werde manche Dinge später sicher noch einmal aufgreifen, auch wenn sie nicht direkt die Musik betreffen. Zum Beispiel die Sache mit Mozart und der Freimaurerei. Ich weiß nicht genau, wie lange er dort mitmischte, aber mir ist bekannt, daß er selbst dann noch Mitglied blieb, als der Staat bereits Listen anfertigte und es offiziell verboten wurde, in einer nicht registrierten Loge Mitglied zu sein. Man hatte dann mehrere Logen in Wien zusammengeschlossen und Mozart blieb aktiv dabei.

Das kann dann aber nicht allzu lange gewesen sein, weil Mozart ja wenige Wochen nach Uraufführung der Zauberflöte starb.

derNeue
01.08.2017, 14:08
Brahms

"Lieben Sie Brahms?" Im gleichnamigen Film mit Ingrid Bergmann spielt diese Frage nur eine Nebenrolle. Und doch ist sie typisch für das lange Zeit vorherrschende Verhältnis des Auslands, vor allem des englischsprachigen Raums, zu diesem Komponisten. Denn es war lange Zeit, z.B. in England, keineswegs klar, Brahms zu lieben. Noch in den 70er Jahren galt dieser Komponist als eher langweilig und weniger bedeutend, wogegen Reger und Pfitzner völlig ignoriert, und Bach gleichwertig neben Händel gestellt wurde. Das hat sich seitdem stark verändert. Die Kraft der Musik selbst ist zu groß als daß man sich ihr entziehen könnte, selbst als nationalstolzer Engländer nicht, die ja oft einen etwas neidischen Blick auf die deutsche Romantik werfen. Heute gilt Brahms auch in England als der, für den er in Deutschland schon immer gehalten wurde: als einer der top Komponisten der Romantik, vielleicht sogar der ersten 3.
Während ein Wagner die Gemüter spaltet, herrscht über Brahms, heute weitgehend Einigkeit. Und es gibt wohl keinen Musiker mehr, der ihn nicht liebt. Brahms setzt die Tradition Schumanns, seines Förderers und Freundes, fort. Jedoch ist seine Musik anders gefärbt; dunkler, kühler wie ein Herbsttag, schwermütig immer aber von einer einzigartigen inneren Schönheit. Etwas "Leichtes" gibt es bei Brahms nicht, selbst wenn es unbeschwert klingen soll, so wird es das nie. Es liegt immer eine Schwermut und ein tiefer Ernst über allem.
Handwerklich ist Brahms ein "perfekter" Komponist. Seine Sinfonik und Orchesterbehandlung ist unangreifbar(im Gegensatz zu der Schumanns, die oft kritisiert wurde), seine Behandlung der klassischen Formen perfekt. Keine nicht enden wollenden Längen oder monothematische Sätze, die man bei Schumann kritisiert hat. Das mag aber auch daran liegen, daß Brahms seine Werke, wie er selber sagte, erst zehnmal gewendet hat, bis er sich zur Veröffentlichung entschlossen hat. Viele Versuche wurden immer wieder vernichtet. So ist seine Werkzahl auch eher klein, aber jedes Stück einzigartig, in sich perfekt, wie ein Monolith in der Musikgeschichte. Z.B. könnte ich mir bei den 4 Sinfonien absolut nicht entscheiden, welcher der Vorzug zu geben sei. Jede steht für sich und ist in sich perfekt. Genau das gleiche gilt für die beiden Klavierkonzerte, die doch so verschieden sind.
Seine gesamte Kammermusik, aber auch seine Lieder sind genial. Obwohl er doch eher kein Liedkomponist war, jedenfalls nicht wie Wolf oder Schumann. Er bevorzugte doch eher das Spiel mit Klangfarben als die reine Melodie. Wo liegt für mich der Unterschied zu Schumann: in Brahm's Musik bleibt doch stets eine gewisse Distanz, soviel persönliche Nähe läßt er nicht zu, eine gewisse norddeutsche Förmlichkeit (vielleicht kann man es sogar Kühle nennen), bleibt immer, was aber den Eindruck in keiner Weise schmälert! Seine Theman haben eine Tiefe, Melancholie und Eindringlichkeit, die man nicht etwa mit der eines Rachmaninow gleichsetzen darf, der nämlich dabei meist etwas schwülstig-glatt bleibt. Brahms dagegen überhaupt nicht, es ist, wie wenn ihm eine Melodie irgendwie von höherer Seite eingegeben wurde. Ich habe auch mal gelesen, daß Brahms seine Einfälle oft in einem Trancezustand bekam. In diesen hat er sich durch geeignete Narkotika angeblich selber versetzt. Solche Experimente haben ja einige gemacht, ich meine mich zu erinnern, auch Thomas Mann. Daß Brahms ein glücklicher Mensch gewesen sei, kann ich mir nicht vorstellen, zu tragisch- melancholisch ist seine gesamte Musik. Auch die äußeren Lebensumstände sprechen dagegen, nicht nur seine unglückliche Liebe zu Klara.
Brahms gehört zu den ganz Großen und er wird, meiner Meinung nach, auch früher oder später Wagner den Rang ablaufen weltweit. Wenn er es nicht schon getan hat.

derNeue
09.08.2017, 15:36
Bach Teil1



Bachs weltweite Wirkung seit seinem Tod im Jahr 1750 ist eine Geschichte der ständigen Steigerung. Diese Steigerung hält bis heute an und noch ist kein Ende abzusehen. Entgegen einiger falscher Vorstellungen war seine Musik nie wirklich in Vergessenheit geraten. Ohne die Bedeutung Mendelssohns als "Wiederverbreiter" schmälern zu wollen: "vergessen" war Bach auch in den Jahrzehnten davor nicht. Mozart äußert sich begeistert, die erste Biografie Forkels entsteht nicht lange nach Bachs Tod in Zusammenarbeit mit dessen Sohn. Aber Bach war aus der Mode: seine Bedeutung im Konzertleben der Klassik war tatsächlich marginal. Im 19. Jahrhundert erscheint dann die erste Gesamtausgabe, ein riesiges Projekt, an dem unzählige Musikwissenschaftler der Zeit beteiligt sind: das BWV entsteht. Hundert Jahre später hat Bach einen festen Platz im Konzertleben erobert,aber seine Stücke werden oft nur in Teilen gespielt, ganze Werke will man dem Zuhörer nicht zumuten. In England wird er erstmalig gleichwertig neben Händel gestellt. Noch 1975 schreibt Leonard Bernstein, daß Bach in Amerika "eher selten" gespielt würde, daß viele ihn "langweilig" fänden (in "Freude an der Musik", Fischer verlag).
Und heute? Bachs Musik überstrahlt alles: er ist vielleicht der meistgespielte, sicher der am meisten bearbeitete und wahrscheinlich der am höchsten geschätzte Komponist aller Zeiten. Bach-Festivals, Bach-Chöre, Bach Vereine entstehen auf der ganzen Welt, in Japan sorgt Suzuki für eine Welle der Begeisterung, in Südamerika, in den USA, besonders auch in den Benelux-Staaten mit einer ganz eigenen, am Originalklang ausgerichteten Bach-Pflege wird seine Musik gefeiert. Im Internet entstehen Foren und Kreise (etwa die "cantata-Website"), wo sich Profis und spezialisierte Laien aus der ganzen Welt über seine Musik austauschen. Als die Amerikaner eine Sonde in den Weltraum schicken, um fremde Zivilisationen auf die Menschheit aufmerksam zu machen, bestücken sie diese mit dem Gesamtwerk des Komponisten aus Eisenach. Bachs Musik wird heute anerkannt als einer der größten Schätze der Menschheit. Wie ist das zu erklären?
Ist es die ungeheure Menge seiner Opuszahlen? Sicher: etwa 1100 Werke, vielleicht noch ein Drittel verschollene dazu: eine gewaltige Leistung. Und doch für die Zeit keineswegs ungewöhnlich. Telemann allein schrieb schon mehr (wir zählen seine Sonaten quasi heute noch). Während Telemann eine unnennbare Zahl von Sonaten und Kammermusik schreibt, Händel eine Oper an die andere reiht, macht es Bach anders: ein schreibt von jedem Typ ein "Set" von Stücken. Das sind gewöhnlich 6 oder 3, symmetrische Zahlen. Oder auch 12, 24, 48, der Zahl der chromatischen Töne entsprechend. Nie ein zufällige, unlogische Zahl, etwa 7. Es gibt z.B.: 6 Brandenburgische Konzerte, 6 Violinsolosonaten und -partiten. 3 Sonaten für Violine und Cembalo, 6 Cellosuiten, 3 Gambensonaten usw. Hier ist eine Tendenz erkennbar: Bach wendet sich einer Form zu, er schafft für diese Form eine Spitze und einen Endpunkt dessen, was innerhalb dieser Form möglich ist. Dann aber wendet er sich etwas anderem zu. Für die Kantaten gilt das sicher nicht, das waren Gelegenheitskompositionen, aber für die meisten anderen Formen schon.
Bach lebte in einer Zeit, in der das musikalische Genie, überhaupt die Vorstellung von Kunst wie wir sie heute verstehen, noch nicht erfunden war. Er verstand sich als Handwerker, sicher mit überdurchschnittlichen Fähigkeiten, aber mehr letztlich nicht ("jeder, der ebenso fleißig ist wie ich, kann das gleiche erreichen"). Für ihn hatte Musik genau 2 Ziele, einen weltliches und ein geistliches: "Erquickung des Geistes" (also Unterhaltung) und: Dienst an Gott. Die Vorstellung, seine eigene Individualität damit auszudrücken,wie spätere Komponisten das taten, wäre ihm fremd gewesen.
Musik und Kunst war damals etwas Überindividuelles: wie ein schön geschnitztes Möbelstück oder ein gemaltes Bild sollte es vor allem seinen Zweck erfüllen: praktischen Nutzen, Erkenntnis sowie Förderung und Festigung des Glaubens.
Sein erklärtes Ziel im kirchlichen Bereich ist die "Regulierung" der Kirchenmusik. Regulierung= Vereinheitlichung. Er wollte etwas dauerhaftes schaffen, einen Fundus an Musikstücken, auf die man zu gottesdienstlichen Zwecken immer und dauerhaft zurückgreifen konnte, der nicht der Mode der Zeit unterworfen war. Dieses Ziel arbeitet Wolf in seiner Biografie "The trained musician" gut und deutlich heraus.
Das ist kein neues Ziel: schon 1000 Jahre früher wurde von Papst Gregor das gleiche versucht und auch Karl der Große ärgerte sich über den unterschiedlichen Klang der Gesänge in den Klöstern seines Riesenreiches. Ein Gott, eine Offenbarung, also auch eine Musik: das war der Gedanke dahinter und so entstand die Notenschrift und der gregorianische Choral. Bach versucht das Gleiche für seine evangelische Kirche.

Was aber ist das Geheimnis von Bachs Musik? Die Faszination, die von ihr ausgeht, kann jeder Konzertbesucher erleben, etwa die absolute Stille vor dem Einsetzen des Schlußchorals in der Johannespassion. Die Wirkung ist unmittelbar und direkt, weshalb man seinen großen geistlichen Vokalwerken ja auch eine missionarische Wirkung zugewiesen hat,ihn gar als "letzten Evangelisten" bezeichnete.
Um das zu verstehen, ist etwas musiktheoretisches Vorwissen vonnöten, denn es lassen sich durchaus einige deutliche Strukturmerkmale ausmachen, die ihn von anderen Zeitgenossen, etwa Händel, unterscheiden.

derNeue
09.08.2017, 15:37
Bach Teil 2

Ich würde da folgende Punkte nennen:

Rhythmik und Metrum:
Bachs Musik kommt viel deutliche und erkennbarer als bei anderen immer vom Tanz, von der Bewegung. Nicht daß er übermäßig viel Synkopen gebrauchen würde (Beispiele dafür gibt sicher es auch), aber er verschiebt die metrischen Schwerpunkte immer wieder, bindet über den ersten Schlag, führt Motive unerwartet rhythmisch weiter. Da könnte ich unzählige Beispiele nennen.
Auf den Zuhörer wirkt diese Rhythmik immer beschwingt, man möchte mittanzen oder-schunkeln, auch bei Sätzen, die gar keine Tanzform haben, etwa Brandenburgische Konzerte 2 und 3. Dieses Lebendige, diese ständige Motorik ist es auch gerade, die Jazzmusiker an Bachs Musik so angezogen und zu Bearbeitungen gereizt hat.

Die Dualität seiner Motive:
Typisch für seine Themen sind ein häufiges Gegeneinanderstellen von oben und unten, ein ständiger Dialog innerhalb einer einzigen Stimme bzw. Instrument. Das schafft "Drive". Ein gutes Beispiel wäre das Anfangsthema vom Brandenburgischen Konzert Nr. 3.

Harmonik
Seine Harmonik ist viel reichhaltiger als die Händels oder Telemanns. Er hat schlicht mehr Akkorde zur Verfügung. Bewegt sich die Harmonik der anderen meist im Bereich der Haupt- und Nebenfunktionen, so reichert Bach jeden dieser Dreiklänge mit einer eigenen, nicht mehr leitereigenen Dominante, an. Erkennbar ist das äußerlich am Vorkommen vieler Vorzeichen, die nicht zur Tonart gehören. Verfolgt man die Entwicklung seiner Choralsätze, kann man die Tendenz zu immer weiter entfernt liegenden Stufen im Lauf seines Lebens gut erkennen, ebenso die Zunahme von Vorhalten, Durchgängen, akkordfremden Tönen überhaupt. Bach hat sich im Laufe seines Lebens ein immer feineres harmonisches Gehör angeeignet und wurde harmonisch wohl der perfekteste Komponist aller Zeiten. Phillipp Emanuel berichtet, daß er beim Hören einer Fuge eines anderen Komponisten bereits den möglichen Kontrapunkt vorsingen konnte, wenn er überhaupt erst das Thema allein gehört hatte. Das erfordert zumindest lebenslange Übung wenn es überhaupt möglich ist.

Der mathematische Bau seiner Werke
Bei Bach ist nie eine Note zuviel oder zuwenig. "Nimmt man eine weg, bricht die ganze Struktur zusammen". Er hat einen einzigartigen Sinn für den Aufbau. Wenn er die erste Note schrieb, mußte er bereits den ganzen Bauplan im Kopf gehabt haben. Wie wenn einer eine Mauer hochzieht und dabei schon eine komplett fertige Kathedrale bis in die letzte Verästelung im Kopf hat. Die Harmonien, die Durchführungen, die Zahl der Noten: alles folgt bis ins letzte einem klaren mathematischen Bauplan, alles ordnet sich ein, nichts ist zufällig. Der Hörer spürt das, wenn er ein Präludium oder eine Toccata hört, auch wenn er es nicht genau beschreiben kann: er spürt die Perfektion oder "innere Logik", wie Einstein das genannt hat.

Bach als Tonmaler
Bach hatte in seinen großen Vokalwerken einen Sinn für Dramatik und Klangfarben, mit dem er 150 Jahre später und mit einem romantischen Orchester an der Hand wohl Richard Wagner übertroffen hätte. Man nehme nur die Engangssätze der Johhannes/Matthäuspassion oder der h-moll-Messe. Die düsteren Sechzehntelbewegungen in den hohen und mittleren Streichern bei der Johannespassion, die so perfekt die Stimmung malen, der ostinate Schreitrhythmus im Baß bei der Matthäuspassion, bei dem man den das Kreuz tragenden Jesus förmlich vor sich sieht, die drei aufsteigenden Rufe der h-moll Messe, die Dreifaltigkeit repräsentierend: all das hat etwas Urdramatisches, wie man es sonst nur in romantischen Opern findet. Jede einzelne Stimme unterstützt die Gesamtaussage, keine ist unwichtig oder "Füllstoff", am allerwenigsten der Basso continuo, der bei Bach eine nie dagewesene Eigenständigkeit erhält. Bach malt ein riesiges Gemälde in Musik, ein Drama, wobei die Instrumente die Farben sind, manchmal aber auch direkt Erscheinungen in der Geschichte selbst darstellen (Kinderchor auf der Empore= Engel, Geigen im Rezitativ = Heiligenschein). Hier kann man tatsächlich sagen: er nimmt die Romantik vorweg und so waren es ja auch gerade diese Werke, die die Romantiker zuerst begeistert haben und über die dann der Weg zur Wertschätzung auch seiner "trockeneren" Werke führte.

Zum Schluß noch meine persönliche Haltung zu Bach: für mich ist er der zentrale Komponist, zu dem ich immer wieder zurückkomme. Mit dem ich am meisten Zeit verbracht, am meisten über ihn gelesen habe. Dessen Musik nie langweilig wird, die aber durchaus oft gehört werden muß. Sie ist kompliziert, geht nicht so gleich ins Ohr, jedoch, je öfter man ein Werk hört, umso mehr entfaltet sich die ganze Schönheit, die ganze Komplexität und die ganze Perfektion. Fachkenntnisse benötigt man dafür keine, sie erschließt sich, wie alle gute Musik, durch das Hören allein. Aber: man muß sich Mühe mit ihr geben, man darf sie nicht nach dem ersten Versuch weglegen, wenn es kompliziert oder verwirrend erscheint. Jedes einzelne Werk will genau kennengelernt werden, deswegen: besser eins immer wieder hören als mehrere nur einmal!
Um Bach reihen sich alle anderen Komponisten herum, er steht in der Mitte. Ohne ihn wäre die abendländische Musik nicht so, wie wir sie heute kennen, kein Brahms, kein Mozart, kein Beethoven, kein Stravinsky, kein Schostakowitsch. Sie haben alle von ihm gelernt und bekennen das auch. Und trotzdem war Bach Autodidakt.

derNeue
09.08.2017, 17:54
Felix Mendelssohn Bartholdy

Mendellsohn ist mir auch einer der liebsten Komponisten des 19. Jahrhunderts. Ich stelle mir immer einen heiteren Menschen auf der Sonnenseite des Lebens vor. Vielleicht irre ich mich da natürlich. Seine Kompositionen klingen für mich aber doch so und auch sein Lebenslauf: aufgewachsen in einem begüterten und intellektuellen Elternhaus, früh die beste Ausbildung erhalten, Bach gehörte in diesem Haus immer dazu. Schon die Großmutter war Kirnberger-Schülerin. Alle spielen Instrumente, machen Hausmusik und komponieren. Ein Wunderkind wie Mozart, später so ziemlich mit jedem befreundet, der in der damaligen Musikwelt Rang und Namen hatte. Ein im Ausland (vor allem England) gefeierter Dirigent und Komponist. Wie anders doch der scheue und zurückgezogene, in sich gekehrte Schumann, den aber Mednelssohn sein Leben lang verteidigt und unterstützt!
Das später aufgekommene Gift des Antisemitismus wird Mendelssohn wohl noch nicht so mitbekommen haben. Ausgrenzung gab es sicher damals auch, aber Wagner hatte sein übles Pamphlet noch nicht geschrieben. Trotzdem ist das Leben der Familie doch von Assimilationsbestrebungen an die christliche Mehrheitsgesellschaft bestimmt. Das merkt man auch an seinen Werken: sie sind abgerundet, oft wurde an ihnen eine klassizistische Glätte kritisiert, wie ich finde, mit Recht. Und doch sind die besten unter ihnen so perfekt, daß sie zu den ganz großen Meisterwerken der Romantik gehören. Schumann nennt seinen Freund den "modernen Mozart": die beiden kann man wirklich gut vergleichen. Seine Stücke gehen gleich ins Ohr, sind schön, filigran, in sich perfekt. Mendelssohn ist wie Mozart ein perfekter Komponist für Klassik-Anfänger. Der Sommernachtstraum, die schottische oder italienische Sinfonie, das prächtige Streichoktett und natürlich das Violinkonzert, das meistgespielte seiner Art und an einschmeichelnden Melodien vielleicht sogar das von Tschaikowsky übertreffend: das ist tatsächlich der romantische Mozart. Die Form ist immer abgerundet, nicht riskant oder gar revolutionär. Dann aber die an Bach orientierten großen Chorwerke, die Oratorien, der schreiende Hirsch, der Elias: das ist nicht der Mendelssohn, der mich vom Hocker reißt. Natürlich ist es verdienstvoll, daß er diese Formen überhaupt in das 19. Jahrhundert rettet, in dem sich ja ansonsten Chormusik mit Orchester mehr oder weniger auf die Oper beschränkte. Aber das Original von Bach ist mir dann doch lieber. Versuche, Bachs Stil in eine andere Zeit zu übertragen, sind eigentlich immer mißlungen, das Ergebnis war fast immer eher langweilig, so z.B. bei Reger. Mendelssohn natürlich schafft schon etwas ganz Eigenes mit dem Elias.
Schade, daß Frauen es damals so schwer hatten. Eine große Begabung war nämlich auch Felix's Schwester Fanny ("Fenchel"). Hätte man damals mehr von ihr in künstlerischer Hinsicht gefordert, bzw. zugelassen, dann hätte sie sicher Clara Schumann was die Kompositionen betrifft, deutlich übertroffen. Und noch etwas wichtiges hat Mendelssohn mit Mozart gemein: beide starben schon mit unter 40 Jahren.

Coriolanus
09.08.2017, 18:40
Um Bach reihen sich alle anderen Komponisten herum, er steht in der Mitte. Ohne ihn wäre die abendländische Musik nicht so, wie wir sie heute kennen, kein Brahms, kein Mozart, kein Beethoven, kein Stravinsky, kein Schostakowitsch. Sie haben alle von ihm gelernt und bekennen das auch. Und trotzdem war Bach Autodidakt.

Bach war ein "Autodidakt", der 400 Kilometer Fußmarsch auf sich nahm, um sein musikalisches Vorbild Dietrich Buxtehude spielen zu hören, von dem vermutet wird, er habe Bach bei dieser Gelegenheit auch unterrichtet.

derNeue
09.08.2017, 20:06
Bach war ein "Autodidakt", der 400 Kilometer Fußmarsch auf sich nahm, um sein musikalisches Vorbild Dietrich Buxtehude spielen zu hören, von dem vermutet wird, er habe Bach bei dieser Gelegenheit auch unterrichtet.

Da war Bach bereits 20 Jahre alt und ein größerer Meister als Buxtehude. Wahrscheinlich hat Buxtehude mehr von ihm gelernt als umgekehrt. Bach als junger Mann war natürlich respektvoll. Übrigens gegenüber Händel viel später auch, obwohl das eigentlich umgekehrt hätte sein müssen.

Coriolanus
09.08.2017, 20:34
Da war Bach bereits 20 Jahre alt und ein größerer Meister als Buxtehude. Wahrscheinlich hat Buxtehude mehr von ihm gelernt als umgekehrt.[...]

Ja, sicher. Und den vierwöchigen Bildungsurlaub, den man Bach zugestanden hatte, verlängerte der nur deshalb eigenmächtig, damit er dem unfähigen Buxtehude in Lübeck ein wenig Nachhilfe geben konnte. :D

derNeue
10.08.2017, 10:55
Ja, sicher. Und den vierwöchigen Bildungsurlaub, den man Bach zugestanden hatte, verlängerte der nur deshalb eigenmächtig, damit er dem unfähigen Buxtehude in Lübeck ein wenig Nachhilfe geben konnte. :D

Vergleiche diese beiden Werke mal aufmerksam und Du hast die Antwort:

https://www.youtube.com/watch?v=t-KnDa0EiI4


https://www.youtube.com/watch?v=xhpnkqsfmTs

Coriolanus
10.08.2017, 23:18
Vergleiche diese beiden Werke mal aufmerksam und Du hast die Antwort:

Die Antwort worauf? Es geht nicht um die Frage, wer der bessere oder talentiertere Musiker war, sondern um die nüchterne Tatsache, daß Bach bereit war, durch halb Deutschland zu wandern, um den Mann, dessen Werke er seit Jahren schätzte und selbst spielte, hören zu können. Ob er letztlich bei Buxtehude Unterricht nahm, oder umgekehrt, ist sowieso ungeklärt, darüber kann nur spekuliert werden.

Davon abgesehen, bin ich nicht der Meinung, daß man Joh. Seb. Bach, bei aller Genialität und seiner göttlichen Veranlagung, als Autodidakten betrachten kann. Zum einen muss man sehen, daß Bach durch seine tragischen Umstände dazu gezwungen war, Leistung zu bringen, dazu verdammt, schon als kleiner Junge Höchstleistungen anzustreben. Das gehört einfach dazu, und die endlose Liste vom sogenannten "Ewigen Talent", sollte aufzeigen, ohne Fleiß kein Preis. Und Bach war extrem fleißig, als Waise wird er wohl immer noch etwas mehr gerechnet, gelesen und geschrieben haben, wie andere Schüler, speziell jene, die behütet aufwuchsen. Jedenfalls wurden Bach die wichtigsten Grundlagen schon in einem Alter vermittelt, indem der Begriff "Autodidakt" ohnehin nicht in den Zusammenhang passt:


Um 1700 ist das Michaeliskloster eine Stiftung geworden, eine Eliteschule für Hochbegabte und Fleißige. Zum Lehrplan gehören nicht nur alte Sprachen, sondern auch Rhetorik, Logik, Philosophie und praktische Lyrik.

https://www.martinschlu.de/kulturgeschichte/barock/spaetbarock/bach/1700.htm

Ansonsten fand ich Deinen Aufsatz über Joh. Seb. Bach sehr lesenswert, wenn ich diesem Punkt widerspreche, sollte das kein Grund zur Verstimmung sein.

derNeue
11.08.2017, 15:02
Die Antwort worauf? Es geht nicht um die Frage, wer der bessere oder talentiertere Musiker war, sondern um die nüchterne Tatsache, daß Bach bereit war, durch halb Deutschland zu wandern, um den Mann, dessen Werke er seit Jahren schätzte und selbst spielte, hören zu können. Ob er letztlich bei Buxtehude Unterricht nahm, oder umgekehrt, ist sowieso ungeklärt, darüber kann nur spekuliert werden.

Davon abgesehen, bin ich nicht der Meinung, daß man Joh. Seb. Bach, bei aller Genialität und seiner göttlichen Veranlagung, als Autodidakten betrachten kann. Zum einen muss man sehen, daß Bach durch seine tragischen Umstände dazu gezwungen war, Leistung zu bringen, dazu verdammt, schon als kleiner Junge Höchstleistungen anzustreben. Das gehört einfach dazu, und die endlose Liste vom sogenannten "Ewigen Talent", sollte aufzeigen, ohne Fleiß kein Preis. Und Bach war extrem fleißig, als Waise wird er wohl immer noch etwas mehr gerechnet, gelesen und geschrieben haben, wie andere Schüler, speziell jene, die behütet aufwuchsen. Jedenfalls wurden Bach die wichtigsten Grundlagen schon in einem Alter vermittelt, indem der Begriff "Autodidakt" ohnehin nicht in den Zusammenhang passt:



Ansonsten fand ich Deinen Aufsatz über Joh. Seb. Bach sehr lesenswert, wenn ich diesem Punkt widerspreche, sollte das kein Grund zur Verstimmung sein.

Ja, das kann man so sehen. Mit Autodidakt meinte ich folgendes: Bach war bereits ein Meister, als er nach Lübeck ging, wie seine bis dahin bereits geschriebenen Kompositionen zeigen. Wo hatte er das alles gelernt? Sicher nur bei seinem Bruder, der ihm aber, soweit wir wissen, keine "Stunden" erteilte. Und in der Schule lernte man keine Komposition oder Harmonielehre. Er wird ihm also wahrscheinlich immer "über die Schulter geschaut haben", sowohl beim Orgeln, wie auch beim Komponieren. Und dann wird Bach auch einfach dadurch viel gelernt haben, indem er die Werke anderer selbst studierte. Denn sicher ist, daß er sie überall sammelte und abschrieb, wo er sie kriegen konnte.
Das ist natürlich ein Unterschied zu einem Händel, der ein wohlhabendes Elternhaus hatte und eine Ausbildung erhielt, also einen regelmäßigen Unterricht, den wiederum der Hezog von Weißenfels finanzierte.
Ob man das nun einen "Autodidakt" nennen kann, kann ja dahingestellt bleiben.

Coriolanus
12.08.2017, 03:43
Deutschen, Verehrte, wird Leichtigkeit nicht leicht; nur selten schlägt einer und der andere von uns, wie Sebastian Bach, geschmackvolle Doppeltriller mit den Füßen auf dem Pedal.

http://gutenberg.spiegel.de/buch/uber-die-deutschen-doppelworter-3213/5

juenger_fan
12.08.2017, 08:27
Mozart

Als ersten habe ich mir Mozart ausgesucht. Aus dem einfachen Grund, weil meine Sichtweise über ihn eine ziemlich krasse Außenseiterposition in der Musikwelt darstellt. Dementsprechend stoße ich auch regelmäßig auf Unverständnis, wenn es um Mozart geht.
Ich halte ihn nämlich für den überschätztesten Komponisten der Geschichte. Gar nicht nur in Bezug auf seine früheren Werke: hier stimmen noch viele zu. Die unzähligen austauschbaren Klaviervariationen, die alle mehr oder weniger klingen wie "Morgen kommt der Weihnachtsmann", die formelhaften Sonaten und Sonatinen, die ihre ewigen Variationen von simpelsten Skalen oder Dreiklängen als "Melodie", als "Thema" verkaufen, die frühen Opern: sie sind es sowieso nicht, die Mozarts einmaligen Ruf begründen. Aber das Klarinettenkonzert, die g-moll Sinfonie, die Zauberflöte, das Requiem etc.: wie steht es damit?
Zweifellos hat Mozart sich in seinen letzten Jahren unsterbliche Melodien einfallen lassen, aber daß es Werke wären, die mir etwa soviel bedeuten, wie Schuberts Spätwerke: nein, das kann ich wirklich nicht behaupten. Es fehlt für mich schlicht die musikalische Tiefe, das persönliche Bekenntnis. Die Zauberflöte etwa hatte in Mozarts eigener Sicht gar nicht den Stellenwert, der ihr später von der Nachwelt gegeben wurde..

Was für ein arrogantes Geschwafel, die Zauberflöte als Kinderoper hinzustellen und über fehlende Tiefe zu blubbern, welche Musik kann eigentlich tiefer gehen, als das Requiem , wenn man die Botschaft der Zauberflöte nicht verstanden hat. Die Zauberflöte ist eine "Freimaurer - Oper" in der Mozarts politische und philosophische Sichtweise einfließt, natürlich in den damaligen feudalen Zeiten als antifeudale demokratische Opposition, verklausuliert. . Und Don Giovanni ist dann wahrscheinlich für dich etwas wie eine Operette.

derNeue
12.08.2017, 08:38
Was für ein arrogantes Geschwafel, die Zauberflöte als Kinderoper hinzustellen und über fehlende Tiefe zu blubbern, welche Musik kann eigentlich tiefer gehen, als das Requiem , wenn man die Botschaft der Zauberflöte nicht verstanden hat. Die Zauberflöte ist eine "Freimaurer - Oper" in der Mozarts politische und philosophische Sichtweise einfließt, natürlich in den damaligen feudalen Zeiten als antifeudale demokratische Opposition, verklausuliert. . Und Don Giovanni ist dann wahrscheinlich für dich etwas wie eine Operette.

Was für ein arroganter Beitrag. Daß Du Dich überhaupt traust, ist allerdings bemerkenswert, und zeigt, wie Arroganz meistens mit Ignoranz einhergeht.
Ließ doch bitter erst mal die einleitenden Worte zum Sinn dieses Stranges.

derNeue
12.08.2017, 09:35
Igor Stravinsky

Stravinsky ist eines der größten musikalischen Genies des vorigen Jahrhunderts. Seine Einzigartigartigkeit liegt vor allem in der Unterschiedlichkeit der Stile, die er im Laufe seines langen Lebens vertreten und praktiziert hat. Oder, wie Picasso das ausdrückte, er "wagt immer wieder einen Salto mortale ins Ungewisse". Aber nicht nur diese Tatsache allein: er schafft es auch in jedem musikalischen Stil hochwertigste Musik beizutragen. Er gründet auch Stilentwicklungen, etwa den musikalischen Expressionismus, als dessen Fanal er den "Sacre" innerhalb "einer Nacht" schreibt.
Man könnte ihn vielleicht mit Ravel vergleichen,nur mit dem Unterschied, das er viel mehr geschrieben hat. Seine frühen Werke, im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts geschrieben,klingen noch stark nach seinem Lehrer Rimsky Korsakow, sie verdienen es aber absolut, häufiger gespielt zu werden. Danach kam der expressionistische Stravinsky mit den Baletten, der neoklassizistische Stravinsky mit der Pucinella, gegen Ende seines Lebens wendet er sich dann sogar noch seriellen Techniken zu. Es lohnt sich, gerade die Spätwerke zu hören, sie "klingen", wo andere serielle Werke mir nichts sagen. Meine Vorliebe zu moderner Musik ging vor allem über 2 Komponisten: Stravinsky und Britten.
Dazwischen gibt es auch noch zahlreiche Werke, die sich nicht einordnen lassen, aber von anderen Vorbildern beeinflußt sind: vom Jazz, von der Folklore und auch von der mittelalterlichen Musik (die "Psalmensinfonie" erinnert etwa an die Carmina Burana, hat nur zusätzlich einen konzertanten Orchestersatz). Im kurzen "Vater unser" ahmt Stravinsky das gregorianische Original nach. Grundsätzlich zeigen seine neoklassizistischen Werke aber auch immer klar ihre Herkunft aus dem 20. Jahrhundert, Stravinsky kopiert nie einen Stil, er schafft immer etwas neues (das haben bedeutende Komponisten immer getan, Hindemith und Prokoview mit ihren neoklassizistischen Werken ebenso).
Über Stravinsky gibt es zahlreiche Anekdoten und nette Geschichten, einige davon stammen von ihm selbst, andere von Musikern, die ihn gekannt haben. Er muß viel Humor und Witz gehabt haben, etwa wenn er feststellt "Tiere und Kinder" verstünden seine Musik am besten.
Für mich ist das besondere an diesem Komponisten seine überschäumende Fantasie, der keine Grenzen gesetzt sind und die ständig nach allen Seiten hin Experimente macht und Neues ausprobiert. Was für ein Unterschied zu Schostakowitsch! Keine Düsternis, kein Leidensdruck, keine bedrückende Atmosphäre, die das ganze Werk Schostakowitsch's bestimmt. Kein Wunder: er verläßt die SU bereits 1920, kurz nach der Revolution und wird im Ausland gefeiert (oder besser: heiß diskutiert, denn man hat ihn mit so ziemlich allen möglichen Adjektiven versehen, nicht immer nur schmeichelhaften).
Wann wird ein Komponist ein "bedeutender Komponist"? Für mich gibt es da ein klares Merkmal: wenn man ihn spielt. Und zwar gerade nicht nur auf Gedenkkonzerten, in großen Reihen, die stellvertretend eine Epoche zeigen wollen oder als Alibi, um einem musikalischen Namen gerecht zu werden. Nein: wenn man ihn im kleinen Rahmen spielt: im Gemeindehaus der Kleinstadt, in der kleinen Konzertreihe auf dem Lande. Einfach um der Musik willen, nicht, um damit irgend etwas zu demonstrieren zu repräsentieren oder eben "in memoriam", weil gerade 150jähriger Geburtstag ist. Dann, wenn man ihn ohne Anlass überall spielt, hat es ein Komponist geschafft und seine Musik ist unsterblich. Für das 20. Jahrhundert trennt sich erst heute in dieser Hinsicht die Spreu vom Weizen. Vor einigen Jahrzehnten großartig gefeiert, heute bereits vergessen: das gibt es oft. Für das 19. Jhrh. ist dieser Prozess bereits abgeschlossen, für das 20. findet er aber noch statt. Für Komponisten vom Range Stravinskys ist diese Frage aber natürlich längst entschieden. Stravinsky ist für mich sozusagen der Picasso der Musik.

juenger_fan
12.08.2017, 11:18
Was für ein arroganter Beitrag. Daß Du Dich überhaupt traust, ist allerdings bemerkenswert, und zeigt, wie Arroganz meistens mit Ignoranz einhergeht.
Ließ doch bitter erst mal die einleitenden Worte zum Sinn dieses Stranges.

Retourkutschen kann jeder, also kein Zeichen von Souveränität und Abgeklärtheit. "Mozarts Musik ist einfach "zu verstehen". Jedes Kind kann sie nachsingen und schön finden. Das liegt an ihrer Struktur, die wiederum ein Abbild des Schönheitsideals zu Mozarts Zeit ist.
Das ästhetische Ideal der Wiener Klassik bzw. der Aufklärung kann man mit ein paar Stichworten beschreiben: Einfachheit, Bescheidenheit, "innere Größe", Allgemeinverständlichkeit, Zeitlosigkeit, Symmetrie. Kleinen Kindern spielt man als erstes die Musik Mozarts oder Haydns vor, nicht die Musik Bachs z.B.

"Mozarts ist also der Komponist "fürs Volk", den auch der ungebildete Klassikhörer gleich versteht, der mit seinen abgerundeten und perfekt ausgewogenen Werken auf den heutigen Menschen eine entspannende und der Hektik der heutigen Zeit gegenüber beruhigende Wirkung ausübt. Sein eigener Ausspruch, Musik müsse immer "schön" sein, ist keineswegs so trivial gemeint, wie er zunächst klingt. Vielmehr fasst er Mozarts ganzes Schönheitsideal und den Zweck seiner Musik perfekt zusammen. Weder vor noch nach seiner Zeit hätte ein Komponist derartiges als Endzweck seines Schaffens definiert.
Aber ist Mozart deswegen auch einer der genialsten Komponisten aller Zeiten, also der, als der er eingeordnet wird?
Für mich persönlich nicht."

Hier fasst du eigentlich recht schön zusammen, was Mozart ausmacht, um im nächsten Moment zu konstatieren, dass geniale Komponisten eben nicht volkstümlich und leicht verständlich sind. Nach wie vor halte ich das übrigens für ein fatales Fehlurteil von dir, jegliche Musik von Mozart als auf einem kindlichen Niveau einzuordnen. Ich nehme an, dass du dann Bachs Notenbüchlein für seine Frau auch unter Weiber- und Kindermusik einordnest. Im Übrigen ist deine eingangs beschriebene elitäre Dikussion, besser Selbstbefriedigung absolut überflüssig und langweilig.

derNeue
12.08.2017, 15:57
Retourkutschen kann jeder, also kein Zeichen von Souveränität und Abgeklärtheit. "Mozarts Musik ist einfach "zu verstehen". Jedes Kind kann sie nachsingen und schön finden. Das liegt an ihrer Struktur, die wiederum ein Abbild des Schönheitsideals zu Mozarts Zeit ist.
Das ästhetische Ideal der Wiener Klassik bzw. der Aufklärung kann man mit ein paar Stichworten beschreiben: Einfachheit, Bescheidenheit, "innere Größe", Allgemeinverständlichkeit, Zeitlosigkeit, Symmetrie. Kleinen Kindern spielt man als erstes die Musik Mozarts oder Haydns vor, nicht die Musik Bachs z.B.

"Mozarts ist also der Komponist "fürs Volk", den auch der ungebildete Klassikhörer gleich versteht, der mit seinen abgerundeten und perfekt ausgewogenen Werken auf den heutigen Menschen eine entspannende und der Hektik der heutigen Zeit gegenüber beruhigende Wirkung ausübt. Sein eigener Ausspruch, Musik müsse immer "schön" sein, ist keineswegs so trivial gemeint, wie er zunächst klingt. Vielmehr fasst er Mozarts ganzes Schönheitsideal und den Zweck seiner Musik perfekt zusammen. Weder vor noch nach seiner Zeit hätte ein Komponist derartiges als Endzweck seines Schaffens definiert.
Aber ist Mozart deswegen auch einer der genialsten Komponisten aller Zeiten, also der, als der er eingeordnet wird?
Für mich persönlich nicht."

Hier fasst du eigentlich recht schön zusammen, was Mozart ausmacht, um im nächsten Moment zu konstatieren, dass geniale Komponisten eben nicht volkstümlich und leicht verständlich sind. Nach wie vor halte ich das übrigens für ein fatales Fehlurteil von dir, jegliche Musik von Mozart als auf einem kindlichen Niveau einzuordnen. Ich nehme an, dass du dann Bachs Notenbüchlein für seine Frau auch unter Weiber- und Kindermusik einordnest. Im Übrigen ist deine eingangs beschriebene elitäre Dikussion, besser Selbstbefriedigung absolut überflüssig und langweilig.




Zunächst einmal bitte ich Dich, die Zitatfunktion zu benützen, der Übersichtlichkeit halber. Ich hoffe, Du weißt, wie das geht.
Desweiteren wäre es freundlich, wenn Du einfach mal genau zu lesen und zu verstehen könntest, was ich schreibe. Denn nichts von dem, was Du da unterstellst, habe ich geschrieben, noch gemeint.
Ich schrieb: Das Ideal der Klassik war Bescheidenheit,Einfachheit, oder, wie es z,B, Goethe sagt: "innere Größe". D.h. nicht, daß Mozarts Musik Kindermusik sei, sondern es heißt, daß Kinder sie innerhalb der Klassik am leichtesten hören können. Das war aber nicht die Absicht Mozarts, sondern es entsprach dem klassischen Schönheitsideal.
Im übrigen habe ich auch nicht behauptet, daß Musik, die im volkstümlichen Sinn "einfach zu verstehen" ist, deswegen weniger gute Musik sei, das wäre eine ziemlich dämliche Behauptung.

Ansonsten rate ich Dir, Dich von diesem Strang einfach fern zu halten. Es wäre kein Verlust.

juenger_fan
12.08.2017, 16:47
Zunächst einmal bitte ich Dich, die Zitatfunktion zu benützen, der Übersichtlichkeit halber. Ich hoffe, Du weißt, wie das geht.
Desweiteren wäre es freundlich, wenn Du einfach mal genau zu lesen und zu verstehen könntest, was ich schreibe. Denn nichts von dem, was Du da unterstellst, habe ich geschrieben, noch gemeint.
Ich schrieb: Das Ideal der Klassik war Bescheidenheit,Einfachheit, oder, wie es z,B, Goethe sagt: "innere Größe". D.h. nicht, daß Mozarts Musik Kindermusik sei, sondern es heißt, daß Kinder sie innerhalb der Klassik am leichtesten hören können. Das war aber nicht die Absicht Mozarts, sondern es entsprach dem klassischen Schönheitsideal.
Im übrigen habe ich auch nicht behauptet, daß Musik, die im volkstümlichen Sinn "einfach zu verstehen" ist, deswegen weniger gute Musik sei, das wäre eine ziemlich dämliche Behauptung.

Ansonsten rate ich Dir, Dich von diesem Strang einfach fern zu halten. Es wäre kein Verlust.


Wie sagt der Volksmund, "Hochmut kommt vor den Fall." oder "Dummheit und Stolz(elitäre Arroganz) wachsen auf einem Holz. Du meinst, es sei wichtig unter den großen Komponisten ein Ranking einzuführen, ohne allerdings Qualitätsmerkmale zu bezeichnen. Wie auch, es wäre unsinnig, Mozart mit Bach und Bach mit Strawinsky hinsichtlich der Qualität zu vergleichen, bleibt also als Kriterium nur dein persönlicher Geschmack. Wen interessiert der in einem politischen Forum. Politischer wäre schon, wenn du etwas über Teodor Currentzis & MusicAeterna im Permafrost in Perm schreiben würdest, der ausgerechnet in dem "Reich des Bösen" klassische Musik, besonders auch Mozart zu wirklich neuem Leben erweckt.

John Donne
12.08.2017, 18:38
[...]
Zum Schluß noch meine persönliche Haltung zu Bach: für mich ist er der zentrale Komponist, zu dem ich immer wieder zurückkomme. Mit dem ich am meisten Zeit verbracht, am meisten über ihn gelesen habe. Dessen Musik nie langweilig wird, die aber durchaus oft gehört werden muß.
[...]


Geht mir ebenso.
Und sehr treffend formuliert, danke!

derNeue
12.08.2017, 19:34
Wie sagt der Volksmund, "Hochmut kommt vor den Fall." oder "Dummheit und Stolz(elitäre Arroganz) wachsen auf einem Holz. Du meinst, es sei wichtig unter den großen Komponisten ein Ranking einzuführen, ohne allerdings Qualitätsmerkmale zu bezeichnen. Wie auch, es wäre unsinnig, Mozart mit Bach und Bach mit Strawinsky hinsichtlich der Qualität zu vergleichen, bleibt also als Kriterium nur dein persönlicher Geschmack. Wen interessiert der in einem politischen Forum. Politischer wäre schon, wenn du etwas über Teodor Currentzis & MusicAeterna im Permafrost in Perm schreiben würdest, der ausgerechnet in dem "Reich des Bösen" klassische Musik, besonders auch Mozart zu wirklich neuem Leben erweckt.

Wenn es Dich nicht interessiert, halt Dich raus. Mir völlig schnurz. Im übrigen hast Du den Sinn des Stranges immer noch nicht verstanden. Hier geht es gerade um persönlichen Geschmack und sonst um nichts. Natürlich versuche ich Gründe zu finden, warum mir der eine wichtiger ist als der andere. Aber diese Gründe erheben nicht den geringsten Anspruch auf irgendeine Objektivität. Ich versuche nur, etwas zu verbalisieren, was in mir drin ist. Nicht, damit Du oder irgendwer das liest, das ist mir in diesem Fall egal. Stelle also Dein eigenes Empfinden dagegen, widerspreche oder stimme zu, wie John Donne das gerade getan hat. Aber rede nicht irgend ein dummes Zeug daher, nur weil Du nicht genau gelesen hast, worum es hier überhaupt geht.

juenger_fan
12.08.2017, 21:01
Wenn es Dich nicht interessiert, halt Dich raus. Mir völlig schnurz. Im übrigen hast Du den Sinn des Stranges immer noch nicht verstanden. Hier geht es gerade um persönlichen Geschmack und sonst um nichts. Natürlich versuche ich Gründe zu finden, warum mir der eine wichtiger ist als der andere. Aber diese Gründe erheben nicht den geringsten Anspruch auf irgendeine Objektivität. Ich versuche nur, etwas zu verbalisieren, was in mir drin ist. Nicht, damit Du oder irgendwer das liest, das ist mir in diesem Fall egal. Stelle also Dein eigenes Empfinden dagegen, widerspreche oder stimme zu, wie John Donne das gerade getan hat. Aber rede nicht irgend ein dummes Zeug daher, nur weil Du nicht genau gelesen hast, worum es hier überhaupt geht.Hier geht es um die Empfindungen eines unreifen Spätpubertierenden, dazu habe ich dezidiert Stellung bezogen. Warum erzählst du deine geistigen Blähungen nicht einfach deiner Mutti oder einem Therapeuten?

hic
12.08.2017, 21:06
Wann kommt eigentlich ein Beitrag zu Pachelbel?

Valdyn
12.08.2017, 21:36
Hier geht es um die Empfindungen eines unreifen Spätpubertierenden, dazu habe ich dezidiert Stellung bezogen.

Und deine Stellungnahme war ebenfalls nur deine persönliche Empfindung die hier sehr wahrscheinlich niemanden überhaupt gar nicht interessiert.

juenger_fan
12.08.2017, 21:53
Und deine Stellungnahme war ebenfalls nur deine persönliche Empfindung die hier sehr wahrscheinlich niemanden überhaupt gar nicht interessiert.

Nicht nur.

derNeue
13.08.2017, 15:32
Wann kommt eigentlich ein Beitrag zu Pachelbel?

Über Pachelbel kann ich nichts schreiben, ich kenne ihn zu wenig. Im Barock hatten die Komponisten noch keinen so ausgeprägten Personalstil, abgesehen von den großen Genies unter ihnen. Von daher ist für mich Pachelbel ein Barockkomponist wie viele andere auch. Aber es gibt natürlich auch Experten für diese Zeit. Vielleicht kann ein anderer User da mal etwas beitragen.

latrop
13.08.2017, 20:38
Ich stehe auf Bach und Widor

Wurstsemmel
13.08.2017, 20:42
In diesem Strang möchte ich in unregelmäßigen Abständen meine ganz persönliche Sicht auf die sogenannten "großen Komponisten" äußern. Ohne Fachausdrücke, ohne die professionelle Sicht eines Musikwissenschaftlers (der ich nicht bin)und mit dem Bekenntnis zur ganz subjektiven Stellungnahme und zum -ebenso subjektiven- Werturteil.
Natürlich ist jeder eingeladen, darüber zu diskutieren bzw. seine eigene persönliche Sichtweise dagegen zu stellen, eine Diskussion zu beginnen. Die Beiträge können aber auch unkommentiert bleiben und einfach in den Raum gestellt werden. Musikalische Fachkenntnisse sollen nicht erforderlich sein.

Mozart

Als ersten habe ich mir Mozart ausgesucht. Aus dem einfachen Grund, weil meine Sichtweise über ihn eine ziemlich krasse Außenseiterposition in der Musikwelt darstellt. Dementsprechend stoße ich auch regelmäßig auf Unverständnis, wenn es um Mozart geht.
Ich halte ihn nämlich für den überschätztesten Komponisten der Geschichte. Gar nicht nur in Bezug auf seine früheren Werke: hier stimmen noch viele zu. Die unzähligen austauschbaren Klaviervariationen, die alle mehr oder weniger klingen wie "Morgen kommt der Weihnachtsmann", die formelhaften Sonaten und Sonatinen, die ihre ewigen Variationen von simpelsten Skalen oder Dreiklängen als "Melodie", als "Thema" verkaufen, die frühen Opern: sie sind es sowieso nicht, die Mozarts einmaligen Ruf begründen. Aber das Klarinettenkonzert, die g-moll Sinfonie, die Zauberflöte, das Requiem etc.: wie steht es damit?
Zweifellos hat Mozart sich in seinen letzten Jahren unsterbliche Melodien einfallen lassen, aber daß es Werke wären, die mir etwa soviel bedeuten, wie Schuberts Spätwerke: nein, das kann ich wirklich nicht behaupten. Es fehlt für mich schlicht die musikalische Tiefe, das persönliche Bekenntnis. Die Zauberflöte etwa hatte in Mozarts eigener Sicht gar nicht den Stellenwert, der ihr später von der Nachwelt gegeben wurde. Ein paar eingängige Melodien fürs Volk und Volkstheater, klar abgrenzbare "Nummern", Gassenhauer: mehr war dieses "Singspiel" (Eigenzitat) für Mozart nicht. So etwa in der Intention, wie Bach seine Bauernkantate geschrieben hat.
Interessant ist daher für mich eher die Frage: Warum gilt Mozart als einer der größten Komponisten und warum hat er diese riesige Popularität bis heute? Einen Teil dazu hat sicher der in den 80ern erschienene Amadeusfilm beigetragen, der tatsächlich ein Meisterwerk ist. Aber natürlich hatte seine Musik diese ungeheure Wertschätzung auch schon vorher.
Der Grund ist für mich in erster Linie ein anderer:
Mozarts Musik ist einfach "zu verstehen". Jedes Kind kann sie nachsingen und schön finden. Das liegt an ihrer Struktur, die wiederum ein Abbild des Schönheitsideals zu Mozarts Zeit ist.
Das ästhetische Ideal der Wiener Klassik bzw. der Aufklärung kann man mit ein paar Stichworten beschreiben: Einfachheit, Bescheidenheit, "innere Größe", Allgemeinverständlichkeit, Zeitlosigkeit, Symmetrie. Kleinen Kindern spielt man als erstes die Musik Mozarts oder Haydns vor, nicht die Musik Bachs z.B.
Mozarts ist also der Komponist "fürs Volk", den auch der ungebildete Klassikhörer gleich versteht, der mit seinen abgerundeten und perfekt ausgewogenen Werken auf den heutigen Menschen eine entspannende und der Hektik der heutigen Zeit gegenüber beruhigende Wirkung ausübt. Sein eigener Ausspruch, Musik müsse immer "schön" sein, ist keineswegs so trivial gemeint, wie er zunächst klingt. Vielmehr fasst er Mozarts ganzes Schönheitsideal und den Zweck seiner Musik perfekt zusammen. Weder vor noch nach seiner Zeit hätte ein Komponist derartiges als Endzweck seines Schaffens definiert.
Aber ist Mozart deswegen auch einer der genialsten Komponisten aller Zeiten, also der, als der er eingeordnet wird?
Für mich persönlich nicht.

Das ist aber doch keine neue Erkentniss und auch keine Meinung die dich zum Aussenseiter macht.
Mozart war so etwas wie der erste Popmusiker.
Allerdings ist es schon eine Leistung Melodien zu erschaffen die dem "gemeinen" Volk offensichtlich direkt ins Ohr gehen.
ABBA und die Beatles haben im Prinzip nix anderes gemacht.

Coriolanus
13.08.2017, 21:34
[...]
Mozart war so etwas wie der erste Popmusiker.[...]

Du hast gewaltig einen an der Rüstung und machst Dir keine Vorstellung worüber du redest.


Sicher wissen wir heute nur, dass Mozart sehr früh begonnen hat zu musizieren, und wir wissen: Wenn Kinder etwas intensiv üben, zeigen sie erstaunliche Leistungen. Spielt ein Kind früh Schach, wird es mit Sicherheit Schachexperte. Kinder können ein Expertentum entwickeln, das Erwachsenen wie ein Wunder erscheint.

Und deshalb sprach man bei Mozart auch von einem Wunderkind, auf seine Fähigkeiten bezogen. Das hat mit "Popmusiker" nichts zu tun.


Allerdings ist es schon eine Leistung Melodien zu erschaffen die dem "gemeinen" Volk offensichtlich direkt ins Ohr gehen.
ABBA und die Beatles haben im Prinzip nix anderes gemacht.


Doch, vor allem haben sich diese Gruppen auf Popmusik beschränkt, während Mozart Sonaten, Sinfonien, Kammermusik, Opern und geistliche Werke vertonte, und dabei gewiss nicht nur darauf bedacht war, das gemeine Volk zu befriedigen.

derNeue
14.08.2017, 09:26
Das ist aber doch keine neue Erkentniss und auch keine Meinung die dich zum Aussenseiter macht.
Mozart war so etwas wie der erste Popmusiker.
Allerdings ist es schon eine Leistung Melodien zu erschaffen die dem "gemeinen" Volk offensichtlich direkt ins Ohr gehen.
ABBA und die Beatles haben im Prinzip nix anderes gemacht.

Aber Mozart gilt natürlich weltweit als eines der ganz großen Musikgenies aller Zeiten. Auch Musiker, die ich persönlich kenne und die viel mehr darüber wissen wie ich, sehen das so. Viele stellen ihn an die erste Stelle überhaupt. Daß er perfekte eingängige Melodien geschrieben hat und einen perfekten Sinn für die abgerundete Form der Melodie hatte, empfinde ich auch so. Von daher würde ich auch nicht mit Beatles oder Abba vergleichen, da liegen Welten dazwischen.
Ich schätze Mozarts Spätwerk durchaus,aber eben doch längst nicht so wie das Spätwerks Schuberts, das mich irgendwie innerlich ergreift. Falls Du Dich auskennst: das Spätwerk Mozarts steht für mich ungefähr auf einer Stufe wie das Frühwerk Schuberts.
Mit meiner Sicht auf Mozart ecke ich ziemlich regelmäßig bei anderen Musikern an, auch weil ich ihn nie so gerne gespielt habe. Das ist für mich deswegen ein interessantes Phänomen, weil mein Geschmack ansonsten, also was praktisch alle anderen Komponisten betrifft, ziemlich genau mit dem Mainstream übereinstimmt, nur eben bei Mozart nicht. Ich gehöre also nicht zu denjenigen Musikliebhabern, die irgendeinen vergleichsweise unbekannteren Komponisten, etwa Korngold, über alles stellen und alle anderen, inkl. Bach, für weniger wichtig halten. Solche gibt es auch recht viele, aber ich bin im Großen und Ganzen ein musikalischer Mainstreamkonsument.

Wurstsemmel
14.08.2017, 10:55
Das mit dem "ersten Popmusiker" und den "eingängigen Melodien fürs Volk" sowie der Vergleich mit ABBA und den Beatles stammt nicht von mir,sondern habe ich im Laufe der letzten 2-3 Jahrzehnte mehrfach aufgeschnappt bzw gelesen und gehört.
Ich selber möchte und kann mir dahigehend gar kein Urteil bilden,da ich mich a) in klassischer Musik überhaupt nicht auskenne ,b) selber unmusikalisch bin und c) weder Mozart,noch die Beatles oder ABBA zu meinen Favoriten gehören.
Allerdings halte ich es für eine aussergewöhliche Gabe in einer Kontuität den Geschmack der Massen zu treffen wie es Mozart,ABBA und die Beatles getan haben.
Das die Beurteilung von Musik auch immer etwas mit dem persönlichen Geschmack zu tun hat liegt sowohl in der Natur der Sache,als auch in der des Menschen.

Myschkin
14.08.2017, 12:25
Wie mein Name schon sagt, bin ich ein Idiot, aber für ein bisschen googeln reichts noch.

Brahms soll folgendes gemeint haben: "Jede Nummer in Mozarts ›Figaro‹ ist für mich ein Wunder; es ist mir absolut unverständlich, wie jemand etwas so Vollkommenes schaffen kann."

Schopenhauer
17.08.2017, 11:57
Wie mein Name schon sagt, bin ich ein Idiot, aber für ein bisschen googeln reichts noch.

Brahms soll folgendes gemeint haben: "Jede Nummer in Mozarts ›Figaro‹ ist für mich ein Wunder; es ist mir absolut unverständlich, wie jemand etwas so Vollkommenes schaffen kann."

Myschkin war kein Idiot. :)

Coriolanus
17.08.2017, 17:19
Wie mein Name schon sagt, bin ich ein Idiot, aber für ein bisschen googeln reichts noch.

Brahms soll folgendes gemeint haben: "Jede Nummer in Mozarts ›Figaro‹ ist für mich ein Wunder; es ist mir absolut unverständlich, wie jemand etwas so Vollkommenes schaffen kann." Das ist ja ganz meine Rede, wer Mozart bewerten will, muß die Opern berücksichtigen. Wer da noch zum Schluß kommt, es sei leichtgestrickt, unpersönlich und nur affektiv, hat Mozart ganz einfach nicht verstehen können.

Coriolanus
17.08.2017, 17:33
[...]
Allerdings halte ich es für eine aussergewöhliche Gabe in einer Kontuität den Geschmack der Massen zu treffen wie es Mozart,ABBA und die Beatles getan haben.
Das die Beurteilung von Musik auch immer etwas mit dem persönlichen Geschmack zu tun hat liegt sowohl in der Natur der Sache,als auch in der des Menschen.[...]

Verzeih meinen Verweis von neulich, aber selbst hier täuschst Du Dich. Als die Beatles in Amerika auf einer Pressekonferenz gefragt wurden, was ihren Erfolg ausmache, gaben sie zur Antwort:


„Wir haben keine Ahnung. Wenn wir es wüssten, würden wir vier langhaarige Jungs suchen und sie managen.“

Was den Manager der Beatles wiederrum betrifft, lässt sich insofern gar nichts schlechtes sagen, als daß er es zu Wege brachte, in Zeiten wo Radio und TV auf dem Vormarsch waren, überall seine erste 'Boygroup' - ein sinnloser Begriff, da "Boysgroup" - so 'promotet' hat, daß alle Sendestationen im Westen die Beatles gespielt haben.

Mozart hatte in dem Alter, indem die Beatles als attraktive Jungmänner auf die kreischenden und notgeilen Westweiber losgelassen wurden, bereits ein Werk und Schaffen vorzuweisen, an dessen Kunstfertigkeit weder ein Paul Mccartney, noch ein John Lennon mit ihrem seichten 'Pop' je herangereicht hätten.

Myschkin
17.08.2017, 17:40
Das ist ja ganz meine Rede, wer Mozart bewerten will, muß die Opern berücksichtigen. Wer da noch zum Schluß kommt, es sei leichtgestrickt, unpersönlich und nur affektiv, hat Mozart ganz einfach nicht verstehen können.Gelegentlich liest und hört man, das Zeug von Mozart soll grausam schwer sein, was nicht ganz zur Feststellung der Seichtigkeit passt. Trotzdem stört es mich in keiner Weise, wenn jemand sagt, "was dieser Typ zusammenkomponiert hat, ist einfach nur trivialer Mist". Ich muss mir das ja nicht zueigen machen, von daher lege ich das unter Meinungsfreiheit ab.

Coriolanus
17.08.2017, 17:54
Gelegentlich liest und hört man, das Zeug von Mozart soll grausam schwer sein, was nicht ganz zur Feststellung der Seichtigkeit passt. Trotzdem stört es mich in keiner Weise, wenn jemand sagt, "was dieser Typ zusammenkomponiert hat, ist einfach nur trivialer Mist". Ich muss mir das ja nicht zueigen machen, von daher lege ich das unter Meinungsfreiheit ab.

Ich streite gar nicht ab, daß Musik Geschmackssache ist, man sollte die Dinge aber unter dem richtigen Blickwinkel betrachten. Diese unnötige Kulturgleichmacherei, wo selbst ein Mann wie Gustavo Dudamel urteilt, Rock, Pop und Klassik seien gleichwertig, stößt mir sauer auf.

Daraus entstehen dann solche Mißverständnisse, bei denen sich Mozart auf das Niveau der Beatles, ABBA's und, wenn wir bei Rock und Pop bleiben, eines abartigen Komponisten wie Dieter Bohlen begeben muß.

Wurstsemmel
18.08.2017, 20:54
Verzeih meinen Verweis von neulich, aber selbst hier täuschst Du Dich. Als die Beatles in Amerika auf einer Pressekonferenz gefragt wurden, was ihren Erfolg ausmache, gaben sie zur Antwort:



Was den Manager der Beatles wiederrum betrifft, lässt sich insofern gar nichts schlechtes sagen, als daß er es zu Wege brachte, in Zeiten wo Radio und TV auf dem Vormarsch waren, überall seine erste 'Boygroup' - ein sinnloser Begriff, da "Boysgroup" - so 'promotet' hat, daß alle Sendestationen im Westen die Beatles gespielt haben.

Mozart hatte in dem Alter, indem die Beatles als attraktive Jungmänner auf die kreischenden und notgeilen Westweiber losgelassen wurden, bereits ein Werk und Schaffen vorzuweisen, an dessen Kunstfertigkeit weder ein Paul Mccartney, noch ein John Lennon mit ihrem seichten 'Pop' je herangereicht hätten.

Ändert das etwas daran das die Beatles Melodien für Millionen erschaffen haben.....??
Ich kann bei deinen Ausführungen keinen Widerspruch zu meiner Aussage erkennen.

derNeue
22.08.2017, 08:32
Gelegentlich liest und hört man, das Zeug von Mozart soll grausam schwer sein, was nicht ganz zur Feststellung der Seichtigkeit passt. .

Das ist richtig. Für den Profimusiker ist Mozart tatsächlich einer der "schwersten" Komponisten. Nicht, wenn Hobbymusiker ihn musizieren, dann ist er wieder "einfach".
Aber wenn Du ihn auf einem hohen Niveau musizieren willst, ist er schwer, eben weil seine Musik so "einfach" ist. Klingt wie ein Widerspruch, der Grund ist aber: Mozarts Musik ist glasklar strukturiert, Du hörst jede Note in jeder Stimme. Immer. Bei Beethoven ist das längst nicht so der Fall und auch bei Haydn nicht. Wenn Dir in einer romantischen Sonate oder in einem Konzert etwas nicht perfekt gelingt, hört das normalerweise kein Mensch. Am allerwenigsten beim Klavier.
Bei Mozart hörst Du immer jedes Detail. Deswegen haben Pianisten, die Klavierabende geben, regelmäßig die größte Angst vor der "einfachen" Mozartsonate, die ja dazu noch meist am Anfang gespielt wird. Das virtuose Zeug später, sei es sogar die Liszt h-moll Sonate, macht ihnen weniger Sorgen.
Mozart ist eben "leicht" zu spielen, aber unendlich schwer, perfekt auszuführen.

Schopenhauer
22.08.2017, 08:36
Das ist richtig. Für den Profimusiker ist Mozart tatsächlich einer der "schwersten" Komponisten. Nicht, wenn Hobbymusiker ihn musizieren, dann ist er wieder "einfach".
Aber wenn Du ihn auf einem hohen Niveau musizieren willst, ist er schwer, eben weil seine Musik so "einfach" ist. Klingt wie ein Widerspruch, der Grund ist aber: Mozarts Musik ist glasklar strukturiert, Du hörst jede Note in jeder Stimme. Immer. Bei Beethoven ist das längst nicht so der Fall und auch bei Haydn nicht. Wenn Dir in einer romantischen Sonate oder in einem Konzert etwas nicht perfekt gelingt, hört das normalerweise kein Mensch. Am allerwenigsten beim Klavier.
Bei Mozart hörst Du immer jedes Detail. Deswegen haben Pianisten, die Klavierabende geben, regelmäßig die größte Angst vor der "einfachen" Mozartsonate, die ja dazu noch meist am Anfang gespielt wird. Das virtuose Zeug später, sei es sogar die Liszt h-moll Sonate, macht ihnen weniger Sorgen.
Mozart ist eben "leicht" zu spielen, aber unendlich schwer, perfekt auszuführen.

Alles wirklich Große ist ganz einfach. Hört sich auch widersprüchlich an. Ist es aber nicht, weil genau das nicht jeder versteht. :)

derNeue
22.08.2017, 08:43
Ich streite gar nicht ab, daß Musik Geschmackssache ist, man sollte die Dinge aber unter dem richtigen Blickwinkel betrachten. Diese unnötige Kulturgleichmacherei, wo selbst ein Mann wie Gustavo Dudamel urteilt, Rock, Pop und Klassik seien gleichwertig, stößt mir sauer auf.



Sehe ich genau so. Klassik ist ein großer kultureller Schatz und mit das beste, was die Menschheit hervorgebracht hat. U-Musik ist im Großen und Ganzen seichte Unterhaltung, die herzustellen viel weniger erfordert. Richtig ist aber immerhin, daß die Grenzen zwischen beiden Genres verschwimmen. Es gibt auch U-Musik, die einen hohen künstlerischen Anspruch hat und es gibt auch unendlich viel schlechte Klassik.
Aber insgesamt gesehen hast Du auf jeden Fall recht.

derNeue
22.08.2017, 08:44
Alles wirklich Große ist ganz einfach. Hört sich auch widersprüchlich an. Ist es aber nicht, weil genau das nicht jeder versteht. :)

Aber wenn alles Große einfach wäre, was ist dann mit Bach? Der ist mit Sicherheit nicht "einfach", sondern kompliziert!

Schopenhauer
22.08.2017, 08:50
Aber wenn alles Große einfach wäre, was ist dann mit Bach? Der ist mit Sicherheit nicht "einfach", sondern kompliziert!

Schau mal:
https://www.amazon.de/Die-Mathematik-Musik-JAVIER-ARBON%C3%89S/dp/9089988165/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1503388082&sr=8-1&keywords=mathematik+und+musik

U.a., versteht sich...

Etwas spezieller:
https://www.amazon.de/Joy-Die-Sch%C3%B6nheit-Mathematik/dp/3036956921/ref=sr_1_4?s=books&ie=UTF8&qid=1503388259&sr=1-4&keywords=die+sch%C3%B6nheit+der+mathematik

herberger
22.08.2017, 08:56
Was ist an Richard Wagner so besonders, seine Anhänger sind fanatisch begeistert. Ich habe das versucht zu ergründen aber ich frage mich was hören die was ich nicht höre.

Leila
22.08.2017, 11:21
Was ist an Richard Wagner so besonders, seine Anhänger sind fanatisch begeistert. Ich habe das versucht zu ergründen aber ich frage mich was hören die was ich nicht höre.

Die raffinierte Hinhaltetaktik. ;)

Coriolanus
22.08.2017, 19:50
Ändert das etwas daran das die Beatles Melodien für Millionen erschaffen haben.....??
Ich kann bei deinen Ausführungen keinen Widerspruch zu meiner Aussage erkennen.

McDonalds produziert auch für die Masse. Beatles und McDonalds könnte man, allein auf Grund des Ursprungs und der gemeinsamen Affinität zu Plastik und Surrogaten, sicher gut vergleichen.

Ein Vergleich zwischen den Beatles und Mozart ist einfach unpassend. Das wäre so, als würde man Delikatessen für Feinschmecker, von einem hochbegabten Sternekoch, mit Big Mac und Cheeseburger vergleichen wollen, nur weil die Masse den Dreck frißt. Melodien für Millionen bedeutet zunächst einmal nichts, außer daß es sich um austauschbare und gewöhnliche Massenware handelt.

Ich hoffe sehr, den Widerspruch nun deutlich gemacht zu haben.

herberger
12.09.2017, 11:59
https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Gottfried_Piefke


Ein genialer Komponist Militär Musiker


Johann Gottfried Piefke (* 9. September 1815 in Schwerin an der Warthe; † 25. Januar 1884 in Frankfurt (Oder)) war ein preußischer Militärmusiker und Komponist.

https://www2.pic-upload.de/img/33910583/free-johann-gottfried-piefke-wallpaper.png (https://www.pic-upload.de)

Piefke wurde 1815 als Sohn des Organisten und Stadtmusikers Johann und seiner Frau Dorothea geboren. Am 1.*Mai 1835 trat er seinen Wehrdienst als Oboist beim Leibgrenadier-Regiment Nr. 8 in Frankfurt (Oder) an. Am 1.*September 1838 ging er an die Hochschule für Musik in Berlin. Dort hatte er eine Liaison mit der Fürstin von Trachenberg. Als Stabsoboist kehrte er am 1.*Juni 1843 zu seinem Regiment beim III.*Armeekorps zurück. Zusammen mit Teilen seines Regiments, von den Berlinern später auch „Brezelgarde“ genannt, kam Piefke 1852 nach Berlin. Dort entfaltete er sein Talent als Musiker; sowohl die Fachwelt als auch sein Publikum zollten ihm dafür Anerkennung. Am 23.*Juni 1859 wurde er mit dem Titel Königlicher Musikdirektor ausgezeichnet und sechs Jahre später, am 20. März 1865, wurde ihm der eigens für ihn geschaffene Titel Director der gesamten Musikchöre des III.*Armeekorps durch Wilhelm*I. verliehen.
Bis 1860 war Piefke wieder auf Grund militärischer Erfordernisse nach Frankfurt zurückgekehrt. Hier heiratete er eine Tochter des Frankfurter Viktualienhändlers Johann Carl Hankewitz. 1864 nahm er am Krieg gegen Dänemark teil. Bei der Erstürmung der Düppeler Schanzen soll er, mit dem Degen dirigierend, das Signal zum Angriff gegeben haben.
1866 nahm er am Krieg gegen Österreich teil. Am 31.*Juli 1866 fand eine große Parade auf dem Marchfeld bei Gänserndorf etwa 20 Kilometer nordöstlich von Wien statt. Beim Einzug in die Stadt marschierten sowohl Johann Gottfried Piefke als auch dessen 1,90*m großer Bruder Rudolf (1835–1900) an der Spitze der Musikkorps. Als Reaktion sollen die Wiener ausgerufen haben „Die Piefkes kommen!“, was später zur österreichisch-landsmannschaftlichen Bezeichnung für den Deutschen i. A. wurde. Belegt ist dieser Zusammenhang aber nich

derNeue
25.11.2017, 19:44
Bach Teil1
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Ist es die ungeheure Menge seiner Opuszahlen? Sicher: etwa 1100 Werke, vielleicht noch ein Drittel verschollene dazu: eine gewaltige Leistung. Und doch für die Zeit keineswegs ungewöhnlich. Telemann allein schrieb schon mehr (wir zählen seine Sonaten quasi heute noch). Während Telemann eine unnennbare Zahl von Sonaten und Kammermusik schreibt, Händel eine Oper an die andere reiht, macht es Bach anders: ein schreibt von jedem Typ ein "Set" von Stücken. Das sind gewöhnlich 6 oder 3, symmetrische Zahlen. Oder auch 12, 24, 48, der Zahl der chromatischen Töne entsprechend. Nie ein zufällige, unlogische Zahl, etwa 7. Es gibt z.B.: 6 Brandenburgische Konzerte, 6 Violinsolosonaten und -partiten. 3 Sonaten für Violine und Cembalo, 6 Cellosuiten, 3 Gambensonaten usw. Hier ist eine Tendenz erkennbar: Bach wendet sich einer Form zu, er schafft für diese Form eine Spitze und einen Endpunkt dessen, was innerhalb dieser Form möglich ist. Dann aber wendet er sich etwas anderem zu. Für die Kantaten gilt das sicher nicht, das waren Gelegenheitskompositionen, aber für die meisten anderen Formen schon.
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Noch eine kleine Ergänzung zu der Frage, warum Bachs Musik diesen einzigartigen Erfolg hat (siehe dazu meine Kolumne oben).
Es liegt auch einfach an der breiten Fächerung seiner Gattungen.
Denn er schrieb praktisch für jede Besetzung und für jedes Instrument etwas. Er beackerte jede Gattung mit Ausnahme der Oper (wofür man allerdings als Ersatz seine großen Chorwerke sehen kann).
Es kommt praktisch kein Musiker an ihm vorbei. Ein angehender Geiger kommt irgendwann zu den Violin-Solowerken. Ein Cellist wird sich lebenslang mit den Cellosuiten beschäftigen. Und vor allem die modernen Pianisten: in ihrer Jugend spielen sie die Inventionen, das "Notenbüchlein", später geht es zu den engl. und französischen Suiten, dem wohltemperierten Klavier und- je nachdem wie weit sie es bringen- bis hin zu den Goldbergvariationen. Was spielt es für den modernen Pianisten für eine Rolle, daß zu Bachs Zeit das Klavier noch gar erfunden war? Überhaupt keine.
Ebensowenig schert es die Gitarristen, wenn sie sich mit Bachs Lautensuiten beschäftigen. daß es noch keine Gitarre bei Bach gab, oder die modernen Flötisten, wenn sie die Flötensonaten lernen. Und sogar die Akkordeonspieler lieben seine Klavierwerke. Jeder Opernsänger singt auch mal in einer Kirche eine Bach-Arie und jeder Chorsänger irgendwann eine Kantate oder Motette.
Man kommt als praktischer Musiker überhaupt nicht an Bach vorbei, sogar moderne Streichquartette spielen die Kunst der Fuge, obwohl es die Form des Streichquartetts zu Bachs Zeit auch noch nicht gab.
Das hat kein anderer Komponist zu bieten und das hat erst mal gar nichts mit der Qualität zu tun, das ist einfach die breite Fächerung des Angebots.
Dazu kommt: viele von Bachs Werkzyklen haben einen deutlichen didaktischen Anspruch. Man soll an ihnen auch das Instrument spielen lernen und so sind sie auch geschrieben. Besonders im Streicher und Klavierbereich. Es heißt unter Musikern oft: "wenn Du schon keine Etüden übst, dann spiele wenigstens täglich Bach". Andras Schiff und auch Pablo Casals sagten, daß sie das tägliche Bach-Spielen fit auf ihrem Instrument halten würde.
Bach ersetzt die Technikübung, wer täglich ein Präludium und Fuge spielt, braucht keinen Czerny mehr. Auch das ist ein Grund für seine Verbreitung.