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Vollständige Version anzeigen : Russland - Modell eines sozialistischen Staates oder ganz normaler marktwirtschaftlicher Akteur?



Praetorianer
27.01.2017, 12:38
Sanktionen? Rubelverfall? Vertrauenskrise? Schnee von gestern. Russland wird 2017 wieder wachsen – auch, weil Präsident Putin den liberalen Wirtschaftspolitikern freie Hand lässt. Mangels Reformen sind große Wachstumssprünge aber künftig nicht zu erwarten.

Quelle (http://www.wiwo.de/politik/konjunktur/konjunkturausblick-russlands-wirtschaft-ist-ueber-dem-berg/19182512.html)


Eigentlich geht es mir hier weniger darum die aktuelle Konjunkturlage in Russland zu diskutieren als vielmehr die Frage, warum viele User (Dima fällt mir als erstes ein, aber auch andere) Russland als letzten Hort des Sozialismus feiern. Ich kenne die Situation vor Ort nicht, aber was man hier über die russische Konsolidierung nach der chaotischen Ära Jelzin liest (wenn man gräbt, im Moment ist ja eh alles auf Anti-Putin-Kurs getrimmt), dann sind es ja eher marktwirtschaftliche Reformen, die Russland seit der Ära Putin konsolidiert haben.

Wieso wird Russland von so vielen als Vertreter des Sozialismus gesehen?

Towarish
28.01.2017, 09:08
Vermutlich weil die russische Regierung ungern alles privatisiert. Man siehe sich allein den Rüstungssektor an, dort ist im Grunde so gut wie alles staatlich.
Bei Rosatom sind immer noch alle Sparten in staatlicher Hand, meine ich.
Dasselbe müsste für Rusnano gehen.
Gazprom ist zu 50% in staatlicher Hand.

Es ist also so, dass viele große und erfolgreiche Unternehmen nach wie vor staatlich sind.
Die Luftfahrt ist in einem großen Konsortium "OAK". Es entstand auf Bestreben der russischen Regierung.

In Russland kann man durchaus eigene Unternehmen Gründen, aber es ist unheimlich schwer mit den staatlichen Unternehmen zu konkurrieren. Die sind nicht nur sehr groß, sondern sind oftmals noch in der UdSSR gegründet worden.
Dort arbeiten die fähigeren Leute und die Gehälter sind vermutlich ebenfalls größer.


Ist Russland deswegen sozialistisch? Jein.
Die russische Regierung sieht seine staatlichen russischen Unternehmen unter anderem als Eigentum Russlands an, während in den 90er viele gute Unternehmen entweder durch schlechte Führung/Verwaltung ruiniert worden sind oder ans Ausland verkauft wurden. Deswegen wird die Regierung ihre Kontrolle über weitere Unternehmen nur ungern abgeben.

FranzKonz
28.01.2017, 09:30
Eigentlich geht es mir hier weniger darum die aktuelle Konjunkturlage in Russland zu diskutieren als vielmehr die Frage, warum viele User (Dima fällt mir als erstes ein, aber auch andere) Russland als letzten Hort des Sozialismus feiern. Ich kenne die Situation vor Ort nicht, aber was man hier über die russische Konsolidierung nach der chaotischen Ära Jelzin liest (wenn man gräbt, im Moment ist ja eh alles auf Anti-Putin-Kurs getrimmt), dann sind es ja eher marktwirtschaftliche Reformen, die Russland seit der Ära Putin konsolidiert haben.

Wieso wird Russland von so vielen als Vertreter des Sozialismus gesehen?

Vermutlich weil Putin den Ausverkauf des "Volkseigentums" wenigstens gebremst hat und eine allmähliche Entwicklung diesem Ausverkauf vorzieht. Deshalb stehen wohl noch immer etliche Großunternehmen unter staatlicher Leitung.

Scheint mir vernünftiger, als der Ausverkauf in der Jelzin-Ära, die Staatseigentum in Oligarcheneigentum überführte.

Praetorianer
28.01.2017, 10:21
Vermutlich weil Putin den Ausverkauf des "Volkseigentums" wenigstens gebremst hat und eine allmähliche Entwicklung diesem Ausverkauf vorzieht. Deshalb stehen wohl noch immer etliche Großunternehmen unter staatlicher Leitung.

Das hat aber kaum mit Sozialismus zu tun, wenn dann ist das eher eine Art Staatskapitalismus. Das Land Niedersachsen ist auch nicht sozialistisch, weil das Land Beteiligungen an VW hat oder es landeseigene Betreibergesellschaften oder Versorger gibt. Japan ist auch nicht sozialistisch, nur weil der Staat massiv steuernd und subventionierend in die Wirtschaft eingreift.

Augusto Pinochet hatte auch die Kuperminen in staatlicher Hand behalten und ist trotzdem i.W. ein Vertreter des reinen Marktliberalismus. Natürlich ist Putin kein Anarchokapitalist.


Scheint mir vernünftiger, als der Ausverkauf in der Jelzin-Ära, die Staatseigentum in Oligarcheneigentum überführte.

Wenn man von 1999 ausgeht, ist das, was Putin betrieben hat

- Kürzung der Staatsausgaben
- Steuersenkungen
- rigidere Haushaltspolitik

Das heisst natürlich nicht, dass Russland in den Turbokapitalismus geschaltet hat und das Beispiel für Turbokapitalismus geworden wäre. Wir reden hier von einem Land, das noch sehr sowjetisch geprägt war. Trotz protektionistischer Maßnahmen sind das allerdings recht eindeutige Schritte Richtung Marktwirtschaft und Marktliberalisierung.

FranzKonz
28.01.2017, 10:28
Das hat aber kaum mit Sozialismus zu tun, wenn dann ist das eher eine Art Staatskapitalismus.
...
Trotz protektionistischer Maßnahmen sind das allerdings recht eindeutige Schritte Richtung Marktwirtschaft und Marktliberalisierung.

Damit hast Du präzisiert, was ich meinte. Also weder sozialistisch noch ganz normale Marktwirtschaft.

Praetorianer
28.01.2017, 10:30
Vermutlich weil die russische Regierung ungern alles privatisiert. Man siehe sich allein den Rüstungssektor an, dort ist im Grunde so gut wie alles staatlich.
Bei Rosatom sind immer noch alle Sparten in staatlicher Hand, meine ich.
Dasselbe müsste für Rusnano gehen.
Gazprom ist zu 50% in staatlicher Hand.

Es ist also so, dass viele große und erfolgreiche Unternehmen nach wie vor staatlich sind.
Die Luftfahrt ist in einem großen Konsortium "OAK". Es entstand auf Bestreben der russischen Regierung.

In Russland kann man durchaus eigene Unternehmen Gründen, aber es ist unheimlich schwer mit den staatlichen Unternehmen zu konkurrieren. Die sind nicht nur sehr groß, sondern sind oftmals noch in der UdSSR gegründet worden.
Dort arbeiten die fähigeren Leute und die Gehälter sind vermutlich ebenfalls größer.


Ist Russland deswegen sozialistisch? Jein.
Die russische Regierung sieht seine staatlichen russischen Unternehmen unter anderem als Eigentum Russlands an, während in den 90er viele gute Unternehmen entweder durch schlechte Führung/Verwaltung ruiniert worden sind oder ans Ausland verkauft wurden. Deswegen wird die Regierung ihre Kontrolle über weitere Unternehmen nur ungern abgeben.

Das sind alles ziemlich schwache Branchen zum Vergleich. Es gibt kaum ein Land, dessen Rüstungssektor nicht zumindest maßgeblich staatlich gelenkt wird. Ganz besonders die USA nicht, trotzdem kann man das Land kaum als sozialistisch bezeichnen. Luftfahrt und Rüstungssektor kann man auch kaum voneinander trennen. Auch Boeing, Airbus, Lockheed-Martin sind alle staatlich subventioniert und die beteiligten Länder haben Rückspracherechte.

In Deutschland bilden zwar mittelständische Unternehmen das Rückgrat der Wirtschaft, aber in der Luft- und Raumfahrt oder der Rüstung auch eher als Zulieferer, denn als aktiver und steuernder Akteur.

Wie ist es denn in Russland mit anderen Branchen? Pharmazie, Maschinenbau, Elektroindustrie, Chemieindustrie etc., dominieren da auch überall nur die Großunternehmen und gibt es da auch kaum mittelständische Zulieferer? Das sind ja die maßgeblichen Fragen, du wirst auch in Großbritanien als kleiner Privatunternehmer kein Unternehmen gründen können, das BP in die Bredoullie bringt.

Dr Mittendrin
28.01.2017, 10:36
Vermutlich weil Putin den Ausverkauf des "Volkseigentums" wenigstens gebremst hat und eine allmähliche Entwicklung diesem Ausverkauf vorzieht. Deshalb stehen wohl noch immer etliche Großunternehmen unter staatlicher Leitung.

Scheint mir vernünftiger, als der Ausverkauf in der Jelzin-Ära, die Staatseigentum in Oligarcheneigentum überführte.

Einige Dinge sind noch ein wenig sowjetisch. Geschenkte Wohnungen. Zuzahlungen bei Medikamenten und Bezahlung von Zahnbehandlung sind marktwirtschaftlich.

Tiefe Steuern ( 13 % ) sehr neoliberal, das Abziehen von Investitionen kostet 30 % Steuern auf die Investition.

Dr Mittendrin
28.01.2017, 10:43
Eigentlich geht es mir hier weniger darum die aktuelle Konjunkturlage in Russland zu diskutieren als vielmehr die Frage, warum viele User (Dima fällt mir als erstes ein, aber auch andere) Russland als letzten Hort des Sozialismus feiern. Ich kenne die Situation vor Ort nicht, aber was man hier über die russische Konsolidierung nach der chaotischen Ära Jelzin liest (wenn man gräbt, im Moment ist ja eh alles auf Anti-Putin-Kurs getrimmt), dann sind es ja eher marktwirtschaftliche Reformen, die Russland seit der Ära Putin konsolidiert haben.

Wieso wird Russland von so vielen als Vertreter des Sozialismus gesehen?


https://www.youtube.com/watch?v=_x03rfDgBAg



https://www.youtube.com/watch?v=A2ZUO-vXLFo

Praetorianer
28.01.2017, 10:48
Damit hast Du präzisiert, was ich meinte. Also weder sozialistisch noch ganz normale Marktwirtschaft.

Da kommen wir jetzt zur Frage, was eine ganz normale Marktwirtschaft ist. Es ist ja so, dass die USA ein positives Kapitalismusbild haben und Europa eher ein negatives, d.h. beide sind im Prinzip mit der Zuschreibung zufrieden, wenn du sagst, die USA sind ein Vertreter des Kapitalismus und Russland ein Vertreter des Sozialismus.

Es gibt allerdings Mechanismus, mit denen die USA genauso staatlich lenkend in die Wirtschaft eingreift. Ich meine damit schon vor Trump. Ich habe keine aktuellen Zahlen vor Augen, der Militäretat war allerdings schon vor vielen Jahren bei 400 Milliarden Dollar (garantiert jetzt viel höher!!!). Man muss das natürlich relativ pro Kopf sehen, das ist die größte Volkswirtschaft der Welt, aber das sind schon Hausnummern. Da hängen ja auch indirekt Unmengen an Subventionen dran, auch im NASA-Etat, im Rüstungsbereich, etc.

Ich würde in dem Zusammenhang Russland schon recht klar als normale Marktwirtschaft sehen. Steuerungsmechanismen hat jeder Staat, mag sein, dass die bei Russland stärker ausgeprägt sind als in dn USA, aber man kann eigentlich weder davon sprechen, dass die Produktionsmittel verstaatlicht wären, noch dass das Staatsdoktrin wäre oder grundsätzlich ein planwirtschaftlicher Ansatz gefahren wird. Man muss ja auch sehen, dass der Energiesektor in Russland einfach einen größeren Anteil ausmacht als in weiter diversifizierten Volkswirtschaften (USA, Japan, Deutschland). Wie ich schon zu Towarisch sagte, es wird die als Kleinunternehmer auch in Großbritannien nicht gelingen, mal eben einen Ölkonzern wie BP zu schnitzen.
Und Russlands erklärtes Ziel ist ja gerade Diversifizierung und nicht al la Venezuela als reiner Energielieferant der Welt dazustehen.

Iwan
28.01.2017, 10:50
Da muss ich wieder erwähnen, dass alle Länder wollens nollens sozialistischer werden. Wer das will und wer das nicht will. Darum sieht Russland hier nicht sozialistischer oder nicht viel sozialistischer als die Nachbarländer, abgesehen von der Ukraine und anderer Bettelstaaten. Wie nach den sozialen Leistungen für Bevölkerung, so auch nach dem Anteil des Staates in der Wirtschaft, unterscheidet sich Russland kaum von den Nachbarstaaten. Für die Türkei und Griechenland bin ich sicher, auch Deutschland hat aller Wahrscheinlichkeit nach viel Ähnlichkeit mit dem Russland.

Muninn
28.01.2017, 10:51
Vermutlich weil Putin den Ausverkauf des "Volkseigentums" wenigstens gebremst hat und eine allmähliche Entwicklung diesem Ausverkauf vorzieht. Deshalb stehen wohl noch immer etliche Großunternehmen unter staatlicher Leitung.

Scheint mir vernünftiger, als der Ausverkauf in der Jelzin-Ära, die Staatseigentum in Oligarcheneigentum überführte.


Russland ist doch nicht Sozialistisch!

Die Russen haben eben nur auf besonders wichtigen Firmen die Hand drauf. Die USA würden auch nicht zulassen das Boeing an China verkauft wird.

Der Unterschied zwischen z.B. der BRD und Russland ist doch das die Russen eine eigene Politik betreiben und nicht wie die BRD auf den großen Meister in Übersee hören. Das kann man ja jetzt gut beobachten, wie verwirrt die Politik der BRD auf den neuen Präsidenten der USA reagiert. Das erinnert an einen Hund der zwei Befehle zu gleichen Zeit bekommt und nicht weiß was er jetzt tuen soll.

FranzKonz
28.01.2017, 14:17
Russland ist doch nicht Sozialistisch! ...

Kommt ein wenig drauf an, wie eng man Sozialismus definiert. Solange ein ordentliches Teil der Produktionsmittel in staatlicher Hand liegt, ist eine wesentliche Bedingung erfüllt.

Gryphus
28.01.2017, 16:21
Um die russische Wirtschaft zu verstehen, muss man wissen, was "strategische Wirtschaftssektoren" sind. Dabei handelt es sich um die Bereiche der Wirtschaft, auf denen Russlands Souveränität und internationale Machtprojektion fußt. Um genau zu sein: Energie / Rohstoffe, Verteidigung und Raumfahrt. Bei den großen Unternehmen dieser Branchen besitzt der Staat meist "Kontrollpakete" (51+% der Anteile), mischt sich i.d.R. aber nicht in ihr Management ein, sofern es nicht um Entscheidungen von nationalem Interesse geht. Da die "strategischen Sektoren" noch immer sehr große Umsätze generieren, ergibt sich eine recht hohe Staatsquote. Anderenfalls ist die russische Wirtschaft aber sehr liberal, wobei bürokratische Hürden noch immer ein Problem für den Markteintritt neuer Unternehmen sind.

Praetorianer
29.01.2017, 08:02
Um die russische Wirtschaft zu verstehen, muss man wissen, was "strategische Wirtschaftssektoren" sind. Dabei handelt es sich um die Bereiche der Wirtschaft, auf denen Russlands Souveränität und internationale Machtprojektion fußt. Um genau zu sein: Energie / Rohstoffe, Verteidigung und Raumfahrt. Bei den großen Unternehmen dieser Branchen besitzt der Staat meist "Kontrollpakete" (51+% der Anteile), mischt sich i.d.R. aber nicht in ihr Management ein, sofern es nicht um Entscheidungen von nationalem Interesse geht. Da die "strategischen Sektoren" noch immer sehr große Umsätze generieren, ergibt sich eine recht hohe Staatsquote. Anderenfalls ist die russische Wirtschaft aber sehr liberal, wobei bürokratische Hürden noch immer ein Problem für den Markteintritt neuer Unternehmen sind.

Das bestätigt aber im Prinzip, was ich schrieb, weil Protektionismus in strategischen Bereichen absolut nichts Ungewöhnliches ist. EADS kann auch niemand mal eben aufkaufen, weil da Deutschland und Frankreich intervenieren, auch die US-Regierung würde das bei Lockheed-Martin nicht zulassen.

Es wird halt hier im Forum oft als sozialistisches Gegengewicht zu den USA beschrieben, was aber doch fragwürdig ist nach deinen Aussagen. Insbesondere, wenn man sich vor Augen führt, dass die strategischen Wirtschaftssektoren einfach einen größeren Anteil an der russischen Wirtschaft ausmachen, als sagen wir mal deutsche Energieunternehmen an der deutschen Wirtschaft, ist natürlich auch ein größerer Teil unter staatlicher Kontrolle, was aber eher den Umständen geschuldet ist als irgendwelchen sozialistischen Utopien.

Towarish
29.01.2017, 09:46
Das bestätigt aber im Prinzip, was ich schrieb, weil Protektionismus in strategischen Bereichen absolut nichts Ungewöhnliches ist. EADS kann auch niemand mal eben aufkaufen, weil da Deutschland und Frankreich intervenieren, auch die US-Regierung würde das bei Lockheed-Martin nicht zulassen.

Es wird halt hier im Forum oft als sozialistisches Gegengewicht zu den USA beschrieben, was aber doch fragwürdig ist nach deinen Aussagen. Insbesondere, wenn man sich vor Augen führt, dass die strategischen Wirtschaftssektoren einfach einen größeren Anteil an der russischen Wirtschaft ausmachen, als sagen wir mal deutsche Energieunternehmen an der deutschen Wirtschaft, ist natürlich auch ein größerer Teil unter staatlicher Kontrolle, was aber eher den Umständen geschuldet ist als irgendwelchen sozialistischen Utopien.


Ich wollte vorher auf deine Antwort auf meinen Beitrag genauer eingehen, aber der Beitrag von Gryphus und dieser Beitrag hier sagen eigentlich alles aus.

Gryphus
29.01.2017, 13:51
Das bestätigt aber im Prinzip, was ich schrieb, weil Protektionismus in strategischen Bereichen absolut nichts Ungewöhnliches ist. EADS kann auch niemand mal eben aufkaufen, weil da Deutschland und Frankreich intervenieren, auch die US-Regierung würde das bei Lockheed-Martin nicht zulassen.

Es wird halt hier im Forum oft als sozialistisches Gegengewicht zu den USA beschrieben, was aber doch fragwürdig ist nach deinen Aussagen. Insbesondere, wenn man sich vor Augen führt, dass die strategischen Wirtschaftssektoren einfach einen größeren Anteil an der russischen Wirtschaft ausmachen, als sagen wir mal deutsche Energieunternehmen an der deutschen Wirtschaft, ist natürlich auch ein größerer Teil unter staatlicher Kontrolle, was aber eher den Umständen geschuldet ist als irgendwelchen sozialistischen Utopien.

Ich hatte auch nicht die Absicht, dir zu widersprechen. Russland ist weit weniger "sozialistisch" als etwa Deutschland*. Manche Leute sehen es halt gerne als die Fortführung der UdSSR, daher vermutlich die Assoziation. Man muss sich nur Putin oder Medwedew auf einem beliebigen Wirtschaftsforum anhören, die sprechen beide von nichts anderem als marktliberalen Reformen.

*in Bezug auf die Rolle der Gewerkschaften, Besteuerung, soziale Sicherheitsnetze etc.

Bettmaen
29.01.2017, 14:21
Wenn man die Staatsquote zugrunde legt, ist die BRD "sozialistischer".

Staatsquote in Russland: 35,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (35,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.)

Staatsquote in der BRD: 44,3 des Bruttoinlandsprodukts (https://de.wikipedia.org/wiki/Staatsquote)

Was mir ein Putin gefällt, ist dass er ohne ideologische Scheuklappen regiert. Er baut keine Wolkenkuckucksheime, sondern orientiert sich am Machbaren und an den nationalen Interessen seines Landes. Dieser Mann ist ähnlich wie Peter der Große ein Glücksfall für Russland.

ronnyghost
29.01.2017, 14:36
Sozialismus ist eine Ideologie.
Der Inhalt ist leicht unbestimmt, jeder packt was anderes rein.
Man müßte vielleicht erst mal das Staatsbild ermitteln, was über die Schulen propagiert wird.
Die Staatsidelogie wäre dann mit der Praxis abzugleichen.

Praetorianer
03.02.2017, 09:44
Sozialismus ist eine Ideologie.
Der Inhalt ist leicht unbestimmt, jeder packt was anderes rein.
Man müßte vielleicht erst mal das Staatsbild ermitteln, was über die Schulen propagiert wird.
Die Staatsidelogie wäre dann mit der Praxis abzugleichen.

Da wird es eine Frage, wer die Definitionshoheit hat. Du kannst auch sagen, "Ich bin Moslem, aber ich glaube nicht an Gott!", aber das sind dann Spielchen. Die resultieren beim Sozialismus daraus, dass viele Menschen den eigentlich für eine ganz tolle Idee halten, aber irgendwie doch spüren, dass er immer wieder in der Patsche endet.

Ein sozialistischer Staat muss zumindest versuchen umzusetzen, dass die Produktionsmittel/Fabriken/etc. den Arbeitern bzw. der Betriebsbelegschaft gehören und keinem Unternehmer oder Investor. Weiterhin muss das Ziel der Kommunismus sein, Auflösung aller Staaten, Religionen und Aufgehen in einem Endzustand, in dem der Mensch nicht mehr arbeiten muss, sondern die Maschinen für ihn arbeiten und alle Menschen gleich sind.

In der Praxis ist das ohnehin paradox, marktwirtschaftlich orientierte und nichtsozialistische Staaten verhalten sich weit offener ggü. anderen Ländern, während Sozialisten tendenziell sich eher abgegrenzt und nationalistisch verhalten haben, mit dem Ziel die Nation als Ganzes dann irgendwann abzuschaffen, aber gezwungen ihren Nationalstaat aus pragmatischen Gründen vor Einflüssen von außen zu schützen. Da der Übergang zum Kommunismus nie in greifbarer Nähe war, ist es kurios/paradox, Staaten haben das Ziel den Staat als solches abzuschaffen, um ihre Ideologie zu schützen brauchen sie den starken Staat.

Koppelt man den Sozialismus von marxistischen Erlösungsphantasien ab und träumt nicht von dem Endzustand, kann man vielleicht von Sozialismus auch sprechen, wenn ein Land lediglich die Produktionsmittel verstaatlicht und nach planwirtschaftlichen Vorgaben agiert.

Nichts von dem ist der Fall, wenn die Angaben von Gryphus und Bettmaen so stimmen, agiert Russland erheblich marktliberaler als die Bundesrepublik beispielsweise. Aber selbst wenn das übertrieben wäre, von Sozialismus zu sprechen, wäre imo absurd. Im Prinzip entspricht das, was die beiden schreiben dem, was man in den üblichen Wirtschaftsblättern im Internet finden kann, wenn man versucht, die "Putin ist böse" - Propaganda der Springermedien zu umgehen.

Iwan
03.02.2017, 15:28
Koppelt man den Sozialismus von marxistischen Erlösungsphantasien ab und träumt nicht von dem Endzustand, kann man vielleicht von Sozialismus auch sprechen, wenn ein Land lediglich die Produktionsmittel verstaatlicht und nach planwirtschaftlichen Vorgaben agiert.

Nichts von dem ist der Fall, wenn die Angaben von Gryphus und Bettmaen so stimmen, agiert Russland erheblich marktliberaler als die Bundesrepublik beispielsweise. Aber selbst wenn das übertrieben wäre, von Sozialismus zu sprechen, wäre imo absurd. Im Prinzip entspricht das, was die beiden schreiben dem, was man in den üblichen Wirtschaftsblättern im Internet finden kann, wenn man versucht, die "Putin ist böse" - Propaganda der Springermedien zu umgehen.
Warum denn Erlösungsphantasien? Sind die Arbeiter in der Wirklichkeit heutzutage verglichen mit der Zeit von Marx und Lenin nicht befreit? 8-Stunden Arbeitstag, bezahlter Urlaub, Mindestlohn, die Rente im hohen Alter? Die Kapitalisten haben das nicht aus freien Stücken gegeben, sie wurden von der sozialistischen Weltbewegung gezwungen.
Gefällt das jemanden oder nicht, aber der Sozialismus ist unumgänglich. Natürlich nicht der Sozialismus von der Art der Sowjetunion der Zwanziger. Die Autos sehen ja heute auch etwas anders aus als damals. Die Produktionsmittel werden trotzdem verstaatlicht, die Wirtschaft wird zur Planwirtschaft und am Ende erwartet uns der Kommunismus, wenn ein verrückter Ami vorher den Atomkrieg nicht startet.

KatII
03.02.2017, 15:48
Vermutlich weil die russische Regierung ungern alles privatisiert. Man siehe sich allein den Rüstungssektor an, dort ist im Grunde so gut wie alles staatlich.
Bei Rosatom sind immer noch alle Sparten in staatlicher Hand, meine ich.
Dasselbe müsste für Rusnano gehen.
Gazprom ist zu 50% in staatlicher Hand.

Es ist also so, dass viele große und erfolgreiche Unternehmen nach wie vor staatlich sind.
Die Luftfahrt ist in einem großen Konsortium "OAK". Es entstand auf Bestreben der russischen Regierung.

In Russland kann man durchaus eigene Unternehmen Gründen, aber es ist unheimlich schwer mit den staatlichen Unternehmen zu konkurrieren. Die sind nicht nur sehr groß, sondern sind oftmals noch in der UdSSR gegründet worden.
Dort arbeiten die fähigeren Leute und die Gehälter sind vermutlich ebenfalls größer.


Ist Russland deswegen sozialistisch? Jein.
Die russische Regierung sieht seine staatlichen russischen Unternehmen unter anderem als Eigentum Russlands an, während in den 90er viele gute Unternehmen entweder durch schlechte Führung/Verwaltung ruiniert worden sind oder ans Ausland verkauft wurden. Deswegen wird die Regierung ihre Kontrolle über weitere Unternehmen nur ungern abgeben.

Außerdem hat man in privaten Unternehmen keinen Anspruch auf Staatsrente.

Praetorianer
03.02.2017, 18:25
Warum denn Erlösungsphantasien? Sind die Arbeiter in der Wirklichkeit heutzutage verglichen mit der Zeit von Marx und Lenin nicht befreit? 8-Stunden Arbeitstag, bezahlter Urlaub, Mindestlohn, die Rente im hohen Alter? Die Kapitalisten haben das nicht aus freien Stücken gegeben, sie wurden von der sozialistischen Weltbewegung gezwungen.
Gefällt das jemanden oder nicht, aber der Sozialismus ist unumgänglich. Natürlich nicht der Sozialismus von der Art der Sowjetunion der Zwanziger. Die Autos sehen ja heute auch etwas anders aus als damals. Die Produktionsmittel werden trotzdem verstaatlicht, die Wirtschaft wird zur Planwirtschaft und am Ende erwartet uns der Kommunismus, wenn ein verrückter Ami vorher den Atomkrieg nicht startet.

Erlösungsphantasie = Kommunismus = klassenlose Gesellschaft in der keiner mehr arbeiten muss, sondern die Maschinen die Arbeit erledigen

Smultronstället II.
03.02.2017, 18:46
Gesellschaft in der keiner mehr arbeiten muss, sondern die Maschinen die Arbeit erledigen

Auf eine Gesellschaft, in der immer größere Teile der Arbeit von Maschinen erledigt werden, gehen wir doch ohnehin zu.

Zufälligerweise habe ich heute auf dem Weg nach Hause eine Reportage im Radio gehört, in der irgendein Professor vorgestellt wurde, der jetzt wohl die erste Fabrik komplett ohne Arbeiter beaufsichtigt. Eine Fabrik, in der nur Roboter Cola herstellen. Roboter und ein Student, der die Roboter beaufsichtigt. DAS ist die Zukunft.

Da sind die mittelständischen Kapitalismus-Befürworter diejenigen mit dem skurrilen Fortschrittsoptimismus. Da sagt mein Vater immer, "Ja, dann werden die Arbeiter halt in Zukunft diese Roboter herstellen."

De facto könnten wir dieses Problem aber befriedigend nur durch Bevölkerungsreduktion und Reduzierung der Arbeitszeit lösen - dazu dann entweder Protektionismus und/oder weltweite Zusammenarbeit gegen das Kapital. So wie wir ja auch weltweite Zusammenarbeit gegen die Liberalen auf gesellschaftspolitischer Ebene brauchen.

Die traditionsfeindliche Welt, die uns ALLE bedroht und uns ALLE mit Relativismus, Feminismus, usw. schlagen will, ist geeint - und so müssen auch wir uns einen, um gegen die Liberalen vorzugehen.

Das Kapital und die Liberalen sind der eigentliche Feind. Nicht der Iran oder Syrien.

Iwan
04.02.2017, 04:19
Erlösungsphantasie = Kommunismus = klassenlose Gesellschaft in der keiner mehr arbeiten muss, sondern die Maschinen die Arbeit erledigen
Das ist nicht aus Marx. Der meinte immer, ebenso wie Lenin und alle nach ihm, dass die Arbeit der Sinn des Menschenlebens ist. Die klassenlose Gesellschaft ist die Gesellschaft ohne Unterdrückung (Armee, Polizei, Gerichte usw), nicht ohne Arbeit.
Wie meinst du, wann waren die Klassenunterschiede und Unterdrückung grösser, jetzt oder zur Zeit von Marx und Lenin? Das ist offensichtlich, dass die Gesellschaft zum Sozialismus und bzw Kommunismus jeden Tag nähert.

Dayan
11.02.2017, 22:59
Russland liebt Israel!http://de.rbth.com/politik/2016/07/25/vom-feind-zum-freund-russland-und-israel-nach-25-jahren_614925Zuletzt im Juni traf sich der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit Wladimir Putin in Moskau – zum vierten Mal innerhalb von nur neun Monaten. Mit dem Präsidenten der USA, immerhin ein strategischer Bündnispartner Israels, traf der Premier sich dagegen lediglich einmal, und im März ließ er sogar einen Besuchstermin in Washington platzen. Im Gegensatz zu Barack Obama vermochte es Putin, hervorragende Beziehungen zu Netanjahu aufzubauen – der „Tagesspiegel“ bezeichnete sie gar als gutes Beispiel für eine „Männerfreundschaft“ in der Politik.
Moskau hat in den vergangenen Jahren die Zusammenarbeit mit Tel Aviv sehr aktiv entwickelt: Zwischen Russland und Israel wurde der visafreie Reiseverkehr eingeführt (2008) und ein Abkommen zur militärtechnischen Zusammenarbeit (2010) unterzeichnet. Russland kauft heutzutage nicht nur israelisches Obst und Gemüse, sondern auch Militärdrohnen – zu Sowjetzeiten, als der Kreml den Zionismus noch als einen seiner größten Feinde ansah, wäre so etwas undenkbar gewesen. Das bedeutet aber nicht, dass Russland und Israel in allen Punkten miteinander übereinstimmen würden.
Syrische Widersprüche (http://de.rbth.com/politik/2016/07/25/vom-feind-zum-freund-russland-und-israel-nach-25-jahren_614925)https://cdn.rbth.com/468x312/1x15/999x666/all/2016/06/14/prime_minister_benjamin_netanyahu_tass_15994766_10 00.jpg (http://de.rbth.com/politik/2016/06/14/wird-netanjahu-zum-russland-tuerkei-vermittler_602787) (http://de.rbth.com/politik/2016/07/25/vom-feind-zum-freund-russland-und-israel-nach-25-jahren_614925)Wird Netanjahu zum Russland-Türkei-Vermittler? (http://de.rbth.com/politik/2016/06/14/wird-netanjahu-zum-russland-tuerkei-vermittler_602787)

Netanjahu fliegt nicht nur dank seiner guten Beziehungen zu Putin so oft nach Moskau. Seit dem Moment, als Russland die syrische Militäroperation im September 2015 begann, prallen die Interessen mit den russischen aufeinander. Israel führt, genau wie Russland, Luftschläge in Syrien aus – deren Ziel sind jedoch vor allem die Bündnispartner Moskaus: die Hisbollah und manchmal auch die Armee von Baschar al-Assad. Das Problem besteht darin, dass die russischen Bündnispartner – Assad, die Hisbollah und der Iran – dem jüdischen Staat unverblümt drohen.„Die Gefahr durch die Bündnispartner Assads für die israelischen Grenzen ist für Tel Aviv deutlich spürbarer als eine hypothetische Gefahr durch eine Machtergreifung der Islamisten in Syrien“, glaubt Irina Swjagelskaja, Professorin am Staatlichen Moskauer Institut für Internationale Beziehungen (MGIMO) und leitende wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Orientalistik. „Israel ist es nicht recht, dass der Iran und die Hisbollah aktiv in Syrien agieren und dabei militärische Erfahrung sammeln“, fügt die Expertin hinzu. Israel vernichtet unter anderem russische Waffen, die der Hisbollah in die Hände fallen.
Fähigkeit zum KompromissGleichzeitig versteht Israel nach Meinung Swjagelskajas das Interesse Russlands an der Bewahrung der Staatlichkeit Syriens. Israel würde es wahrscheinlich vorziehen, dass der Westen Assad stürzt, bringt seine Unzufriedenheit aber nicht zum Ausdruck. Andersherum ist es aber genauso: Russland versteht, dass die Sicherheit der Grenzen für Israel das Wichtigste ist, und interveniert deswegen nicht gegen die Vernichtung seiner Waffen, die der Hisbollah in die Hände fallen. Die Luftstreitkräfte beider Länder koordinieren ihr Vorgehen in Syrien reibungslos.
Doch die Positionen der beiden Staaten sind nicht nur zu Syrien konträr: So unterstützt zum Beispiel Russland, wie die Mehrheit der Weltgemeinschaft, die Gründung eines Palästinenserstaates, der sich die israelische Führung vehement in den Wege stellt. Dennoch führt dies nicht zu einer Missstimmung zwischen den Ländern.
„Inzwischen sind unsere Beziehungen zu Israel derart freundschaftlich, dass wir es uns durchaus leisten können, in einzelnen Fragen miteinander nicht übereinzustimmen – und das ist auch gut so“, kommentiert Swjagelskaja. Bislang ist es Russland und Israel gelungen, für die Wahrung der guten Beziehungen die Widersprüche einfach auszublenden.
(http://de.rbth.com/politik/2016/07/25/vom-feind-zum-freund-russland-und-israel-nach-25-jahren_614925)http://de.rbth.com/i/20170210-6493fc3/32fdd53a/img/logos/R.pnghttp://de.rbth.com/i/20170210-6493fc3/32fdd53a/img/logos/rbth_full.png (http://de.rbth.com/)http://de.rbth.com/i/20170210-6493fc3/32fdd53a/img/logos/logo_m.png (http://de.rbth.com/)
Vom Feind zum Freund: Russland und Israel nach 25 Jahren

25. Juli 2016 Oleg Jegorow (http://de.rbth.com/author/Oleg%20Jegorow)
Israel und Russland führen beide Militäroperationen in Syrien durch, oft jedoch nicht auf derselben Seite. Und auch in der Palästina-Frage sind sich die Länder nicht einig. Dennoch haben sich die bilateralen Beziehungen in den vergangenen 25 Jahren stark verbessert

Antisozialist
12.02.2017, 09:58
Eigentlich geht es mir hier weniger darum die aktuelle Konjunkturlage in Russland zu diskutieren als vielmehr die Frage, warum viele User (Dima fällt mir als erstes ein, aber auch andere) Russland als letzten Hort des Sozialismus feiern. Ich kenne die Situation vor Ort nicht, aber was man hier über die russische Konsolidierung nach der chaotischen Ära Jelzin liest (wenn man gräbt, im Moment ist ja eh alles auf Anti-Putin-Kurs getrimmt), dann sind es ja eher marktwirtschaftliche Reformen, die Russland seit der Ära Putin konsolidiert haben.

Wieso wird Russland von so vielen als Vertreter des Sozialismus gesehen?

Russland ist an sich kein sozialistisches Land. Es ist nur so, dass außerhalb der Öl- und Gasförderung des Staatsunternehmen Gazprom wirtschaftlich nicht viel läuft.

Haidach
06.03.2017, 21:10
Eigentlich geht es mir hier weniger darum die aktuelle Konjunkturlage in Russland zu diskutieren als vielmehr die Frage, warum viele User (Dima fällt mir als erstes ein, aber auch andere) Russland als letzten Hort des Sozialismus feiern. Ich kenne die Situation vor Ort nicht, aber was man hier über die russische Konsolidierung nach der chaotischen Ära Jelzin liest (wenn man gräbt, im Moment ist ja eh alles auf Anti-Putin-Kurs getrimmt), dann sind es ja eher marktwirtschaftliche Reformen, die Russland seit der Ära Putin konsolidiert haben.

Wieso wird Russland von so vielen als Vertreter des Sozialismus gesehen?

Manche haben wohl mehr Infos zur Hand weswegen sie Russland als "sozialistisch" klassifizieren können. Die Trennlinie zwischen NEP-Sozialismus und Staatskapitalismus kann man schlecht ziehen, wenn man nicht genau weiß welche Endziele die gegenwärtige russische Nomenklatura verfolgt. Bei China ist das deutlich leichter. Dort hat man den NEP-Sozialismus. Die Führung hat dort weiterhin den Kommunismus zum Ziel. Die privaten Betriebe dienen dort lediglich der Modernisierung, um vom Westen nicht abgehängt zu werden. Der Staatshaushalt lebt dort von den staatlichen/sozialistischen Betrieben. In Russland lebt der Staatshaushalt ebenfalls von den staatlichen Betrieben. Allein Gasprom spült 25% davon rein. Zudem werden die staatlichen Betriebe dazu animiert Gelder für karitative Zwecke bereitzustellen. Was die Manager in solchen Betrieben absahnen weiß ich grad nicht. Dürfte aber wohl nur ein Bruchteil dessen sein was ein kapitalistischer Eigentümer kriegen würde. Das Ziel der russischen Nomenklatura, welche von ehm. KGB`lern dominiert wird, ist ebenso, wie in China, die Modernisierung des Landes. Allerdings wollen die auch, dass Monarchisten und Kommunisten zusammengehen. Für den Nationalismus braucht man zumindest ein Kleinbürgertum. Davon gibt es selbst in Moskau momentan gerade nur 20%. Die Nomenklatura will zumindest in absehbarer Zeit eine Klassengesellschaft erhalten bzw. aufbauen. Kann aber auch sein, dass das nur solange gebraucht wird, wie die Modernisierung nötig ist. Jedenfalls hat die Nomenklatura die totale Kontrolle über die Wirtschaft und sie bestimmt den Kurs. In Deutschland gibt es den Rheinischen Kapitalismus bzw. die soziale Marktwirtschaft, mit den hohen Steuern für Sozialausgaben. In China gibt es den NEP-Sozialismus. In Russland gibt es zwar niedrige Steuern, aber diese resultieren daraus, dass in den 90ern kaum jemand die Steuern gezahlt hatte, weil diese ähnlich hoch, wie in Deutschland waren. Deswegen die niedrigen Steuern, die Verstaatlichungen und die Animierung der Betriebe zur Sozialpolitik. Man kann es Russischen Kapitalismus oder Staatskapitalismus nennen. Theoretisch kann es aber auch NEP-Sozialismus sein, wenn es eine kommunistische KGB-Schattenregierung gibt.


„Darf man unsere Staatsindustrie als staatskapitalistisch bezeichnen? Nein, das darf man nicht. Weshalb? Weil der Staatskapitalismus unter den Bedingungen der Diktatur des Proletariats eine Organisaion der Produktion ist, in der zwei Klassen vertreten sind: die ausbeutende Klasse, die über die Produktionsmittel verfügt, und die ausgebeutete Klasse, die nicht über Produktionsmittel verfügt. […] Es gibt zwei Typen der Produktion: den kapitalistsichen Typus, zu dem auch der staatskapitalistische gehört, wo zwei Klassen vorhanden sind, wo die Produktion dem Profit des Kapitalisten dient, und einen anderen Typus, den sozialistischen Typus der Produktion, wo es keine Ausbeutung gibt, wo die Produktionsmittel der Arbeiterklasse gehören und wo die Betriebe nicht arbeiten, um einer fremden Klasse Profit zu bringen, sondern um die Industrie zum Besten der Arbeiter in ihrer Gesamtheit zu erweitern.“
J.W. Stalin, Werke Band 7: Schriften von 1925, Berlin 1952, S. 264f

„Im Wirtschaftsjahr 1923/24 entfielen auf die staatliche und die genossenschaftliche Industrie 76,3 Prozet der gesamten industrieellen Produktion des Jahres, auf die Privatindustrie 23,7 Prozent; im Jahre 1924/25 betrug der Anteil der staatlichen und der genossenschaftlichen Industrie an der gesamten industriellen Produktion 79,3 Prozent, der Anteil der Privatindustrie hingegen nicht mehr 23,7 Prozent, sondern nur noch 20,7 Prozent.“
J.W. Stalin, Werke Band 7: Schriften von 1925, Berlin 1952, S. 26

„[Anna Politkovskaja:] >>Sag mal, hast du das alles nicht satt?<<
[Tanja:] >>Nein. Wenn es nötig ist, Putin den Arsch zu küssen, um noch ein paar Läden abzukriegen, dann küsse ich ihm den Arsch.<<
[Anna Politkovskaja:] >>Was meinst du mit >abkriegen<? Du kaufst die Läden doch, bezahlst dafür, wie es sich gehört.<<
[Tanja:] >>Nein, heute geht das anders. >Abkriegen< heißt, sich bei den Staatsdienern in den Behörden das Recht zu verdienen, für das eigene Geld einen Laden kaufen zu dürfen. Das ist russischer Kapitalismus. Mir persönlich gefällt er. Sollte er mir einmal nicht mehr gefallen, kaufe ich mir irgendeine andere Staatsangehörigkeit und – weg bin ich ...<<
Wir gingen auseinander. Natürlich wurde Tanja ins Stadtparlament gewählt. Es heißt, sie soll keine schlechte Abgeordnete sein, zugänglich, immer bereit, sich für die Armen in die Bresche zu werfen, noch eine Suppenküche für Obdachlose und Flüchtlinge in Moskau zu organisieren. Sie hat drei weitere Supermärkte gekauft.“
Anna Politkovskaja: In Putins Russland, Bonn 2006, S. 223

„Auch Wladimir Putin, der seine Karriere im KGB begonnen hatte, leitete bis zu seiner Ernennung zum Premierminister 1999 ein Jahr lang den FSB. Unter dessen Dach führte er die meisten Nachfolgeorganisationen des KGB als Präsident wieder zusammen und besetzte auch zahlreiche andere Leitungsposten in Politik und Wirtschaft mit ehemaligen KGB-Kollegen. … Vordenker des FSB rechtfertigen ihre Kontrolle über Schlüsselbereiche der Wirtschaft mit dem Verweis auf nationale Sicherheitsbelange. […] Im Vergleich zum sowjetischen KGB, selbst zu Zeiten Andropows, hat der neu konstituierte FSB seine Macht erheblich ausgeweitet, da die ihn ehemals überwachende Staatspartei weggefallen ist, ohne durch andere – etwa parlamentarische – Kontrollinstanzen ersetzt zu werden. Unter anderem gewann der Geheimdienst unter Putin nach und nach die Oberhand im jahrzehntelangen internen Machtkampf mit der größten Schwesterinstitution, dem Innenministerium.“
Mischa Gabowitsch: Putin kaputt? Russlands neue Protestkultur, Berlin 2013, S. 308ff

KatII
06.03.2017, 21:43
Auf eine Gesellschaft, in der immer größere Teile der Arbeit von Maschinen erledigt werden, gehen wir doch ohnehin zu.

Zufälligerweise habe ich heute auf dem Weg nach Hause eine Reportage im Radio gehört, in der irgendein Professor vorgestellt wurde, der jetzt wohl die erste Fabrik komplett ohne Arbeiter beaufsichtigt. Eine Fabrik, in der nur Roboter Cola herstellen. Roboter und ein Student, der die Roboter beaufsichtigt. DAS ist die Zukunft.

Da sind die mittelständischen Kapitalismus-Befürworter diejenigen mit dem skurrilen Fortschrittsoptimismus. Da sagt mein Vater immer, "Ja, dann werden die Arbeiter halt in Zukunft diese Roboter herstellen."

De facto könnten wir dieses Problem aber befriedigend nur durch Bevölkerungsreduktion und Reduzierung der Arbeitszeit lösen - dazu dann entweder Protektionismus und/oder weltweite Zusammenarbeit gegen das Kapital. So wie wir ja auch weltweite Zusammenarbeit gegen die Liberalen auf gesellschaftspolitischer Ebene brauchen.

Die traditionsfeindliche Welt, die uns ALLE bedroht und uns ALLE mit Relativismus, Feminismus, usw. schlagen will, ist geeint - und so müssen auch wir uns einen, um gegen die Liberalen vorzugehen.

Das Kapital und die Liberalen sind der eigentliche Feind. Nicht der Iran oder Syrien.

Stimme dir in den meisten Punken zu. Die richtigen Sozialisten renchnen aber damit, dass 20 Mrd. Menschen immer noch gut versorgt werden können bei entsprechender Politik. Stell dir vor, wenn du alle Menschen, die heute leben nebeneinander auf je einen Quadratmeter nebeneinander stellen würdest, würden wir alle NUR einen Kreis mit Durchmesser 100 km füllen!!!!

FreiSein
09.03.2017, 12:22
Um gleich auf die Frage Bezug zu nehmen:
Russland ist natürlich kein marktwirtschaftliches sondern ein autoritäres Land mit kapitalistischen Fragmenten, sonst wären bereits alle Russen verhungert, aber eben auch vielen sozialistischen Anteilen, staatlichen Eingriffen, Regulierungen, rechtlichen Unsicherheiten und einer Zwangsinflation wodurch die Kaufkraft zerstört wird.

Ein reines marktwirtschaftliches Land existiert auf unserer Welt ohnehin nicht mehr. Es gibt lediglich mehr und weniger marktwirtschaftliche Länder. Diese haben mehr und weniger autoritäre Herrschaftssysteme.

Das Ideal einer freien Gesellschaft existiert Heute nirgendwo mehr. Einst existierte es in Form der USA. Jeder kann die Geschichte der Whigs in England nachlesen, bis zu ihrer glorious Revolution und ihren Einflüssen auf die USA als ehemaliges Land der Freiheit und der Betonung von Menschenrechten. Zu jenem Zeitpunkt war die Menschheit an einem bestimmten Ort sehr nahe an einem Idealtypus glückselig machender Strukturen. Wir brauchen wieder einen solchen Ort, brauchen eine Wiedergeburt des klassischen Liberalismus, einen Ort wo alle Menschen der Welt, die eine Chance auf ein besseres Leben suchen, eine Zuflucht finden. Sie würden durch ihre Freiheit auf Jahrhunderte das reichste Land der Erde aufbauen. So wie es die USA schon einmal getan haben. Was die Menschheit braucht ist weltlich gesehen eine 2. amerikanische Revolution.

Patrick
09.03.2017, 12:29
Wieso wird Russland von so vielen als Vertreter des Sozialismus gesehen?

Ich gehe mal davon aus, dass viele, die das behaupten, ehemalige Bürger der sowjetischen Besatzungszone sind. Ihnen wurde ständig eingetrichtert wie böse der westliche Kapitalismus ist und dass das "russische Brudervolk" zu ihnen hält; dass es fühlt wie sie. Diese Lügenpropaganda wirkt heute leider noch nach.

herberger
09.03.2017, 13:14
Ohne Prügel und Peitsche läuft in Russland/Sowjetunion nichts.

Nicht Sicher
09.03.2017, 21:33
Ich gehe mal davon aus, dass viele, die das behaupten, ehemalige Bürger der sowjetischen Besatzungszone sind. Ihnen wurde ständig eingetrichtert wie böse der westliche Kapitalismus ist und dass das "russische Brudervolk" zu ihnen hält; dass es fühlt wie sie. Diese Lügenpropaganda wirkt heute leider noch nach.

Das nenne ich mal eine fundierte Analyse, welche die russische "Lügenpropaganda" zerschmettert. Dumm nur, dass die meisten Derjenigen, die Russland mit Kommunismus gleichsetzen, eigentlich eher dem rechtsliberalen Lager zuzuordnen sind. Und hier wiederum speziell solche, die ihre "Bildung" eben aus der antirussischen Propaganda des kalten Krieges bezogen haben und eigentlich auch durch und durch russenfeindlich sind.

Nicht Sicher
09.03.2017, 21:45
Das Ideal einer freien Gesellschaft existiert Heute nirgendwo mehr.

Kein Wunder, weil dieses "Ideal" nichts weiter als eine infantil-abergläubische Wunschvorstellung ist, die so stabil ist, wie ein auf der Spitze stehender Stift auf einem Rütteltisch. Aber schön zu sehen, dass wir neben Patrick hier einen weiteren Neuzugang haben, der meint am angelsächsischem Wesen soll die Welt genesen. Und sich sogar nicht zu schade ist, diese These fast 1 zu 1 zu repetieren und sogar plakativ den passenden Nick trägt.

Shahirrim
09.03.2017, 21:50
Ich gehe mal davon aus, dass viele, die das behaupten, ehemalige Bürger der sowjetischen Besatzungszone sind. Ihnen wurde ständig eingetrichtert wie böse der westliche Kapitalismus ist und dass das "russische Brudervolk" zu ihnen hält; dass es fühlt wie sie. Diese Lügenpropaganda wirkt heute leider noch nach.

Von Ostbürgern höre ich eher selten diese Gedanken, dass Russland immer noch ein Reich der Kommunisten ist. Sind eher Leute, die nicht aus dem Kalten Krieg rauskommen. Und die sitzen fast zu 100% im schwuldekadenten Westen.

Deutscher Michel
09.03.2017, 22:03
Ich gehe mal davon aus, dass viele, die das behaupten, ehemalige Bürger der sowjetischen Besatzungszone sind. Ihnen wurde ständig eingetrichtert wie böse der westliche Kapitalismus ist und dass das "russische Brudervolk" zu ihnen hält; dass es fühlt wie sie. Diese Lügenpropaganda wirkt heute leider noch nach.

Immerhin haben viele dieser Bürger ihrer sogenannte sozialistischen Führungsriege die Gefolgschaft verweigert und einige Zeit später die sowjetischen Soldaten nach Hause geschickt. Wie paßt das denn zu Deiner These?

Die meisten Leute im Osten wissen genau, daß das auf die ehemalige sowjetische Besatzungszone übertragene Gesellschaftsmodell dort und im Ursprungsland gescheitert ist und warum das passiert ist und sie reagieren auch gegenwärtig sehr empfindlich auf die aktuelle Propaganda und aggressive Stigmatisierungsversuche der Obrigkeit, weil Viele sich unangenehm an die totalitäre Gehirnwäsche von damals erinnert fühlen und es nicht nochmal erleben möchten, daß im öffentlichen Sprachgebrauch nur die "alternativlose" Ansichten einer selbsternannten Elite geduldet werden.

Nicht Sicher
09.03.2017, 22:12
Von Ostbürgern höre ich eher selten diese Gedanken, dass Russland immer noch ein Reich der Kommunisten ist. Sind eher Leute, die nicht aus dem Kalten Krieg rauskommen. Und die sitzen fast zu 100% im schwuldekadenten Westen.
Sage ich ja auch. Ich lese viel in englischsprachigen Foren und Kommentarbereichen, natürlich sehr viel bei LiveLeak. Und diejenigen, die Russland mit Sozialismus/Kommunismus gleichsetzen, sind da immer irgendwelche russenfeindlichen Amis, Briten, Australier, Kanadier etc. Russian commie, communist putlerbot usw. kann man da regelmäßig lesen.

herberger
10.03.2017, 08:02
Ruß/sowj. Spruch

"Der Staat hat so getan als wenn er die Arbeiter bezahlt, und die Arbeiter haben so getan als wenn sie arbeiten"!

Haidach
10.03.2017, 20:57
Um gleich auf die Frage Bezug zu nehmen:
Russland ist natürlich kein marktwirtschaftliches sondern ein autoritäres Land mit kapitalistischen Fragmenten, sonst wären bereits alle Russen verhungert, aber eben auch vielen sozialistischen Anteilen, staatlichen Eingriffen, Regulierungen, rechtlichen Unsicherheiten und einer Zwangsinflation wodurch die Kaufkraft zerstört wird.

Ein reines marktwirtschaftliches Land existiert auf unserer Welt ohnehin nicht mehr. Es gibt lediglich mehr und weniger marktwirtschaftliche Länder. Diese haben mehr und weniger autoritäre Herrschaftssysteme.

Das Ideal einer freien Gesellschaft existiert Heute nirgendwo mehr. Einst existierte es in Form der USA. Jeder kann die Geschichte der Whigs in England nachlesen, bis zu ihrer glorious Revolution und ihren Einflüssen auf die USA als ehemaliges Land der Freiheit und der Betonung von Menschenrechten. Zu jenem Zeitpunkt war die Menschheit an einem bestimmten Ort sehr nahe an einem Idealtypus glückselig machender Strukturen. Wir brauchen wieder einen solchen Ort, brauchen eine Wiedergeburt des klassischen Liberalismus, einen Ort wo alle Menschen der Welt, die eine Chance auf ein besseres Leben suchen, eine Zuflucht finden. Sie würden durch ihre Freiheit auf Jahrhunderte das reichste Land der Erde aufbauen. So wie es die USA schon einmal getan haben. Was die Menschheit braucht ist weltlich gesehen eine 2. amerikanische Revolution.

Das ideal einer freien Gesellschaft basierte also auf Sklaverei und Kinderarbeit.

navy
15.03.2017, 19:09
Eigentlich geht es mir hier weniger darum die aktuelle Konjunkturlage in Russland zu diskutieren als vielmehr die Frage, warum viele User (Dima fällt mir als erstes ein, aber auch andere) Russland als letzten Hort des Sozialismus feiern. Ich kenne die Situation vor Ort nicht, aber was man hier über die russische Konsolidierung nach der chaotischen Ära Jelzin liest (wenn man gräbt, im Moment ist ja eh alles auf Anti-Putin-Kurs getrimmt), dann sind es ja eher marktwirtschaftliche Reformen, die Russland seit der Ära Putin konsolidiert haben.

Wieso wird Russland von so vielen als Vertreter des Sozialismus gesehen?

Gute Worte. Putin hat Russland gerettet, was eine Beute krimineller Rothschild Leute, korrupter Politiker und Gangstern geworden war mit US Beratern, was in das Chaos führte. Jelzin erhielt Alkohol, seine Töchter Visa Cards über R.Pacolli und ansonsten hatten nur noch Gangster und Mörder auch mit Hilfe Deutscher Politiker das Sagen