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Vollständige Version anzeigen : Deutschland im Bau -und Renovierungswahn



Servianus
25.12.2015, 20:47
Man glaubt es kaum, in sehr vielen Städten und Kommunen wird in sehr wenigen Jahren fast alles renoviert oder komplett neu gebaut. Und am besten dann auch gleich die Luxusvariante.

An jeder Ecke werden die Straßen aufgerissen. Bei Fahrradtouren im Sommer musste ich feststellen, dass in jedem 2. Dorf sowohl eine der 2 wichtigsten Straßen wegen Bauarbeiten gesperrt war als auch der Kirchturm komplett von Gerüsten umzäunt. Bei Brunnen und Häuserfassaden, die Jahrzehntelang nichtmehr gereinigt oder neu angestrichen wurden, wurde das jetzt innerhalb eines Jahres nachgeholt. Nachdem bis vor wenigen Jahren hier in der Gegend absolut garnichts in der Richtung gemacht wurde kann mans nun kaum abwarten.

Hier wird eine Schule für 10 Mio. behindertengerecht umgebaut, wurde ein Luxus-Toilettenhäuschen für schlappe 200.000 € gebaut, ein Busbahnhof für über 1 Mio. (der alte wurde in den 90ern abgerissen, weil er nichtmenr gebraucht wurde),es werden massenhaft neue Busse gekauft, in wenigen Monaten wurden alle Bushaltestellenhäuschen in der ganzen Stadt gegen neue ausgetauscht, es soll demnächst eine Seepromenade für zig Millionen entstehen.Es wird eine Flüchtlingsunterkunft für 6 Mio. € für 400 Flüchtlinge gebaut. 15.000 € pro Flüchtling. Und nicht nur das. Dort sollen diese nach 1 Jahr wieder ausziehen und dann soll die Halle für die Industrie genutzt werden. Nur ob überhaupt eine Firma so eine Halle genau an diesem Ort braucht ist mehr als fraglich (wenn die Stadt die Halle nicht für maximal die Hälfte wieder verschleudert).

Scheinbar plant derzeit jede 3. Kommune anstatt endlich mal die Hallenbäder zu renovieren einen kompletten Abriss und Neubau für einen 2 stelligen Millionenbetrag. Und selbst beim Neubau soll fast allenorts eine Luxusversion werden. Die Wirtschaft brummt. Man hats ja.

Machen wir mal mit der Bahn weiter. Bahnstrecken, wo früher mal im Stundentakt gefahren wurde und dann daraus 2 Stundentakt wurde und dann 3 Studnentakt. Dann wollte man diese Strecken am besten mangels Rentabilität gleich ganz schließen. Nun sind Politik und Bahn aufeinmal ganz heiß um ein gutes Nahverkehrsangebot anbieten zu können und haben auf fast sämtlichen Regionalstrecken wieder den Stundentakt, dazu hat man sich noch komplett neue Züge angeschafft. Und keiner weiß warum jetzt aufeinmal. In Niedersachsen will die Politik, dass in den 90ern oder davor stillgelegte Bahnstrecken wieder reaktiviert werden. Dass stillglegte Bahnhöfe (die inzwischen entfernt, oder in diesem Zustand unbrauchbar sind) wieder eröffnen. Es werden deutschlandweit massenhaft neue Züge gekauft. Hier mal ein paar Beispiele:
S-Bahn in Berlin
http://www.tagesspiegel.de/berlin/grossauftrag-bei-siemens-stadler-platte-schnauze-so-sieht-berlins-neue-s-bahn-aus/12757168.html
S-Bahn in Hamburg
http://www.nahverkehrhamburg.de/s-bahn-hamburg/item/852-auslieferung-ab-2016-so-sehen-hamburgs-neue-s-bahnen-aus
ICE 4
http://www.deutschebahn.com/de/presse/Medienpakete/Themen/p_medien_strukt/v_personenverkehr/9944922/medienpaket_ice4.html?start=0&itemsPerPage=10
neue ICs
http://www.tagesspiegel.de/berlin/in-potsdam-vorgestellt-der-neue-doppelstock-intercity-wie-finden-sie-ihn/12362356.html

Man macht nicht erstmal kleinere Stückzahlen, man will gleich die ganze Flotte inerhalb weniger Jahre austauschen.
Auch Busse und Straßenbahnen werden aufeinmal wie bekloppt neu gekauft.

Dazu noch Bahnhofsrenovierungen im großen Stil:
http://www.fnp.de/lokales/frankfurt/Vieles-wird-neu-am-Hauptbahnhof;art675,1765003
http://www.mz-web.de/halle-saalekreis/bahnknoten-halle,20640778,28258670.html
Dazu kommen noch zig weitere Bahnhöfe wie Hamburg-Altona.
Die ausufernden Kosten vom BER, Stuttgart21 und Elbphilharmonie nicht zu vergessen. Dann das Geld für die Flüchtlinge. Neue Wolkenkratzer oder besonders hohe Bürogebäude schießen wie Pilze aus dem Boden.

Deutschland als Exportland ist darauf angewiesen, dass möglichst viele in anderen Ländern deutsche Produkte kaufen. Schauen wir uns mal in der Welt um. Massenarbeitslosigkeit in Südeuropa, Russlandsanktionen, Börsencrash in China, Argentinien und die Ukraine sind im Prinzip pleite. Brasilien schlittert in eine Tiefe Krise. In Syrien kauft man sicher aktuell auch kaum deutsche Produkte. Deutschlands größte Firma VW hat nen massiven Imageschaden. Aber die deutsche Exportindustrie brummt, wir brauchen ja laut Wirtschaft und Medien noch zusätzlich qualifizierte Arbeitskräfte. Man hört zwar dauernd von Entlassungen und sieht das Läden schließen, nur ist die Beschäftigung angeblich so hoch wie nie.

Ich hab letztens gelesen, dass es 9 Milliarden € Überschüsse gibt, weil die Wirtschaft so toll läuft. Aber wer kauft denn das ganze Zeug?

Also wo kommt das ganze Geld her? Und was wird hier genau gespielt? Wenn das Geld da ist, warum hat es bis vor kurzem noch an allen Ecken gefehlt?

Wenn es gedruckt wird, warum machen es dann nicht alle anderen genauso? Und falls die es auch so machen warum gibt es noch keine Hyperinflation? Falls Draghi Deutschland das Geld zukommen lässt, auf welchem weg? Falls Draghi das Geld billig den Banken zur Verfügung stellt und die es an den Staat weiterverleiht, wieso wird dann von Überschüssen beim Staatshaushlt gesprochen. Das macht doch vorne und hinten keinen Sinn.


Und warum hieß es bis vor wenigen Jahren immer wir müssen den Gürtel enger schnallen, aber jetzt hat man das Geld, trotz Krisen weltweit?

Wolf Fenrir
25.12.2015, 22:09
Weltweit weiß ich nicht... Aber in de BRD hat der Geldsegen eindeutig mit den orientalischen Lieblingen der Herrschenden Klasse in der BRD zu tun ...

Schwabenpower
25.12.2015, 22:29
Weltweit weiß ich nicht... Aber in de BRD hat der Geldsegen eindeutig mit den orientalischen Lieblingen der Herrschenden Klasse in der BRD zu tun ...
Jein. Hier in Augsburg und Umgebung wird schon seit Jahren gebaut wie verrückt. Trotzdem gibt es kaum Wohnungen.

Tatsächlich hat Bayern jetzt noch zusätzlich ein Förderprogramm aufgelegt. Für wen wohl? Deutsche Wohnungssuchende, ob Arbeitnehmer oder Studenten, interessieren nicht.

Man muß natürlich zwischen privatem, nicht geförderten, und staatlichem Bau unterscheiden

Kater
26.12.2015, 04:09
Hier auch, Schwabenpower! In Frankfurt wird reichlich gebaut, und es sind auch viele öffentlich geförderte Wohnungen für Gering- und Normalverdiener dabei. Nur leider viel zu wenige. Dafür wurde mit dem Europaviertel ein komplettes (seelenloses) Wohnviertel von privaten Investoren aus dem Boden gestampft. Andererseits ist das auch besser als nichts, denn Gutverdiener oder Expatriates zieht es tatsächlich in diese Chef-Schließfächer, und sie belasten den herkömmlichen Wohnungsmarkt nicht auch noch.

BlackForrester
26.12.2015, 11:10
Investionen zum Bau und Erhalt der Infrastruktur sind nun einmal eine Notwendigkeit um die man nicht herum kommt...also Staat nicht und auch als Bürger nicht.

Die Frage ist immer nur - wie wird investiert, was wir investiert, wie sinnvoll ist eine Investition und vor allem - was sind die Folgekosten und hier beginnt in meinen Augen die Problematik in diesem Land. Man kann sich über das WIE, das WAS und über die SINNHAFTIGKEIT streiten - es sollten bei dem ganzen "Streit" aber immer die Folgekosten mit in Betracht gezogen werden sollte man sich für eine Investition entscheiden.