PDA

Vollständige Version anzeigen : Sind die neuen Staaten vollwertig?



Brathering
16.03.2015, 12:09
Was denkt ihr über die Neuzugänge unter den Staaten, sind sie eurem Bauchgefühl nach gleichwertig und gleichartig?

Nach dem ersten WK entstand ein Batzen neuer Staaten, manche kurzlebig wie die Balten und Kaukasusrepubliken, die in die SU übergingen, andere hielten sich länger, wie die Zerfallsprodukte Österreich-Ungarns und des Osmanischen Reiches (Zerfall begann im 19ten Jahrhundert).
Manche kamen-gingen-kamen (Balten, Tschechoslowakei, Jugoslawien, Kaukasus).

Dann, nach dem zweiten WK und der endgültigen Expansion der SU zu Lasten einiger kam die Dekolonialisierung - es ging um Kolonien (teils nicht vom letzten Besitzer kolonisiert sondern als Beute eines anderen übergegangen), die zuvor keine eigene Staatlichkeit und Volksempfinden jenseits von Stämmen hatten.
Ein Sonderfall war Israel.

Manche Teilungen wurden nachkorrigiert, wie das mit Ostpakistan und Israel (Annektion Golan und Ostjerusalem).
Große Unabhängigkeitsbewegungen waren aber selten im zwanzigsten verglichen zum neunzehnten Jahrhundert.

Als der eiserne Vorhand fiel, kamen die in den Zwanzigern von der SU verschluckten (und kurz zuvor vom zerfallenden Russland abgespaltenen) Staaten ein Comeback - Ukraine, Estland, Lettland, Litauen, Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Moldawien.
Damit kam es zu ethnischen Konflikten und neuen inoffiziellen Grenzen mit nicht anerkannten Staaten wie Transnistrien, Abchasien, Südossetien als auch zu Konflikten untereinander (Armenien-Aserbadschan um Berg Karabach).
Dann zerfiel Jugoslawien blutig und die Tschechoslowakei trennte sich friedlich.
Es folgte noch die Kosovoeskapade und eine relativ friedliche Trennung des Südsudans.

Es passiert also die ganze Zeit und es ist schwer eine Linie zwischen neuen und alten Staaten zu ziehen, vor allem wenn sie vor tausend oder mehr Jahren bereits existierten, verschwanden und nun wieder da sind. Alle neuen Staaten versuchen sich zwanghaft alte Traditionen zu eigen zu machen (Makedonien z.B.) um sich zu legitimieren.

Was sind eure Gedanken dazu?
Mir fällt es unmöglich die Produkte der Entkolonialisierung als vollwertig zu betrachten, in Afrika sehe ich nur Äthiopien als richtigen Staat an, evtl Südafrika und Ägypten dann noch.

herberger
16.03.2015, 12:12
Nein sind sie nicht,in vielen Staaten endet der formale Staat an der Ausfahrt des Präsidenten Palastes.

Leseratte
16.03.2015, 12:55
Rußlands Präsident Jelzin hatte sich mit den Präsidenten von Weißrußland und der Ukraine für die Unabhängigkeit ihrer Teilrepubliken entschieden. Der wollte Gorbatschow loswerden. Danach konnte praktisch jede größere Republik denselben Weg gehen. Nur bei Tschetschenien mußte selbst Jelzin den Schlußstrich ziehen. Weil Rußland sonst völlig auseinander gefallen wäre.

Immer wenn die Slowaken die Wahl hatten entschieden sie sich für die Unabhängigkeit 1939 und 1993. Ist Luxemburg ein vollwertiger Staat? Wenn es keine Lust mehr auf Juncker hat, muß es den dann unbedingt dadurch loswerden, daß es ihn nach Brüssel schickt?

Es heißt immer unter Tito war alles besser in Jugoslawien. Belgrad wurde wieder Hauptstadt. Aber er schwächte Serbien durch die Autonomie für den Kosovo und die Woiwodina. Die Albaner übernahmen den Kosovo demographisch. Deshalb die Probleme später.

Wenn Bismarck Österreich zusammen mit Rußland aufgeteilt hätte und das Osmanische Reich den Russen überlassen hätte, wäre das die beste Lösung gewesen. Der Irak ist ein Nachfolgestaat des Osmanischen Reiches. Hussein führte 8 Jahre Krieg gegen den Iran und tappte dann in Kuwait in die Falle. Später erledigte Bush Junior ihn endgültig. Aber im Kalten Krieg soll er zeitweise geschickt zwischen den Blöcken laviert haben. Es kommt auch darauf an wer dort der Machthaber ist.

Kuba war spanisch, dann kam es an die VSA nach dem Krieg von 1898. Dort fand die Kuba-Krise 1962 statt. Castro behauptete sich Jahrzehnte. Heute öffnet es sich. Oder hat es sich den VSA unterworfen? Es ist dort die Rede von Privatisierung der Staatsbetriebe.

Burma war britisch. Lange Zeit hatte es eine schlechte Presse im Westen. Dann ließ die Militärführung diese Friedens-Nobelpreisträgerin frei aus dem Haus-Arrest und auch dieses Land öffnete sich dem Westen. Oder unterwarf es sich?

Arthas
19.03.2015, 00:20
Was denkt ihr über die Neuzugänge unter den Staaten, sind sie eurem Bauchgefühl nach gleichwertig und gleichartig?

Nach dem ersten WK entstand ein Batzen neuer Staaten, manche kurzlebig wie die Balten und Kaukasusrepubliken, die in die SU übergingen, andere hielten sich länger, wie die Zerfallsprodukte Österreich-Ungarns und des Osmanischen Reiches (Zerfall begann im 19ten Jahrhundert).
Manche kamen-gingen-kamen (Balten, Tschechoslowakei, Jugoslawien, Kaukasus).

Dann, nach dem zweiten WK und der endgültigen Expansion der SU zu Lasten einiger kam die Dekolonialisierung - es ging um Kolonien (teils nicht vom letzten Besitzer kolonisiert sondern als Beute eines anderen übergegangen), die zuvor keine eigene Staatlichkeit und Volksempfinden jenseits von Stämmen hatten.
Ein Sonderfall war Israel.

Manche Teilungen wurden nachkorrigiert, wie das mit Ostpakistan und Israel (Annektion Golan und Ostjerusalem).
Große Unabhängigkeitsbewegungen waren aber selten im zwanzigsten verglichen zum neunzehnten Jahrhundert.

Als der eiserne Vorhand fiel, kamen die in den Zwanzigern von der SU verschluckten (und kurz zuvor vom zerfallenden Russland abgespaltenen) Staaten ein Comeback - Ukraine, Estland, Lettland, Litauen, Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Moldawien.
Damit kam es zu ethnischen Konflikten und neuen inoffiziellen Grenzen mit nicht anerkannten Staaten wie Transnistrien, Abchasien, Südossetien als auch zu Konflikten untereinander (Armenien-Aserbadschan um Berg Karabach).
Dann zerfiel Jugoslawien blutig und die Tschechoslowakei trennte sich friedlich.
Es folgte noch die Kosovoeskapade und eine relativ friedliche Trennung des Südsudans.

Es passiert also die ganze Zeit und es ist schwer eine Linie zwischen neuen und alten Staaten zu ziehen, vor allem wenn sie vor tausend oder mehr Jahren bereits existierten, verschwanden und nun wieder da sind. Alle neuen Staaten versuchen sich zwanghaft alte Traditionen zu eigen zu machen (Makedonien z.B.) um sich zu legitimieren.

Was sind eure Gedanken dazu?
Mir fällt es unmöglich die Produkte der Entkolonialisierung als vollwertig zu betrachten, in Afrika sehe ich nur Äthiopien als richtigen Staat an, evtl Südafrika und Ägypten dann noch.

Ein Staat ist letztendlich ein Staat, solange er alle dafür nötigen Charakteristiken aufweist. Es stimmt jedoch, daß Staat nicht gleich Staat ist. Wenn er mehr als bloß eine gerade bestehende Gebietskörperschaft ohne bleibende Erinnerung in der Geschichte sein will, benötigt ein Staat eine wirkliche Grundlage, er muß auch Nation sein. Ethnische, kulturelle Geschlossenheit, mindestens aber eine tragende Idee wie auch ein legitimierender Gründungsmythos geben einem Staat erst die nötige Legitimation und den geschichtlichen Nachklang. Das ist es, was einen Staat vollwertig, besser gesagt natürlich und damit aus sich selbst heraus legitim macht. In Afrika können tatsächlich die wenigsten Staaten dies aufweisen. Deswegen werden diese auch weder langen Bestand haben, noch der Nachwelt in Erinnerung bleiben.

Leseratte
20.03.2015, 12:55
Vielleicht verdeutlicht ein Ausspruch aus Hitlers Zweites Buch das ganz gut. Darin heißt es, daß England wegen etwas, das es an Liberia blutig rächen würde, mit den VSA keine Note austauschen würde.