n0b0dy
03.07.2013, 16:57
Mir schien lange die Krisenerklärung von Heiner Flassbeck (http://www.boeckler.de/pdf/v_2011_03_15_flassbeck.pdf) und anderen Keynesianern weitgehend plausibel, aber aber man lernt doch immer wieder dazu.
So bin ich vor kurzem auf folgendes Paper von zwei Ökonomen der Arbeiterkammer Wien gestoßen, das in bestimmen Kreisen wohl recht breit rezipiert wurde und das ich auch als Kritik an Leuten wie Flassbeck lesen würde.
Feigl, Zuckerstätter: Wettbewerbs(des)orientierung. Policy Paper no. 2 (http://www.foreurope.eu/fileadmin/documents/pdf/PolicyPapers/WWWforEurope_Policy_Paper_002.pdf)
Dort wird recht überzeugend argumentiert, dass die Ursache für die Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen primär nicht(!) an der ungleichen Wettbewerbsfähigkeit bzw. Exportentwicklung, sondern vor allem in der ungleichen Entwicklung der Inlandsnachfrage zu finden sei. Ein Indiz ist etwa, dass die Wachstumsdifferenzen bei der Inlandsnachfrage deutlich größer sind als bei der Exportentwicklung.
http://www10.pic-upload.de/thumb/03.07.13/rkg2gibiq8em.png (http://www.pic-upload.de/view-19934915/inland.png.html)
Außerdem spielt für die meisten Länder nach wie vor die Inlandsnachfrage die größte Rolle bei der Gesamtnachfrage und da über 80% der in der Eurozone produzierten Güter auch in der Eurozone nachgefragt werden (für Europa um die 90%) ist es unabdingbar, dass die Austeritätspolitik in Europa den ganzen Kontinent mit sich in den Abgrund reißt und schließlich auch auf die Zentrumsländer zurückwirkt.
http://www10.pic-upload.de/thumb/03.07.13/mh418q3wxdi.png (http://www.pic-upload.de/view-19934951/eunachfrage.png.html)
"Wenn man trotzdem sprachlich und inhaltlich zuspitzen möchte, so scheint es in diesen Fällen semantisch angebrachter, von „deutschen Importdefiziten“ statt von Exportüberschüssen bzw. „spanischen Importüberschüssen“ zu sprechen um die Unterschiede in der außenwirtschaftlichen Entwicklungen begreifbar zu machen."
Die "Importdefizite" sind offensichtlich auf die schwache Lohnentwicklung in DE zurückzuführen. Sehr interessant ist weiterhin die Aufschlüsselung der Preisentwicklung nicht nur nach Lohnstückkosten, sondern auch nach "Gewinnstückkosten" (preistreibende Gewinnaufschläge), wie es auch die EZB in ihren Monatsberichten mache. Diese "Gewinnstückkosten" sind im Fall Spanien etwa deutlich stärker über das Inflationsziel hinausgeschossen als die Lohnstückkosten, was sich auch in einer sinkenden Lohnquote äußert. Eine Fixierung auf die Löhne greift also zu kurz. Die Postkeynesianer nennen den Aufschlag, den die Unternehmen auf die Lohnstückkosten vornehmen Mark-up, der sich nur langfristig ändere, weil er wesentlich von relativ konstanten Faktoren wie der Konkurrenzintensität der Märkte abhänge. Das könnte teilweise erklären warum die Gewinnstückkosten oft vernachlässigt und damit "sowohl theoretisch als auch empirisch deutlich unterbelichtet" sind.
Jedenfalls wirkte schließlich auf Basis der unterschiedlichen Inflationsraten in Europa der einheitliche EZB-Zins zusätzlich verschärfend für die ungleiche Entwicklung.
Und schließlich wird das ganze natürlich noch überlagert von einer strukturellen Überakkumulationskrise. Die Umverteilung von unten nach oben durch den Neoliberalismus und die Deregulierung der Finanzmärkte führte zu Massen an Kapital, das kaum noch profitable Anlagen mehr findet. Exemplarisch die Einkommensentwicklung der oberen 10% in den USA, die 2007 wieder einen Wert wie zu Zeiten der ersten Weltwirtschaftskrise erreichte:
http://www10.pic-upload.de/thumb/03.07.13/jfnz2hyxev5w.png (http://www.pic-upload.de/view-19936067/Top-decile.png.html)
Obwohl Spanien selbst nach der Finanzkrise weniger Schulden hatte als Deutschland gelang es den Herrschenden die Krise in eine Staatsschuldenkrise umzudeuten. In Deutschland wurde der neoliberal-autoritäre Fiskalpakt von einer ganz großen Koalition aus CDU,FDP,SPD und GRÜNE beschlossen..
Angesichts des oben skizzierten Hintergrundwissens sieht die Zukunft düster aus, sofern der sich der nun von Merkel & co geplante "Pakt für Wettbewerbsfähigkeit" durchsetzten sollte. Der sieht vor, die fatalen "Strukturreformen", die ganz Südeuropa in die Massenverelendung treiben, für ganz Europa festzuschreiben.
Internationaler Aufruf gegen dieses "Troika für alle":
http://www.europa-geht-anders.eu/
So bin ich vor kurzem auf folgendes Paper von zwei Ökonomen der Arbeiterkammer Wien gestoßen, das in bestimmen Kreisen wohl recht breit rezipiert wurde und das ich auch als Kritik an Leuten wie Flassbeck lesen würde.
Feigl, Zuckerstätter: Wettbewerbs(des)orientierung. Policy Paper no. 2 (http://www.foreurope.eu/fileadmin/documents/pdf/PolicyPapers/WWWforEurope_Policy_Paper_002.pdf)
Dort wird recht überzeugend argumentiert, dass die Ursache für die Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen primär nicht(!) an der ungleichen Wettbewerbsfähigkeit bzw. Exportentwicklung, sondern vor allem in der ungleichen Entwicklung der Inlandsnachfrage zu finden sei. Ein Indiz ist etwa, dass die Wachstumsdifferenzen bei der Inlandsnachfrage deutlich größer sind als bei der Exportentwicklung.
http://www10.pic-upload.de/thumb/03.07.13/rkg2gibiq8em.png (http://www.pic-upload.de/view-19934915/inland.png.html)
Außerdem spielt für die meisten Länder nach wie vor die Inlandsnachfrage die größte Rolle bei der Gesamtnachfrage und da über 80% der in der Eurozone produzierten Güter auch in der Eurozone nachgefragt werden (für Europa um die 90%) ist es unabdingbar, dass die Austeritätspolitik in Europa den ganzen Kontinent mit sich in den Abgrund reißt und schließlich auch auf die Zentrumsländer zurückwirkt.
http://www10.pic-upload.de/thumb/03.07.13/mh418q3wxdi.png (http://www.pic-upload.de/view-19934951/eunachfrage.png.html)
"Wenn man trotzdem sprachlich und inhaltlich zuspitzen möchte, so scheint es in diesen Fällen semantisch angebrachter, von „deutschen Importdefiziten“ statt von Exportüberschüssen bzw. „spanischen Importüberschüssen“ zu sprechen um die Unterschiede in der außenwirtschaftlichen Entwicklungen begreifbar zu machen."
Die "Importdefizite" sind offensichtlich auf die schwache Lohnentwicklung in DE zurückzuführen. Sehr interessant ist weiterhin die Aufschlüsselung der Preisentwicklung nicht nur nach Lohnstückkosten, sondern auch nach "Gewinnstückkosten" (preistreibende Gewinnaufschläge), wie es auch die EZB in ihren Monatsberichten mache. Diese "Gewinnstückkosten" sind im Fall Spanien etwa deutlich stärker über das Inflationsziel hinausgeschossen als die Lohnstückkosten, was sich auch in einer sinkenden Lohnquote äußert. Eine Fixierung auf die Löhne greift also zu kurz. Die Postkeynesianer nennen den Aufschlag, den die Unternehmen auf die Lohnstückkosten vornehmen Mark-up, der sich nur langfristig ändere, weil er wesentlich von relativ konstanten Faktoren wie der Konkurrenzintensität der Märkte abhänge. Das könnte teilweise erklären warum die Gewinnstückkosten oft vernachlässigt und damit "sowohl theoretisch als auch empirisch deutlich unterbelichtet" sind.
Jedenfalls wirkte schließlich auf Basis der unterschiedlichen Inflationsraten in Europa der einheitliche EZB-Zins zusätzlich verschärfend für die ungleiche Entwicklung.
Und schließlich wird das ganze natürlich noch überlagert von einer strukturellen Überakkumulationskrise. Die Umverteilung von unten nach oben durch den Neoliberalismus und die Deregulierung der Finanzmärkte führte zu Massen an Kapital, das kaum noch profitable Anlagen mehr findet. Exemplarisch die Einkommensentwicklung der oberen 10% in den USA, die 2007 wieder einen Wert wie zu Zeiten der ersten Weltwirtschaftskrise erreichte:
http://www10.pic-upload.de/thumb/03.07.13/jfnz2hyxev5w.png (http://www.pic-upload.de/view-19936067/Top-decile.png.html)
Obwohl Spanien selbst nach der Finanzkrise weniger Schulden hatte als Deutschland gelang es den Herrschenden die Krise in eine Staatsschuldenkrise umzudeuten. In Deutschland wurde der neoliberal-autoritäre Fiskalpakt von einer ganz großen Koalition aus CDU,FDP,SPD und GRÜNE beschlossen..
Angesichts des oben skizzierten Hintergrundwissens sieht die Zukunft düster aus, sofern der sich der nun von Merkel & co geplante "Pakt für Wettbewerbsfähigkeit" durchsetzten sollte. Der sieht vor, die fatalen "Strukturreformen", die ganz Südeuropa in die Massenverelendung treiben, für ganz Europa festzuschreiben.
Internationaler Aufruf gegen dieses "Troika für alle":
http://www.europa-geht-anders.eu/