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Vollständige Version anzeigen : Stümperhafte, wirtschaftsferne Politik



Verrari
15.06.2013, 18:01
Eine Meinung des zur Zeit noch amtierenden Aufsichtsratsvorsitzenden der BASF, Eggert Voscherau:


Stümperhafte, wirtschaftsferne Politik hat Europa in die Krise mit hoher
Jugendarbeitslosigkeit getrieben. Staatliche Konjunkturprogramme sind außer Reichweite.
Jetzt geht es darum, die Unternehmen zu stärken.
Von Klimawandel und Energiewende ist viel die Rede in Deutschland und Europa. Darüber
sind ein paar einfache wirtschaftliche Zusammenhänge so weit aus dem Blickfeld geraten,
dass Europa tatsächlich das Etikett verdient, das ihm der EU-Energiekommissar Günther
Oettinger verpasst hat: Sanierungsfall. Die Welt könnte sich kranklachen über den durch
stümperhafte Politik selbst verschuldeten Niedergang Europas, wäre damit nicht die
Schwächung eines für viele Weltregionen noch wichtigen Handelspartners verbunden.
Wer glaubt oder glauben machen will, die Rolle Europas in der Weltpolitik habe nichts mit
seiner wirtschaftlichen Entwicklung zu tun, ist auf dem Holzweg. Das gilt auch für einzelne
Länder wie Deutschland oder Frankreich. Mit einem wirtschaftsfernen – sprich
unternehmensfeindlichen Kurs – schwächen sich die politischen Akteure selbst.
Ein paar Fakten: Die Euro-Zone, ein wichtiger Teil der EU, hängt 2013 im zweiten Jahr in
Folge in den Seilen. Hier herrscht Rezession, während in anderen Teilen der Welt wie in
Asien oder in Nordamerika die Wirtschaft fröhlich wächst. Wir in Deutschland spüren das
vielleicht noch nicht so sehr, weil viele starke und innovative Unternehmen mit motivierten
Mitarbeitern sich selbst in der Europa-Krise noch gut schlagen. Erfolgreich sind aber vor
allem diejenigen, die sich frühzeitig Absatzmärkte außerhalb Europas aufgebaut haben.
Wir sollten uns nicht täuschen. Die Produktion und die Arbeitsplätze wandern dahin, wo
die Kunden und die Geschäfte sind.
Ein großer Teil Europas sperrt seine Zukunft, die Jugend, von der Teilnahme am
Wirtschaftsleben aus. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in vielen Ländern dramatisch
gestiegen: auf 59,1 Prozent in Griechenland, 55,9 in Spanien, 38,4 in Italien, 38,3 in
Portugal, 30,3 in Irland. Selbst in Frankreich, der zweitgrößten Wirtschaftsnation der Euro-
Zone, sind 26,5 Prozent der Jugendlichen ohne Arbeit. Der EU-Durchschnittswert der
unter 25-Jährigen ohne Arbeit ist seit 2007 von 16,6 auf 23,5 Prozent gestiegen. Den
arbeitslosen Jugendlichen wird die Chance zur Qualifizierung und zum Erwerb ihres
Lebensunterhalts verwehrt. Das wird Konsequenzen für die Stabilität der Gesellschaft
haben.
Was tun? In solch prekären Situationen griffen Staaten bisher zu kreditfinanzierten
Konjunkturprogrammen. Doch die Rettung der außer Rand und Band geratenen
Finanzwelt hat Staatsschuldenberge angehäuft, die in die jetzige Krise führten. Die
Sanierung Europas kann deshalb nur über die Stärkung der Wirtschaft durch bessere
politisch gesetzte Rahmenbedingungen laufen. Starke Unternehmen bieten Arbeit, bilden
aus, zahlen Steuern – sofern unfähige Politiker keine Schlupflöcher aufmachen – und
zahlen Sozialabgaben.
Diese einfachen, aber wichtigen Zusammenhänge werden in Europa seit vielen Jahren
ausgeblendet. Es wird so getan, als sei die böse Wirtschaft ein Fremdkörper in der
Gesellschaft. Die von Oettinger beklagten „Gutmenschen“ in der EU lesen keine Bilanzen.
Auch Deutschland droht der Abstieg, wenn wir glauben, dass wir aus Angst vor
unbewiesenen Risiken auf grüne Gentechnik, Schiefergas-Fracking und Nanotechnologie
verzichten können, während andere Weltregionen ihre Wettbewerbskraft mit diesen
Technologien stärken.
Massiv steigende Energiekosten als Folge der Energiewende setzen wird noch obendrauf.
In den USA zahlen Industriekunden heute schon 55 Prozent weniger für Strom und 69
Prozent weniger für Gas als in Deutschland. Bei Privathaushalten sieht es ähnlich aus.
Und die nächste Strompreissteigerung kommt bestimmt: in Deutschland. Was wir wirklich
brauchen, ist ein Klimawandel in der europäischen Wirtschafts- und Industriepolitik.


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