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Vollständige Version anzeigen : Wann ist ein Staat unitaristischer?



Snake984
03.03.2015, 16:27
kann mir jemand erklären, wann ein Staat unitaristischer wird?

Je mehr er sich an einheitlichen und grundlegenden "Regeln" o. "Normen" festhält?

Dardonthinis
05.03.2015, 02:01
kann mir jemand erklären, wann ein Staat unitaristischer wird?

Je mehr er sich an einheitlichen und grundlegenden "Regeln" o. "Normen" festhält?

Ein unitaristischer Staat hat einheitliche Regeln für das gesamte Staatsgebiet, während ein partikularistischer Staat auf seinem Staatsgebiet unterschiedliche Regeln zulässt.

In der BRD lässt das Grundgesetz unterschiedliche Regeln der Länder zu (Art. 30 GG), stellt diese aber unter den Vorbehalt des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 GG) und anderer in ihm (dem Grundgesetz) enthaltener einheitlicher Regeln (z. B. das Gebot des Herstellens gleichwertiger Lebensverhältnisse in Art. 72 für die Gesetzgebung oder des Finanzausgleichs in Art. 107 GG).

Es gibt dann auch die Begriffspaare Zentralismus und Föderalismus sowie Einheitsstaat und Bundesstaat. Zentralismus und Föderalismus sagen etwas darüber aus, in welchem Verfahren die in einem Staat geltenden Regeln erlassen werden. Einheitsstaat und Bundesstaat sagen etwas darüber aus, ob es sich um ein einziges Staatsgebilde, das nur unselbständige Provinzen, Verwaltungsbezirke oder sonstige Untergliederungen hat (früher die DDR, heute noch Frankreich u.a.), oder um einen Gesamtstaat (in der BRD der Bund) handelt, der sich aus verschiedenen Gliedstaaten (in der BRD die Länder) mit eigener Staatlichkeit zusammensetzt.

Die BRD ist ein Bundesstaat, der sich aus Ländern mit eigener Staatlichkeit zusammensetzt. Der Erlass von Regeln (Gesetzgebung) ist zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Der Bund hat das Gesetzgebungsrecht, soweit es ihm im Grundgesetz ausdrücklich eingeräumt wird (Art. 70 GG). Das geschieht durch die Zuständigkeitskataloge in Artikel 71 - 74 und durch zahlreiche Einzelermächtigungen über das ganze Grundgesetz verteilt. Für alles, was nicht in diesen Zuständigkeitskatalogen steht, bleiben die Länder zuständig, können also ihre eigenen Gesetze erlassen.
Das wäre eigentlich eine klare Aufteilung der Zuständigkeiten; sie herrschte in der ursprünglichen Fassung des Grundgesetzes vor. Im weiteren Verlauf, vor allem in den Sechziger und Siebziger Jahren, wurden die Zuständigkeitskataloge für die Bundesgesetzgebung erweitert - als Preis für die Zuständigkeitsübertragungen auf den Bund ließen sich die Länder aber oft einen Zustimmungsvorbehalt über den Bundesrat einräumen; deshalb heißt es heute im Grundgesetz so oft: ".. ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrats bedarf". Dadurch kommen im Bereich dieses Zustimmungsvorbehalts zwar bundesweit einheitliche (unitarische) Regelungen zustand; diese triefen aber in der Regel vor Kompromissen (weshalb die Gesetzgebungsverfahren auch so lang dauern) und sind deshalb oft so kompliziert, dass sie zuweilen kaum mehr von Fachleuten verstanden werden.
Außerdem gibt es einen wachsenden Bereich von Vereinbarungen der Länder, an denen der Bund gar nicht beteiligt ist, z. B. die Vereinbarungen der Kultusministerkonferenz, durch die aber ebenfalls bundesweit einheitliche (unitarische) Regelungen erlassen werden.

Für diese Entwicklungsrichtung des Bundestaats BRD prägte der Staatsrechtler Konrad Hesse den Begriff "unitarischer Bundesstaat" - während die BRD in ihrer Anfangszeit mehr ein partikularer Bundesstaat war, hat er sich seither in Richtung unitarischer Bundesstaat entwickelt. Auch die bisherigen beiden "Föderalismusreformen" haben daran nichts Nennenswertes geändert.

Um diese Monströsitäten zu beseitigen, müssten grundlegende Staatsreformen durchgeführt werden, zum Beispiel:
- Radikales Beseitigen der Zustimmungsvorbehalte des Bundesrats
- Soweit das Bedürfnis nach bundesweiter Einheitlichkeit besteht, Regelung direkt im Grundgesetz
- Entrümpeln der Zuständigkeitskataloge für die Gesetzgebung des Bundes, soweit kein Einheitlichkeitsbedürfnis besteht.

Leseratte
05.03.2015, 08:00
Im GG steht aber auch noch was von Bundesrecht bricht Landesrecht drin.

Dardonthinis
06.03.2015, 17:31
Im GG steht aber auch noch was von Bundesrecht bricht Landesrecht drin.
Stimmt! Wenn Bundesrecht in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Grundgesetzes über die Gesetzgebung erlassen worden ist, "bricht" es bestehendes Landesrecht. Wenn aber nach dem Grundgesetz Landesrecht besteht, für das die Länder das Gesetzgebungsrecht haben und der Bund keines, besteht das Landesrecht fort.