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Vollständige Version anzeigen : Imre Kertész ist gestorben



umananda
31.03.2016, 09:34
Mit Trauer gibt der Rowohlt Verlag bekannt, dass der ungarische Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Imre Kertész heute, am 31. März, im Alter von 86 Jahren in Budapest nach schwerer Krankheit gestorben ist.


Zitat des Rowohlt-Verlags

Imre Kertész, am 9. November 1929 in Budapest als einziges Kind jüdischer Eltern geboren, wurde im Sommer 1944 als 14-Jähriger nach Auschwitz deportiert und von dort ins Konzentrationslager Buchenwald verbracht. Nach Kriegsende arbeitete er zunächst als Journalist bei einer Tageszeitung, die jedoch schon nach kurzer Zeit zu einem kommunistischen Parteiorgan umfunktioniert wurde. 1951 erfolgten seine Entlassung aus der Redaktion und seine Einberufung zu einem zweijährigen Militärdienst. Ab 1953 finanzierte er durch Übersetzungen seine jahrelange Arbeit am Roman eines Schicksallosen, der sein Opus magnum werden sollte. 1975 wurde der Roman in Ungarn veröffentlicht, gelangte dort aber erst Mitte der achtziger Jahre, in einem liberaleren politischen Klima, zu literarischer Anerkennung. Als Rowohlt.Berlin 1992 mit Kaddisch für ein nicht geborenes Kind und 1993 mit Galeerentagebuch begann, Kertész' Werk zu verlegen, wurde der Autor bald auch international wahrgenommen. Der endgültige Durchbruch gelang 1996 mit dem Roman eines Schicksallosen.

Im Jahr 2002 erhielt Kertész für sein Gesamtwerk den Nobelpreis für Literatur. Er selbst bezeichnete die Auszeichnung als "Glückskatastrophe", über die er "sich freute", die ihn gleichzeitig aber "ersticken ließ an der falschen Ehrfurcht, der Liebe, dem Hass und der ihm nun zugedachten öffentlichen Rolle", wie er es in Letzte Einkehr, seinen 2013 publizierten Tagebuchaufzeichnungen aus den Jahren 2001 bis 2009, formulierte.
Wohl bei keinem anderen Schriftsteller sind Werk und Tagebuch so eng verflochten wie bei Imre Kertész. Nach Galeerentagebuch, der erschütternden Dokumentation seiner 30-jährigen Isolation und geistigen Geheimexistenz im sozialistischen Ungarn zwischen 1961 und 1991, und «Letzte Einkehr» erschien am 10. März 2016 in Ungarn ein Abschlussband der Tagebuchveröffentlichungen. Die deutsche Übersetzung, Der Betrachter – Aufzeichnungen 1991─ 2001, wird im Herbst dieses Jahres bei Rowohlt herauskommen.

Ende des Zitats ...

Einer der ganz großen Schriftsteller ist heute gestorben ... doch letztlich stirbt ein Schriftsteller erst dann, wenn man ihn vergessen hat. Doch das wird bei Imre Kertész wohl kaum passieren ...

Servus umananda

Affenpriester
31.03.2016, 09:42
Kenn ich nicht ... was wohl weniger an ihm als an mir liegt.

autochthon
31.03.2016, 09:49
Juedisches Kind.

Und Schriftsteller. Mir war er vom hoerensagen bekannt.

moishe c
31.03.2016, 10:05
Das Leben eines "Schicksallosen", wie aufregend ...

Obwohl mit 14, erst Auschwitz UND dann noch Buchenwald?

Das hätt ich mir jetzt nicht gedacht! Aber so kann's gehen ...

Und nun stirbt er auch noch mit 86 völlig unerwartet!

Da sieht man's mal wieder, die Besten sterben zuerst!

Dayan
31.03.2016, 10:07
Das Leben eines "Schicksallosen", wie aufregend ...

Obwohl mit 14, erst Auschwitz UND dann noch Buchenwald?

Das hätt ich mir jetzt nicht gedacht! Aber so kann's gehen ...

Und nun stirbt er auch noch mit 86 völlig unerwartet!

Da sieht man's mal wieder, die Besten sterben zuerst!
Noch leben Zeitzeugen.

moishe c
31.03.2016, 10:10
Noch leben Zeitzeugen.



Das finde ich auch gut so!

umananda
31.03.2016, 11:34
Noch leben Zeitzeugen.

Imre Kertész ist weitmehr als nur ein Zeitzeuge. Mit seinem Tagebuch "Die letzte Einkehr" hat er dem Schweigen eine Stimme gegeben.

Ich zitiere aus einem Artikel ...

Wie die ungarische Gesellschaft unterzieht Kertész auch Deutschland, das ihn einst auslöschen wollte, einer sehr präzisen Beobachtung. Einiges von dem, was er zu Beginn des Jahrtausends erahnt hat, scheint heute manifest geworden:

"O Deutschland, das seine moralische Überlegenheit wiedergefunden hat. Wie hübsch."

Es gibt zwei Passagen im Buch, die dem Kertész-Kenner einen Stich versetzen. Man liest dort von der drohenden Gefahr einer Überschwemmung Europas mit Muslimen, die den Kontinent in Besitz nehmen und zerstören würden. Von "selbstmörderischem Liberalismus" und der Tatsache, dass man über all dies nicht öffentlich reden dürfe ...

Zitatende ...

Irme Kertész ist ein präziser Beobachter und in seinen Betrachtungen schonungslos ehrlich ...

Servus umananda

ABAS
31.03.2016, 12:47
Imre Kertész ist weitmehr als nur ein Zeitzeuge. Mit seinem Tagebuch "Die letzte Einkehr" hat er dem Schweigen eine Stimme gegeben.

Ich zitiere aus einem Artikel ...

Wie die ungarische Gesellschaft unterzieht Kertész auch Deutschland, das ihn einst auslöschen wollte, einer sehr präzisen Beobachtung. Einiges von dem, was er zu Beginn des Jahrtausends erahnt hat, scheint heute manifest geworden:

"O Deutschland, das seine moralische Überlegenheit wiedergefunden hat. Wie hübsch."

Es gibt zwei Passagen im Buch, die dem Kertész-Kenner einen Stich versetzen. Man liest dort von der drohenden Gefahr einer Überschwemmung Europas mit Muslimen, die den Kontinent in Besitz nehmen und zerstören würden. Von "selbstmörderischem Liberalismus" und der Tatsache, dass man über all dies nicht öffentlich reden dürfe ...

Zitatende ...

Irme Kertész ist ein präziser Beobachter und in seinen Betrachtungen schonungslos ehrlich ...

Servus umananda


Hat der visionaere ungarische Schriftsteller auch vorhergesehen das Ungarn
als eines der ersten Osteuropaeischen Laender mit Coca Cola und dem US
Fast-Food Nahrungsmittelfrass ueberschwemmt wird und sich in das NATO
Buendnis der postimperialistischen, neokolonialistischen US Bestie zwingen
laesst?

umananda
31.03.2016, 13:08
Hat der visionaere ungarische Schriftsteller auch vorhergesehen das Ungarn
als eines der ersten Osteuropaeischen Laender mit Coca Cola und dem US
Fast-Food Nahrungsmittelfrass ueberschwemmt wird und sich in das NATO
Buendnis der postimperialistischen, neokolonialistischen US Bestie zwingen
laesst?

Imre Kertész ist ein Meister der Prosa und kein dümmlicher antiimperialistischer Marktschreier gewesen. Diese Sparte überlasse ich dir ...

Servus umananda

Chronos
31.03.2016, 13:14
(....)

Imre Kertész ist ein Meister der Prosa und kein dümmlicher antiimperialistischer Marktschreier gewesen.

Stammt diese Würdigung aus einem Tagesbefehl des Simon-Wiesenthal-Zentrums, oder hast du das gerade selbst erfunden?

ABAS
31.03.2016, 13:14
Imre Kertész ist ein Meister der Prosa und kein dümmlicher antiimperialistischer Marktschreier gewesen. Diese Sparte überlasse ich dir ...

Servus umananda

Damit kann ich leben, weil ich nicht als ungarischer Jude geboren wurde!

umananda
31.03.2016, 13:45
Stammt diese Würdigung aus einem Tagesbefehl des Simon-Wiesenthal-Zentrums, oder hast du das gerade selbst erfunden?

Und wie lange gedenkst du noch in einem Thread herumzutrollen, der im Gedenken eines heute verstorbenen Schriftstellers eröffnet worden ist?

Servus umananda

Chronos
31.03.2016, 13:52
Und wie lange gedenkst du noch in einem Thread herumzutrollen, der im Gedenken eines heute verstorbenen Schriftstellers eröffnet worden ist?

Servus umananda
Mindestens genau so lange, wie du hier versuchst, einen mittelmäßigen Schriftsteller, der nicht einmal über die Grenzen Ungarns hinaus zu Berühmtheit gelangt ist, als einen Ersatz-Goethe zu verkaufen, nur weil er deiner Glaubens- und Volksgemeinschaft angehört hat - und du diesen Anlass zusätzlich noch instrumentalisierst, um wieder mal in der alten 33-45er-Scheixxe herumrühren zu können.

umananda
31.03.2016, 14:29
Damit kann ich leben, weil ich nicht als ungarischer Jude geboren wurde!

Ich habe mich soeben zum Donaukanal begeben, mit Imre Kertész "Roman eines Schicksallosen ... es ist warm, die Sonne bringt das Wasser im Donaukanal zum glitzern ... neben mir sitzt ein junges flirtendes Paar aus Spanien. Studenten der Angewandten wie ich aus ihrem Gespräch belauscht habe. Ja, ich lege eine Gedenkstunde für Kertész ein. Er ist es wert ... der ungarische Jude.

Servus umananda

ABAS
31.03.2016, 14:33
Ich habe mich soeben zum Donaukanal begeben, mit Imre Kertész "Roman eines Schicksallosen ... es ist warm, die Sonne bringt das Wasser im Donaukanal zum glitzern ... neben mir sitzt ein junges flirtendes Paar aus Spanien. Studenten der Angewandten wie ich aus ihrem Gespräch belauscht habe. Ja, ich lege eine Gedenkstunde für Kertész ein. Er ist es wert ... der ungarische Jude.

Servus umananda

Immerhin gibt mir die Tatsache das Du noch ein junges
flirtendes Paar neben Dir wahrnimmst die Zuversicht das
Du Dich nicht zwischen Deinen Buechern verlierst.

umananda
31.03.2016, 14:43
Immerhin gibt mir die Tatsache das Du noch ein junges
flirtendes Paar neben Dir wahrnimmst die Zuversicht das
Du Dich nicht zwischen Deinen Buechern verlierst.

Das habe ich nie getan. Ich lebe von der Wahrnehmung und von der Beobachtung. Es ist mein Beruf. Bücher sind bestenfalls Gespräche mit fremden Menschen ... die man jederzeit beiseite legen und wieder hervorholen kann ... wie es mir gefällt. Es sind gerade die vielen Unterbrechungen im Lesen, denen wir das Abenteuer Schauen, Verstehen und Staunen verdanken.

Servus umananda

Nachsatz und eine weitere Beobachtung am Donaukanal im Sinne von Imre Kertész ... ein anderes junges Paar sitzt am Rand des Donaukanals und er fotografiert sie mit seinem iPhone und schaut sich das Bild ziemlich genau an und scheint Gefallen daran zu finden. Er zeigt es ihr und sie scheint sein Gefallen an diesem Porträt nicht zu teilen. Sie versucht an das iPhone zu kommen, um es vielleicht zu löschen. Er steckt es in seine Hosentasche. Er will das Porträt von ihr anscheinend behalten. Nach einigen gescheiterten Versuche gibt sie mit einem Lachen auf, sie umarmen sich und schauen gemeinsam ins fließende Wasser. Ich habe soeben einer Versöhnung beigewohnt.

Leseratte
31.03.2016, 14:50
Er hatte auch Kritiker.



Funktionäre des von den Rechten kontrollierten Schriftsteller-Verbandes und rechtsgerichtete Publizisten reagierten erzürnt. Sie warfen dem in Berlin (http://www.zeit.de/thema/berlin) lebenden Kertész vor, Ungarn zu "verunglimpfen". Der Tenor einiger Kritiker schien den Schriftsteller jedoch zu bestätigen. Die Tageszeitung Magyar Hirlap, die dem oppositionellen rechts-konservativen Bund Junger Demokraten (Fidesz) nahesteht, schrieb am Dienstag in einem Kommentar, Kertész sei "wurzellos" – eine unter Antisemiten geläufige Chiffre, um jüdische Intellektuelle zu diskriminieren. Der Sekretär des Schriftstellerverbandes, László L. Simon, schrieb im selben Blatt, dass "Kertész das Land andauernd verunglimpft".


http://www.zeit.de/kultur/literatur/2009-11/kertesz-ungarn-rechte

cornjung
31.03.2016, 15:02
Ich habe mich soeben zum Donaukanal begeben, mit Imre Kertész "Roman eines Schicksallosen ... Ja, ich lege eine Gedenkstunde für Kertész ein. Er ist es wert ... der ungarische Jude.
Schön, das du ausnahmsweise mal ein Buch eines deiner Ansicht nach " ganz großen Schriftstellers " und Juden liest. Das koschere Essen im Tel Aviv Beach aus dem Nani ist auf jeden Fall beschissen, und das Lokal ist zum Lesen zu laut.

John Donne
01.04.2016, 17:33
In Sachen Literatur vertraue ich den Buchempfehlungen meiner Mutter (die Literatur studiert hat). Sie kennt sich in der Materie aus und darüberhinaus mich. Kertész war auch darunter, und das war kein Fehler, sondern ein Gewinn. Er ruhe in Frieden.