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Vollständige Version anzeigen : Tagebuch einer Hyperinflation. Teil 1



HansMaier.
29.05.2013, 17:49
3. Oktober 1921:
Man spricht viel von Staatsbankrott. Die Papiere gehen rasend in die Höhe. Die Schifffahrtsaktien stehen über 300, Lüneburger Wachskreide über 1.000.

24. Oktober 1921:
Seit dem 1. Oktober 10.000 Mark verbraucht. Mein Wintermantel kostet 790 Mark, Gertruds 245 Mark

29. Oktober 1921:
Jetzt geht man wieder mit einer neuen Gehaltserhöhung um, die auch unbedingt nötig ist. Der Roggen kostet jetzt 220 Mark. Vorn 1. Oktober an habe ich 8.000 Mark ausgegeben. tagebuch1.jpg (61859 Byte)
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1. November 1921:
(Gespräch mit einem Musiklehrer) Er meinte, wenn wir doch nur erst bankrott machten, dann könnten wir doch von vorne anfangen. Aber so wüsste man nicht, was man tun sollte. Wenn er etwas Geld habe, kaufe er sich Bilder oder sonst etwas. Ich riet ihm, Aktien zu kaufen. Er meinte, das sei auch unsicher.

10. November 1921:
In der Mühle ist kein Roggenschrot mehr zu bekommen. Nur gegen Tausch von Roggen. Die Bauern verkaufen keinen Roggen. Mais kostet 300 Mark, Kartoffeln kosten 105, der Dollar kostet 300 Mark.

5/6. Dezember 1921:
Ein Pfund Butter kostet 44 Mark. Ein Liter Milch in Lüneburg 5 Mark, bei uns 3 Mark, ein Zentner Kartoffeln 100 Mark, ein Zentner Roggen 300 Mark; Buchweizen, weil schlecht gewachsen, 500 Mark; Maisschrot bei 160 Mark, ein Ei 4 Mark. Wir haben ein neues Gehaltsgesetz bekommen. Nach demselben erhalte ich Grundgehalt 2.600 Mark; Orts- und Teuerungszulage 8.400 Mark, Kinderzulage 5.600 Mark und doch kann man nicht damit auskommen. Wenn wir nicht unsere Wirtschaft hätten, würde es uns
schlecht gehen.

9. Dezember 1921:
In Deutschland am l. Dezember großer Börsenkrach. Die Wertpapiere Waren hoch getrieben worden, und anschließend stützten die Kurse teilweise um 1.000 Prozent.

1. Januar 1922:
Ich bekomme jetzt 40.000 Mark Gehalt, mit dem Schützengelde 50.000 Mark. Gramisch 50.000 Mark, weil er mehr Kinder hat. Aber er muss für seinen Sohn jährlich 10.000 Mark Pension bezahlen. Was für Zahlen sind das!

4. Januar 1922:
Eisenbahn und Post erhöhten ihre Tarife. Ein Brief kostet jetzt 2 Mark, eine Postkarte 1,50.

2. April 1922:
Kartoffeln kosten 200 Mark der Zentner, Butter 75 Mark das Pfund. Eine Gehaltsaufbesserung haben wir auch bekommen, jedoch längst nicht genug. Für mich sind es 13.000 Mark.
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10. Juli 1922:
Wir haben noch eine Kuh gekauft für 18.000 Mark.

18. Juli 1922:
Um 10 Uhr kam ein Händler und bot drei Anzugstoffe für 4.200 Mark an. Ich habe l .000 Mark abgehandelt, bot erst 3.000, nachher 3.200 Mark; dafür habe ich sie bekommen.

29. Juli 1922:
Um 6 Uhr zur Auktion nach Scharnebecksmühle. Roggen, der Morgen 10.000 Mark, Hafer 6.000 bis 8.000 Mark.

31. Juli 1922:
Der Dollar steht auf 615 Mark. Man befürchtet Schlimmeres. Eine ungeheure Teuerung.

1. August 1922:
Kronsbeeren kosten 9 Mark, Stroh kostet 800 Mark, Heu 1.200 Mark der Zentner.

4. August 1922:
Der Dollar steht auf etwa 800 Mark. Es ist eine krisenhafte Zeit.

18. August 1922:
Der Roggen soll 2.000 Mark kosten. Molkereibutter 150 Mark, Bauernbutter 120 Mark. Der Dollar steht auf 1.040 Mark. Eine ungeheure Preissteigerung im ganzen Land.

27. August 1922:
Die Mark fiel: l Dollar gleich 2.400 Mark. Nun steht die Katastrophe vor der Tür. Die Preise stiegen in wenigen Tagen schwindelhaft, 1 Meter Zeug kostet 6.000 Mark, ein Anzug 30.000 Mark. Die Geschäfte wurden gestürmt, denn jeder wollte noch kaufen. Butter kostet 200 Mark, ein Liter Milch 30 Mark. Ein Zentner Weizen kostet schon 3.000 Mark.

19. September 1922:
Käthe kaufte einen Wintermantel in Celle für 5.800 Mark, einen Kochtopf für 500 Mark, einige Teller je 300 Mark.

29. September 1922:
Eine Wäscheleine gekauft für 200 Mark, eine Grabschaufel für 250 Mark.

15. Oktober 1922:
Der Roggen kostete in der Erntezeit l .000 Mark, jetzt 5.000 Mark. Am l. Oktober bekam ich ein Gehalt einschl. Nachzahlung für Sept. von 79.000 Mark. Der Dollar stand 3.600 Mark.

19. Oktober 1922:
Ein Zentner Kartoffeln kostet jetzt 550 Mark. Unsere zweite Kuh hat Anneli bekommen. Sie würde jetzt 60.000 Mark kosten. Ich habe sie im Juni für 18.000 Mark gekauft. Ein Bleistift kostet 24 Mark. Ich habe 5,2 Ztr. Gerste gekauft für 17.000 Mark.

30. Oktober 1922:
Die Preise sind ungeheuer gestiegen. Roggen 14.000 Mark, Gerstenschrot 9.000 Mark, ein Ztr. Stroh 2.000 Mark. Einen Ackerwagen vom Schied Vorwerk gekauft für 125.000 Mark. Für einen Schinken sind 9.000 Mark zu zahlen.

2. Dezember 1922:
Ich kaufte in Celle ein Paar Stiefel für 7.980 Mark. Das Stroh kostet 500 Mark je Ztr.

14. Dezember 1922:
Ich habe ein Rind für 215.000 Mark gekauft. - Das Jahr und das Geld sind am Ende.

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Heute beginnt das Jahr 1923:
Was wird dieses Jahr uns noch alles bringen?

6. Januar 1923:
Eine zweite Kuh von Imker Rabe für 400.000 Mark gekauft.


8. Januar 1923:
Gehalt vom 1. Januar mit Nachzahlung für Dezember beträgt 310.000 Mark.

18. Januar 1923:
Der Dollar ist auf 25.000 Mark gestiegen.

26. Januar 1923:
Ein Schwein von 226 Pfund verkauft, das Pfund für 1.300 Mark; nächste Woche 1.500 Mark.

3. Februar:
Der Dollar stand annähernd auf 50.000 Mark. Roggen kostet 60.000 Mark der Zentner; Schwein 3.000 Mark das Pfund. Unsere Kuh will ich verkaufen. Es sind 1 1/4 Millionen
geboten, 1 1/2 will ich haben. Unseren alten Wagen verkauft für 200.000 Mark. Einen gebrauchten Pflug für 35.000 Mark gekauft. Ein Pfund markenfreies Brot kostet 700 Mark. Ich war mehrfach in Geldnöten, habe mich aber glücklich herausgewunden.
Neu gekauft: 1 Wagen 125.000 Mark, ein Rind 215.000 Mark, eine Kuh 400.000 Mark und drei Ferkel 90.000 Mark. Dafür habe ich 425.000 Mark aufgenommen; aus dem Gehalt kamen 440.000 Mark dazu.

31. März 1923:
Unser Gehalt schon ausbezahlt. Ich bekam für das Vierteljahr April bis Juli 1.086.336 Mark. Davon gehen 99.091 Mark Steuern ab. Monatlich bekomme ich: Grundgehalt 25.900 Mark, Ortszuschlag 2.700 Mark, Teuerungszuzahlung 269.412 Mark, Frauenbeihilfe 12.000 Mark, Kinderbeihilfe 52.100 Mark, zusammen monatlich 362.112 Mark.

3. April 1923:
Wir haben für 370.000 Mark eingekauft, u.a. Schuhe für Heinrich und Siegfried.

16. April 1923:
Zwei Zentner Heu und 2 1/2 Ztr. Stroh für zusammen 67.500 Mark gekauft. Früher würde man das Ganze für 10 Mark gekauft haben.

26. April 1923:
Heute sind Käthe und ich nach Celle gewesen, haben gekauft einen Mantel für Käthe, 92.000 Mark, einen Sommerhut für 38.000 Mark. Turnschuhe für Siegfried und für Gertrud je 9.500 Mark. Nahrungsmittel für 23.000 Mark, Tabak 3.000 Mark.

5. Mai 1923:
Vor Ostern sind alle zum Zahnarzt gewesen. Es kostete 75.000 Mark. Ein Forkenstiel kostet 5.500 Mark. Der Dollar steht wieder auf 42.000 Mark.

6. Mai 1923:
Aus Hannover war Frau Philipps hier und holte Eier und Butter, die wir für sie gekauft hatten. Sie hat an dem Tage etwa 26.000 Mark verdient, soviel billiger ist es hier wie in Hannover. Die Kartoffeln sollen auf 5.000 Mark stehen, im Herbst 700 Mark je Zentner.

10. Mai 1923:
Sanders wollen jetzt bauen. 50 Millionen, 18 davon bekommen sie vom Kreis.

11. Juni 1923:
Unser Kalb von 200 Pfund für l .200.000 Mark verkauft. Noch nie in meinem Leben bin ich mit soviel Geld über die Straße gegangen. Aber es hat keinen Wert; denn ich kaufte mir gleich 6 Ztr. Mais und Gerste, die in Friedenszeiten etwa 50 Mark gekostet hätten, und bezahlte dafür 570.000 Mark. Damit war ich das halbe Geld wieder los.

12.Juli 1923:
Zur Sparkasse und l Million Mark abgehoben.

13. Juli 1923:
Sense gekauft für 70.000 Mark. Ein Ztr. alte Kartoffeln kosten 120.000 Mark. Wir kauften in Celle Nahrungsmittel und Kleidung für eine Million Mark.

19. Juli 1923:
Ich bekam die Rechnung für 108 Ztr. Torf im Betrage von 2.542.000 Mark. Pro Ztr. je 20.000 Mark und 3.000 Mark Fuhrlohn für jeden Ztr. Im vorigen Jahr kostete der Ztr. noch 36 Mark.

21. Juli 1923:
Einen Vorlegelöffel bei Ritter gekauft für l Million Mark.

24. Juli 1923:
Auf der Fahrt nach Stralsund in Rostock eine Tasse Kaffee für 5.500 Mark getrunken.

29. Juli 1923:
Die Reise hat 416 000 Mark gekostet. Der Dollar stieg auf l Million Mark.

Weiter im Teil 2
MfG
H.Maier