Rutt
25.01.2013, 12:10
Worin besteht die Erbschaft einer Zeit, in der sadistische Demütigungsshows ein begeistertes Millionenpublikum finden?…
Dem autoritären Charakter ist eine Untertanenmentalität eigen, die in Krisenzeiten ihre Servilität gegenüber dem herrschenden System psychisch nur aufrechterhalten kann, wenn sie sich Möglichkeiten der Triebabfuhr verschafft. Die Unterordnung unter die Systemimperative geht während der Krise mit immer größerem Triebverzicht einher, während die Gratifikationen wegfallen. Da dem autoritären Charakter ein Aufbegehren gegen die Verhältnisse, die ihn in den Irrsinn treiben, unmöglich scheint, bricht sich die so angestaute Wut gegen Schwächere Bahn. Menschen, die von der kriselnden Kapitalverwertung zu Objekten gemacht und ausgepresst werden, ergötzen sich daran, andere zu Objekten degradiert zu sehen. Der angestaute Druck muss weitergeleitet werden, weswegen das Publikum es liebe, “arme Hunde so zu hetzen, wie es die Reichen mit einem selber tun” (Bloch) …
Je stärker die Krise wütet, desto krasser und brutaler fällt dieses Spektakel aus. So kommt gerade bei der heutigen Reality-Show eine zentrale Diagnose der Kritischen Theorie zur vollen Entfaltung: “Amüsement ist die Verlängerung der Arbeit unterm Spätkapitalismus. Es wird von dem gesucht, der dem mechanisierten Arbeitsprozess ausweichen will, um ihm von neuem gewachsen zu sein.” Fun wird in der Krise vollends zu einem “Stahlbad” (Adorno), weil auch das Mobbing, der Druck und die Hetze in der Arbeitswelt zunehmen. Nach der Triebabfuhr an den zu Objekten degradierten Spektakelteilnehmern am Wochenende lassen sich die beständig zunehmenden Nackenschläge in der Arbeitswoche etwas leichter ertragen. Die grundlegende Konfiguration der Reality-Show spiegelt den Zuschauern ihren Arbeitsalltag wider: Der Angestellte, der sich etwa “Germany’s Next Topmodel” anschaut, sieht freiwillig de facto das gleiche brutale Rattenrennen, dem er in der Arbeitswoche ausgesetzt ist …
Der heutige Faschist bezeichnet sich nicht selten als moderner Demokrat, der unbequeme Wahrheiten mutig ausspreche. Aus reinen Kostenerwägungen heraus wolle er gegen “Kostenfaktoren” der deutschen Leistungsgemeinschaft vorgehen, die erst wieder am Stammtisch als “Schmarotzer” und “Parasiten” bezeichnet werden.
Angefacht von der Weltwirtschaftskrise der frühen 30er Jahre, machten sich in der Weimarer Zeit lange vor der Machtergreifung der Nazis autoritäre und reaktionäre Anschauungen breit, die oftmals gänzlich "unpolitisch" wirkten, aber beim genaueren Hinsehen einen Ausblick in den Abgrund erlaubten, auf den das Land zusteuerte. Der Faschismus kam somit nicht aus heiterem Himmel über Deutschland. Eine scharfsinnige und immer noch beeindruckende Auseinandersetzung mit dem deutschen Präfaschismus, der genau dieses Kunststück gelang, ist die 1932 von Ernst Bloch verfasste, 1935 in Zürich publizierte Schrift "Erbschaft dieser Zeit", in der an ein Tabu der damaligen linken Faschismusdebatte gerührt wurde: Der Verfasser benennt nicht nur die Finanziers und Unterstützer der NSDAP in Kapitalkreisen, Militär und Staatsapparat, er legt auch die autoritären Dispositionen bei großen Teilen der Bevölkerung offen, die in der Linken immer noch allzu oft als einfaches "Volk" idealisiert wird.
Quelle:http://www.heise.de/tp/artikel/38/38405/1.html
mfg
rutt
Dem autoritären Charakter ist eine Untertanenmentalität eigen, die in Krisenzeiten ihre Servilität gegenüber dem herrschenden System psychisch nur aufrechterhalten kann, wenn sie sich Möglichkeiten der Triebabfuhr verschafft. Die Unterordnung unter die Systemimperative geht während der Krise mit immer größerem Triebverzicht einher, während die Gratifikationen wegfallen. Da dem autoritären Charakter ein Aufbegehren gegen die Verhältnisse, die ihn in den Irrsinn treiben, unmöglich scheint, bricht sich die so angestaute Wut gegen Schwächere Bahn. Menschen, die von der kriselnden Kapitalverwertung zu Objekten gemacht und ausgepresst werden, ergötzen sich daran, andere zu Objekten degradiert zu sehen. Der angestaute Druck muss weitergeleitet werden, weswegen das Publikum es liebe, “arme Hunde so zu hetzen, wie es die Reichen mit einem selber tun” (Bloch) …
Je stärker die Krise wütet, desto krasser und brutaler fällt dieses Spektakel aus. So kommt gerade bei der heutigen Reality-Show eine zentrale Diagnose der Kritischen Theorie zur vollen Entfaltung: “Amüsement ist die Verlängerung der Arbeit unterm Spätkapitalismus. Es wird von dem gesucht, der dem mechanisierten Arbeitsprozess ausweichen will, um ihm von neuem gewachsen zu sein.” Fun wird in der Krise vollends zu einem “Stahlbad” (Adorno), weil auch das Mobbing, der Druck und die Hetze in der Arbeitswelt zunehmen. Nach der Triebabfuhr an den zu Objekten degradierten Spektakelteilnehmern am Wochenende lassen sich die beständig zunehmenden Nackenschläge in der Arbeitswoche etwas leichter ertragen. Die grundlegende Konfiguration der Reality-Show spiegelt den Zuschauern ihren Arbeitsalltag wider: Der Angestellte, der sich etwa “Germany’s Next Topmodel” anschaut, sieht freiwillig de facto das gleiche brutale Rattenrennen, dem er in der Arbeitswoche ausgesetzt ist …
Der heutige Faschist bezeichnet sich nicht selten als moderner Demokrat, der unbequeme Wahrheiten mutig ausspreche. Aus reinen Kostenerwägungen heraus wolle er gegen “Kostenfaktoren” der deutschen Leistungsgemeinschaft vorgehen, die erst wieder am Stammtisch als “Schmarotzer” und “Parasiten” bezeichnet werden.
Angefacht von der Weltwirtschaftskrise der frühen 30er Jahre, machten sich in der Weimarer Zeit lange vor der Machtergreifung der Nazis autoritäre und reaktionäre Anschauungen breit, die oftmals gänzlich "unpolitisch" wirkten, aber beim genaueren Hinsehen einen Ausblick in den Abgrund erlaubten, auf den das Land zusteuerte. Der Faschismus kam somit nicht aus heiterem Himmel über Deutschland. Eine scharfsinnige und immer noch beeindruckende Auseinandersetzung mit dem deutschen Präfaschismus, der genau dieses Kunststück gelang, ist die 1932 von Ernst Bloch verfasste, 1935 in Zürich publizierte Schrift "Erbschaft dieser Zeit", in der an ein Tabu der damaligen linken Faschismusdebatte gerührt wurde: Der Verfasser benennt nicht nur die Finanziers und Unterstützer der NSDAP in Kapitalkreisen, Militär und Staatsapparat, er legt auch die autoritären Dispositionen bei großen Teilen der Bevölkerung offen, die in der Linken immer noch allzu oft als einfaches "Volk" idealisiert wird.
Quelle:http://www.heise.de/tp/artikel/38/38405/1.html
mfg
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