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Vollständige Version anzeigen : Gouvernator: Arnie floppt



mentecaptus
10.11.2005, 09:55
SPIEGEL-Online: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,384128,00.html


Schwarzeneggers Absturz: Ende einer Romanze

Der Honeymoon ist vorbei: Kaliforniens Gouverneur Arnold Schwarzenegger, der einstige Nachwuchsstar der Republikaner, ist bei den Wählern unten durch. Seine Popularität ist niedriger als die George W. Bushs. Nach dem verlorenen Referendum steht seine politische Zukunft in Frage.

New York - In Krisenzeiten klammert sich US-Präsident George W. Bush gerne an den Mantel der Geschichte. Zum Beispiel neulich, als er eigens nach Kalifornien flog, um Ronald Reagans alten Regierungsjet als Museumsstück einzuweihen. Die Boeing 707 sei ein "Symbol amerikanischer Stärke und Durchhaltekraft", deklamierte Bush. Das Publikum klatschte beglückt, darunter die VIP-Garde der kalifornischen Republikaner: Nancy Reagan, Ex-Gouverneur Pete Wilson, diverse Kongressabgeordnete und Bürgermeister.

Nur einer fehlte: Arnold Schwarzenegger. Der Herr Gouverneur ließ sich beim hohen Besuch entschuldigen, denn er sei "sehr beschäftigt".

Schwarzenegger steckt bis zum Hals in seiner eigenen Krise. Mehr noch: Er verübelte dem ungeliebten Parteifreund Bush, dass dieser ausgerechnet jetzt in seinem Revier wilderte, da sich Schwarzenegger doch selbst mitten durch einen aussichtlosen Wahlkampf kämpfte. Denn Bush erledigte bei seiner Stippvisite gleich noch einen weiteren Botengang, ein privates Fundraising-Dinner in Beverly Hills, bei dem über eine Million Dollar für die Parteikasse in Washington zusammenkamen - Dollar, die der Gouverneur selbst dringend gebraucht hätte. Verständlich, dass Schwarzenegger auch da unpässlich war.

Vorbei sind die Flitterwochen. Zwei Jahre, nachdem Schwarzenegger triumphierend als Schlichter und Reformer ins Kapitol von Sacramento einzog, steht seine Polit-Zukunft auf einmal in Frage. Der 58-jährige Actionheld a.D., lange der erfolgreichste Newcomer im Republikaner-Stall und noch auf dem Wahlparteitag 2004 Bushs bestes Zugpferd, gilt plötzlich als abgehalftert. Mit der riskanten Volksbefragung vom Dienstag, die er zum Referendum über seinen Amtsverbleib machte, setzte er alles auf eine Karte - und verlor.

Sturz eines Wunderkinds
Schwarzeneggers Popularitätsquote, anfangs bei 70 Prozent, ist auf 35 Prozent abgestürzt - tiefer als Bushs. In einer Umfrage gaben 56 Prozent der Befragten jetzt an, sie würden ihn bei der nächsten Gouverneurswahl 2006 nicht wiederwählen, nur 36 Prozent waren für ihn. Im hypothetischen Rennen verlor er sogar gegen die obskursten Herausforderer.

Schwarzenegger, schimpft sein Hollywood-Kumpel Warren Beatty, sei von einem, den selbst die Demokraten lieben konnten, zum "rechtsextremen Werbeträger" mutiert. Er regiere "mit Show, Spin, Makeup und Photo-Ops, mit unechten Events, unechten Themen und unechten Menschenmengen". Der Recall (Abwahl) seines Vorgängers Gray Davis rufe jetzt nach einer "Fortsetzung - einem neuen Recall". Als demokratischer Gegenkandidat am heißesten im Gespräch: Warren Beatty.

Was ist geschehen? Dem gestürzten Wunderkind ist sein eigenes Talent zum Verhängnis geworden - das Talent, sich wie einen Kassenmagneten zu inszenieren, seinen politischen Durchmarsch wie einen Film und seine Auftritte wie ein "Terminator"-Drehbuch. Politik ist Entertainment, war sein Motto. Jetzt merkt er: Politik muss auf Dauer mehr sein.

"Hör auf, die Leute zu belügen!"
Schwarzeneggers frühe Errungenschaften sind unumstritten. Er wickelte die Gewerkschaften um den Finger. Er tarierte den Haushalt aus. Er setzte sich für die Farmer ein. Er bezog liberale Positionen. Er umgarnte Umweltschützer. Er nahm vier Demokraten in sein Kabinett auf.

Doch nach einem Jahr kippte die Stimmung. Daran war Schwarzeneggger selbst schuld. Seine spitzen Tiraden auf die Gegner beim New Yorker Bush-Parteitag ("Girlie Men") hatten sie noch locker weggesteckt. Als er dann aber eine kompromisslose "Year of Reform"-Agenda vorlegte, in der er dem Volk brutale Sparmaßnahmen verordnete, sich selbst dabei aber mehr Macht zuweisen wollte und das Ganze auch noch mit einem Ultimatum an die Opposition verband, da war Schluss mit Lustig.

Auf einmal wurde er bei seinen Auftritten nicht mehr mit "Ar-nold! Ar-nold!" begrüßt, sondern ausgebuht. Am schlimmsten traf ihn das im Juni an seiner Alma Mater, dem Santa Monica College. Dort hielt er, im schwarzen Talar und Doktorhütchen, die traditionelle Ansprache vor der Abschlussklasse. Seine Worte ertranken in Gebrüll und Geschrei. "Hör endlich auf, die Leute zu belügen!", skandierten die Studenten.

Schweigegeld für die Kritiker
Eine regelrechte Anti-Schwarzeneggger-Front formiert sich. Selbst in geschlossene Fundraiser schmuggeln sich die Gegner ein. Bürgergruppen haben eine neue Recall-Initiative angeleiert - gegen Schwarzenegger.

"Die Romanze dauerte nur einen Nachrichten-Cycle", schrieb das linke Wochenblatt "Nation". Auch Schwarzeneggers Strategenteam verlor das Gespür. Sein Beschluss, sich gegen illegale Einwanderer zu profilieren, ging nach hinten los: Prompt rückten die Latinos von ihm ab - die stärkste Wählergruppe in Kalifornien.

Auch Schwarzeneggers privaten Händel sorgten für Unbill. Seine Kungelbeziehung zum Großverlag American Media (AMI), der die Klatschpostille "National Enquirer" und diverse Bodybuilding-Magazine herausgibt, stank nach Vetternwirtschaft. Nicht nur, dass er mit AMI ein lukratives "Berater-Deal" hatte. Auch stellte sich heraus, dass AMI potentiellen Kritikern des Gouverneurs Schweigegeld zahlte: "Wir wollten ihn nur beschützen."

Tingeltour durch Late-Night-Talkshows
Im Erfolgsrausch scheint Schwarzenegger das politische Feingefühl verloren zu haben - und das Gleichgewicht im Seiltanz zwischen den Parteien, seine alte Kunst. "Seine Operation hat es versäumt, die Lehren aus dem Recall zu ziehen", sagt der demokratische Wahlstratege Bill Carrick. "Er ist in die alten Republikaner-Methoden abgedriftet - ein großes Problem."

Mit der Volksbefragung setzte Schwarzenegger nun aufs Ganze: Er stellte seine komplette Agenda zur Abstimmung - und hat, um das Risiko zu erhöhen, parallel seine Kandidatur für eine zweite Amtszeit schon jetzt angemeldet, ein Jahr vor dem eigentlichen Wahltermin. "Teil II" nennt er das, in der Hoffnung, an den Recall-Erfolg anknüpfen zu können.

Doch schon von Anfang an standen die Zeichen auf Sturm: Die Mehrheit der Kalifornier lehnte Schwarzeneggers Vorab-"Spezialwahlen" in Umfragen als unnütz ab. Die meisten wussten nicht mal, warum es ging. Daran konnte auch Schwarzeneggers übliche Tingeltour durch die Late-Night-Talkshows nichts ändern.

"Nuklearkrieg" und "Armageddon"
Alles oder nichts. Schwarzenegger ließ die Wähler über jedes seiner Reform-Rezepte einzeln abstimmen: die Befugnis des Gouverneurs, Etatkürzungen ohne das Parlament vorzunehmen, das Neuziehen von Wahlbezirksgrenzen, Medikamentenhilfe für Arme, elterliche Meldepflicht für Abtreibungen bei Minderjährigen, ein strikteres Parteispendengesetz für Gewerkschaften.

Vor allem Schwarzeneggers Einsatz für die Einschränkung der Gewerkschaftsspenden - der finanzielle Todesstoß für die kalifornischen Demokraten - ließ die Lage vollends eskalieren. 100 Millionen Dollar gaben die Gewerkschaften aus, um das Gesetz zu verhindern. Die Pharma-Industrie steckte 80 Millionen Dollar in ihre Anti-Schwarzenegger-Kampagne. Der wiederum investierte über 50 Millionen Dollar, darunter 7,2 Millionen aus eigener Tasche. Insgesamt überschritt das Fundraising die 250-Millionen-Dollar-Marke. "Armageddon", sagte die Politologin Sherry Bebitch Jeffe dazu. Fabian Nuñez, der demokratische Sprecher des Parlaments, sprach von einem "Nuklearkrieg".

Jubeln in Disneyland
Alles umsonst. Mit überwältigender Mehrheit schmetterten die Kalifornier alle Bestandteile der Volksbefragung ab. "No, no, no, no, no, no, no, no", schlagzeilte die "Los Angeles Times" hämisch. Schwarzeneggers Image ist lädiert, sein "Treminator"-Mythos der Unzerstörbarkeit dahin, die Wähler haben der Promi-Politik Hollywods klare Grenzen gezeigt. "Seine Show wird langsam abgestanden", mäkalte selbst ein republikanischer Stratege.

Unterdessen zeigt der einstige Anti-Bush Schwarzenegger die ersten Bush-Symptome: Seine Veranstaltungen werden immer strenger choreografiert und kontrolliert. Zum Beispiel neulich seine Rede vor dem Landesparteitag der Republikaner. Da schien alles wie in alten Tagen; die Delegierten sprangen auf die Füße und skandierten begeistert: "Ar-nold! Ar-nold!" Schauplatz: das Marriott-Hotel in Anaheim - gleich neben der Fantasiewelt von Disneyland.
Die Republikaner stecken in einer ziemlichen Krise, da ihre Aushängeschilder zunehmend in die Kritik geraten - und das zurecht. Was Schwarzenegger sich bisher geleistet hat, ist schon erstaunlich, denn er geht im gleichen Stil vor, wie die Protagonisten seiner Actionfilme: mit rücksichtsloser Härte. Das kommt bei den Menschen aber nicht an, die wollten jemanden, der zupackt und aufräumt - aber nicht zu ihren Lasten. Das hat Arnie wohl unterschätzt, dessen Leben bisher daraus bestanden hatte, dass sein Wirken baklatscht und nicht bespuckt wurde. Doch anders als auf der Leinwand sind die Bürger Kaliforniens von Arnies "Action" im Amt eben direkt betroffen und bekommen seine Faust zu spüren. Und die schmeckt ihnen zunehmend weniger...

SAMURAI
10.11.2005, 12:40
SPIEGEL-Online: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,384128,00.html


Die Republikaner stecken in einer ziemlichen Krise, da ihre Aushängeschilder zunehmend in die Kritik geraten - und das zurecht. Was Schwarzenegger sich bisher geleistet hat, ist schon erstaunlich, denn er geht im gleichen Stil vor, wie die Protagonisten seiner Actionfilme: mit rücksichtsloser Härte. Das kommt bei den Menschen aber nicht an, die wollten jemanden, der zupackt und aufräumt - aber nicht zu ihren Lasten. Das hat Arnie wohl unterschätzt, dessen Leben bisher daraus bestanden hatte, dass sein Wirken baklatscht und nicht bespuckt wurde. Doch anders als auf der Leinwand sind die Bürger Kaliforniens von Arnies "Action" im Amt eben direkt betroffen und bekommen seine Faust zu spüren. Und die schmeckt ihnen zunehmend weniger...

Jetzt wird er wohl terminiert - Arnie mit Verfallsdatum ! :]

sv00010
10.11.2005, 13:58
Hoffentlich macht er wieder Filme, nachdem er nicht mehr gewählt wird.

Dürrenmatt
10.11.2005, 14:18
Schwarzenegger ein Rechtsextremist? Kommen da etwa Parallelen zum anderen Landsmann aus Braunau auf? :D

mentecaptus
10.11.2005, 14:23
Kommt ein neuerliches Abwahlverfahren, dann würde man das wohl als "Total Recall" betiteln können - da kennt Arnie sich ja mit aus... :D

SAMURAI
10.11.2005, 15:13
Kommt ein neuerliches Abwahlverfahren, dann würde man das wohl als "Total Recall" betiteln können - da kennt Arnie sich ja mit aus... :D

Arnies Recall geht in die tote Hose !

mentecaptus
11.11.2005, 09:27
SPIEGEL-ONLINE: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,384305,00.html


NACH WAHLNIEDERLAGE: Schwarzenegger gesteht Fehler ein

Nach der schweren Niederlage bei Volksabstimmungen über seine Reformprojekte gibt sich Arnold Schwarzenegger kleinlaut. Kaliforniens Gouverneur gestand Fehler ein und bot den Demokraten eine bessere Zusammenarbeit als bislang an.

Los Angeles - "Ich funktioniere mit einer anderen Mentalität", sagte Schwarzenegger vor Journalisten in Sacramento. "Ich bin Draufgänger und ungeduldig, ich habe mein Leben stets mit einem so gearteten Programm gelebt und es ist mir immer gelungen", beschrieb sich der frühere Hollywood-Star.

In der Politik aber "muss man wohl geduldiger sein, und ich sehe das heute noch mehr so" als vor dem Referendum, sagte der gebürtige Österreicher. "Wenn ich einen weiteren Terminator-Film drehen würde, dann ließe ich Terminator in die Vergangenheit reisen, um Arnold von dieser Abstimmung abzuhalten", scherzte der frühere Action-Star. Zugleich bot der republikanische Gouverneur den Demokraten an, künftig stärker zusammenzuarbeiten.

Schwarzenegger hatte in der von ihm angesetzten Abstimmung den Bürgern vier Initiativen vorgelegt, die alle abgelehnt wurden. Er hätte auf seine Frau hören sollen, die ihm von der Sonderwahl abgeraten habe, sagte Schwarzenegger. Er ist mit der Demokratin und Kennedy-Nichte Maria Shriver verheiratet.

Schwarzenegger hat kürzlich seine Kandidatur für die nächsten Gouverneurswahlen im Herbst 2006 angekündigt. Nach Umfragen vom September würde derzeit die Mehrheit der kalifornischen Wähler gegen seine Wiederwahl stimmen. Nach einem triumphalen Wahlsieg 2003 ist Schwarzeneggers Beliebtheitsgrad in den letzten Monaten auf einen Tiefpunkt gesunken.
Späte Einsicht, vielleicht nicht ZU spät? Für Arnie geht es jetzt darum, in den verbleibenden Monaten bis zur regulären Gouverneuerswahl verlorenes Terrain gut zu machen und die Stimmung zu drehen. Auf George W. Bush kann er nicht setzen, aber er hat schon klar gemacht, wie es laufen wird: über seine (demokratische) Frau. Der kennedy-Nimbus wird wieder einmal herhalten müssen und ansonsten werden unpopuläre Maßnahmen ausgesetzt. Arnie wird sich mit dem Parlament "anfreunden" und ein paar gut ankommende Vorschläge unterbreiten, so dass der Proteststurm abbebben wird. Ob das reicht - zumal wenn als Gegenkandidat kein NoName antritt - bleibt auch ob der Kürze der Zeit zweifelhaft. Auch der Terminator fand am Ende sein Ende...