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Vollständige Version anzeigen : Heinz Bontrup: Das Kapital benötigt eine Gegenmacht



Nissen76
30.11.2005, 10:49
Deutschland ist tief durchsetzt
von einem unheilvollen
neoliberalen Denken. Hierfür
verantwortlich ist eine Politik,die
weltweit eine rein markt- und kapitalorientierte
Globalisierung
und Liberalisierung ohne notwendige
und hinreichende staatliche
Kontrollen, insbesondere
an den völlig entfesselten Finanzmärkten,
zugelassen hat. Speziell
in Deutschland wird diese falsche
Politik mit medialer Unterstützung
seit Jahren gebetsmühlenartig
als richtig dargestellt. Man
müsse sich, obwohl von Menschen
verursacht, damit abfinden,
als sei dies unbeeinflussbar
wie eine Naturgewalt. Die einzige
Antwort (Alternative) darauf
sei eine nationale angebots(profit)
orientierte Wirtschaftspolitik,
oder anders formuliert: Die Unternehmer
und das Kapital müssten
bevorteilt werden und das
uneingeschränkte Sagen haben.
Die abhängig Beschäftigten hätten
dagegen den Gürtel enger zu
schnallen und sich zu bescheiden.
Ludwig Erhard, langjähriger
Bundeswirtschaftsminister und
späterer Bundeskanzler, sah dies
noch anders: Er wollte »Wohlstand
für alle« und nicht nur
»Wohlstand für Unternehmer
und Kapitaleigner«; übrigens,
Bundeskanzler Willy Brandt hat
das auch noch so gesehen.
Unter dem nun seit 30 Jahren
umgesetzten neoliberalen Regime
sieht die Welt aber gänzlich
anders aus. Die Arbeitnehmer
sind zu einer betrieblichen, jederzeit
erpressbaren Restgröße
geworden. Lohnsenkungen, längere
Arbeitszeiten ohne Bezahlung
und eine Beschneidung
von heute nur unzureichend
vorliegenden Mitbestimmungsrechten
stehen in den Unternehmen
auf der Tagesordnung.
Es regiert die nackte Angst,
die bei den Menschen zu einer
immer größeren Anpassung an
die Verhältnisse führt und dringend
benötigte Innovationen
behindert. Denjenigen, die keine
Arbeit mehr haben, sagt man,
sie sollen (müssen) jede Arbeit
annehmen. Sie sollen nicht nach
der Qualität und der Bezahlung
von Arbeit fragen. Hauptsache
Arbeit sei in jeder Beziehung
billig, egal ob Menschen davon
leben, sich mit ihrer Arbeit identifizieren,
geschweige denn ein
planbares Leben davon führen
können. Für Unternehmer und
ihre Geschäfte ist dagegen Planungssicherheit
eine gegenüber
der Politik immer wieder eingeforderte
und von dieser auch
unumwunden zugestandene
Selbstverständlichkeit.
So, wie die Löhne verfallen,
so steigen die Gewinne. Sie werden
letztlich zu funktionslosen
Gewinnen, weil sie nicht, wie
immer wieder fälschlicherweise
betont wird, zu mehr Investitionen,
Wachstum und Beschäfti-
gung führen. Im Gegenteil: Die
Krise verschärft sich und Arbeitslosigkeit
nimmt zu, weil
ganz einfach kaufkräftige Nachfrage
fehlt. So führt ein sich immer
mehr verfestigendes Überschussangebot
an Ware Arbeitskraft
zu unternehmerisch paradiesischen
Verhältnissen und zu
einem Unternehmerstaat. Es ist
unerträglich geworden, wie die
neoliberalen Geister in unserem
Land immer unverschämtere
Forderungen stellen und die
»Große politische Koalition«
diese erfüllt. Löhne runter, Steuern
runter und dann schließlich
den Sozialstaat, obwohl verfassungsmäßig
verankert, bis zur
Unkenntlichkeit verstümmeln.
Hauptsache die Gewinne steigen
(noch), und dann, so die
ökonomischen Laienspieler und
ihre politischen Claqueure, gehen
wir alle ins gelobte Land der
Vollbeschäftigung und des
Wohlstands. Selbst derjenige,
der nur über einen geringen
ökonomischen Sachverstand
verfügt, müsste zu dem Ergebnis
kommen,dass am Ende auch die
Unternehmer und das Kapital
die Verlierer sein werden. Sie sägen
sich den Ast, auf dem sie
glauben, sicher zu sitzen, selber
ab. Mit rein neoliberal betriebener
Angebotspolitik ist das kapitalistische
System zutiefst instabil.
So lässt sich keine Profitrate
langfristig erwirtschaften und
stabilisieren. Es kommt schließlich
zu immer härteren Verteilungskämpfen
nicht nur gegenüber
den abhängig Beschäftigten,
sondern auch im Kapitallager
selbst. Die großen Unternehmen
»fressen« die kleinen
und mittleren Unternehmen.
Konzentrationsprozesse und damit
einhergehende Marktvermachtung
mit enormen Gewinnumverteilungen
innerhalb
der Kapitalfraktion zu Gunsten
des Großkapitals sind eine der
Folgen. Der Mittelstand blutet
aus, er kann nicht mehr investieren
und damit wachsen. Er
kommt unter Kostendruck und
muss Beschäftigte entlassen.
Dies alles ist bereits in erschreckender
Weise heute Realität.
Auch hier versagt
Politik auf
ganzer Linie, auch
hier gilt in der Politik
die ökonomisch
einseitige neoliberale
Auffassung:
Der Markt wird es schon regeln.
Weder Markt noch Wettbewerb
oder Gewinn sind aber ein
Selbstzweck und die Wirtschaft
ist für den Menschen da, nicht
umgekehrt.Wir müssten eigentlich
aus der Vergangenheit gelernt
haben, um zu wissen, was
passiert, wenn man die Wirtschaft
sich selbst überlässt.
Das Unternehmertum ist aufgrund
eines ausschließlich betriebswirtschaftlichen
Denkens
unfähig, für eine krisenfreie und
Vollbeschäftigung garantierende
Wirtschaftsentwicklung zu sorgen.
Ein starker, in den Markt intervenierender
Staat ist deshalb
notwendig. Außerdem benötigt
das Kapital eine Gegenmacht
durch eine wirkliche paritätische
Mitbestimmung der Arbeitnehmer
in allen wirtschaftlichen Angelegenheiten.
Ohne diese Mitbestimmung
werden die Beschäftigten
nie die Möglichkeit
haben, Einfluss zu nehmen und
über ihr Schicksal selbst zu bestimmen.
Die Gewerkschaften
sind aufgerufen, gegenüber der
Politik auf einer Umsetzung der
Demokratie in der Wirtschaft zu
bestehen.Seine Argumentation leuchtet mir ein. Mit seinen Prognosen malt er aber etwas den Teufel an die Wand.

zitronenclan
08.12.2005, 10:40
Schließe mich diesem Zitat an.Die Argumentation finde ich richtig.
Längerfristig wird es sich natürlich auch auf die oberen auswirken,aber in der Zwischenzeit weden die unteren/mittleren immer mehr und mehr erbärmliche Arbeits- und Lebensbedingungen haben.Es sei den es kommt endlich zu längst fälligen Gegenmaßnahmen seitens der darunter leidenden Massen.
Leider liegen die noch, seit 30 Jahren im Halbschlaf oder geben sich wie Scheintot.
Die Arbeiter haben anscheinend schon nach ein paar Jahren einigermaßenen Wohlstand ihre Herkunft und Geschichte vergessen, da ihm suggeriert wurde :Jeder kleine Sche.... wäre auch ein Kapitalist und könne reich werden....
Das das mitnichten so ist und sich die Bedingungen ständig verschlechtern merkt nicht jederman und die Leute immer mehr mit dem Überlebenskampf beschäftigt/igen müßen, werden/sind.

AlexW
17.12.2005, 22:42
Seine Argumentation leuchtet mir ein. Mit seinen Prognosen malt er aber etwas den Teufel an die Wand.

Welche Argumentation? Dass die Unternehmen ein Gegengewicht brauchen könnten, sicher.
Die Idee, dass die Gewerkschaften das bilden könnten, lächerlich.

Was die Macht der Gewerkschaften beschränkt ist nicht eine Unternehmerfreundliche Politik, sondern dass die Unternehmen schlicht Arbeitsplätze ins Ausland verlagern, wenn ihnen die Gewerkschaften krumm kommen.

Glauben Sie ehrlich, das noch irgendwer einen Cent hier investiert, wenn hier die paritätische Mitbestimmung gilt? Unternehmen verlagern ihren Hauptsitz ins Ausland und lassen keinen einzigen Cent der nicht in Deutschland verdient worden ist nach Deutschland.

Sowas klingt gut, aber es funktioniert nicht. Die meisten Großunternehmen sind inzwischen Weltfirmen. Ein Konzern wie Siemens hat mit Deutschland real nicht mehr zu tun als IBM, außer das er zufällig an der Deutschen Börse notiert ist und seinen Hauptsitz hier hat.
Von den vielen ausländischen Firmen, die hier nur Produktionsstätten haben, gar nicht erst zu reden.