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Vollständige Version anzeigen : Nikolaus Harnoncourt ist tot



Mütterchen
06.03.2016, 13:10
Mit 86 Jahren hat er ein schönes Alter erreicht. RIP.



Einer der ganz Großen der klassischen Musikwelt ist tot: Der Dirigent und Meister der Alten Musik, Nikolaus Harnoncourt, ist in der Nacht auf Sonntag im Kreise seiner Familie nach einer schweren Erkrankung im Alter von 86 Jahren gestorben.
...
„Eine Ära ist zu Ende gegangen“, sagte Musikvereinsintendant Thomas Angyan tief erschüttert in einer ersten Reaktion. "Ich hätte nie erwartet, dass zwischen seinem Rückzug aus dem Konzertleben und seinem Ableben so eine kurze Zeitspanne liegen würde. Harnoncourt sei „das Original des Originalklangs“ gewesen: „Das ist unwiederbringlich. Wir haben die Verpflichtung, das musikalische Erbe, das er uns hinterlassen hat, weiterzuführen.“


http://orf.at/stories/2328184/

Bunbury
07.03.2016, 23:51
R.I.P. Er war einer der Repräsentanten der sogenannten historisch-informierten Aufführungspraxis; als solcher hat Harnoncourt auch den kuriosen Beginn dieser Bewegung mitgemacht. Ihre Vertreter waren eher wenig informiert, der Neuen Sachlichkeit verpflichtet, als deren ursprünglicher Vertreter Hindemith zu nennen ist, des ersten Dirigenten einer historisierenden Aufführung von Monteverdis "Orfeo". Unter seiner Leitung hatte Harnoncourt mitgewirkt. Es spricht für Harnoncourt, daß er sich von diesen Kinderkrankheiten der historischen Aufführungspraxis (vibratoloses Gesäge, Terrassendynamik) gelöst und zu einer differenzierteren Spielweise gefunden hat. Es ist mit der historisch-informierten Aufführungspraxis wie mit den Grünen, die viel Unsinn verzapft, aber anderen Parteien zu einem Bewußtseinswandel verholfen haben (den Umgang mit der Natur betreffend): Viele "normale" Orchester und Dirigenten haben von den Erkenntnissen der historisch-informierten Aufführungspraxis gelernt. Umgekehrt haben sich Harnoncourt und die HIP (historically informed performance practice) immer moderneren Werken zugewandt. Jetzt warte ich auf eine HIP-Interpretation von Stockhausens "Gesang der Jünglinge im Feuerofen" - gespielt auf historischen Instrumenten.

Panier
08.03.2016, 00:09
[...]Hindemith[...]

Hatte der nicht vor etlichen Jahrzehnten eine völlig skurille Monteverdi-Orchesterfassung mit Akkordoens geschaffen? Ich kann auf die Schnelle im Netz keine zuverlässige Quelle finden. Auch nicht auf die Fragen, die mich aus dem anderen aktuellen Musik-Strang beschäftigen. Bis wann war das Hallenser Händelfestspielorchester ein Kompromiß, bei dem die Streicher Stahlsaiten verwendeten? Oder tun sie es sogar immer noch?

Bunbury
08.03.2016, 00:12
Hatte der nicht vor etlichen Jahrzehnten eine völlig skurille Monteverdi-Orchesterfassung mit Akkordoens geschaffen? Ich kann auf die Schnelle im Netz keine zuverlässige Quelle finden. Auch nicht auf die Fragen, die mich aus dem anderen aktuellen Musik-Strang beschäftigen. Bis wann war das Hallenser Händelfestspielorchester ein Kompromiß, bei dem die Streicher Stahlsaiten verwendeten? Oder tun sie es sogar immer noch?
Letztere Frage kann ich nicht beantworten, erstere schon: Paul Hindemith ist 1963 gestorben. Für den von Dir genannten Unfug kann er also nicht verantwortlich sein; dafür hat er die Musik auch zu ernstgenommen.

Panier
08.03.2016, 00:40
[...]Paul Hindemith ist 1963 gestorben. Für den von Dir genannten Unfug kann er also nicht verantwortlich sein; dafür hat er die Musik auch zu ernstgenommen.

Hindemith hat auf jeden Fall an Monteverdi 'rumgemacht, aber um die genauen Details herauszufinden, muß man sich wohl in eine Bibliothek begeben.

http://www.allmusic.com/album/claudio-monteverdi-orfeo-hindemiths-reconstrucion-mw0001995748

Bunbury
08.03.2016, 00:58
Hindemith hat auf jeden Fall an Monteverdi 'rumgemacht, aber um die genauen Details herauszufinden, muß man sich wohl in eine Bibliothek begeben.

Wie schon gesagt: Er hat den "Orfeo" dirigiert - meines Wissens die erste Einspielung, die sich um eine werkgetreue Wiedergabe im Sinne der Aufführungstradition zur Zeit Monteverdis bemühte. Das schließt den Gebrauch von Akkordeons aus.

Leila
09.03.2016, 03:24
https://www.youtube.com/watch?v=EcRFFmgVGlc

Wenn dies, oh liebes Mütterchen, kein herzbewegendes, Augen und Ohren erregendes Spektakel ist!

Ach, wie gerne wäre ich nochmals eine junge begehrte Soziologiestudentin, die nach einem Opernbesuch in Begleitung ihres Verehrers auf dem Limmatquai entlangspazieren kann!

Als ich einem Kommilitonen mein Erlebnis erzählte, meinte dieser: „Monteverdi? (https://de.wikipedia.org/wiki/Automobile_Monteverdi) – Hat der auch komponiert?“

Bunbury
09.03.2016, 03:58
Als ich einem Kommilitonen mein Erlebnis erzählte, meinte dieser: „Monteverdi? (https://de.wikipedia.org/wiki/Automobile_Monteverdi) – Hat der auch komponiert?“

Und die notorischen Antisemiten werden fragen: Monteverdi? Heißt der in Wirklichkeit nicht 'Grünberg'?

KuK
09.03.2016, 04:33
Moin, Bunbury!


Und die notorischen Antisemiten werden fragen: Monteverdi? Heißt der in Wirklichkeit nicht 'Grünberg'?

Soweit gehen doch bei vielen Antisemiten die Sprachkenntnisse nicht einmal, um den Witz dahinter zu erkennen.

Um Nicolaus Harnoncourt ist es schade. Ich habe seine Arbeit über 50 Jahre verfolgen können und war an die 20 Mal in seinen Aufführungen als Zuhörer - und stets fasziniert. Bei drei Proben in Hamburg konnte ich zugegen sein und war überrascht, mit welcher Authorität er seinen "Orchester-Graben" leitete. Da wurden selbst kleinste Sequenzen so oft wiederholt, bis es dem Meister genehm war. Die "Tutti-Schweinchen" haben mir leid getan!

Ein Genie ist auf nach Walhall. Man seufzt!

Besten Gruß,

KuK

Leila
09.03.2016, 04:38
Das Libretto auf deutsch: Klick! (http://www.opera-guide.ch/opera.php?id=226&uilang=de)