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Vollständige Version anzeigen : Papago Park Arizona 1944 - die Flucht der 25 Kriegsmarineoffiziere



Bergischer Löwe
21.08.2015, 14:28
Marine-affin, wie ich nun einmal bin, bin ich beim Sichten von alten Unterlagen auf eine haarsträubende Geschichte gestoßen, die sich im und um das Kriegsgefangenenlager "Papago Park" in der Nähe von Pheonix, AZ im Dezember 1944 zutrug.

Das Lager:

Papago Park wurde 1943 errichtet und sollte eigentlich ausschließlich italienischen Kriegsgefangene dienen. Es war ein Lager mit sehr niedriger Sicherheitsstufe und da Italien bereits die Seiten gewechselt hatte, sah man darin auch kein Problem. Nun aber quollen die Läger im Nordosten der USA von deutschen Gefangenen, primär Luftwaffe und Marine - aber vermehrt auch Heer (Tunesien) über. Also entschied Washington Papago Park ausschließlich für Deutsche zu nutzen. Man unterließ es weitere Sicherheitsmaßnahmen vorzusehen und auch die Bewacher waren eher unbedarfte Landser. Ältere GI`s, Verwundete, Kriegsdienstuntaugliche.

Das Lager bestand aus 5 sogenannten "Compounds". Vier davon waren für Mannschaften und Unteroffiziere gedacht. Eins für Offiziere. Aus allen Landesteilen schlugen überwiegend Marineleute in Papago Park auf. Auch notorische Ausbrecher. Eigentlich alle notorischen Marine-Ausbrecher, die in Nordamerika in Gefangenschaft waren. Fast alle davon waren Offiziere. Und die wurden ausgerechnet in einem Compound untergebracht, das nicht vollständig von den Wachtürmen einsehbar war.

Das Lager befand sich in der östlichen Hochwüste von Arizona und bekam schnell den Spitznamen "Schlaraffenland" unter den deutschen Gefangenen. Arbeit war nicht vorgeschrieben. Man durfte sich individuellen Neigungen hingeben (Chor, Sport, Film-AG, Theater). Einige Gefangene hatten sogar Ausgang auf Ehrenwort (!!). Aus schierer Langeweile meldeten sich 700 Gefangene zum Arbeitseinsatz außerhalb auf Farmen und Werkstätten. Überwiegend bei Deutschstämmigen. Ein fataler Fehler der Verwaltung, wie sich später herausstellen sollte.

Der Drahtzieher:

Fregattenkapitän Jürgen Wattenberg

Offizier auf der "Graf Spee" bei der Schlacht am Rio de la Plata, in Uruguay interniert, über Brasilien entkommen, wurde Kommandant von U-162, versenkte 70.000 BRT, wurde mehrfach befördert (zuletzt in Gefangenschaft) und überlebte mit 48 Mann seiner Mannschaft die Versenkung seines Bootes nahe Trinidad in der Karibik durch drei britische Zerstörer. Wurde von den Briten an die USA ausgeliefert und im Sommer 43 nach Papago Park verlegt. Er war der ranghöchste Offizier im Lager, überzeugter Nationalsozialist, eisenharter Bootsführer, extrem schlau und geschickter Taktiker. Er entdeckte die Lücken im Bewachungssystem von Papago Park sofort.

Der Plan:

Wattenberg beantragte den Bau eines Faustballfeldes nachdem er gesehen hatte, daß die Posten auf den Wachtürmen einen Bereich hinter der Waschbaracke der Offiziere nicht einsehen konnten. Der Bau wurde ihnen genehmigt und sofort begann Wattenberg mit seinem Stab an der Konstruktion eines 56 m langen Tunnels und zwei je 2 Meter tiefen Ein- und Ausstiegsschächten. Den Lagereinstieg verbargen sie mit einer großen Kohlewanne, in der die Badeofen-Kohle aufbewahrt wurde. Er ließ falsche Papiere im Lager erstellen, rationierte die reichlich vorhandene Nahrung (um Vorräte für die Flucht zu haben) und ließ über Freigänger und gleichgesinnte Deutschamerikaner draußen, Kontakte nach Mexiko herstellen. Die Grenze war ja nur 200 Meilen entfernt. Von Veracruz aus sollte es dann mit einem neutralen Dampfer nach Spanien gehen, dann mit Hilfe des deutschen Auslandsgeheimdienstes über die Pyräneen nach Frankreich und wieder ab "ran an den Feind".

Die Köpfe der Flucht:

KptLt. Hans Werner Kraus, Ritterkreuzträger, 29 Jahre, Kommandant von U 47 (Nach-Nachfolger seines ehemaligen Kommandanten Günter Prien, dem Held von Scapa Flow)

KptLt. Fritz Guggenberger, Ritterkreuzträger, 29 Jahre, Kommandant von U 513, Versenkte mit U 81 den britischen Flugzeugträger "Ark Royal".

KptLt. August Maus, Ritterkreuzträger, 29, Kommandant von U 185, Einer der Top-Versenker, Crewkamerad von Guggenberger auf der "Gorch Fock".

KK Wilhelm Günther, Ritterkreuzträger, 34, Kommandant von U 272

Lt.z.S. Wolfgang Clarus, I WO auf U 513 von Guggenberger

Lt.z.S. Fritz Utzolino, II WO auf U 47 von Kraus


Die Fluchtvorebereitung:

Zivilkleidung war genäht. Ausweise gefälscht. Essen vorrätig. Nun musste natürlich so viel Zeit wie möglich herausgeschunden werden, bis die Amis merken, daß welche fehlen. Das erreichte Wattenberg mit einem Trick. Er ließ einen Streik ausrufen, da die Offiziere "nur" durch einen Master Sergeant zum Appell gerufen werden. Sie verlangten von einem Offizier gerufen zu werden. Die Offiziere verließen ihre Barracken nicht mehr, bis ihre Forderung erfüllt wäre. Nach zähen Verhandlungen mit der US Lagerleitung entstand ein Kompromiss. Da die Lagerleitung nur einen Offizier zur Verfügung hatte der Sonntags frei hatte (...), fand Sonntags eben kein solcher Appell statt. Das war die Chance. In der Nacht von Samstag auf Sonntag im späten Dezember 44, entkamen 25 Offiziere durch den Tunnel in die Freiheit. Bis zum Appell am Montagmorgen bliebt das unbemerkt.

Die Flucht und der Ausgang:

Günter, Clarus und Utzolino wollten mit einem selbstgebauten Floss über den Salt River in den Colorado River und von dort aus bis zur mexikanischen Mündung des Flusses. Leider führte der Salt kaum Wasser und sie mussten ihren Plan aufgeben. Sie marschierten zu Fuss nach Südwesten und gelangten bis 10 Meilen an die Grenze. Dann - unvorsichtigerweise - wollte sie ihre Kleidung in einem Bach waschen und wurden dabei von Cowboys entdeckt, die die merkwürdigen Gestalten der Polizei meldeten. Alle drei wurden gefasst und nach Papago Park zurückgebracht. Strafe: Wasser und Brot soviele Tage wie sie "draußen" waren.

Guggenberger und Quät wurden beim Versuch die Grenze zu überschreiten geschnappt. Strafe: Isolationshaft für 2 Wochen.

Kraus und Günter wurden völlig unterkühlt (es hatte tagelang geregnet und es war kalt) und halbverhungert in der Wüste von indianischen Scouts aufgespürt. Beide wurden wochenlang im Krankenhaus behandelt. Lungenentzündung. Bestraft wurden sie nicht.

Wattenberg hielt sich für fast 2 Monate bis Ende Januar 45 mit zwei anderen Offizieren in den Bergen Arizonas in einer Höhle versteckt und wartete auf Wetterbesserung. Von dort aus machten sie sich mit der Gegend vertraut und marschierten sogar frech in die Stadt Phoenix. Aßen dort in Restaurants (sie hatten Geld von den "Draußen" Arbeitern) und schliefen in Hotel-Lobbys. Einer der Offiziere stellte Kontakt zu einem "Draußen" Arbeiter her und tauschte mit ihm die Rollen. Der Arbeiter ging in die Höhle und der Offizier (Kremer) ins Lager zurück, um Essen und Informationen zu holen. Am nächsten Tag tauschten sie die Rollen zurück. Wattenberg wurde dann am Morgen des 28.01.45 in Phoenix geschnappt, als er einen Straßenreiniger nach dem Weg fragte und leider an einen deutschtämmigen Kommunisten geriet, der sofort Lunte roch und die Polizei alarmierte.

Niemand der Flüchtigen schaffte tatsächlich Wüste, indianischen Scouts und dem Wetter zu entkommen. Niemand - auch nicht das sehr nachlässige Wachpersonal - wurde ernsthaft bestraft und niemand kam bei der Flucht zu Tode. Alle betraten im Laufe des Jahres 1946 wieder heimatlichen Boden und machten teils in der Wirtschaft (Watteberg bei Jever Bier) oder Bundesmarine (Guggenberger - bis zum Admiral) Karriere.

Trotz des Misslingens - eine wie ich finde beispielhafte Geschichte, für den Mut "einfacher" Soldaten und ihren unbedingten Wunsch, der Heimat wieder helfen zu können.

Hier die Beteiligten:

50883

Jürgen Wattenberg


50884

Fritz Guggenberger


50885

August Maus

Rolf1973
21.08.2015, 15:01
Eine Kleinigkeit fällt auf: U 47 ging unter dem Kommando von Günther Prien im März 1941 verloren (wird seitdem vermisst),
es kann also auf diesem Boot keinen Nachfolger von Prien gegeben haben.

Frontferkel
21.08.2015, 17:49
Tolle Geschichte . Das es so etwas gab war mir ja bekannt . Diese bis jetzt noch nicht . :top: