Untergrundkämpfer
17.04.2013, 12:05
http://www.mdr.de/doku/leben-heute/artikel122944.html
Über eine Milliarde Tonnen Braunkohle liegen in etwa 100 Metern Tiefe unter dem Stadtgebiet Leipzigs. Ein Schatz, an den die DDR-Führung unbedingt kommen wollte - und musste. Wollte sie deshalb die Stadt zu großen Teilen abbaggern? Axel Bulthaupt schaut, was hinter dem Gerücht, das sich bis heute hält, steckt.
Braunkohle war in der DDR Treibstoff ganzer Industriezweige, aus ihr wurde Energie erzeugt. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg war das Land von Steinkohlevorräten abgeschnitten, es gab keinen Zugriff mehr auf die Vorkommen der schlesischen Reviere und der Westen Deutschlands verweigerte den Export jeglicher Energieträger in ein Land, dessen Existenz er nicht anerkennen wollte. Also heizte man in der DDR mit Braunkohle-Briketts, gewann aus Kohle Leicht- und Schweröl für Benzin und Diesel sowie Gase und wichtige chemische Grundstoffe für die Industrie.
Schon um 1900 war bei Borna südlich von Leipzig der erste Tagebau begonnen worden. Die aufstrebende sächsische Industrie brauchte die Braunkohle als Rohstoff, der Staat Sachsen ließ die Lagerstätten erkunden und stellte 1920 einen sogenannten Sperrplan auf. Der kennzeichnete alle Flächen rund um Leipzig, auf denen irgendwann einmal Braunkohle abgebaut werden sollte. Dieser Plan wurde nach dem Krieg wieder hoch aktuell: Die DDR-Führung plante auf Jahrzehnte hinaus neue Tagebaue, die von Norden wie Süden bis nach Leipzig hinein reichen sollten. Was zunächst noch Planspiele waren, wurde 1957 für immer mehr Menschen im Leipziger Raum Realität: Sie wurden umgesiedelt.
Der geplatzte Traum: Erdöl und Freundschaft
Nach dem Bau der "Drushba-Trasse", der Erdölleitung "Freundschaft", durch die sowjetisches Erdöl bis an die Ostgtrenze der DDR floss, schien die Zeit der Braunkohle vorbei. Die DDR rechnete ab Mitte der 1960er-Jahre mit einem unerschöpflichen Strom von Erdöl aus der Sowjetunion, er sollte alle Energieprobleme des Landes lösen. In Erwartung von Erdöl zum Freundschaftspreis wurde die gesamte chemische Industrie umgestellt. Ölkraftwerke sollten die Energie liefern, Brikettfabriken wurden stillgelegt, die Maschinen demontiert und verschrottet.
Doch mit der Ölkrise 1973 musste die DDR das Öl beim "großen Bruder" plötzlich zum Weltmarktpreis kaufen. Dafür fehlte aber das Geld. Kraftwerke, Heizwerke und Großbetriebe wurden also wieder auf heimische Rohbraunkohle umgestellt. Brikettfabriken, die längst hätten stillgelegt werden müssen, arbeiteten rund um die Uhr - teilweise mit Technik aus der Kaiserzeit. Im Kohleveredlungswerk Espenhain wurden die Maschinen bis zur Materialermüdung ausgelastet, ohne den Reparaturtrupp ging gar nichts mehr.
Der Mensch muss weichen
Immer größere Mengen Kohle brauchte die DDR. Neue riesige Tagebaue wurden erschlossen. So Zwenkau und Espenhain im Leipziger Süden - und dort waren die Menschen im Weg. Auf einer Einwohnerversammlung der kleinen Stadt Magdeborn wurde ein Ministerbeschluss verkündet: Die Stadt verschwindet. Mehre Tausend Menschen mussten umziehen, ihre Grundstücke und Häuser, ihre Heimat verlassen. Nicht einmal ihre Entschädigungen konnten sie in den Mietskasernen richtig genießen, denn das Geld lag auf Sperrkonten und konnte nur in kleinen Teilbeträgen abgehoben werden. Fast 20.000 Menschen in der Region verloren ihr Zuhause an die Kohlebagger.
Jahr für Jahr fraßen die Schaufeln riesige Löcher in die Landschaft. Bei Markkleeberg erreichten die Bagger fast das Stadtgebiet von Leipzig. Im Süden der Stadt wich der Auwald einem riesigen Tagebau, die Kleinstadt Zwenkau mit 10.000 Einwohnern stand zur Disposition. Im Norden von Leipzig sollte sogar die Autobahn nach Halle dem Großtagebau Breitenfeld weichen. Das hätte den Grundwasserspiegel im Stadtzentrum Leipzigs um mehrere Meter sinken lassen, das Wegsacken von Häusern wäre wohl nur eine Frage der Zeit gewesen.
Leipzig sollte "ausgekohlt" werden. Wenn die Wende nicht gekommen wäre gäbe es statt der Stadt Leipzig dort nur noch ein gigantisches Loch.
Über eine Milliarde Tonnen Braunkohle liegen in etwa 100 Metern Tiefe unter dem Stadtgebiet Leipzigs. Ein Schatz, an den die DDR-Führung unbedingt kommen wollte - und musste. Wollte sie deshalb die Stadt zu großen Teilen abbaggern? Axel Bulthaupt schaut, was hinter dem Gerücht, das sich bis heute hält, steckt.
Braunkohle war in der DDR Treibstoff ganzer Industriezweige, aus ihr wurde Energie erzeugt. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg war das Land von Steinkohlevorräten abgeschnitten, es gab keinen Zugriff mehr auf die Vorkommen der schlesischen Reviere und der Westen Deutschlands verweigerte den Export jeglicher Energieträger in ein Land, dessen Existenz er nicht anerkennen wollte. Also heizte man in der DDR mit Braunkohle-Briketts, gewann aus Kohle Leicht- und Schweröl für Benzin und Diesel sowie Gase und wichtige chemische Grundstoffe für die Industrie.
Schon um 1900 war bei Borna südlich von Leipzig der erste Tagebau begonnen worden. Die aufstrebende sächsische Industrie brauchte die Braunkohle als Rohstoff, der Staat Sachsen ließ die Lagerstätten erkunden und stellte 1920 einen sogenannten Sperrplan auf. Der kennzeichnete alle Flächen rund um Leipzig, auf denen irgendwann einmal Braunkohle abgebaut werden sollte. Dieser Plan wurde nach dem Krieg wieder hoch aktuell: Die DDR-Führung plante auf Jahrzehnte hinaus neue Tagebaue, die von Norden wie Süden bis nach Leipzig hinein reichen sollten. Was zunächst noch Planspiele waren, wurde 1957 für immer mehr Menschen im Leipziger Raum Realität: Sie wurden umgesiedelt.
Der geplatzte Traum: Erdöl und Freundschaft
Nach dem Bau der "Drushba-Trasse", der Erdölleitung "Freundschaft", durch die sowjetisches Erdöl bis an die Ostgtrenze der DDR floss, schien die Zeit der Braunkohle vorbei. Die DDR rechnete ab Mitte der 1960er-Jahre mit einem unerschöpflichen Strom von Erdöl aus der Sowjetunion, er sollte alle Energieprobleme des Landes lösen. In Erwartung von Erdöl zum Freundschaftspreis wurde die gesamte chemische Industrie umgestellt. Ölkraftwerke sollten die Energie liefern, Brikettfabriken wurden stillgelegt, die Maschinen demontiert und verschrottet.
Doch mit der Ölkrise 1973 musste die DDR das Öl beim "großen Bruder" plötzlich zum Weltmarktpreis kaufen. Dafür fehlte aber das Geld. Kraftwerke, Heizwerke und Großbetriebe wurden also wieder auf heimische Rohbraunkohle umgestellt. Brikettfabriken, die längst hätten stillgelegt werden müssen, arbeiteten rund um die Uhr - teilweise mit Technik aus der Kaiserzeit. Im Kohleveredlungswerk Espenhain wurden die Maschinen bis zur Materialermüdung ausgelastet, ohne den Reparaturtrupp ging gar nichts mehr.
Der Mensch muss weichen
Immer größere Mengen Kohle brauchte die DDR. Neue riesige Tagebaue wurden erschlossen. So Zwenkau und Espenhain im Leipziger Süden - und dort waren die Menschen im Weg. Auf einer Einwohnerversammlung der kleinen Stadt Magdeborn wurde ein Ministerbeschluss verkündet: Die Stadt verschwindet. Mehre Tausend Menschen mussten umziehen, ihre Grundstücke und Häuser, ihre Heimat verlassen. Nicht einmal ihre Entschädigungen konnten sie in den Mietskasernen richtig genießen, denn das Geld lag auf Sperrkonten und konnte nur in kleinen Teilbeträgen abgehoben werden. Fast 20.000 Menschen in der Region verloren ihr Zuhause an die Kohlebagger.
Jahr für Jahr fraßen die Schaufeln riesige Löcher in die Landschaft. Bei Markkleeberg erreichten die Bagger fast das Stadtgebiet von Leipzig. Im Süden der Stadt wich der Auwald einem riesigen Tagebau, die Kleinstadt Zwenkau mit 10.000 Einwohnern stand zur Disposition. Im Norden von Leipzig sollte sogar die Autobahn nach Halle dem Großtagebau Breitenfeld weichen. Das hätte den Grundwasserspiegel im Stadtzentrum Leipzigs um mehrere Meter sinken lassen, das Wegsacken von Häusern wäre wohl nur eine Frage der Zeit gewesen.
Leipzig sollte "ausgekohlt" werden. Wenn die Wende nicht gekommen wäre gäbe es statt der Stadt Leipzig dort nur noch ein gigantisches Loch.