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Vollständige Version anzeigen : kleine Geschichte der Menschheit



Leo Navis
24.07.2013, 23:12
Einst war ein Primat, der nannte sich Mensch. Er stieg von den Bäumen herab und siehe da: Er war besser im Langlauf als alle anderen Primaten, gar als alle anderen Tiere; und siehe da, auch das Wasser konnte er sich zu Nutze machen.

Die Natur um ihn herum machte ihm ein Geschenk: Er durfte eine ökologische Nische füllen und somit weiterleben. Der Preis waren Schmerzen und Leiden, doch diese waren lächerlich gering im Vergleich zum Geschenk des Lebens, das ihm gemacht wurde.

Er wuchs auf, lebte häufig in Frieden; doch einzelne Stämme fühlten sich von ihren Nachbarn bedroht. “Sie dürfen durchaus”, sprachen diese, “die Wildvorkommen mit uns teilen - doch nehmen sie nicht immer mehr, und hinterlassen uns nur die Reste? Ist der Stamm, unser Nachbar, nicht bevölkert von Wahnsinnigen und bösen Menschen?” - und sie zogen in den Krieg gegen den Nachbarn und gewannen. Einzelne aber fanden das großartig, diesen Kampf, und sie kultivierten den Hass gegen alles Andersartige in sich selbst. Sie änderten die Gesellschaft; von nun also, so sprachen sie, Naturrecht gelten bei uns: Der Stärkere soll siegen, zum Wohle von uns selbst.

Und so kam es dann auch. Einst wurden sie von einem anderen Stamm besiegt, der dann aber ihre Werte übernahm; und dieser Stamm dann besiegte wiederrum andere. Man suchte den Fortschritt, um die anderen Stämme auszustechen, und es gelang häufig genug auch, doch nicht immer. Einzelne Stämme und auch einzelne Menschen innerhalb der kriegerischen Stämme wollten noch immer eine Ideologie des Friedens und vermischten diese mit einer Ideologie des Krieges zum Schutze; diese wurden Hochkulturen und sehr intelligent, und doch wurden sie irgendwann gefressen oder integriert in aggressivere Kulturen.

Die Götter zu diesem Zeitpunkt waren einfache Götter, Naturgötter. Es gab Götter des Flusses, häufig waren Hauptgötter etwas wie die Sonne, die Natur selbst, die Erde oder das Meer. Doch je kriegerischer und expansiver vorgagenen wurde desto eher gab es auch einen immer stärker werdenden Gott des Kriegs. Häufig wurde er vermengt mit dem Gott der Sonne, und stand im Gegensatz zur Göttin des Ausgleichs.

Einzelne Stämme aber fingen an sich zusammenzuschließen, um andere Stämme auszustechen. Das gelang auch, doch zog es weitere Probleme nach sich. Die Menschen mussten sich weiterhin organisieren, und es gab immer mehr Fehden auch innerhalb der Stämme, weswegen gewisse Gesetze erlassen wurden, die dagegen vorgehen sollten. Auch innerhalb der Stämme wurde nun kontrolliert, auf dass die Stämme in Frieden mit sich selber leben konnten, was stets funktionierte, während eine äußere Gefahr bekämpft werden musste, aber höchst problematisch war in Friedenszeiten selbst, in denen die Stämme drohten sich selbst zu zerfleischen; weswegen sehr viel Krieg geführt wurde, um den Frieden zu wahren.

Es gab Stämme, die schlossen sich zu großen Gebilden zusammen, und diese schafften es, ganze Länder zu erobern und zu sichern. Häufig genug setzten sich diese den Kriegsgott als obersten oder gar einzigen Gott ein; ein füchterlicher, grausamer Gott, der aber gleichzeitig versprach, die eigenen Kinder zu schützen, was dringend notwendig war um zu überleben. Die Natur war nicht mehr das größte Problem, wobei auch sie noch ein Problem war, klar; das größten Problem waren die anderen Primaten, die in der Lage waren, einen zu zerschmettern.

Einzelne Völker versuchten auch andere Wege, zogen sich in die Berge zurück und lehrten Enthaltsamkeit von all dem Krieg zum Lösen des Leids. Diese wurden meist belächelt, doch fanden sie trotzdem häufig in kürzester Zeit extrem viele Anhänger. Sie lehrten das ‘Maya’, dass die Probleme der anderen Primaten lediglich in deren Köpfen vorhanden seien. Das waren häufig agnostische Religionen, die gar keinen Gott anbeteten, oder lediglich die Natur selbst.

Auch Völker hatten weibliche Götter des Friedens und der Natürlichkeit, doch wurden diese häufig schnell von Völkern mit kriegerischen, männlichen Gottheiten unterjocht. Allgemein galt das weibliche und schwache in der Menschheit immer weniger; allen war mehr oder minder klar, dass es notwendig war, doch galt das Weib als schwaches und dummes Geschöpf und Kinder als Wesen, die man durch Schläge und Gewalt dazu bringen müsse dem Kriegsgott zu dienen und zu gehorchen. Es war eine grausame Zeit, voller Leid und Hass.

So ging es viele Jahre, und die Menschheit wurde immer größer. Immer mehr Kriege wurden geführt, gegeneinander, miteinander, die Natur wurde vollständig unterjocht und nutzbar gemacht, der Mensch gedieh und durch den Gott des Krieges war es ihm möglich zu wachsen. Die aber, die keinen Krieg führen wollten und denen die Wohlfahrt der Gesellschaft eher am Herzen lag, diese wurden häufig enthaltsam, einsam und weise. Sie wussten weit mehr als alle anderen und lebten als der Stachel im Fleisch der Gesellschaft, und doch waren sie meist hochgeschätzt. Sie relativierten den Kriegsgott und stellten ihn auch infrage, sie überprüften alles auf Logik und Klarheit, und viele wurden auch korrupt und nutzten ihre Stellung aus.

Irgendwann aber nahm das überhand, und da wurden diese Weisen stark infrage gestellt, und auch der Kriegsgott, dem sie dienen sollten, wurde immer weiter demontiert; seine Auswüchse wurden zu seltsam. Er wurde reformiert und abgeschwächt, seine Macht schrumpfte; und es wurde noch schlimmer: Einzelne behaupteten, es gebe diesen Gott überhaupt nicht, andere wieder taten speziell genau das, was er verbot, aus Protest; die Emanzipation hatte begonnen. Die Menschen gehorchten nicht mehr blind, und sie fingen an, sich zu fragen, ob es nicht sinnvoller wäre, einen gemischten Regelkodex zu schaffen statt diesen auf Krieg basierenden.

Das wurde möglich dadurch, dass die Gesellschaften, in denen diese Menschen lebten, ausreichend geschützt waren. Kaum ein ernsthaftes Leid drohte ihnen von außen, lediglich von Innen drohte weiteres leiden. Und so kam es dann auch: Der Kriegsgott verkleidete sich und tauchte wieder auf, diesmal in Form von Menschen, ein sterbender, kranker Gott, der Menschen in Massen für keinen Grund außer Irrsinn hinmeuchelte; doch der Rest des Menschenkollektivs, zu dem es mittlerweile angewachsen war, und als das es sich mittlerweile teilweise auch sah, wollte das alles nicht, und besiegte den Kriegsgott in seinen menschlichen Auswüchsen. Noch lebte er aber in den Köpfen weiter.

Einzelne Teile des Kollektivs drängten auf eine Vereinigung des Kollektivs unter einem Regelkomplex, welches das Naturrecht des Menschen möglichst gut wiederspiegeln sollte; sie nannten es das 'Menschenrecht'. Letzten Endes ist es ein Regelkomplex der den Starken einschränkt und den Schwachen schützt, wie das der Kriegsgott auch stets tat, nur dass diesmal, anders als beim Kriegsgott, keine Berufung auf das Recht des Stärkeren zur Durchsetzung von Interessen eingebaut war.

Einst aber schaffte ein Volk etwas ganz neues. Es entwickelte eine Waffe, die es diesem Volk möglich machte, ganze Länder einfach auszuradieren. Auch andere Länder fingen an, diese Waffe zu bauen, und nach kürzester Zeit hatten so viele Länder so viele von diesen Waffen, dass es möglich war, den Planeten zu zerstören, auf dem die Primaten gesiedelt hatten und auf dem sie geboren waren. Ein Dilemma, und die Primaten hielten Abstand davon, die Waffe auch einzusetzen. Stattdessen fingen sie an umzudenken. Sie schauten sich den Ast an, auf dem sie saßen, und sagten “Sehet hier! Wir sägten selbst dran, so viele Jahre. Jetzt ist er fast durch, und ein kleines bisschen sägen würde ihn vernichten und somit uns selbst”, so sprachen sie.

Und so fingen sie an mit Umweltschutz, sie legalisierten die Homosexualität und die Abtreibung, sie fingen an, sich anders zu denken, sich anders wahrzunehmen, versuchten eher, Konflikte auf friedliche Weise zu lösen denn auf die kriegerische; das weibliche wurde befreit. Noch immer aber wütete der Kriegsgott in ihren Köpfen, und ihre Gesellschaften schafften ein System, das darauf angelegt war, immer mehr zu horten; auch das versuchten die Primaten zu überwinden, und doch fiel es ihnen schwer, der Übergang ist schwierig, denn der Kriegsgott machte ihnen noch immer Angst vor der Zukunft, sie hatten Angst, loszulassen, und sich selbst in die Freiheit zu entlassen.

Der Übergang dauerte lange und war schmerzhaft. Immer wieder gab es Rückschritte, und immer wieder tobten Kriege und tobte Hass. Die einzelnen Völker suchten sich noch immer gegenseitig auszustechen, nicht selten, doch langsam aber sicher lernten die Menschen mit der Freiheit, die ihnen durch die Natur und ihre Vorväter geschenkt wurde, klar zu kommen. Langsam, sehr langsam, passten sie sich an, und eines Tages lebten sie in Frieden, Sicherheit und Freiheit, gesichert durch eine starke Hand, und der Kriegsgott war nicht mehr der Hauptgott, sondern er war lediglich zum Schutze da und galt nicht mehr als Gott; alles lag nun nebeneinander, und die Menschheit lebte in Frieden.

Und das ist die Geschichte der Menschheit; am Ende lernt die Menschheit, dass sie, um wieder klarzukommen, in den Schoß der Natur, den sie einst verließ, um dem Vatergott, dem Krieger zu folgen, wieder zurückkehren darf, und in Freiheit und Frieden klarkommen, ohne die Wege des Kriegers zu vergessen, um sich selbst zu schützen.

Der Anfang. :-)