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Vollständige Version anzeigen : Geschichte: Walther Rathenau



Klaus E. Daniel
12.10.2003, 16:29
Ein deutscher Lebenslauf - oder, wie die Weimarer Repulik zugrunde ging:
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Walther Rathenau
Industrieller, Politiker, Schriftsteller



1867
29. September: Walther Rathenau wird als Sohn des jüdischen Industriellen Emil Rathenau und seiner Frau Mathilde (geb. Nachmann) in Berlin geboren.


1883
Rathenaus Vater gründet die Deutsche Edison-Gesellschaft, die 1887 in Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) umbenannt wird.


1886-1889
Rathenau studiert Physik, Chemie und Philosophie in Berlin und Straßburg.


1889
Promotion in Berlin über "Die Absorption des Lichts in Metallen".


1889/90
Studium des Maschinenbaus und der Chemie an der Technischen Hochschule München.


1892
Technischer Beamter der Aluminium-Industrie AG in Neuhausen (Schweiz).


1893-1898
Als Geschäftsführer baut er die von der AEG gegründeten Elektrochemischen Werke Bitterfeld auf.


1897
Veröffentlichung der Schrift "Höre, Israel!", in welcher Rathenau die jüdische Bevölkerung in Deutschland zur Assimilation auffordert.

Beginn der langjährigen Freundschaft mit dem Publizisten Maximilian Harden.


1899
Als Leiter der Abteilung Zentralstationen tritt er in den Vorstand der AEG ein.


1902
Austritt aus dem AEG-Direktorium und Wechsel zur Berliner Handels-Gesellschaft.


1904
Mitglied des Aufsichtsrates der AEG.


1905
Beginn der Freundschaft mit dem Dichter Gerhart Hauptmann.


1907/08
Rathenau unternimmt zwei Inspektionsreisen nach Afrika, um Vorschläge für die künftige deutsche Kolonialpolitik zu machen. In der Schrift "Reflexionen" veröffentlicht er diese.


1910
Stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der AEG.

Vermittlertätigkeit im Vorfeld der zweiten Marokkokrise zwischen den Gebrüdern Mannesmann und einem deutsch-französischen Konsortium.


1911
Berater des Reichsschatzamts in der Frage eines Reichselektrizitätsmonopols.


1912
Schwere Erkrankung des Vaters und erste Auseinandersetzungen um dessen Nachfolge in der AEG. Walther Rathenau wird Vorsitzender des Aufsichtsrates der AEG.


1912-1917
Publikation der philosophischen und sozialpolitischen Studien "Zur Kritik der Zeit", "Zur Mechanik des Geistes" und "Von kommenden Dingen".


1914
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs weist er auf die Notwendigkeit der organisierten Rohstoffverteilung hin. Als Leiter der Kriegsrohstoffabteilung (KRA) im preußischen Kriegsministerium organisiert er die deutsche Kriegswirtschaft.

Beteiligung an der Kriegszieldiskussion mit mehreren Denkschriften für Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg.


1915
März: Rückzug aus der KRA.

Tod des Vaters. Felix Deutsch wird dessen Nachfolger in der AEG, Rathenau erhält Sondervollmachten als Präsident der AEG.


1918
Erste Ausgabe der "Gesammelten Schriften" in fünf Bänden.

15. November: Er wirkt an der Bildung der "Zentralarbeitsgemeinschaft der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer" mit, die das Stinnes-Legien-Abkommen schließt. In diesem handeln Arbeitgeber und Arbeitnehmer tarifrechtliche Vereinbarungen aus.


1919
Veröffentlichung mehrerer programmatischer Schriften zum Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft.


1920
Als Wirtschaftssachverständiger und Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) arbeitet er in der 2. Sozialisierungskommission mit und nimmt an der Konferenz von Spa teil, auf der über die deutschen Kohlelieferungen an die Alliierten verhandelt wird.


1921
Mai: Mit dem Eintritt in das Kabinett Wirth als Wiederaufbauminister gibt er alle Ämter in der Wirtschaft auf. Gemeinsam mit dem Finanzminister Matthias Erzberger plädiert er für eine "Erfüllungspolitik", um die Undurchführbarkeit des Versailler Vertrags zu beweisen.

6. Oktober: Rathenau handelt das Wiesbadener Abkommen über Sachleistungen der deutschen Wirtschaft für die zerstörten Gebiete Nordfrankreichs aus.

Oktober: Nach dem Rücktritt des Kabinetts Wirth scheidet Rathenau zwar offiziell aus der Reichsregierung aus, wird aber weiterhin mit wichtigen Verhandlungstätigkeiten betraut.


1922
Offizieller Vertreter der Reichsregierung bei der Konferenz von Cannes. Er erreicht die Herabsetzung der laufenden deutschen Reparationszahlungen.

1. Februar: Im zweiten Kabinett Wirth wird er Außenminister.

16. April: Während die Konferenz von Genua tagt, schließt Rathenau den Rapallo-Vertrag mit der Sowjetunion. Dieses bilaterale Abkommen wurde als Beginn einer nach Rußland orientierten deutschen Außenpolitik interpretiert.

24. Juni: Walther Rathenau wird von zwei jungen Offizieren, die der rechtsradikalen "Organisation Consul"(OC) angehören, erschossen. Mit seiner Ermordung soll die Weimarer Republik getroffen werden.

Das Attentat führt zum Erlaß des Republikschutzgesetzes.
_________________
wird fortgesetzt

K.E.D.

Klaus E. Daniel
12.10.2003, 16:38
Fortsetzung
>>Ich kämpfe gegen das Unrecht, das in Deutschland geschieht, denn ich sehe Schatten aufsteigen, wohin ich mich wende. Ich sehe sie, wenn ich abends durch die gellenden Straßen von Berlin gehe; wenn ich die Insolenz unseres wahnsinnig gewordenen Reichtums erblicke, wenn ich die Nichtigkeit kraftstrotzender Worte vernehme oder von pseudogermanischer Ausschließlichkeit berichten höre. Eine Zeit ist nicht deshalb sorgenlos, weil der Leutnant strahlt und der Attaché voll Hoffnung ist. Seit Jahrzehnten hat Deutschland keine ernstere Periode durchlebt als diese; das stärkste aber, was in solchen Zeiten geschehen kann, ist: das Unrecht abtun.<<

Walther Rathenau - 1911



Walther Rathenau zählt wie Max Weber, Friedrich Naumann und Gustav Stresemann zu den herausragenden Persönlichkeiten der Geschichte der deutschen Demokratie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Unter ihnen war er zweifellos der Umstrittenste und Widersprüchlichste, und gerade dies hat das seit Jahrzehnten ungebrochene Interesse an ihm immer wieder neu entfacht. Selten traten in einer Person Wechselbeziehungen und Widersprüche zwischen Wirtschaft und Gesellschaft, Politik und Kultur in Deutschland so deutlich in Erscheinung wie im Leben und im Werk Walther Rathenaus.

Der Reichskanzler anläßlich der Ermordung des Reichaußenministers Walther Rathenau

Im Reichstag (236. Sitzung)

25. Juni 1922
Meine Damen und Herren! Trotz der Leere des Hauses oder gerade deswegen will ich eine ruhige Minute benutzen, um Ihre Aufmerksamkeit zu erbitten. Es war nicht möglich, gestern mittag und gestern abend den Werdegang des Herrn Ministers Rathenau und seine Verdienste um das deutsche Volk, den deutschen Staat und die deutsche Republik ausgiebig zu würdigen. Es war auch nicht möglich, in Ihrer Mitte - und ich persönlich müßte als sein Freund das mit besonderer Bewegung tun -, über die großen Entwürfe seiner Seele zu sprechen. Allein, meine Damen und Herren, eins will ich in Ihrer Mitte doch sagen. Wenn Sie in Deutschland auf einen Mann, auf seine glänzenden Ideen und auf sein Wort hätten bauen können, in einer Frage die Initiative zu ergreifen im Interesse unseres deutschen Volkes, dann wäre es die Weiterarbeit des Herrn Dr. Rathenau bezüglich der großen Schicksalsfrage der Alleinschuld Deutschlands am Kriege gewesen.

(Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten)

Hier sind die großen Entwicklungen jäh unterbrochen, und die Herren, die die Verantwortung dafür tragen, können das niemals mehr vor ihrem Volke wieder gutmachen.

Aber, meine Damen und Herren, ich bin der Rede des Herrn Abgeordneten Dr. Hergt mit steigender Enttäuschung gefolgt. Ich habe erwartet, daß heute nicht nur eine Verurteilung des Mordes an sich erfolgt, sondern daß diese Gelegenheit benützt wird, einen Schnitt zu machen gegenüber denen, gegen die sich die leidenschaftlichen Anlagen des Volkes durch ganz Deutschland erheben. Ich habe erwartet, daß von dieser Seite heute ein Wörtchen falle, um einmal auch die in Ihren eignen Reihen zu einer gewissen Ordnung zu rufen, die an der Entwicklung einer Mordatmosphäre in Deutschland zweifellos persönlich Schuld tragen.

(Sehr richtig! links und im Zentrum!)

Was Sie zum Beispiel, Herr Abgeordneter Körner, persönlich in Ihren Zeitungen im Schwabenland geschrieben haben, das können Sie nicht wieder gutmachen.

(Zurufe und Unruhe.)

Wie weit die Vergiftung in Deutschland geht, will ich einmal an einem Beispiel zeigen. Ich verstehe, daß man an der Politik der Regierung, an unserem Verhalten persönlicher und politischer Art Kritik üben kann. Warum nicht? Ich verstehe auch ein scharfes Wort, verstehe auch Hohn und Spott im politischen Kampf, verstehe die Verzerrung zur Karikatur. Ziel und Richtung unserer Politik - das ist, glaube ich, oder sollte es wenigstens sein, Gemeingut des ganzen Hauses - Ziel und Richtung unserer Politik ist die Rettung der deutschen Nation.

(Lebhafte Zustimmung.)

Die Methode, meine Damen und Herren, die ist strittig. In Fragen der Methode aber sollten sich Söhne des deutschen Volkes mindestens immer mit der Hochachtung begegnen, die es uns ermöglicht, vor dem Ausland als eine einheitliche Nation überhaupt aufzutreten.

(Stürmischer Beifall links und in der Mitte.)

Wenn wir nun die Politik der letzten Jahre überschauen, so hat es, wie ich Ihnen sagen darf, herbe Enttäuschungen gegeben, tiefster Schmerz hat sich in unsere Seele dann und wann gesenkt, und wir haben das Zittern des deutschen Volkskörpers in seiner Arbeiter- und Beamtenschaft erlebt. Meine Damen und Herren, da glaubt nun ein Reichstagskollege folgendes schreiben zu können:

(Zuruf von links: Namen nennen!)

- Der Name kommt noch. - Er spricht in seinem Blatte von Forderungen über neue Verträge, die notwendig sind, um die Arbeiter und Beamten in ihren Bezügen aufzubessern. Dann fährt der betreffende Kollege fort:

»Die jetzige Regierung ist in Wirklichkeit nur eine, vom Deutschen Reich zwar bezahlte, Angestellte, der Entente, die ihre Forderungen und Vorschriften einfach zu erfüllen hat; sonst wird sie einfach auf die Straße gesetzt und ist brotlos.«

(Stürmische Rufe: Hört! Hört! und erregte Pfuirufe. - Große Unruhe.)

Können Sie sich eine größere Entwürdigung von Menschen denken, die, wie wir, seit Jahresfrist an dieser Stelle stehen? Steigt Ihnen (zu den Deutschnationalen) da nicht auch die Schamröte ins Gesicht?!

(Anhaltende Rufe links: Wer ist das? - Unruhe.)

- Das Deutsche Tageblatt, Herausgeber Reinhold Wulle. Aber, meine Damen und Herren, die Sache hat noch eine größere Bedeutung! Hier liegt nicht nur eine redaktionelle Verantwortung vor, sondern dieser Artikel mit den schmählichsten Beleidigungen ist ausdrücklich geschrieben von Reinhold Wulle, Mitglied des Reichstags.

(Erneute erregte Pfuirufe.)

Das ist Ihr Kollege (zu den Deutschnationalen).

(Anhaltende große Unruhe und erregte Zurufe links.)

Ich darf fortfahren. Nun kommt er zum Schluß und sagt von uns, die wir hier seien, um unser Brot zu verdienen, die wir Ententeknechte seien, die wir deshalb die Politik machen, damit wir der Entente gefallen und dadurch eine Anstellung haben:

»... nur daß diese Kreise von der Arbeiterschaft nicht zu dem Schluß kommen, daß das ganze System zum Teufel gejagt werden muß, weil wir in Berlin eine deutsche Regierung, aber keine Ententekommission brauchen.«

(Lebhafte Rufe: Hört! Hört! - Große Unruhe.)

Meine Damen und Herren! Wo ist ein Wort gefallen im Laufe des Jahres von Ihrer Seite gegen das Treiben derjenigen, die die Mordatmosphäre in Deutschland tatsächlich geschaffen haben?!

(Lebhafter Beifall und Zurufe.)

Da wundern Sie sich über die Verwilderung der Sitten, die damit eingetreten ist?

(Erneute stürmische Zustimmung.)

Wir habe in Deutschland geradezu eine politische Vertiertheit.

(Sehr wahr! sehr wahr!)

Ich habe die Briefe gelesen, die die unglückliche Frau Erzberger bekommen hat. Wenn Sie, meine Herren, diese Briefe gesehen hätten - die Frau lehnt es ab, sie der Öffentlichkeit preiszugeben -, wenn Sie wüßten, wie man diese Frau, die den Mann verloren hat, deren Sohn rasch dahingestorben ist, deren eine Tochter sich dem religiösen Dienst gewidmet hat, gemartert hat, wie man in diesem Briefen der Frau mitteilt, daß man die Grabstätte des Mannes beschmutzen will, nur um Rache zu üben - -

(andauernde steigende Erregung auf der Linken. Unruhe und erregte Zurufe: Schufte!)

- Meine Herren (nach links), halten Sie doch ein wenig ein.

(Andauernde Erregung und Rufe. - Glocke des Präsidenten.)

Ich bitte die Vertreter der äußersten Linken, bei den kommenden Ausführungen, die ich zu machen habe, sich etwas zurückzuhalten! - Wundern Sie (nach rechts) sich, wenn unter dem Einfluß der Erzeugnisse Ihrer Presse der letzten Tage Briefe an mich kommen, wie ich hier einen von gestern in der Hand habe, der die Überschrift trägt: »Am Tage der Hinrichtung Dr. Rathenaus! «

(lebhafte Rufe: Hört! Hört!)

- wundern Sie sich dann, meine Herren, wenn eine Atmosphäre geschaffen ist, in der auch der letzte Funke politischer Vernunft erloschen ist?

(Lebhafte Zustimmung.)

Ich will mich mit dem Briefe sonst nicht weiter beschäftigen und nur den Schlußsatz vorlesen: » Im guten habt ihr Männer des Erfüllungswahnsinns auf die Stimme derer nicht hören wollen, die von der Fortsetzung der Wahnsinnspolitik abrieten. So nehme denn das harte Verhängnis seinen Lauf, auf daß das Vaterland gedeihe!«

(Andauernde stürmische Rufe: Hört! Hört! Erregte Pfuirufe. Große Erregung und wiederholte Rufe von der äußersten Linken: Dieser Verbrecher Wulle!)

Wollen wir aus dieser Atmosphäre - und das ist es doch, worauf es allein ankommt - wieder heraus, wollen wir gesunden, wollen wir aus diesem Elend herauskommen, dann muß das System des politischen Mordes endlich enden, das die politische Ohnmacht eines Volkes offenbart.

(Lebhafte Zustimmung.)

Und wie kann sie entgiftet werden? Meine Damen und Herren! Sie können mir gewiß zurufen: Das ist eine Frage, die man zunächst an die Alliierten zu stellen hat! Nun, ich war Zeuge bedeutsamer Unterhaltungen unseres ermordeten Freundes in Genua vor den mächtigsten der alliierten Staatsmänner. Einen beredteren Anwalt in kleinen, intimen Gesprächen - ernsthaften Gesprächen! -, einen beredteren Anwalt für die Freiheit des deutschen Volkes als Herrn Dr. Rathenau hätten Sie in ganz Deutschland nicht finden können! Seine Art, die Atmosphäre vorzubereiten, sie zu gestalten, die Behandlung der Probleme aus der Atmosphäre der Leidenschaft hinüber zu führen in ruhigere Erwägung und vornehmere Gesinnung, das hat keiner so verstanden wir Dr. Rathenau. Ich war Teilnehmer und Zeuge eines Gespräches mit dem ersten englischen Minister Lloyd George, in dessen Verlauf Dr. Rathenau ganz klar und ernsthaft sagte: »unter dem System, unter dem uns zurzeit die Alliierten halten, kann das deutsche Volk nicht leben!«

(Stürmische Rufe: Hört! Hört!)

Niemals habe ich einen Mann edlere vaterländische Arbeit verrichten sehen als Dr. Rathenau. Was aber war nach der rechtsvölkischen Presse sein Motiv? Ja, meine Damen und Herren, wenn ich in diesem Briefe lese, daß natürlich die Verträge alle nur abgeschlossen sind, damit er und seine Judensippschaft sich bereichern können,

(stürmische Pfuirufe, andauernde wachsende Erregung; - Rufe links: Lump! Schurke!)

dann können Sie wohl verstehen, daß unter dieser völkischen Verheerung, unter der wir leiden, unser deutsches Vaterland rettungslos dem Untergang entgegentreiben muß. Ich war vorhin beim Kirchgang Zeuge des Aufmarsches der großen Massen zur Demonstration im Lustgarten. Da war Ordnung, da war Disziplin. Es war eine Ruhe; aber mögen sich die Kreise in Deutschland durch diese äußere Ruhe nicht täuschen lassen.

(Sehr richtig! links.)

In der Tiefe droht ein Vulkan!

(Stürmischer Beifall und Händeklatschen im Hause und auf den Tribünen.)

Ich muß hier das Wort wiederholen, das ich seinerzeit gesprochen habe, daß in einem so wahnwitzigen Entscheidungskampf, den viele von Ihnen gewissenlos herbeiführen, uns unsere Pflicht dahin führt, wo die großen Scharen des arbeitenden Volkes stehen.

(Erneuter lebhafter Beifall.)

Meine Damen und Herren! Die Frage ist ernsthaft, sie muß hier in Ruhe erörtert werden. Gewiß können wir aus eigener Kraft ohne Einsicht der alliierten Staatsmänner Ruhe und Ordnung in Deutschland und ein Wiedererwachen des deutschen wirtschaftlichen Lebens nicht herbeiführen. Es ist ganz klar - und darüber soll kein Zweifel gelassen werden -; Abgesehen von dem oder jenem Zeichen des Verständnisses haben die alliierten Regierungen dem demokratischen Deutschland im Laufe eines Jahres nur Demütigungen zugefügt.

(Lebhafte Zustimmung.)

Das spreche ich offen aus: Der Wahn, der durch die Welt ging, als ob der Ausgang des Krieges eine Sicherung demokratischer Freiheit sei, das war eben nur ein Wahn und eine schmerzliche Enttäuschung für das deutsche Volk und auch die größte Enttäuschung für die deutsche, auch die radikal gesinnte Arbeiterschaft.

(Sehr richtig.)

Die Entscheidung über Oberschlesien lag nicht in unserer Macht. Ich kenne die Angriffe gegen die Männer, die trotz Oberschlesien die Politik weitergeführt haben, weil es eben keinen anderen Weg gibt. Die Entscheidung in Oberschlesien war das größte, das himmelschreiendste Unrecht, daß dem deutschen Volke durch den Bruch des Versailler Vertages angetan werden konnte.

(Stürmische Zustimmung.)

Ich bin von einem alliierten Staatsmanne - es war Lloyd George - gefragt worden: Herr Reichskanzler, wie stellen Sie sich zum Völkerbund! Ich habe ihm folgende Antwort gegeben: Ich bin ein Freund eines Völkerbundes, und ich würde den Tag begrüßen, wo die großen Organisation der Völker geschaffen werden könnte, um allem, was Menschenantlitz trägt, den Frieden auf der Welt zu bewahren. Aber - so habe ich weiter gesagt - will man dem Völkerbunde dienen in Deutschland, so muß man zurzeit - ich unterstreiche das »zurzeit«, es war gestern vor Wochen in Genua, vielleicht ist heute die Situation schon anders -, will man diesem Völkerbunde einen Nutzen bringen, so muß man nach der Entscheidung über Oberschlesien von diesem Völkerbunde schweigen.

(Lebhafter Beifall.)

Ich will dann einen zweiten Punkt anführen. Ich erinnere an das Schicksal der fünf Weichseldörfer, das heute noch nicht entschieden ist, an die Leiden der Saarbevölkerung, an die großen Schmerzen der rheinischen Bevölkerung, an diese kleinlichen Schikanen, die dort auf unseren Volksgenossen lasten und die eine Schande sind für das gesittete Europa.

(Stürmischer Beifall.)

Wie oft haben wir mahnend und flehend gerade nach dem Auslande hin die Hände erhoben und haben gesagt: Gebt dem demokratischen Deutschland jene Freiheit, deren das demokratische Deutschland bedarf, um im Herzen Europas eine Staatsform zu schaffen, die eine Gewähr des Friedens bietet. Unsere Mahnungen sind verhallt. Erst in dem Augenblick, wo man gesehen hat, daß die ganze Welt leidet, wenn das deutsche Volk zugrunde geht, ist allmählich erst durch wirtschaftliche Erwägungen der Haß etwas zurückgetreten. Aber die politischen Folgerungen aus dieser veränderten Atmosphäre sind bis zur Stunde noch nicht gezogen.

(Sehr richtig.)

Darüber besteht kein Zweifel. Es ist für ein Sechzig-Millionen-Volk auf die Dauer unmöglich, unter der Herrschaft von fremden Kommissionen, und wenn es die Herren noch so gut meinen sollten, ein demokratisches Deutschland überhaupt lebensfähig zu machen.

(Lebhafte Zustimmung.)

Da wundert es mich nicht mehr, daß diese Erkenntnis den General Ludendorff veranlaßt hat, in einer englischen Zeitschrift einen Artikel zu schreiben und für Deutschland die Diktatur zu empfehlen, die monarchistische Diktatur. Dieser Artikel ist eines deutschen Generals unwürdig.

(Lebhafte Zustimmung in der Mitte und links.)

Er ist es um so mehr, als auch auf dieser Seite (nach rechts) wiederholt die Bereitwilligkeit ausgesprochen worden ist, sich, wenn auch nicht im Rahmen der Linien unserer heutigen Politik, an der Gesetzgebung praktisch zu betätigen. Wenn Sie einen Mann als Ihren großen Gott verehren, der dieses Ziel, die Diktatur für Deutschland, gerade in einem Augenblick in England proklamiert, wo die Herzen, die in Eis gepanzert waren, aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus zu schmelzen begannen, so zeigen diese Träger des alten Systems, daß sie für die politische Atmosphäre der Welt weder Vernunft noch Fingerspitzengefühl besitzen.

Ich glaube, ich war es Dr. Rathenau schuldig, noch einige Worte hier in die Debatte einzuflechten. Ich bedaure nicht nur als Freund seinen grausamen großen Mitarbeiter verloren zu haben. Ich würde mich freuen, wenn gerade in den Kreisen, die bisher unserer Politik feindlich gegenüberstanden, ein Verständnis dafür vorhanden wäre, daß gewissen Linien unserer Politik unter keinen Umständen verlassen werden dürfen. Aber, meine Damen und Herren, die viel geschmähte Erfüllungspolitik ist nach außen sabotiert, wenn wir nach innen nicht zu einer einheitlichen, festgefügten Auffassung unserer Politik kommen.

(Sehr richtig! in der Mitte und links.)

Es geht nicht an, Divergenzen zwischen Kanzler und Ministern zu konstruieren; und wenn sie vorhanden sein sollten, dann muß gerade aus außenpolitischen Gründen nach einer einheitlichen Linie der inneren Politik so schnell wie möglich gesucht werden.

Minister Dr. Rathenau hat am Abend vor seinem Tode mit einem Herrn aus Ihrer Fraktion, meine Herrn von der Deutschen Volkspartei, bei einem Diplomaten bis 1 Uhr nachts zugebracht, nicht etwa, wie man da und dort vermuten könnte, um sich zu ergötzen. Das Gespräch war ein ernstes, großes politisches Gespräch um die Reparationsfrage. Die größten Gedankengänge beschäftigten diesen Minister Tag und Nacht in der Reparationsfrage wie in der Schuldfrage. Nachdem der Herr Kollege Hergt jetzt in den Saal gekommen ist, darf ich sagen: wir haben gerade für die Förderung dieser Frage durch seinen Tod unendlich viel verloren. Wir sind nicht untätig, meine Herren, und das Geschrei was draußen geübt wird, ist das törichtste, was es gegeben hat.

(Sehr richtig! in der Mitte und links.)

Man darf aber, wenn man Politik treibt und wenn man auf Jahre hinaus schauen muß, nicht alles an die große Glocke hängen, und vor allem darf man jene Glocke nicht läuten, für die man in meiner Heimat ein sehr böses Wort geprägt hat. In diesem Gespräch gerade mit einem Industriellen, einem hervorragenden Mitglied der Deutschen Volkspartei, hat sich gezeigt, daß man das Problem der Reparation, auch wenn man sonst verschiedener Auffassung ist, doch in starker Form fördernd in gemeinsamen Besprechungen verschiedenster Parteien behandeln kann.

(Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei.)

Das, was in der Welt geschehen ist, was die englische Bank uns im Dezember geantwortet hat, was jetzt das Komitee der Anleihefachverständigen ausgesprochen hat, ist eine Basis, auf der alle, die in Deutschland guten Willens sind, die auswärtige Politik und die große Frage der Kontribution, um dieses Wort zu gebrauchen, förderlich behandeln könnten.

(Sehr richtig! in der Mitte und links.)

Wir wären ja töricht, wenn wir dieses Instrument nicht in unsere Hand nehmen würden. Es ist deshalb geradezu eine Sinnlosigkeit, wenn sich in Deutschland die Menschen die Köpfe darüber zerschlagen, ob eine kleine, eine mittlere oder eine große Anleihe notwendig ist.,

(Sehr richtig! links und in der Mitte.)

Und ein Zweites ist notwendig; darüber ist sich heute die Welt einig. Das politische Diktat heilt weder das deutsche Volk noch Europa, noch die Menschheit. Die Politik, die wir im letzten Jahr wie in diesem Jahr erstrebt haben, zielt auf eine vernünftige Lösung des ganzen Reparationsproblems auf wirtschaftlicher Basis. Wir wollen uns nicht entziehen, wir wollen nicht davonlaufen. In keinem Augenblick, auch nicht bei der schrecklichen Entscheidung über Oberschlesien, haben wir die Geduld verloren, am Rettungswerk des deutschen Volkes mitzuarbeiten. Wer, wie ich das von rechts immer höre, wie es mir aus den Zeitungen entgegentönt, mit Faust sagt: »Fluch vor allem der Geduld«, der hat sich aus der politischen Arbeit, aus der Rettungsarbeit für unser Vaterland ausgeschaltet.

(Sehr richtig! links und in der Mitte.)

Geduld gehört dazu. Gewiß, meine Damen und Herren, mit nationalistischen Kundgebungen lösen Sie kein Problem in Deutschland.

(Sehr richtig! links und in der Mitte.)

Ist es denn eine Schande, wenn jemand von uns, von der äußersten Linken bis zur äußersten Rechten, in idealem Schwung die Fäden der Verständigung mit allen Nationen anzuknüpfen versucht? Ist es eine Schande, wenn wir mit jenem gemäßigten Teil des französischen Volkes, der die Probleme nicht nur unter dem Gesichtspunkt sieht: »Wir sind die Sieger, wir treten die Boches nieder, heraus mit dem Säbel, Einmarsch ins Ruhrgebiet«, wenn wir durch persönliche Beziehungen mit allen Teilen der benachbarten Nationen zu einer Besprechung der großen Probleme zu kommen suchen? Dr. Rathenau war wie kaum einer zu dieser Aufgabe berufen.

(Sehr richtig! links.)

Seine Sprachkenntnisse, die formvollendete Art seiner Darstellung machten ihn in ersten Linie geeignet, an dieser Anknüpfung von Fäden zwischen den Völkern erfolgreich zu arbeiten.

(Zustimmung links.)
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Dieser Mann war zweifellos eine schillernde Persönlichkeit, aber ich verbeuge mich noch immer vor ihm.

Das Wort: "Der Feind steht rechts" hatte in der Weimarer Republik eine andere Bedeutung als heute. Nicht, daß da jemand auf falsche Gedanken kommt.

Angeregt hat mich zu diesem Thema R.B., ohne das er es wußte; ich schulde ihm Dank, weil er mich nebenbei auf diese Spur brachte.

Klaus E. Daniel


Fortsetzung folgt

Klaus E. Daniel
12.10.2003, 16:47
Vertrag von Rapallo
Ein der folgenreichsten Abkommen gelang Rathenau:

Anläßlich einer 1922 in Genua stattfindenden internationalen Wirtschaftskonferenz kam es in Rapallo, unweit des Konferenzorts Genua, zu Sonderverhandlungen der deutschen Regierung mit der sowjetrussischen Delegation. Die Verhandlungen führten am 16. April 1922 zu einem für die Westmächte überraschenden Vertragsabschluß des Deutschen Reichs mit Sowjetrußland. Mit dem von Reichskanzler Joseph Wirth und Außenminister Walther Rathenau unterzeichneten Abkommen nahm Deutschland seine 1918 abgebrochenen diplomatischen Beziehungen zu Sowjetrußland wieder auf. Beide Seiten verzichteten gegenseitig auf Ersatz der Kriegskosten und der Kriegsschäden. Damit wurde Artikel 116 des Versailler Vertrags hinfällig, der Rußland Aussicht auf deutsche Reparationen eröffnet hatte. Im Gegenzug verzichtete Deutschland auf alle Ansprüche für das durch russische Verstaatlichungsmaßnahmen betroffene deutsche Eigentum.
Der Vertrag bot der deutschen Seite die Möglichkeit, die Beziehungen zu Sowjetrußland zu verbessern. Beide Staaten wollten damit ihre internationale Isolierung durchbrechen. Bei den Westmächten löste er jedoch die Furcht vor einer allgemeinen Erschütterung der Versailler Nachkriegsordnung aus, insbesondere die Existenz Polens sahen sie in Frage gestellt. Tatsächlich befürwortete vor allem die Führung der Reichswehr unter General Hans von Seeckt eine gemeinsame militärische Aktion mit Sowjetrußland, um Polen zu liquidieren und die deutsche Ostgrenze von 1914 wiederherzustellen. Entgegen den Befürchtungen der Alliierten und den Hoffnungen der politischen Rechten in Deutschland begründete der Vertrag jedoch kein gegen die Westmächte und Polen gerichtetes deutsch-russisches Bündnis.

Die Westmächte sahen noch nach dem 2. Weltkrieg die Möglichkeit, daß Deutschland einen ähnlichen Kurs einschlagen könnte. Adenauer verhinderte ihn. Interessannt dabei ist, daß Stresemann den Vertrag nicht als sonderlich belastend empfand. War es für ihn doch eine willkommene Möglichkeit, Polen im Schach zu halten.

Trotzdem erzielten Stresemann und Briand in ihren Vereinbarungen für nicht möglich angesehene Übereinkünfte zwischen Frankreich und Deutschland (beide den Friedennobelpreis), wobei man sich fragen muß, ob der Rapallovertrag nicht eine gewisse Ernüchterung in Frankreich hervorgerufen hat.

K.E.D.

Wird unregelmäßig fortgesetzt.

Klaus E. Daniel
12.10.2003, 16:53
Als die Vorstellungen der auf der Pariser Friedenskonferenz tagenden Entente-Staaten vom zukünftigen Friedensvertrag im Mai 1919 bekannt wurden, waren nicht nur die im Ersten Weltkrieg auf territorialen Zugewinn eingestimmten "Annexionisten" schockiert. Statt der Ausdehnung bis nach Flandern und Nordfrankreich sowie der Einverleibung weiter Teile Nordosteuropas mußte Deutschland ein Siebtel seines Territoriums mit einem Zehntel seiner Bevökerung abtreten: Elsaß-Lothringen ging im Westen an Frankreich verloren, im Osten fielen Posen und Westpreußen an Polen. Das Hultschiner Ländchen im Südosten kam zur Tschechoslowakei; das Memelgebiet geriet unter die Kontrolle der Alliierten, während das zur "Freien Stadt" erklärte Danzig dem Völkerbund unterstellt und dem polnischen Zollsystem eingegliedert wurde.
In verschiedenen Grenzgebieten des Deutschen Reichs sollten Volksabstimmungen über die staatliche Zugehörigkeit entscheiden. Als Resultat der Abstimmung von 1920 fiel Eupen-Malmedy an Belgien, Nordschleswig wurde zwischen Deutschland und Dänemark geteilt. Im südlichen Ostpreußen und in Westpreußen östlich der Weichsel erbrachte die Abstimmung ein nahezu einstimmiges Ergebnis für den Verbleib im Deutschen Reich. Im Saargebiet sollte erst nach Ablauf von 15 Jahren eine Volksabstimmung stattfinden. Bis dahin wurde das Saargebiet dem Völkerbund unterstellt. Außerdem mußte Deutschland seinen gesamten Kolonialbesitz abtreten.

Die Stärke des deutschen Heers schrieb der Versailler Vertrag auf 100.000 Berufssoldaten fest, die Marine durfte 15.000 Mann unterhalten. Schwere Waffen waren der Reichswehr ebenso verboten wie der Besitz von Luftstreitkräften. Auch die zivile Luftfahrt wurde starken Einschränkungen unterworfen. Um die zahlreichen Entwaffnungsbestimmungen zu überprüfen, richteten die Alliierten eine internationale Militärkontrollkommission ein. Die Friedensbedingungen sahen zudem eine auf 15 Jahre befristete Besetzung des linken Rheinufers und der Brückenköpfe durch alliierte Truppen sowie die Entmilitarisierung des Rheinlands vor. Der von beiden Staaten angestrebte Anschluß Deutsch-Österreichs an das Deutsche Reich wurde von den Alliierten verboten.


Da der Versailler Vertrag zudem die alleinige Kriegsschuld Deutschlands festschrieb, wurde das Deutsche Reich zu erheblichen alliierten Reparationsforderungen herangezogen. Vor allem wegen dieses "Kriegsschuldartikels" wurde der Versailler Vertrag von der äußersten Rechten bis hin zur Sozialdemokratie grundsätzlich als ein "Diktat-" und "Schandfrieden" abgelehnt. Um nicht die Verantwortung für die Unterzeichnung des Vertrags tragen zu müssen, trat das Kabinett von Reichskanzler Philipp Scheidemann im Juni 1919 geschlossen zurück. Doch angesichts der alliierten Interventionsdrohung gab es zur Vertragsunterzeichnung am 28. Juni 1919 keine politisch vertretbare Alternative. Die Möglichkeit militärischen Widerstands wurde von führenden deutschen Militärs als aussichtslos bezeichnet.

Nachdem der Vertrag am 22. Juni 1919 im Reichstag mit 237 gegen 138 Stimmen gebilligt worden war, wurde er sechs Tage später vom neuen Außenminister Hermann Müller und Verkehrsminister Johannes Bell im Spiegelsaal von Versailles unterzeichnet.
Der Vertrag trat am 10. Januar 1920 in Kraft. Zusammen mit der Dolchstoßlegende wurde der Versailler Vertrag in den folgenden Jahren zu heftigster Agitation gegen die Weimarer Republik und das Ausland genutzt. Nicht nur die extreme Rechte warf den republikanischen Kräften vor, mit der Befürwortung und Unterzeichnung des Vertrags entschieden zu einer Erniedrigung des Deutschen Reichs und zur Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts Deutschlands beigetragen zu haben.

Da dieser Vertrag unselige Folgen hatte und das anfängliche Entstehen einer Demokratie in Deutschland verhinderte (und nebenher das Erstarken der Ultrarechten begünstigte (Diktatfrieden)), werde ich noch versuchen, ihn zu zitieren.

KED

Klaus E. Daniel
12.10.2003, 17:00
Friedensvertrag von Versailles zwischen den USA, dem Britischen Reich, Frankreich, Italien, Japan, Belgien, Bolivien, Brasilien, Kuba, Ekuador, Griechenland, Guatemala, Haiti, Hedschas, Honduras, Liberia, Nikaragua, Panama, Peru, Polen, Portugal, Rumänien, dem serbisch-kroatisch-slowenischen Staat, Siam, der Tschechoslowakei und Uruguay einerseits und Deutschland anderseits

Versailles, 28. Juni 1919
Der I. Teil (Arikel 1-26) umfaßt die bereits am 28.4.1919 durch Plenartagung der Pariser Friedenskonferenz angenommene Satzung des Völkerbundes.

In der Erwägung, daß es zur Förderung der Zusammenarbeit der Nationen und zur Gewährleistung von Frieden und Sicherheit zwischen ihnen darauf ankommt,
gewisse Verpflichtungen einzugehen, nicht zum Kriege zu schreiten, in aller Öffentlichkeit auf Gerechtigkeit und Ehre beruhende Beziehungen zwischen den Völkern zu pflegen,
die von nun an als Regel für das tatsächliche Verhalten der Regierungen anerkannten Vorschriften des Völkerrechts genau zu beobachten,
die Gerechtigkeit herrschen zu lassen und alle vertragsmäßigen Verpflichtungen in den gegenseitigen Beziehungen der organisierten Völker gewissenhaft zu beobachten,
nehmen die hohen vertragsschließendern Teile die folgende Satzung an, die den Völkerbund stiftet.

Artikel 1
Der Völkerbund umfaßt als ursprüngliche Mitglieder diejenigen unterzeichneten Mächte, deren Namen in der Anlage der gegenwärtigen Satzung aufgeführt sind, sowie diejenigen gleichfalls in der Anlage bezeichneten Staaten, die der gegenwärtigen Satzung ohne jeden Vorbehalt durch eine im Sekretariat innerhalb zweier Monate nach Inkrafttreten der Satzung niederzulegende Erklärung beitreten. Der Beitritt ist allen anderen Mitgliedern des Bundes mitzuteilen.
Alle sich selbst verwaltenden Staaten, Dominien oder Kolonien, die nicht in der Anlage aufgeführt sind, können Mitglieder des Bundes werden, wenn ihrer Zulassung durch zwei Drittel der Bundesversammlung zugestimmt wird, vorausgesetzt, daß sie wirksame Gewähr für ihre Absicht geben, ernsthaft ihre internationalen Verpflichtungen einzuhalten, und die Bundessatzung hinsichtlich Ihrer Streitkräfte und ihrer Rüstungen zu Lande, zur See und in der Luft annehmen.
Jedes Mitglied des Bundes kann mit einer zweijährigen Kündigungsfrist aus dem Bunde austreten, sofern es im Augenblick des Rücktritts alle seine internationalen Verpflichtungen mit Einschluß derjenigen, die sich aus den gegenwärtigen Satzungen ergeben, erfüllt hat.

Artikel 2
Die Tätigkeit des Bundes, wie sie in der gegenwärtigen Satzung festgelegt ist, wird ausgeübt durch eine Bundesversammlung und durch einen Rat, denen ein ständiges Sekretariat zur Seite tritt.

Artikel 3
Die Bundesversammlung setzt sich zusammen aus Vertretern der Bundesmitglieder. Sie tagt in bestimmten Zeiträumen oder auch zu jedem anderen Zeitpunkt, wenn die Umstände es erfordern, am Sitze des Bundes oder an einem besonders zu bezeichnenden Ort.
Die Versammlung befaßt sich mit allen Angelegenheiten, die zur Zuständigkeit des Bundes gehören oder den Frieden der Welt berühren.
Jedes Mitglied des Bundes besitzt nur eine Stimme und darf auch nicht mehr als drei Vertreter in der Versammlung haben.

Artikel 4
Der Rat setzt sich zusammen aus Vertretern der alliierten und assoziierten Hauptmächte sowie aus Vertretern von vier anderen Mitgliedern des Bundes. Diese vier Mitglieder des Bundes werden von der Versammlung nach freiem Ermessen und für eine von ihr beliebig zu bestimmende Zeit gewählt. Bis zu der ersten Wahl durch den Bund sind die Vertreter Belgiens, Brasiliens, Spaniens und Griechenlands Mitglieder des Rates.
Mit Zustimmung der Mehrheit der Versammlung kann der Rat Mitglieder des Bundes bezeichnen, denen von da ab eine dauernde Vertretung im Rate zukommt; mit gleicher Zustimmung kann der Rat die Zahl der Mitglieder des Bundes erhöhen, die von der Versammlung zur Vertretung im Rate zu wählen sind.
Der Rat versammelt sich, sooft die Umstände es erfordern, jedoch mindestens einmal im Jahre, am Sitze des Bundes oder an einem anderen dafür zu bezeichnenden Ort.
Der Rat befaßt sich mit allen Fragen, die zu der Zuständigkeit des Bundes gehören oder den Frieden der Welt berühren.
Jedes Mitglied des Bundes, das nicht im Rate vertreten ist, soll aufgefordert werden, einen Vertreter zu entsenden, wenn eine Frage auf der Tagesordnung des Rates steht, die seine Interessen besonders berührt.
Jedes im Rate vertretene Bundesmitglied hat nur eine Stimme und nur einen Vertreter.

Artikel 5
Soweit nicht in der gegenwärtigen Satzung oder in den Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages etwas anderes ausdrücklich bestimmt ist, werden die Entscheidungen der Bundesversammlung oder des Rates mit Einstimmigkeit der bei der Sitzung vertretenen Bundesmitglieder getroffen.
Alle Fragen des Verfahrens, die sich bei den Sitzungen der Bundesversammlung oder des Rates ergeben, mit Einschluß der Bezeichnung der für einzelne Punkte eingesetzten Untersuchungsausschüsse, werden durch die Versammlung oder durch den Rat geregelt und durch Stimmenmehrheit der bei der Sitzung vertretenen Bundesmitglieder entschieden.
Die erste Tagung der Versammlung und die erste Tagung des Rates wird durch den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika berufen.

Artikel 6
Das ständige Sekretariat wird am Sitze des Bundes errichtet. Es umfaßt einen Generalsekretär sowie die erforderlichen Sekretäre nebst Personal.
Der erste Generalsekretär wird in der Anlage benannt. Für die Folge wird der Generalsekretär von dem Rat mit Zustimmung der Mehrheit der Bundesversammlung ernannt.
Die Sekretäre und das Personal des Sekretariats werden von dem Generalsekretär mit Zustimmung des Rates ernannt.
Der Generalsekretär des Bundes nimmt als solcher an allen Sitzungen der Versammlung und des Rates teil.
Die Ausgaben des Sekretariats werden von den Mitgliedern des Bundes nach dem Verhältnis getragen, das für das Internationale Büro des Weltpostvereins besteht.

Artikel 7
Der Sitz des Bundes ist Genf.
Der Rat kann jederzeit die Errichtung an einem anderen Orte bestimmen.
Alle Ämter des Bundes oder der damit zusammenhängenden Dienststellen mit Einschluß des Sekretariats sind in gleicher Weise Männern und Frauen zugänglich.
Die Vertreter der Bundesmitglieder und die Beamten des Bundes genießen, solange sie sich in Ausübung Ihrer Bundesfunktionen befinden, die Vorrechte und die Immunität der Diplomaten.
Die von dem Bunde oder seinen Beamten oder bei seinen Sitzungen benutzten Gebäude und Grundstücke sind unverletzlich.

Artikel 8
Die Mitglieder des Bundes erkennen an, daß die Aufrechterhaltung des Friedens es nötig macht, die nationalen Rüstungen auf das Mindestmaß herabzusetzen, das nicht der nationalen Sicherheit und mit der Durchführung der durch ein gemeinsames Handeln auferlegten internationalen Verpflichtungen vereinbar ist.
Der Rat bereitet unter Berücksichtigung der geographischen Lage und der besonderen Umstände jedes Staates die Pläne für diese Abrüstung zum Zweck einer Prüfung und Entscheidung durch die verschiedenen Regierungen vor.
Diese Pläne müssen von neuem geprüft und (soweit erforderlich) mindestens alle 10 Jahre revidiert werden.
Die derart festgesetzte Grenze für die Rüstungen darf nach Ihrer Annahme durch die verschiedenen Regierungen nicht ohne Zustimmung des Rates überschritten werden.
Da nach Ansicht der Bundesmitglieder die Privatherstellung von Munition und Kriegsgerät schweren Bedenken unterliegt, beauftragen sie den Rat, Mittel ins Auge zu fassen, wodurch den Unzuträglichkeiten einer solchen Herstellung vorgebeugt werden kann; dabei ist den Bedürfnissen der Bundesmitglieder Rechnung zu tragen, die nicht selbst in der Lage sind, die für Ihre Sicherheit erforderlichen Mengen an Munition und Kriegsgerät herzustellen.
Die Bundesmitglieder verpflichten sich zum offenen und vollständigen Austausch aller Nachrichten über den Stand ihrer Rüstungen, über ihre Heeres-, Flotten- und Luftflottenprogramme und über die Lage ihrer Kriegsindustrie.

Artikel 9
Eine ständige Kommission wird eingerichtet, um dem Rat Gutachten über die Ausführung der Bestimmungen der Artikel 1 und 8 und Oberhaupt über Heeres-, Flotten- und Luftflottenfragen zu erstatten.

Artikel 10
Die Bundesmitglieder verpflichten sich, die territoriale Unversehrtheit und die gegenwärtige politische Unabhängigkeit aller Bundesmitglieder zu achten und gegen jeden Angriff von außen her zu wahren. Im Fall eines Angriffs, der Bedrohung mit einem Angriff oder einer Angriffsgefahr trifft der Rat die zur Durchführung dieser Verpflichtung geeigneten Sicherheitsmaßnahmen.

Artikel 11
Es wird hierdurch ausdrücklich erklärt, daß jeder Krieg oder jede Kriegsdrohung, möge dadurch eins der Bundesmitglieder unmittelbar bedroht werden oder nicht, den ganzen Bund angeht und daß dieser alle Maßregeln zur wirksamen Erhaltung des Völkerfriedens treffen muß. In diesem Fall hat der Generalsekretär unverzüglich auf Antrag eines jeden der Bundesmitglieder den Rat zu berufen.
Es wird ferner erklärt, daß jedes Bundesmitglied das Recht hat, in freundschaftlicher Weise die Aufmerksamkeit der Bundesversammlung oder des Rates auf jeden Umstand zu lenken, der die internationalen Beziehungen beeinflußt und in der Folge den Frieden oder das gute Einvernehmen unter den Nationen, von denen der Frieden abhängt, bedrohen kann.

Artikel 12
Alle Mitglieder kommen überein, alle etwa zwischen ihnen entstehenden Streitfälle, die zum Bruch führen könnten, dem Schiedsgerichtsverfahren oder einer Untersuchung durch den Rat zu unterbreiten. Sie vereinbaren ferner, in keinem Fall vor Ablauf einer Frist von drei Monaten nach Fällung des Schiedsspruchs oder Erstattung des Berichts den Rates zum Kriege zu schreiten.
In allen in diesem Artikel vorgesehenen Fällen soll der Schiedsspruch in einem angemessenen Zeitraum ergehen und der Bericht des Rates innerhalb von sechs Monaten nach dem Tage erstattet werden, an dem er mit dem Streitfall befaßt worden ist.

Artikel 13
Die Bundesmitglieder kommen überein, wenn sich zwischen ihnen eine Streitfrage erhebt, die zwar nach ihrer Ansicht eine schiedsgerichtliche Lösung zuläßt, sich aber nicht in befriedigender Weise auf diplomatischem Wege regeln läßt, die gesamte Frage dem Schiedsverfahren zu überweisen.
Zu denjenigen Streitpunkten, die sich im allgemeinen für ein Schiedsverfahren eignen, gehören Streitfragen, die sich auf die Auslegung eines Vertrags, auf alle Fragen des Völkerrechts, auf alle tatsächlichen Verhältnisse, deren Eintreten den Bruch einer internationalen Verpflichtung bilden würde, oder auf Umfang und Art der Wiedergutmachung für einen solchen Bruch beziehen.
Das Schiedsgericht, dem die Streitfrage unterbreitet wird, unterliegt der Wahl der Parteien oder der Festsetzung durch frühere Verträge.
Die Bundesmitglieder kommen überein, den erlassenen Schiedsspruch ehrlich und treu auszufahren und gegen kein Mitglied des Bundes, das sich nach ihm richtet, zum Kriege zu schreiten. Im Falle der Nichtausführung des Spruches schlägt der Rat die zur Sicherung seiner Durchführung geeigneten Maßnahmen vor.

Artikel 14
Der Rat stellt einen Plan zur Errichtung eines ständigen internationalen Gerichtshofs auf und unterbreitet ihn den Bundesmitgliedern. Dieser Gerichtshof ist zuständig für alle Streitfälle internationalen Charakters, die ihm von den Parteien unterbreitet werden. Er gibt ferner Gutachten ab über jede Streitfrage oder jeden Punkt, mit dem der Rat oder die Bundesversammlung ihn befaßt.

Artikel 15
Wenn sich zwischen den Bundesmitgliedern eine Streitfrage erhebt, die einen Bruch herbeiführen könnte, und die nach der Bestimmung des Artikel 13 nicht der Schiedsgerichtsbarkeit unterliegt, so kommen die Bundesmitglieder überein, die Frage vor den Rat zu bringen. Zu diesem Zwecke genügt es, wenn eine von den Parteien dem Generalsekretär von der Streitfrage Mitteilung macht. Dieser trifft alle Maßnahmen zu einer umfassenden Untersuchung und Prüfung.
Ohne den geringsten Verzug messen ihm die Parteien die Darlegung ihres Streitfalles mit allen bestimmten Tatsachen und Beweisstücken zustellen. Der Rat kann ihre sofortige Veröffentlichung anordnen.
Der Rat bemüht sich, die Streitfrage zu regeln. Gelingt dies, so veröffentlicht er, soweit er dies für nützlich hält, eine Darstellung des Tatbestandes, der entsprechenden Auslegungen und den Wortlaut des Ausgleichs. Kann die Streitfrage nicht ausgeglichen werden, so verfaßt und veröffentlicht der Rat einen einstimmig oder mit Stimmenmehrheit zustande gekommenen Bericht, worin die Umstände der Streitfrage sowie die von ihm als gerecht und für den Ausgleich am zweckmäßigsten erachteten Lösungen darzulegen sind.
Jedes Bundesmitglied, das bei dem Rat vertreten ist, kann gleichfalls eine Darstellung des Tatbestandes, der Streitfrage sowie seine eigenen Anträge veröffentlichen. Wird der Bericht des Rates einstimmig angenommen, wobei die Stimmen der Vertreter der Parteien nicht angerechnet werden, so verpflichten sich die Bundesmitglieder, mit keiner Partei, die sich den Vorschlägen des Berichtes fügt, Krieg zu führen.
Wird der Bericht des Rates nicht von allen Mitgliedern angenommen, die nicht Partei sind, so behalten sich die Bundesmitglieder das Recht vor, diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihnen für die Aufrechterhaltung von Recht und Gerechtigkeit erforderlich erscheinen.
Wenn eine der Parteien behauptet und der Rat anerkennt, daß der Streit sich auf eine Frage bezieht, die nach dem Völkerrecht ausschließlich dem eigenen Ermessen dieser Partei überlassen ist, so hat dies der Rat in einem Bericht festzustellen, jedoch keine Lösungen vorzuschlagen.
Der Rat kann alle in diesem Artikel vorgesehenen Fälle vor die Bundesversammlung bringen. Die Versammlung muß sich gleichfalls mit der Streitfrage auf den Antrag einer der Parteien befassen; der Antrag muß binnen 14 Tagen gestellt werden, nachdem die Streitfrage dem Rate unterbreitet worden ist.
In allen Fällen, die der Versammlung unterbreitet werden, finden die Bestimmungen dieses Artikels und des Artikel 12 über die Tätigkeit und die Machtbefugnis des Rates entsprechende Anwendung. Es besteht Einverständnis darüber, daß ein Bericht, der von der Versammlung mit Zustimmung der im Rate vertretenen Bundesmitglieder und der Mehrheit der anderen Bundesmitglieder mit Ausnahme der Vertreter der Parteien abgefaßt worden ist, dieselbe Bedeutung hat wie ein Bericht des Rates, dem alle Mitglieder, mit Ausnahme der Vertreter der Parteien, zustimmen.

Artikel 16
Wenn ein Bundesmitglied unter Verletzung der durch die Artikel 12, 13 oder 15 übernommenen Verpflichtungen zum Kriege schreitet, so wird es ohne weiteres so angesehen, als hätte es eine kriegerische Handlung gegen alle anderen Bundesmitglieder begangen. Diese verpflichten sich, unverzüglich mit ihm alle Handels- und finanziellen Beziehungen abzubrechen, ihren Staatsangehörigen jeden Verkehr mit den Angehörigen des vertragsbrüchigen Staates zu verbieten und alle finanziellen, Handels- oder persönlichen Verbindungen zwischen den Angehörigen dieses Staates und denjenigen jedes anderen Staates abzubrechen, gleichviel, ob er dem Bunde angehört oder nicht.
In diesem Falle ist der Rat verpflichtet, den verschiedenen beteiligten Staaten vorzuschlagen, mit welchen Land-, See- oder Luftstreitkräften die Mitglieder des Bundes für ihr Teil zu der bewaffneten Macht beizutragen haben, die zur Wahrung der Bundespflichten bestimmt ist.
Die Bundesmitglieder kommen ferner überein, sich bei der Ausführung der auf Grund dieses Artikel zu ergreifenden wirtschaftlichen und finanziellen Maßnahmen wechselseitig zu unterstützen, um die daraus etwa entstehenden Verluste und Unzuträglichkeiten auf das Mindestmaß zu beschränken. Sie unterstützen sich ferner gegenseitig, um den von dem vertragsbrüchigen Staat gegen einen von ihnen gerichteten besonderen Maßnahmen entgegenzutreten. Sie veranlassen das Erforderliche, um den Streitkräften jedes Bundesmitglieds, die zum Schutz der Bundespflichten zusammenwirken, den Durchzug durch ihr Gebiet zu erleichtern.
Jedes Bundesmitglied, das sich der Verletzung einer aus dieser Satzung sich ergebenden Verpflichtung schuldig macht, kann von dem Bunde ausgeschlossen werden. Der Ausschluß erfolgt durch Abstimmung aller anderen im Rate vertretenen Bundesmitglieder.

Artikel 17
Bei Streitigkeiten zwischen einem Mitglied des Bundes und einem Nichtmitglied oder zwischen Staaten, von denen keiner Mitglied des Bundes ist, soll der Staat oder die Staaten, die dem Bunde nicht angehören, aufgefordert werden, zur Beilegung des Streitfalles sich den Verpflichtungen zu unterziehen, die den Bundesmitgliedern obliegen, und zwar unter Bedingungen, die der Rat für angemessen erachtet. Wird diese Aufforderung angenommen, so finden die Artikel 12 bis 16 mit den vom Rate für erforderlich erachteten Änderungen Anwendung.
Sofort nach der Absendung dieser Aufforderung tritt der Rat in die Prüfung der näheren Umstände des Streitfalles ein und macht die dafür am besten und wirksamsten erscheinenden Vorschläge.
Lehnt der Staat, an den die Aufforderung gerichtet wird, es ab, zum Zwecke der Beilegung des Streitfalls sich den Verpflichtungen der Bundesmitglieder zu unterziehen, und schreitet er gegen ein Bundesmitglied zum Kriege, so finden die Bestimmungen des Artikel 16 auf ihn Anwendung.
Weigern sich beide Parteien, an die die Aufforderung gerichtet ist, sich den Verpflichtungen eines Bundesmitglieds zum Zwecke der Beilegung des Streitfalles zu unterziehen, so kann der Rat alle Maßnahmen treffen und alle Vorschläge machen, die zur Verhütung von Feindseligkeiten und zur Beilegung des Streites geeignet sind.

Artikel 18
Alle Verträge oder internationalen Vereinbarungen, die in Zukunft von einem Bundesmitglied geschlossen werden, sind unverzüglich von dem Sekretariat einzutragen und sobald als möglich zu veröffentlichen. Kein solcher Vertrag oder keine solche internationale Abmachung ist verbindlich, bevor die Eintragung erfolgt ist.

Artikel 19
Die Versammlung kann von Zeit zu Zeit die Bundesmitglieder auffordern, Verträge, deren Anwendung nicht mehr in Frage kommt, sowie internationale Verhältnisse, deren Aufrechterhaltung den Weltfrieden gefährden könnte, einer Nachprüfung zu unterziehen.

Artikel 20
Die Bundesmitglieder erkennen jeder für sein Teil an, daß die gegenwärtige Satzung alle gegenseitigem Verpflichtungen oder Verständigungen aufhebt, die mit den in ihr enthaltenen Bestimmungen unvereinbar sind; sie verpflichten sich feierlich, in Zukunft keine solchen Verträge mehr zu schließen.
Hat ein Mitglied vor seinem Eintritt in den Bund Verpflichtungen übernommen, die mit den Bestimmungen der Satzung unvereinbar sind, so muß es sofort das Erforderliche veranlassen, um sich von diesen Verpflichtungen zu befreien.

Artikel 21
Internationale Vereinbarungen, wie Schiedsgerichtsverträge, und Verständigungen über bestimmte Gebiete, wie die Monroe-Doktrin, die der Aufrechterhaltung des Friedens dienen, werden nicht als unvereinbar mit den Bestimmungen der gegenwärtigen Satzung betrachtet.

Artikel 22
Auf die Kolonien und Gebiete, die infolge des Krieges aufgehört haben, unter der Souveränität der Staaten zu stehen, die sie vorher beherrschten, und die von Völkern bewohnt sind, die noch nicht imstande sind, sich unter den besonders schwierigen Verhältnissen der modernen Welt selbst zu leiten, finden nachstehende Grundsätze Anwendung. Das Wohlergehen und die Entwicklung dieser Völker bilden eine heilige Aufgabe der Zivilisation, und es erscheint zweckmäßig, in diese Satzung Sicherheiten für die Erfüllung dieser Aufgabe aufzunehmen.



wird fortgesetzt

Klaus E. Daniel
12.10.2003, 17:17
II. Teil (Artikel 27-30). Grenzen Deutschlands.

Artikel 27
Die Grenzen Deutschlands werden folgendermaßen festgelegt:
1. Mit Belgien:
Von dem Treffpunkt der drei Grenzen Belgiens, Hollands und Deutschlands In südlicher Richtung:
die Nordostgrenze des ehemaligen Gebietes von Neutral-Moresnet, dann die Ostgrenze des Kreises Eupen, darin die Grenze zwischen Belgien und dem Kreis Montjoie, dann die Nordost- und Ostgrenze des Kreises Malmedy bis zum Treffpunkt mit der Grenze von Luxemburg.

2. Mit Luxemburg:
Die Grenze vom 3. August 1914 bis zu deren Schnittpunkt mit der französischen Grenze vom 18. Juli 1870.

3. Mit Frankreich:
Die Grenze vom 18. Juli 1870 von Luxemburg bis zur Schweiz mit dem in Teil III, Abschnitt IV (Saarbecken), in Artikel 48 gemachten Vorbehalten.

6. Mit der Tschechoslowakei:
Die Grenze vom 3. August 1914 zwischen Deutschland und Österreich von ihrem Treffpunkt mit der alten Verwaltungsgrenze zwischen Böhmen und der Provinz Oberösterreich bis zu dem Punkt nördlich des ungefähr 8 km östlich von Neustadt liegenden Vorsprungs der alten Provinz Österreich-Schlesien.

7. Mit Polen:
Von dem eben bestimmten Punkt..."in nördlicher Richtung bis zu dem Punkt wo die Grenze der Provinz Posen die Bartsch (Barycz) trifft, von dort in nordwestl. bzw. nördlicher Richtung bis zur Warthe (Warta) an einem Punkt 7 km westlich Birnbaum (Miedzychód), von dort in nordöstl. Richtung zur Netze (Notec), deren Lauf aufwärts bis zur Mündung des Küddow (Gwda) südlich von Schneidemühl (Pila), von dort in nordöstl. Richtung bis zur Ostsee an einem Punkt etwa 20 km westlich der Halbinsel Hela (Hel). Durch diese Grenzziehung fielen beinahe die ganze Provinz Posen und der größte Teil der Provinz Westpreußen an Polen. Über Oberschlesien vgl. Artikel 88.

8. Mit Dänemark: Vgl. Artikel 109, 110.
Artikel 28. Die Grenzen Ostpreußens umfassen im wesentlichen die Regierungsbezirke Königsberg und Gumbinnen, unter Abtretung des Memellandes (Klaipeda). Hinsichtlich des Regierungsbezirks Allenstein vgl. Artikel 94-98.


III. Teil (Artikel 31-117). Politische Bestimmungen über Europa.

Erster Abschnitt. Belgien.
Artikel 31
Deutschland erkennt an, daß die Verträge vom 19. April 1839, die die Rechtslage Belgiens vor dem Kriege bestimmten, den gegenwärtigen Verhältnissen nicht mehr entsprechen. Es stimmt daher der Aufhebung dieser Verträge zu und verpflichtet sich schon jetzt zur Anerkennung und Beachtung aller Abkommen, die zwischen den alliierten und assoziierten Hauptmächten oder zwischen irgendeiner dieser Mächte und den Regierungen von Belgien und von Holland zum Ersatz für die genannten Verträge von 1839 getroffen werden können. Sollte Deutschlands formeller Beitritt zu solchen Abkommen oder zu irgendeiner Bestimmung solcher Abkommen verlangt werden, so verpflichtet sich Deutschland schon jetzt, ihnen beizutreten.

Artikel 32
Deutschland erkennt die volle Staatshoheit Belgiens über das gesamte strittige Gebiet von Moresnet (sogenanntes Neutral-Moresnet) an.

Artikel 33
Deutschland verzichtet zugunsten Belgiens auf alle Rechte und Ansprüche auf das Gebiet von Preußisch-Moresnet westlich der Straße von Lüttich nach Aachen; der Teil dieser Straße am Rande dieses Gebietes gehört zu Belgien.

Artikel 34
Ferner verzichtet Deutschland zugunsten Belgiens auf alle Rechte und Ansprüche auf das gesamte Gebiet der Kreise Eupen und Malmedy.
Während der ersten 6 Monate nach dem Inkrafttreten dieses Vertrages werden in Eupen und Malmedy durch die belgischen Behörden Listen ausgelegt. Die Bewohner dieser Gebiete haben das Recht, darin schriftlich ihren Wunsch auszusprechen, daß diese Gebiete ganz oder teilweise unter deutscher Staatshoheit bleiben.
Es ist Sache der belgischen Regierung, das Ergebnis dieser Volksabstimmung zur Kenntnis des Völkerbundes zu bringen, dessen Entscheidung anzunehmen sich Belgien verpflichtet.

Zweiter Abschnitt. Luxemburg.
Artikel 40
Deutschland erkennt an, daß das Großherzogtum Luxemburg mit dem 1. Januar 1919 aufgehört hat, dem deutschen Zollverein anzugehören. Es verzichtet auf alle Rechte bezüglich des Betriebes der Eisenbahnen, stimmt der Aufhebung der Neutralität des Großherzogtums zu und nimmt im voraus alle internationalen Vereinbarungen an, die zwischen den alliierten und assoziierten Mächten bezüglich des Großherzogtums getroffen werden.

Dritter Abschnitt. Linkes Rheinufer.
Artikel 42
Es ist Deutschland untersagt, Befestigungen sowohl auf dem linken Ufer des Rheins wie auch auf dem rechten Ufer westlich einer 50 km östlich dieses Flusses gezogenen Linie beizubehalten oder zu errichten.

Artikel 43
Ebenso sind in der im Artikel 42 angegebenen Zone die Unterhaltung oder die Zusammenziehung einer bewaffneten Macht, sowohl in ständiger wie auch in vorübergehender Form, sowie alle militärischen Übungen jeder Art und die Aufrechterhaltung irgendwelchen materieller Vorkehrungen für eine Mobilmachung untersagt.

Artikel 44
Falls Deutschland in irgendeiner Weise den Bestimmungen der Artikel 42 und 43 zuwiderhandeln sollte, würde dies als feindliche Handlung gegenüber den Signatarmächten dieses Vertrages und als Versuch der Störung des Weltfriedens betrachtet werden.

Vierter Abschnitt. Saarbecken.
Artikel 45
Als Ersatz für die Zerstörung der Kohlengruben in Nordfrankreich und in Anrechnung auf den Betrag der völligen Wiedergutmachung von Kriegsschäden, die Deutschland schuldet, tritt letzteres an Frankreich das vollständige und unbeschränkte Eigentum an den Kohlengruben im Saarbecken ab, wie dieses im Artikel 48 abgegrenzt ist. Das Eigentum geht frei von allen Schulden und Lasten sowie mit dem ausschließlichen Ausbeutungsrecht über.

Artikel 49
Deutschland verzichtet zugunsten des Völkerbundes, der hier als Treuhänder erachtet wird, auf die Regierung des oben [Artikel 48] genau festgesetzten Gebietes. Nach Ablauf einer Frist von 15 Jahren nach Inkrafttreten dieses Vertrages wird die Bevölkerung dieses Gebietes aufgefordert werden, sich für diejenige Staatshoheit zu entscheiden, unter welche sie zu treten wünscht.

Anlage.
Kap. 2.
§ 16. Die Regierung des Gebietes des Saarbeckens wird einer Kommission anvertraut, die den Völkerbund vertritt. Diese Kommission wird ihren Sitz im Gebiet des Saarbeckens haben.

Fünfter Abschnitt. Elsaß-Lothringen.
Die hohen vertragschließenden Mächte haben die moralische Verpflichtung anerkannt, das Unrecht wieder gutzumachen, das Deutschland im Jahre 1871 sowohl gegen das Recht Frankreichs als auch gegen den Willen der Bevölkerung von Elsaß und Lothringen begangen hat, die von ihrem Vaterland trotz der feierlichen Proteste ihrer Vertreter in der Versammlung von Bordeaux abgetrennt worden sind. Sie sind einig über die folgenden Artikel:

Artikel 51
Die in Gemäßheit des zu Versailles am 26. Februar 1871 unterzeichneten Vorfriedens und des Frankfurter Vertrages vom 10. Mal 1871 an Deutschland abgetretenen Gebiete sind von dem Tage des Waffenstillstands, vom 11. November 1918, an wieder unter die französische Staatshoheit getreten.
Die Bestimmungen der Verträge, die die Festsetzung der Grenze vor 1871 enthalten, treten wieder in Kraft.

Artikel 55
Die in Artikel 51 erwähnten Gebiete fallen frei und ledig von allen öffentlichen Schulden an Frankreich zurück unter den Bedingungen, die in Artikel 255 des Teiles IX (finanzielle Bestimmungen) des gegenwärtigen Vertrages vorgesehen sind.

Artikel 56
In Gemäßheit der Festsetzung des Artikel 256 des Teiles IX (Finanzielle Bestimmungen) des gegenwärtigen Vertrages tritt Frankreich in Besitz von allen Gütern und allem Eigentum des Deutschen Reichs oder der deutschen Staaten, die in den im Artikel 51 erwähnten Gebieten liegen, ohne aus diesem Grunde den abtretenden Staaten etwas zu zahlen oder gutzuschreiben ...

Artikel 65
Binnen einer Frist von drei Wochen nach Unterzeichnung des vorliegenden Vertrages werden die Häfen von Straßburg und Kehl für eine Dauer von sieben Jahren zum Zweck ihrer Ausnutzung einheitlich organisiert ...

Sechster Abschnitt. Österreich.
Artikel 80
Deutschland anerkennt die Unabhängigkeit Österreichs und wird sie streng in den durch Vertrag zwischen diesem Staate und den alliierten und assoziierten Hauptmächten festzusetzenden Grenzen als unabänderlich beachten, es sei denn mit Zustimmung des Rates des Völkerbundes.

Siebenter Abschnitt. Tschechoslowakischer Staat.
Artikel 81
Deutschland anerkennt, wie dies schon die alliierten und assoziierten Mächte getan haben, die vollkommene Unabhängigkeit des Tschechoslowakischen Staates, der das autonome Gebiet der Ruthenen im Süden der Karpaten einbegreift. Es erklärt, die Grenzen dieses Staates, so wie sie von den alliierten und assoziierten Hauptmächten und den anderen beteiligten Staaten festgesetzt werden, anzuerkennen.

Artikel 83
Deutschland verzichtet zugunsten der Tschechoslowakei auf das Hultschiner Ländchen.

Achter Abschnitt. Polen.
Artikel 87
Deutschland erkennt, wie dies bereits die alliierten und assoziierten Mächte getan haben, die völlige Unabhängigkeit Polens an und verzichtet zugunsten Polens auf alle Rechte und Ansprüche auf die an Polen abgetretenen Gebiete.

Artikel 88
Im größten Teil Oberschlesiens werden die Bewohner aufgerufen, durch Abstimmung zu entscheiden, ob sie zu Deutschland oder zu Polen zu gehören wünschen.

Anlage.
§ 1. Sogleich nach Inkrafttreten des vorliegenden Vertrages und binnen einer auf nicht länger als vierzehn Tage zu bemessenden Frist haben die deutschen Truppen, wie auch die deutschen Beamten, welche von der in § 2 vorgesehenen Kommission bezeichnet werden können, den der Abstimmung unterliegenden Bezirk zu verlassen ...
Innerhalb der gleichen Frist sind die in diesem Bezirk eingerichteten Arbeiter- und Soldatenräte aufzulösen; die aus einem anderen Gebiet stammenden Mitglieder derselben, die am Tage des Inkrafttretens des vorliegenden Vertrages ihre Tätigkeit ausüben oder sie seit dem 1. März 1919 aufgegeben haben, haben ebenfalls das Land zu verlassen ...

§ 2. Der Bezirk der Volksabstimmung wird sofort unter die Oberhoheit einer internationalen Kommission von vier von den Vereinigten Staaten von Nordamerika, Frankreich, dem britischen Reich und Italien ernannten Mitgliedern gestellt. Er wird von Truppen der alliierten und assoziierten Mächte besetzt ...

Artikel 89
Polen verpflichtet sich, den Personen, Waren, Schiffen, Kähnen, Waggons und Postsendungen im Transit zwischen Ostpreußen und dem übrigen Deutschland Transitfreiheit durch das polnische Gebiet, einschließlich seiner Gewässer zu gewähren, und sie in bezug auf Erleichterungen, Beschränkungen und alle anderen Angelegenheiten zum mindesten ebenso günstig zu behandeln, wie die Personen, Waren, Schiffe, Kähne, Waggons und Postsendungen von polnischer Nationalität, Herkunft, Einfuhr, Eignerschaft oder einer Ausgangsstation, die entweder polnisch ist oder günstigere Behandlung genießt, als Polen sie bietet.
Die Transitgüter sollen von allen Zoll- oder anderen ähnlichen Gebühren befreit sein ...

Neunter Abschnitt. Ostpreußen.
Artikel 94-98
Im südlichen Teil Ostpreußens (im wesentlichen den Regierungsbezirk Allenstein umfassend) und im nordöstlichen Teil Westpreußens wird eine Abstimmung der Einwohner über die künftige Zugehörigkeit zu Ostpreußen oder Polen stattfinden. .Die alliierten und assoziierten Hauptmächte werden dann die Grenze zwischen Ostpreußen und Polen in dieser Gegend bestimmen.

Elfter Abschnitt. Die Freie Stadt Danzig.
Artikel 100
Deutschland verzichtet zugunsten der alliierten und assoziierten Hauptmächte auf alle Rechte und Ansprüche auf das Gebiet Danzigs und der Weichsel(Wisla)mündung.

Artikel 102
Die alliierten und assoziierten Mächte verpflichten sich, die Stadt Danzig nebst dem im Artikel 100 bezeichneten Gebiet zur Freien Stadt zu erklären. Sie wird unter den Schutz des Völkerbundes gestellt.

Artikel 103
Die Verfassung der Freien Stadt Danzig wird im Einvernehmen mit einem Oberkommissar des Völkerbundes von ordnungsmäßig ernannten Vertretern der Freien Stadt ausgearbeitet. Sie wird unter die Bürgschaft des Völkerbundes gestellt. Der Oberkommissar wird ebenso beauftragt, in erster Instanz über alle Streitigkeiten zu entscheiden, welche sich zwischen Polen und der Freien Stadt über den gegenwärtigen Vertrag oder die ergänzenden Abmachungen und Vereinbarungen ergeben. Der Oberkommissar hat seinen Sitz in Danzig.

Artikel 104
Ein Abkommen, dessen Wortlaut festzulegen sich die alliierten und assoziierten Hauptmächte verpflichten und das zur gleichen Zeit in Kraft treten wird, wenn die Erklärung Danzigs zur Freien Stadt erfolgt, soll zwischen der polnischen Regierung und der genannten in Aussicht genommenen Freien Stadt getroffen werden:
1. um die Freie Stadt Danzig in das polnische Zollgebiet aufzunehmen und eine Freizone im Hafen einzurichten;
2. um Polen ohne jede Einschränkung den freien Gebrauch und die Benutzung der Wasserstraßen, Docks, Hafenbecken, Kais und sonstigen Anlagen im Gebiet der Freien Stadt zu sichern, welche für die Einfuhr und Ausfuhr aus Polen notwendig sind;
3. um Polen die Überwachung und Verwaltung der Weichsel und des gesamten Eisenbahnnetzes im Gebiet der Freien Stadt zu sichern ...

Zwölfter Abschnitt. Schleswig.
Artikel 109, 110
Die Bevölkerung Nordschleswigs wird durch Abstimmung über die Festsetzung der Grenze zwischen Deutschland und Dänemark entscheiden

Klaus E. Daniel
12.10.2003, 17:22
Dreizehnter Abschnitt. Helgoland.

Artikel 115
Die Befestigungen, militärischen Anlagen und Häfen der Insel Helgoland und der Düne werden unter Aufsicht der Regierungen der alliierten Hauptmächte von der deutschen Regierung auf eigene Kosten binnen einer Frist zerstört, die von den genannten Regierungen festgesetzt wird ...
Deutschland darf weder diese Befestigungen, noch diese militärischen Anlagen, noch diese Häfen, noch irgendeine ähnliche Anlage wiederherstellen.

Vierzehnter Abschnitt. Rußland und russische Staaten.
Artikel 116
Deutschland erkennt die Unabhängigkeit aller Gebiete, die am 1. August 1914 zum ehemaligen russischen Reiche gehörten, an und verpflichtet sich, dessen Unabhängigkeit als dauernd und unantastbar zu achten ...

Artikel 117
Deutschland verpflichtet sich, die volle Rechtskraft aller Verträge oder Abmachungen anzuerkennen, welche die alliierten und assoziierten Mächte mit den Staaten abschließen werden, die sich auf dem Gesamtgebiet des früheren russischen Reiches, wie es am 1. August 1914 bestand, oder in einem Teile desselben gebildet haben oder bilden werden, und die Grenzen dieser Staaten, so wie sie darin festgesetzt werden, anzuerkennen.

IV. Teil (Artikel 119-158 ). Deutsche Rechte und Interessen außerhalb Deutschlands.

Artikel 118
Außerhalb seiner europäischen Grenzen, wie sie durch den gegenwärtigen Vertrag festgesetzt sind, verzichtet Deutschland auf alle Rechte, Ansprüche und Vorrechte in bezug auf alle Gebiete, die ihm oder seinen Verbündeten gehörten, und auf alle Rechte, Ansprüche und Vorrechte, die ihm aus irgendeinem Grunde den alliierten und assoziierten Mächten gegenüber zustanden.
Deutschland verpflichtet sich schon jetzt zur Anerkennung und Annahme der Maßnahmen, welche von den alliierten und assoziierten Hauptmächten, wenn nötig im Benehmen mit dritten Mächten, zur Regelung der aus den verstehenden Bestimmungen entstehenden Folgen getroffen sind oder werden.
Insbesondere erklärt Deutschland die Annahme der Bestimmungen der folgenden Artikel, die sich auf einige besondere Gegenstände beziehen.

Erster Abschnitt. Deutsche Kolonien.
Artikel 119
Deutschland verzichtet zugunsten der alliierten und assoziierten Hauptmächte auf alle seine Rechte und Ansprüche in bezug auf seine überseeischen Besitzungen.

Artikel 120
Alles bewegliche und unbewegliche Eigentum des Deutschen Reiches oder irgendeines deutschen Staates in diesen Gebieten geht unter den in Artikel 257 des Teiles IX (Finanzielle Bestimmungen) des gegenwärtigen Vertrages festgesetzten Bedingungen auf die Regierung über, die die Regierungsgewalt in diesen Gebieten ausübt ...

Zweiter Abschnitt. China.

Artikel 128
Deutschland verzichtet zugunsten Chinas auf alle Vorrechte und Vorteile aus den Bestimmungen des am 7. September 1901 in Peking unterzeichneten Schlußprotokolls nebst sämtlichen Anlagen, Noten und Ergänzungen ...

Artikel 132
Deutschland willigt in die Aufhebung der von der chinesischen Regierung zugestandenen Verträge, auf denen die deutschen Konzessionen in Hankau und Tientsin gegenwärtig beruhen ...

Dritter Abschnitt. Siam.
Artikel 135
Deutschland erkennt alle Verträge, Vereinbarungen und Abmachungen zwischen ihm und Siam sowie alle darauf beruhenden Rechte, Ansprüche und Vorrechte einschließlich aller Rechte der Konsulargerichtsbarkeit in Siam vom 22. Juli 1917 ab als verfallen an.

Vierter Abschnitt. Liberia.
Artikel 138
Deutschland verzichtet auf alle Rechte und Vorrechte aus den Abkommen von 1911 und 1912, betreffend Liberia, insbesondere auf das Recht der Ernennung eines deutschen Zolleinnehmers in Liberia.
Es erklärt außerdem seinen Verzicht auf jeden Beteiligungsanspruch an allen Maßnahmen, die für die Wiederaufrichtung Liberias getroffen werden könnten.

Fünfter Abschnitt. Marokko.
Artikel 141
Deutschland verzichtet auf alle Rechte, Ansprüche und Vorrechte, die ihm durch die Generalakte von Algeciras vom 7. April 1906 und durch die deutsch-französischen Verträge vom 9. Februar 1909 und vom 4. November 1911 zugestanden sind. Alle Verträge, Übereinkommen, Abmachungen oder Kontrakte, die von ihm mit dem scherifischen Reiche getroffen worden sind, gelten seit dem 3. August 1914 als aufgehoben ...

Sechster Abschnitt. Ägypten.
Artikel 147
Deutschland anerkennt das von Großbritannien am 18. Dezember 1914 erklärte Protektorat über Ägypten und verzichtet auf die Kapitulationen in Ägypten ...

Achter Abschnitt. Schantung.
Artikel 156
Deutschland verzichtet zugunsten Japans auf alle seine Rechte, Ansprüche und Vorrechte - insbesondere auf die, welche das Gebiet von Kiautschou, Eisenbahnen, Bergwerke und unterseeische Kabel betreffen -, welche es auf Grund des zwischen ihm und China am 6. März 1898 abgeschlossenen Vertrages sowie aller anderer Vereinbarungen bezüglich der Provinz Schantung erworben hat ...

V. Teil (Artikel 159-213). Bestimmungen über die Land-, See- und Luftstreitkräfte.
Artikel 160
1. Spätestens am 31. März 1920 darf das deutsche Heer nicht mehr als sieben Infanterie-Divisionen und drei Kavallerie-Divisionen umfassen.
Von diesem Zeitpunkt an darf die gesamte Iststärke des Heeres der Staaten, die Deutschland bilden, nicht einhunderttausend Mann überschreiten, einschließlich Offiziere und das Personal des Depots. Das Heer soll ausschließlich zur Aufrechterhaltung der Ordnung innerhalb des Gebiets und als Grenzschutz verwandt werden.
Die Gesamtstärke der Offiziere, einschließlich des Personals der Stäbe, einerlei wie sie zusammengesetzt sein mögen, darf viertausend nicht überschreiten.
3. Die Divisionen dürfen unter nicht mehr als zwei Armeekorps-Kommandos zusammengefaßt sein.
Das Halten oder die Bildung von anders zusammengefaßten Streitkräften oder von anderen Behörden für den Truppenbefehl oder für die Kriegsvorbereitung ist verboten. Der deutsche Große Generalstab und alle ähnlichen Behörden werden aufgelöst und dürfen in keinerlei Form wieder aufgestellt werden ...

Artikel 168
Die Herstellung von Waffen, Munition oder irgendwelchem Kriegsmaterial darf nur in Fabriken oder Werkstätten erfolgen, deren Lage den Regierungen der alliierten und assoziierten Hauptmächte mitgeteilt und von ihnen gebilligt ist. Sie behalten sich das Recht vor, die Anzahl derselben einzuschränken ...

Artikel 170
Die Einfuhr von Waffen, Munition und Kriegsmaterial irgendwelcher Art nach Deutschland ist streng verboten.
Das gleiche gilt für die Herstellung und die Ausfuhr von Waffen, Munition und Kriegsmaterial irgendwelcher Art nach fremden Ländern.

Artikel 171
Da der Gebrauch von erstickenden, giftigen und anderen Gasen oder ähnlichen Flüssigkeiten, Stoffen oder Mitteln verboten ist, wird ihre Herstellung in Deutschland und ihre Einfuhr streng untersagt.
Dasselbe gilt für alle Stoffe, die eigens für die Herstellung, Lagerung und den Gebrauch der genannten Erzeugnisse oder Mittel bestimmt sind.
Die Herstellung und Einfuhr von Panzerwagen, Tanks und allen ähnlichen Konstruktionen, die für kriegerische Zwecke verwendbar sind, ist Deutschland ebenfalls verboten.

Artikel 173
Die allgemeine Wehrpflicht wird in Deutschland abgeschafft.
Die deutsche Armee darf nur durch freiwillige Verpflichtung gebildet und ergänzt werden.

Artikel 174
Die Unteroffiziere und Soldaten verpflichten sich für die Dauer von zwölf Jahren.
Die Zahl der Leute, die aus irgendeinem Grunde vor Ablauf ihrer Verpflichtungszeit entlassen werden, darf im Jahre nicht mehr als 50% der Iststärke betragen, die in Absatz 2 von Nummer 1 des Artikel 160 dieses Vertrages festgesetzt ist.

Artikel 175
Die Offiziere, die in der Armee verbleiben, müssen sich verpflichten, in ihr mindestens bis zum Alter von 45 Jahren zu dienen.
Offiziere, die neu ernannt werden, müssen sich verpflichten, mindestens 25 Jahre hintereinander wirklich Dienst zu tun ...

Artikel 180
Alle befestigten Werke, Festungen und Landbefestigungen, die auf deutschem Gebiet im Westen bis zu 50 km östlich des Rheins liegen, müssen abgerüstet und geschleift werden ...
Das Befestigungssystem an der Süd- und Ostgrenze Deutschlands bleibt i seinem jetzigen Zustand bestehen.

Artikel 181
Nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages an dürfen die deutschen in Dienst befindlichen Seestreitkräfte nicht mehr betragen als:
6 Schlachtschiffe der Deutschland- oder Lothringen-Klasse, 6 kleine Kreuzer, 12 Zerstörer, 12 Torpedoboote oder eine gleiche Zahl von Schiffen, die zu ihrem Ersatz gebaut wird, wie in Artikel 190 vorgesehen.
Unterseeboote dürfen darunter nicht enthalten sein.
Alle andern Kriegsschiffe müssen außer Dienst gestellt oder für Handelszwecke verwandt werden, sofern der gegenwärtige Vertrag nicht das Gegenteil bestimmt.

Artikel 183
Nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages an darf die Gesamtkopfstärke der deutschen Kriegsmarine, einschließlich der Schiffsbesatzungen, Küstenverteidigung, Signalstationen, Verwaltung und des sonstigen Landdienstes, 15.000 Mann nicht überschreiten, einschließlich der Offiziere und Mannschaften aller Grade und Dienstzweige.
Die Gesamtzahl der Offiziere und Deckoffiziere darf 1.500 nicht überschreiten.

Artikel 190
Es ist Deutschland verboten, irgendwelche Kriegsschiffe zu bauen oder zu erwerben, außer zum Ersatz der in Dienst befindlichen Einheiten gemäß Artikel 181 des gegenwärtigen Vertrages ...

Artikel 194
Das Personal der deutschen Marine soll sich ausschließlich durch freiwillige Verpflichtung ergänzen, die bei Offizieren und Deckoffizieren für eine Zeitdauer von mindestens fünfundzwanzig laufenden Jahren, bei Unteroffizieren und Mannschaften von zwölf laufenden Jahren eingegangen werden muß ...

Artikel 198
Die bewaffnete Macht Deutschlands darf keine Land- oder Marine-Luftstreitkräfte umfassen ...


VI. Teil (Artikel 214-226). Kriegsgefangene und Grabstätten.


VII. Teil (Artikel 227-230). Strafbestimmungen.

Artikel 227
Die alliierten und assoziierten Mächte stellen Wilhelm II. von Hohenzollern, ehemaligen Deutschen Kaiser, unter öffentliche Anklage wegen schwerster Verletzung der internationalen Moral und der Heiligkeit der Verträge.
Ein besonderer Gerichtshof wird gebildet werden, um den Angeklagten unter Wahrung der wesentlichen Bürgschaften seines Verteidigungsrechtes zu richten ...
Die alliierten und assoziierten Mächte werden an die niederländische Regierung ein Ersuchen richten, ihnen den ehemaligen Kaiser zum Zwecke seiner Aburteilung auszuliefern.

Artikel 228
Die deutsche Regierung erkennt die Befugnis der alliierten und assoziierten Mächte an, vor ihre Militärgerichte solche Personen zu stellen, die wegen einer gegen die Gesetze und Gebräuche des Krieges verstoßenden Handlung angeklagt sind ...
Die deutsche Regierung hat den alliierten und assoziierten Mächten oder derjenigen von ihnen, die sie darum ersuchen wird, alle Personen auszuliefern, die angeklagt sind, eine Handlung gegen die Gesetze und Gebräuche des Krieges begangen zu haben, und die ihr namentlich oder nach dem Rang, dem Amt oder der Beschäftigung in deutschen Diensten bezeichnet werden.

Klaus E. Daniel
12.10.2003, 17:32
VIII. Teil (Artikel 231-247). Wiedergutmachungen.

Artikel 231
Die alliierten und assoziierten Regierungen erklären und Deutschland erkennt an, daß Deutschland und seine Verbündeten als Urheber aller Verluste und aller Schäden verantwortlich sind, welche die alliierten und assoziierten Regierungen und ihre Angehörigen infolge des ihnen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungenen Krieges erlitten haben.

Artikel 232
Die alliierten und assoziierten Regierungen erkennen an, daß die Hilfsmittel Deutschlands nicht ausreichen, um die vollständige Wiedergutmachung aller dieser Verluste und aller dieser Schäden sicherzustellen, indem sie der ständigen Verminderung dieser Hilfsmittel Rechnung tragen, die sich aus den übrigen Bestimmungen dieses Vertrages ergibt.
Die alliierten und assoziierten Regierungen verlangen indessen und Deutschland übernimmt die Verpflichtung, daß alle Schäden wieder gutgemacht werden, die der Zivilbevölkerung jeder der alliierten und assoziierten Regierungen und ihrem Eigentum während der Zeit, da diese Macht sich im Kriegszustand mit Deutschland befand, durch den erwähnten Angriff zu Lande, zur See und aus der Luft zugefügt sind, und überhaupt alle Schäden, wie sie in der Anlage I näher bestimmt sind ... [Anlage I: Ausnahmslos alle von Zivilpersonen erlittenen Schäden, Kriegsgefangenen durch schlechte Behandlung zugefügte Schäden, Rentenzahlungen an überlebende militärische Kriegsopfer, Unterhaltszahlungen an die Familien von Militärangehörigen u.a.m.]

Artikel 233
Die Höhe der erwähnten Schäden, deren Wiedergutmachung von Deutschland geschuldet wird, wird von einer interalliierten Kommission festgestellt werden. Die Kommission erhält die Bezeichnung Wiedergutmachungskommission ...
Die Beschlüsse dieser Kommission über die Höhe der obenbezeichneten Schäden sollen spätestens am 1. Mai 1921 aufgesetzt und der deutschen Regierung als Gesamtbetrag ihrer Verpflichtungen mitgeteilt werden.
Die Kommission wird gleichzeitig einen Zahlungsplan aufstellen; sie wird dabei die Fristen und die Art und Weise für die Ablösung der Gesamtschuld durch Deutschland innerhalb eines Zeitraumes von dreißig Jahren vorsehen, der mit dem 1. Mai 1921 beginnt ...

Artikel 235
Damit die alliierten und assoziierten Mächte schon jetzt den Wiederaufbau ihres industriellen und wirtschaftlichen Lebens in Angriff nehmen können, zahlt Deutschland vor Feststellung der endgültigen Höhe ihrer Ersatzansprüche während der Jahre 1919 und 1920 und in den ersten vier Monaten des Jahres 1921 den Gegenwert von 20 Milliarden (zwanzig Milliarden) Mark Gold in Anrechnung auf die obigen Forderungen ...

Artikel 236
Deutschland willigt außerdem darein, daß seine wirtschaftlichen Hilfsmittel unmittelbar in den Dienst der Wiedergutmachungen gestellt werden, nach näherer Bestimmung der Anlagen III, IV, V und VI, welche die Handelsflotte, die Wiederherstellung in Natur, Kohle und Kohlenprodukte, Farbstoffe und andere chemische Erzeugnisse betreffen, vorausgesetzt, daß der Wert der übertragenen Güter und der nach Maßgabe der genannten Anlagen erfolgten Leistungen in der vorgeschriebenen Weise festgestellt ist, Deutschland gutgeschrieben und von den in den vorstehenden Artikeln vorgesehenen Verpflichtungen in Abzug gebracht wird.

Artikel 237
Die von Deutschland zur Befriedigung der vorbezeichneten Schadensanmeldungen bewirkten Teilzahlungen einschließlich derer, die in den vorstehenden Artikeln bezeichnet sind, werden von den alliierten und assoziierten Regierungen nach einem Schlüssel verteilt, der von ihnen im voraus und auf der Grundlage der Billigkeit und der Rechte einer jeden bestimmt ist ...

In Anlage III heißt es:
§ 1. Deutschland erkennt das Recht der alliierten und assoziierten Mächte auf Ersatz aller Handelsschiffe und Fischereifahrzeuge an, die infolge von Kriegsereignissen verlorengegangen oder beschädigt sind, und zwar Tonne für Tonne (Bruttotonne) und Klasse für Klasse ...
Die deutsche Regierung tritt den alliierten und assoziierten Regierungen im eigenen Namen und so, daß alle anderen Beteiligten dadurch gebunden werden, das Eigentum an allen seinen Angehörigen gehörenden Handelsschiffen von 1.600 Bruttotonnen und darüber ab, desgleichen die Hälfte des Tonnengehalts der Schiffe, deren Bruttotonnage zwischen 1.000 und 1.600 Tonnen beträgt, und je ein Viertel des Tonnengehalts der Fischdampfer und der anderen Fischereifahrzeuge.

§ 2. Die deutsche Regierung hat innerhalb von zwei Monaten nach Inkrafttreten dieses Vertrags der Wiedergutmachungskommission alle im § 1 bezeichneten Schiffe und sonstigen Seefahrzeuge zu übergeben.

In der Anlage V heißt es:
§ 1. Deutschland verpflichtet sich, auf Anfordern der Signatarmächte des vorliegenden Friedensvertrages folgende Mengen von Kohlen und Kohlennebenprodukten zu liefern.

§ 2. Deutschland liefert an Frankreich während der Dauer von 10 Jahren 7 Millionen Tonnen Kohle jährlich. Ferner liefert Deutschland an Frankreich jedes Jahr soviel Kohlen, als der Unterschied zwischen der Jahresförderung vor dem Kriege aus den Bergwerken des Nordens und des Pas-de-Calais, die durch den Krieg zerstört sind, und der Förderung aus den Bergwerken dieses Beckens während des in Betracht kommenden Jahres beträgt. Diese Lieferung findet 10 Jahre lang statt. Sie soll während der ersten 5 Jahre 20 Millionen Tonnen jährlich und während der folgenden 5 Jahre 8 Millionen Tonnen jährlich nicht überschreiten ...

§ 3. Deutschland liefert an Belgien jährlich 8 Millionen Tonnen Kohlen während der Dauer von 10 Jahren.

§ 4. Deutschland liefert an Italien folgende Höchstmengen an Kohle:
Juli 1919 bis Juni 1920: 4 ½ Millionen Tonnen,
Juli 1920 bis Juni 1921: 6 Millionen Tonnen,
Juli 1921 bis Juni 1922: 7 ½ Millionen Tonnen,
Juli 1922 bis Juni 1923: 8 Millionen Tonnen,
Juli 1923 bis Juni 1924: 8 ½ Millionen Tonnen
und während der nächsten fünf Jahre: Je 8 ½ Millionen Tonnen...

IX. Teil (Artikel 248-263). Finanzielle Bestimmungen.

Artikel 249
Deutschland trägt die gesamten Kosten für den Unterhalt aller alliierten und assoziierten Armeen in den besetzten deutschen Gebieten Tage der Unterzeichnung des Waffenstillstandes, dem 11. November 1918 ab ...

Artikel 260
Unbeschadet der Verzichtleistungen auf Rechte, welche Deutschland für sich oder seine Reichsangehörigen auf Grund der Bestimmungen dieses Vertrages auszusprechen hat, kann die Wiedergutmachungskommission innerhalb eines Jahres vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages ab verlangen, daß die deutsche Regierung alle Rechte und Interessen erwirbt, welche deutsche Reichsangehörige an irgendeiner öffentlichen Unternehmung oder an irgendeiner Konzession in Rußland, in China, in Österreich, in Ungarn, in Bulgarien, in der Türkei. in den Besitzungen und Nebenländern dieser Staaten oder in einem Gebietsteile besitzt, welcher bisher Deutschland oder seinen Alliierten gehörte und welcher von Deutschland oder seinen Alliierten an irgendeine Macht abgetreten oder gemäß dem vorliegenden Vertrag von einem Mandatar verwaltet werden muß. Andererseits muß die deutsche Regierung binnen 6 Monaten von der Stellung der Forderung ab alle diese Rechte und Interessen und alle gleichartigen Rechte und Interessen, die die deutsche Regierung selbst besitzt, auf die Wiedergutmachungskommission übertragen ...

X. Teil (Artikel 264-312). Wirtschaftliche Bestimmungen.

Artikel 264
Deutschland verpflichtet sich, Waren, Rohstoffe oder Fabrikate irgendeines der alliierten oder assoziierten Staaten, die in deutsches Gebiet eingeführt werden, ohne Rücksicht auf ihren Herkunftsort, keinen anderen oder höheren Zollsätzen oder Gebühren (einschließlich innerer Abgaben) zu unterwerfen als solchen, denen dieselben Waren, Rohstoffe oder Fabrikate irgendeines anderen der erwähnten Staaten oder eines anderen fremden Landes unterworfen sind ...

Artikel 267
Alle Begünstigungen, Befreiungen oder Vorrechte in bezug auf Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr von Waren, die von Deutschland irgendeinem der alliierten oder assoziierten Staaten oder irgendeinem anderen fremden Lande gewährt werden, werden gleichzeitig und bedingungslos ohne diesbezügliche Aufforderung und ohne Gegenleistung auf alle alliierten und assoziierten Staaten ausgedehnt.
Artikel 264 und 267 "verlieren fünf Jahre nach dem Inkrafttreten des vorliegenden Vertrages ihre Wirksamkeit..." (Artikel 280).

Artikel 292
Deutschland erkennt an, daß alle Verträge, Abmachungen und Vereinbarungen aufgehoben sind und aufgehoben bleiben, welche es mit Rußland oder irgendeinem Staate oder irgendeiner Regierung, deren Gebiet ehemals einen Teil Rußlands bildete, ebenso mit Rumänien vor dem 1. August 1914 oder seit diesem Datum bis zum Inkrafttreten dieses Vertrages geschlossen hat.

Artikel 297
Unter dem Vorbehalt entgegenstehender Bestimmungen, die sich aus dem gegenwärtigen Vertrage ergeben könnten, behalten sich die alliierten und assoziierten Mächte das Recht vor, alles Eigentum, alle Rechte und Interessen, die sich am Tage des Inkrafttretens des Vertrags auf deutsche Reichsangehörige beziehen oder auf von Ihnen beaufsichtigte Gesellschaften, die auf Ihrem Gebiet, in ihren Kolonien, Besitzungen und Schutzgebieten einschließlich der ihnen auf Grund des gegenwärtigen Vertrages abgetretenen Gebiete liegen, zurückzubehalten und zu liquidieren ...


XI. Teil (Artikel 313-320). Luftschiffahrt.


XII. Teil (Artikel 321-386). Häfen, Wasserstraßen und Eisenbahnen.

Artikel 321
Deutschland verpflichtet sich, Personen, Gütern, See- oder Flußschiffen, Eisenbahnwagen und dem Postverkehr von oder nach den Gebieten irgendeiner der alliierten und assoziierten Mächte, gleichviel, ob sie an Deutschland angrenzen oder nicht, die freie Durchfuhr durch sein Gebiet auf den für den Internationalen Verkehr geeignetsten Transportwegen, auf Eisenbahnen, schiffbaren Wasserläufen oder Kanälen zu gewähren; zu diesem Zweck wird die Durchfahrt quer durch Hoheitsgewässer gestattet. Die Personen, Güter, See- oder Flußschiffe, Personenwagen, Güterwagen und der Postverkehr werden keinem Durchfuhrzoll noch unnötigen Aufenthalten und Einschränkungen unterworfen und haben in Deutschland ein Anrecht auf gleiche Behandlung wie der innerdeutsche Verkehr in bezug auf Gebühren und Erleichterungen, ebenso wie in jeder anderen Hinsicht.
Die Durchgangsgüter sind von allen Zoll- oder ähnlichen Abgaben befreit ...

Klaus E. Daniel
12.10.2003, 17:36
XIII. Teil (Artikel 387-427). Arbeit.

Da der Völkerbund die Begründung des Weltfriedens zum Ziele, hat und ein solcher Friede nur auf dem Boden der sozialen Gerechtigkeit begründet werden kann; und da ferner Arbeitsbedingungen bestehen, welche für eine große Zahl von Menschen Ungerechtigkeit, Elend und Entbehrungen mit sich bringen, durch die eine derartige Unzufriedenheit erzeugt wird, daß der Weltfriede und die Welteintracht in Gefahr geraten, und eine Verbesserung dieser Verhältnisse dringend erforderlich ist, z. B. in bezug auf die Regelung der Arbeitszeit, die Festlegung eines Maximalarbeitstages und einer Maximalarbeitswoche, die Regelung des Arbeitsmarktes, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Sicherstellung eines Lohnes, der angemessene Daseinsbedingungen gewährleistet, den Schutz der Arbeiter gegen allgemeine und Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle, den Schutz der Kinder, Jugendlichen und Frauen, die Alters- und Invalidenrenten, den Schutz der Interessen der im Auslande beschäftigten Arbeiter, die Anerkennung des Grundsatzes der Koalitionsfreiheit, die Organisation der beruflichen und technischen Fortbildung und andere gleichartige Maßnahmen; da endlich die Nichtannahme wirklich menschenwürdiger Arbeitsbedingungen durch einen Staat ein Hindernis für die Bemühungen der anderen Nationen bedeutet, welche das Los der Arbeiter ihrer eigenen Länder zu bessern wünschen, so haben die Hohen vertragschließenden Parteien, bewegt durch Gefühle der Gerechtigkeit und der Menschlichkeit, wie auch durch den Wunsch, einen dauernden Weltfrieden zu sichern, folgendes vereinbart:

Artikel 387
Um an der Verwirklichung des in der Einleitung niedergelegten Programms zu arbeiten, wird eine ständige Organisation begründet.
Die ursprünglichen Mitglieder des Völkerbundes sollen die ursprünglichen Mitglieder dieser Organisation sein. Später soll die Mitgliedschaft im Völkerbunde die Mitgliedschaft in der genannten Organisation zur Folge haben.

Artikel 388
Die ständige Organisation soll umfassen:
1. eine allgemeine Konferenz der Vertreter der Mitglieder,
2. ein internationales Arbeitsamt unter Leitung des im Artikel 393 vorgesehenen Verwaltungsrats.

Artikel 392
Das internationale Arbeitsamt wird am Sitze des Völkerbundes errichtet und bildet einen Bestandteil des Bundes.

Artikel 393
Das internationale Arbeitsamt untersteht der Leitung eines Verwaltungsrates von 24 Personen, die nach folgenden Vorschriften bestimmt werden:
Der Verwaltungsrat des internationalen Arbeitsamtes setzt sich wie folgt zusammen:
12 Personen als Vertreter der Regierungen,
6 Personen, die von den Vertretern der Arbeitgeber in der Konferenz gewählt sind,
6 Personen, die von den Vertretern der Angestellten und Arbeiter in der Konferenz gewählt werden ...

Artikel 396
Die Aufgaben des Internationalen Arbeitsamtes umfassen die Zentralisierung und Verteilung aller Auskünfte in bezug auf die internationale Regelung der Arbeiterverhältnisse und Arbeitsbedingungen, insbesondere die Bearbeitung der Fragen, welche der Konferenz zum Zwecke des Abschlusses internationaler Abkommen vorgelegt werden sollen, sowie die Ausführung aller durch die Konferenz beschlossenen besonderen Ermittlungen ...


XIV. Teil (Artikel 428-433). Sicherheiten für die Ausführung.

Artikel 428
Als Sicherheit für die Ausführung des vorliegenden Vertrages durch Deutschland werden die deutschen Gebiete westlich des Rheins einschließlich der Brückenköpfe durch die Truppen der alliierten und assoziierten Mächte während eines Zeitraumes von 15 Jahren besetzt, der mit dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages beginnt.

Artikel 429
Wenn die Bedingungen des gegenwärtigen Vertrages durch Deutschland getreulich erfüllt werden, so soll die im Artikel 428 vorgesehene Besetzung nach und nach in folgender Weise eingeschränkt werden:
1. Nach Ablauf von fünf Jahren werden geräumt: der Brückenkopf von Köln und die Gebiete nördlich einer Linie, die dem Laufe der Ruhr, dann der Eisenbahnlinie Jülich-Düren-Euskirchen-Rheinbach, ferner der Straße von Rheinbach nach Sinzig folgt, und die den Rhein bei dem Einfluß der Ahr trifft, wobei die vorhin genannten Straßen, Eisenbahnen und Orte außerhalb der besagten Räumungszone bleiben.
2. Nach Ablauf von zehn Jahren werden geräumt: der Brückenkopf von Coblenz und die Gebiete nördlich einer Linie, die an dem Schnittpunkte der Grenzen Belgiens, Deutschlands und Hollands beginnt, etwa vier Kilometer südlich Aachen verläuft, dann bis zum Höhenrücken von Vorst-Gemünd verläuft, dann östlich der Eisenbahnlinie des Urfttales, dann über Blankenhain, Waldorf, Dreis, Ulmen bis zur Mosel, diesem Flusse von Bremm bis Nehren folgt, dann über Kappel und Simmern der Höhenlinie zwischen Simmern und dem Rhein folgt und diesen Fluß bei Bacharach erreicht, wobei alle genannten Orte, Täler, Straßen und Eisenbahnen außerhalb der Räumungszone bleiben.
3. Nach Ablauf von 15 Jahren werden geräumt: der Brückenkopf von Mainz, der Brückenkopf von Kehl und der Rest des besetzten deutschen Gebiets.
Wenn zu diesem Zeitpunkte die Sicherheiten gegen einen nicht herausgeforderten Angriff Deutschlands von den alliierten und assoziierten Regierungen nicht als ausreichend betrachtet werden, so kann die Entfernung der Besatzungstruppen in dem Maße aufgeschoben werden, wie dies zur Erreichung der genannten Bürgschaften für nötig erachtet wird.

Artikel 430
Falls die Wiedergutmachungskommission während der Besetzung oder nach Ablauf der im Vorhergehenden genannten 15 Jahre feststellt, daß Deutschland sich weigert, die Gesamtheit oder einzelne der ihm nach dem gegenwärtigen Vertrage obliegenden Wiedergutmachungsverpflichtungen zu erfüllen, so werden die im Artikel 429 genannten Gebiete ganz oder teilweise sofort von neuem durch die alliierten und assoziierten Truppen besetzt.

Artikel 433
Als Sicherheit für die Ausführung der Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages, durch welche Deutschland endgültig die Aufhebungen des Vertrages von Brest-Litowsk wie auch aller Verträge, Konventionen und Vereinbarungen anerkennt, die es mit der maximalistischen Regierung in Rußland abgeschlossen hat, wie auch um die Wiederherstellung des Friedens und einer guten Regierung in den baltischen Provinzen und in Litauen zu sichern, sollen die deutschen Truppen, welche sich zur Zeit in den genannten Gebieten befinden, innerhalb der Grenzen Deutschlands zurückkehren, sobald die Regierungen der alliierten und assoziierten Hauptmächte den Zeitpunkt mit Rücksicht auf die innere Lage dieser Gebiete für gekommen erachten ...

Klaus E. Daniel
12.10.2003, 17:40
XV. Teil (Artikel 434-440) Verschiedene Bestimmungen.

Artikel 434
Deutschland verpflichtet sich, die volle Gültigkeit der Friedensverträge und Zusatzabkommen anzuerkennen, welche von den alliierten und assoziierten Mächten mit den Mächten geschlossen werden, die auf seiten Deutschlands gekämpft haben, und sich mit den Bestimmungen einverstanden zu erklären, welche bezüglich der Gebiete der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie, des Königreichs Bulgarien und des Ottomanischen Reiches getroffen werden, auch die neuen Staaten innerhalb der Grenzen, die auf diese Weise für sie festgelegt wurden, anzuerkennen.


Quelle: Martens, Nouv. Recueil Général, 3. S., Bd. XI, S. 323 ff.
Der Friedensvertrag von Versailles nebst Schlußprotokoll und Rheinlandstatut., Berlin 1925.

Klaus E. Daniel
12.10.2003, 17:44
Ich werde dieses Thema weiterführen, aber meine Maus will nicht mehr ...

Tschüß

KED

Klaus E. Daniel
13.10.2003, 10:10
Ansprache des Reichsaußenministers Ulrich Graf von Brockdorff-Rantzau bei der Überreichung des Friedensvertrags-Entwurfs durch die Alliierten und Assoziierten Mächte

Versailles, 7. Mai 1919

Meine Herren! Wir sind tief durchdrungen von der erhabenen Aufgabe, die uns mit Ihnen zusammengeführt hat: Der Welt rasch einen dauernden Frieden zu geben. Wir täuschen uns nicht über den Umfang unserer Niederlage, den Grad unserer Ohnmacht. Wir wissen, daß die Gewalt der deutschen Waffen gebrochen ist; wir kennen die Wucht des Hasses, die uns hier entgegentritt, und wir haben die leidenschaftliche Forderung gehört, daß die Sieger uns zugleich als Überwundene zahlen lassen und als Schuldige bestrafen sollen.

Es wird von uns verlangt, daß wir uns als die allein Schuldigen bekennen; ein solches Bekenntnis wäre in meinem Munde eine Lüge. Wir sind fern davon, jede Verantwortung dafür, daß es zu diesem Weltkriege kam, und daß er so geführt wurde, von Deutschland abzuwälzen. Die Haltung der früheren Deutschen Regierung auf den Haager Friedenskonferenzen, ihre Handlungen und Unterlassungen in den tragischen zwölf Julitagen mögen zu dem Unheil beigetragen haben, aber wir bestreiten nachdrücklich, daß Deutschland, dessen Volk überzeugt war, einen Verteidigungskrieg zu führen, allein mit der Schuld belastet ist.

Keiner von uns wird behaupten wollen, daß das Unheil seinen Lauf erst in dem verhängnisvollen Augenblick begann, als der Thronfolger Österreich-Ungarns den Mörderhänden zum Opfer fiel. In den letzten 50 Jahren hat der Imperialismus aller europäischen Staaten die internationale Lage chronisch vergiftet. Die Politik der Vergeltung wie die Politik der Expansion und die Nichtachtung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker hat zu der Krankheit Europas beigetragen, die im Weltkrieg ihre Krisis erlebte. Die russische Mobilmachung nahm den Staatsmännern die Möglichkeit der Heilung und gab die Entscheidung in die Hand der militärischen Gewalten.

Die öffentliche Meinung in allen Ländern unserer Gegner hallt wider von den Verbrechen, die Deutschland im Kriege begangen habe. Auch hier sind wir bereit, getanes Unrecht einzugestehen. Wir sind nicht hierhergekommen, um die Verantwortlichkeit der Männer, die den Krieg politisch und militärisch geführt haben, zu verkleinern und begangene Frevel wider das Völkerrecht abzuleugnen. Wir wiederholen die Erklärung, die bei Beginn des Krieges im Deutschen Reichstag abgegeben wurde. Belgien ist Unrecht geschehen, und wir wollen es wieder gutmachen.

Aber auch in der Art der Kriegführung hat nicht Deutschland allein gefehlt. Jede europäische Nation kennt Taten und Personen, deren sich die besten Volksgenossen ungern erinnern. Ich will nicht Vorwürfe mit Vorwürfen erwidern, aber wenn man gerade von uns Buße verlangt, so darf man den Waffenstillstand nicht vergessen. Sechs Wochen dauerte es, bis wir ihn erhielten, sechs Monate, bis wir Ihre Friedensbedingungen erfuhren. Verbrechen im Kriege mögen nicht zu entschuldigen sein, aber sie geschehen im Ringen um den Sieg, in der Sorge um das nationale Dasein, in einer Leidenschaft, die das Gewissen der Völker stumpf macht. Die Hunderttausende von Nichtkämpfern, die seit dem 11. November an der Blockade zugrunde gingen, wurden mit kalter Überlegung getötet, nachdem für unsere Gegner der Sieg errungen und verbürgt war. Daran denken Sie, wenn Sie von Schuld und Sühne sprechen.

Das Maß der Schuld aller Beteiligten kann nur eine unparteiische Untersuchung feststellen, eine neutrale Kommission, vor der alle Hauptpersonen der Tragödie zu Worte kommen, der alle Archive geöffnet werden. Wir haben eine solche Untersuchung gefordert, und wir wiederholen die Forderung.

Bei dieser Konferenz, wo wir allein, ohne Bundesgenossen, der großen Zahl unserer Gegner gegenüberstehen, sind wir nicht schutzlos. Sie selbst haben uns einen Bundesgenossen zugeführt. das Recht, das uns durch den Vertrag über die Friedensgrundsätze gewährleistet ist. Die Alliierten und Assoziierten Regierungen haben in der Zeit zwischen dem 5. Oktober und dem 5. November 1918 auf den Machtfrieden verzichtet und den Frieden der Gerechtigkeit auf ihr Panier geschrieben. Am 5. Oktober 1918 hat die Deutsche Regierung die Grundsätze des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika als Friedensbasis vorgeschlagen, am 5. November hat ihr der Staatssekretär Lansing erklärt, daß die Alliierten und Assoziierten Mächte mit dieser Basis unter zwei bestimmten Abweichungen einverstanden seien, die Grundsätze des Präsidenten Wilson sind also für beide Kriegsparteien, für Sie wie für uns, und auch für unsere früheren Bundesgenossen bindend geworden.

Die einzelnen Grundsätze fordern von uns schwere nationale und wirtschaftliche Opfer. Aber die heiligen Grundrechte aller Völker sind durch diesen Vertrag geschätzt. Das Gewissen der Welt steht hinter ihm; keine Nation wird ihn ungestraft verletzen dürfen.

Sie werden uns bereit finden, auf dieser Grundlage den Vorfrieden, den Sie uns vorlegen, mit der festen Absicht zu prüfen, in gemeinsamer, Arbeit mit Ihnen Zerstörtes wieder aufzubauen, geschehenes Unrecht, in erster Linie das Unrecht an Belgien, wieder gutzumachen, und der Menschheit neue Ziele politischen und sozialen Fortschritts zu zeigen. Bei der verwirrenden Fülle von Problemen, die der gemeinsame Zweck aufwirft, sollten wir möglichst bald die einzelnen Hauptaufgaben durch besondere Kommissionen von Sachverständigen auf der Grundlage des von Ihnen vorgelegten Entwurfs erörtern lassen. Dabei wird es unsere Hauptaufgabe sein, die verwüstete Menschenkraft der beteiligten Völker durch einen internationalen Schutz von Leben, Gesundheit und Freiheit der arbeitenden Klassen wieder aufzurichten.

Als nächstes Ziel betrachte ich den Wiederaufbau der von uns besetzt gewesenen und durch den Krieg zerstörten Gebiete Belgiens und Nordfrankreichs. Die Verpflichtung hierzu haben wir feierlichst übernommen, und wir sind entschlossen, sie in dem Umfang auszufahren, der zwischen uns vereinbart ist. Dabei sind wir auf die Mitwirkung unserer bisherigen Gegner angewiesen. Wir können das Werk nicht ohne die technische und finanzielle Beteiligung der Sieger vollenden; Sie können es nur mit uns durchfuhren. Das verarmte Europa muß wünschen, daß der Wiederaufbau mit so großem Erfolg und so wenig Aufwand wie möglich durchgeführt wird. Der Wunsch kann nur durch eine klare geschäftliche Verständigung über die besten Methoden erfüllt werden. Die schlechteste Methode wäre, die Arbeit weiter durch deutsche Kriegsgefangene besorgen zu lassen. Gewiß, diese Arbeit ist billig. Aber sie käme der Welt teuer zu stehen, wenn Haß und Verzweiflung das deutsche Volk darüber ergreifen würde, daß seine gefangenen Söhne, Brüder und Väter über den Vorfrieden hinaus in der bisherigen Fron weiter schmachteten. Ohne eine sofortige Lösung dieser allzu lange verschleppten Frage können wir nicht zu einem dauernden Frieden gelangen.

Unsere beiderseitigen Sachverständigen werden zu prüfen haben, wie das deutsche Volk seiner finanziellen Entschädigungspflicht Genüge leisten kann, ohne unter der schweren Last zusammenzubrechen. Ein Zusammenbruch würde die Ersatzberechtigten um die Vorteile bringen, auf die sie Anspruch haben, und eine unheilbare Verwirrung des ganzen europäischen Wirtschaftslebens nach sich ziehen. Gegen diese drohende Gefahr mit ihren unabsehbaren Folgen müssen Sieger wie Besiegte auf der Hut sein. Es gibt nur ein Mittel, um sie zu bannen: das rückhaltlose Bekenntnis zu der wirtschaftlichen und sozialen Solidarität der Völker zu einem freien und umfassenden Völkerbund.

Meine Herren! Der erhabene Gedanke, aus dem furchtbarsten Unheil der Weltgeschichte durch den Völkerbund den größten Fortschritt der Menschheitsentwicklung herzuleiten, ist ausgesprochen und wird sich durchsetzen; nur wenn sich die Tore zum Völkerbund allen Nationen öffnen, die guten Willens sind, wird das Ziel erreicht werden, nur dann sind die Toten dieses Krieges nicht umsonst gestorben. Das deutsche Volk ist innerlich bereit, sich mit seinem schweren Los abzufinden, wenn an den vereinbarten Grundlagen des Friedens nicht gerüttelt wird. Ein Frieden, der nicht im Namen des Rechts von der Welt verteidigt werden kann, würde immer neue Widerstände gegen sich aufrufen. Niemand wäre in der Lage, ihn mit gutem Gewissen zu unterzeichnen, denn er wäre unerfüllbar. Niemand könnte für seine Ausführung die Gewähr, die in der Unterschrift liegen soll, übernehmen.

Wir werden das uns übergebene Dokument mit gutem Willen und in der Hoffnung prüfen, daß das Endergebnis unserer Zusammenkunft von uns allen gezeichnet werden kann.

Quelle: Ulrich Graf von Brockdorff-Rantzau, Dokumente (Charlottenburg 1920), S. 113ff.
_______________________________________

Ich finde, man müsse auch diese Grundlagen kennen, wenn man über das folgende redet. Aber ich bin mir ziemlich sicher, daß es keiner liest.

Und Rantzau irrte sich, es war kein Vertrag, sondern ein Diktat, daß man unterschreiben konnte oder eben nicht. Die Folgen wären noch unabsehbarer gewesen, wie die spätere Ruhrgebietsbesetzng beweist.

K.E.D.

Klaus E. Daniel
13.10.2003, 10:16
Es war in der Tat ein Diktat von Frankreich ganz alleine. Die Wilsonschen 10 (?) Punkte wurden mißachtet, warauf die USA empört die Bühne verließ und auch nicht in den den Völkerbund eintrat.

Jetzt soll nur einer kommen und die USA wieder anschwärzen! Die USA (das wußten Ludendorf und Co.) haben in Wirklichkeit den Krieg gewonnen und dann das.

Klaus E. Daniel

John Donne
13.10.2003, 10:25
Original von Klaus E. Daniel
Es war in der Tat ein Diktat von Frankreich ganz alleine. Die Wilsonschen 10 (?) Punkte wurden mißachtet, warauf die USA empört die Bühne verließ und auch nicht in den den Völkerbund eintrat.

Jetzt soll nur einer kommen und die USA wieder anschwärzen! Die USA (das wußten Ludendorf und Co.) haben in Wirklichkeit den Krieg gewonnen und dann das.

Klaus E. Daniel

So wie ich den Text von Brockdorff-Rantzau verstehe, will er das Dokument (Vertrag oder Diktat) doch zunächst prüfen, ob es im Sinne der 14 Punkte von Wilson und damit akzeptabel ist. Er wird festgestellt haben, daß dies nicht der Fall ist.

Grüße
John

kettnhnd
13.10.2003, 10:30
seit dem mittalter drängen die franzosen 'gen osten. seit dieser zeit hat frankreich versucht einfluss auf deutsche politik zu nehmen. ob über diplomatischen wege oder auf dem kriegerischen pfad.
gegenwärtig wird diese politik über die europäische union fortgeführt.
geschichte verstehen heisst, zusammenhänge die aus ihr entstanden sind, bis in die gegenwart hinein zu begreifen.

eine französische aggression bestand und besteht weiterhin...
der erbfeind war nicht amerika, sondern stets (das) frank(en)reich...

--

Siran
13.10.2003, 10:32
Wenn ich mich recht entsinne, war es so, dass bereits vor den Verhandlungen zum Versailler Vertrag die Isolationisten in den USA an Macht gewonnen. Wilson wurde dann abgewählt und die USA haben sich insgesamt aus den Friedensverhandlungen zurückgezogen. Mit den 14 Punkten Wilsons, mit denen Deutschland wohl gut zurecht gekommen wäre, hat der Versailler Vertrag auf jeden Fall nicht mehr viel gemein.

Klaus E. Daniel
13.10.2003, 10:35
So ist es, John.
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Ein N.N. schreibt an mich:



Es war in der Tat ein Diktat von Frankreich ganz alleine. Die Wilsonschen 10 (?) Punkte wurden mißachtet, warauf die USA empört die Bühne verließ und auch nicht in den den Völkerbund eintrat.

Jetzt soll nur einer kommen und die USA wieder anschwärzen! Die USA (das wußten Ludendorf und Co.) haben in Wirklickkeit den Krieg gewonnen und dann das.

Klaus E. Daniel
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nun, es hatte ja auch primär frankreich ein wiedererstarken deutschlands zu befürchten. von daher ist es schon verständlich, dass sie den "daumen drauf" halten wollten (und deutschland hatte das im verlauf des WK in ähnlicher weise ja auch mit russland gemacht). in wie weit verstößt der vertrag gegen einige der 14 punkte wilsons? und hatte die OHL ihre Kapitulation nicht nur unter annahme dieser 14 punkte aktzeptiert?

N.N.

Klaus E. Daniel
13.10.2003, 10:40
N.N.,

Rußland und Frankreich, was Bismarck immer zu hindern versuchte, hatten einen Vertrag. Wußten Sie das?

Kennen Sie den "Rückversicherungsvertrag", den Wilhelm II nicht mehr unterschrieb? Der Mensch war geistig unterbelichtet.

Der Vertrag war eindeutig gegen Deutschland gerichtet. Der deutsche Kaiser zerging in Zorn, als er feststellen mußte, daß der deutsche Generalstab keine Antwort auf einen sehr möglichen russischen Angriff ausgearbeitet hatte. Deswegen die plötzliche Reaktivierung von Hindenburg. Da gäbe es noch viel zu sagen.

Gruß

K.E.D.

John Donne
13.10.2003, 10:42
@kettnhnd: Worin besteht denn Deiner Meinung nach momentan die französische Aggression?

@Siran: So sehe ich das auch.


Einen Link zu den 14 Punkten findet sich hier (http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/14punkte/index.html) .

Grüße
John

Siran
13.10.2003, 10:44
[list=1]
Offene, öffentlich abgeschlossene Friedensverträge. Danach sollen keinerlei geheime internationale Abmachungen mehr bestehen, sondern die Diplomatie soll immer aufrichtig und vor aller Welt getrieben werden.
Uneingeschränkte Freiheit der Schiffahrt auf den Meeren, außerhalb der Territorialgewässer, im Frieden sowohl wie im Kriege, ausgenommen jene Meere, die ganz oder teilweise durch internationales Vorgehen zur Durchführung internationaler Verträge gesperrt werden.
Möglichste Beseitigung aller wirtschaftlichen Schranken und Herstellung einer Gleichheit der Handelsbedingungen für alle Nationen, die dem Frieden beitreten und sich zu seiner Aufrechterhaltung verbinden.
Entsprechende gegenseitige Bürgschaften für die Beschränkung der Rüstungen der Nationen auf das niedrigste, mit der Sicherheit im Innern vereinbare Maß.
Freier, unbefangener und völlig unparteiischer Ausgleich aller kolonialen Ansprüche, auf der genauen Beachtung des Grundsatzes beruhend, daß beim Entscheid in solchen Souveränitätsfragen die Interessen der betreffenden Bevölkerungen ebenso ins Gewicht fallen, wie die berechtigten Ansprüche der Regierung, deren Rechtstitel zu entscheiden ist.
Berichtigung der Grenzen Italiens nach den genau erkennbaren Abgrenzungen der Nationen.
[/list=1]

Das sind einige der 14 Punkte, die im Versailler Vertrag zumindest teilweise verletzt wurden.

Klaus E. Daniel
13.10.2003, 10:53
Zum vorigen nehme ich später Stellung.
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houndstooth (dessen Zitiergenehmigung ich habe, schrieb:

Straffer Thread und fuer mich fast alles neu und interessant.
Muss dies noch einmal in Ruhe durchlesen.

Die Ueberschrift " Walther Rathenau " machte mich neugierig. Drum moechte ich mich doch mit einer Frage an Dich/Euch wagen Klaus : Wenn es Dir oder jemand Anderem nichts ausmacht , und Du/Ihr Naeheres darueber Bescheid weist,[...] dann wuerde mich die Beziehungen zwischen Einstein und seinem guten Freund Rathenau aus Eurer Perspektive sehr interessieren.

Bekannt ist mir, dass Einstein bei der Beerdigung Rathenaus zugegen war und eine bewegende Begraebnisrede hielt.
Auch dass Einstein von sog. 'Freischaerlern' bedroht wurde und dies einer der Hauptgruende war, dass er Deutschland den Ruecken gekehrt hatte.

Einstein war auch spaeter noch sehr aktiv in der 'Rathenau Stiftung'?? etc.

( Uber 'Freischaerler' habe ich leider keine Ahnung , kann also hier ueberhaupt nicht mitreden, sondern nur lesen und lernen )

Besten Dank im Voraus

Herzlichen Gruss

Bis dann...Heinz

Klaus E. Daniel
13.10.2003, 11:00
EINSTEIN IN CAPUTH

In der Caputher Zeit, 1929 bis 1932, war Einsteins Popularität immer noch ungebrochen. Er erhielt Einladungen aus der ganzen Welt, um an den unterschiedlichsten Universitäten Gastvorlesungen zu halten oder um Ehrungen oder Auszeichnungen entgegenzunehmen. (Ehrungen, Preise und Auszeichnungen) Während dieser Reisen äußerte er sich auch zunehmend zu Fragen, die mit seinem direkten Arbeitsgebiet, der Physik, nichts zu tun hatten, z.B. auch zu Fragen der Politik. Neben seiner Arbeit an den verschiedenen Instituten in Berlin und seinen vielen Reisen, war Caputh für ihn ein "Paradies" wo er zurückgezogen seinen - physikalischen - Gedanken nachgehen konnte. Dies war sicherlich auch dort nicht immer möglich, da er sehr oft von irgendwelchen Leuten bedrängt wurde, die etwas von ihm wollten.

Wenn man sich mit dem Leben Albert Einsteins beschäftigt, insbesondere auch mit der Caputher Zeit, gewinnt man den Eindruck, dass er in Caputh schöne Jahre verbracht hat, vielleicht, neben den Berner Jahren, die schönsten in seinem Leben.

Einstein und seine Familie lebten vom Frühjahr bis in den Spätherbst in ihrem Sommerhaus in Caputh. Den Rest des Jahres verbrachten sie in ihrer Berliner Stadtwohnung in der Haberlandstraße 5. Neben den Familienmitgliedern wohnte noch die Hausangestellte Herta Schiefelbein mit in dem Haus. Einsteins Sekretärin Helen Dukas, die später einer seiner Nachlassverwalter wurde, und Einsteins "Rechner" Dr. Walther Mayer waren sehr oft in Caputh. Sie, um für ihn die anfallenden Schreibarbeiten zu erledigen und er, um ihn bei mathematischen Problemen zu unterstützen.

Einstein hat Caputh geliebt, und er dachte anfangs daran, seinen Wohnsitz ganz dorthin zu verlegen. Da er aber viel in Berlin zu tun hatte, z.B. um an den wöchentlichen Sitzungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften teilzunehmen, hat er diesen Gedanken schnell wieder fallen lassen. Es gefiel ihm dort aber so gut, dass er manchmal eine Sitzung der Akademie oder einen anderen Termin einfach schwänzte.

In Caputh lebte Einstein naturverbunden und genoss es, weit entfernt von jeglichem Trubel, in relativer Ruhe, den Tag ganz nach seinen Vorstellungen zu verbringen. Das konnte so aussehen, dass er viele Stunden an seinem Schreibtisch arbeitete oder schon früh am Morgen ausgiebige und einsame Spaziergänge in die angrenzenden Wälder unternahm oder seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Segeln, nachging. Neben all diesen Beschäftigungen spielte Einstein, wenn auch zu unregelmäßigen und den unmöglichsten Zeiten, oft Geige. Außerdem war es für ihn sehr angenehm, dass er in Caputh bequeme und legere Kleidung tragen konnte.

Der Ruhe wegen gab es in Einsteins Haus kein Telefon. Um ihn aber dennoch telefonisch zu erreichen, musste man bei einem Nachbarn, dem Töpfermeister Wolff, anrufen, der dann durch Heranrufen jemand aus Einsteins Familie ans Telefon bat. Dieser Vorgang wurde später dahingehend abgeändert, dass Elsa Einstein der Familie des Töpfermeisters eine kleine Trompete zur Verfügung stellte und ein Signalsystem entwickelte. Es wurde für jedes Mitglied der Familie Einstein eine Tonfolge festgelegt, mit der dann die entsprechende Person ans Telefon gerufen werden konnte. Z.B. bedeutete die Tonfolge, "einmal lang und laut", dass Einstein selbst am Telefon verlangt wurde.

Wie zu dem Töpfermeister Wolff und seiner Familie hatte Einstein viele Kontakte zu Caputher Bürgern. Er war bei ihnen, besonders wohl bei den Kindern, beliebt und hat sich mit vielen von ihnen unterhalten, wobei er ein aufmerksamer Gesprächspartner war. Kaum einer der Caputher wusste aber, welche Berühmtheit er war. Manchmal beschäftigte Einstein auch Leute aus dem Ort, so zum Beispiel jemanden für die Inbetriebnahme seiner Heizung oder für die Arbeit im Garten. Er hat sich selbst nicht um diese Dinge gekümmert. Das galt auch für alle anderen Dinge im und um das Haus; sie wurden meist von seiner Frau Elsa erledigt.

Die Familie Einstein beherbergte in Caputh auch zwei Haustiere. Da waren Purzel, der Langhaardackel des Handwerksmeisters Teichmann aus der Nachbarschaft, der mehr Zeit bei Einsteins verbrachte als zu Hause, und ein zugelaufener Kater, der Peter gerufen wurde. Einstein hatte Freude daran, wenn Purzel ihn auf seinen Spaziergängen begleitete und auch mit dem Kater hat er sich immer wieder beschäftigt.

Auf Wunsch und zu Gunsten der Deutschen Liga für Menschenrechte, entstand in Caputh Einsteins Glaubensbekenntnis, das er auf eine Schallplatte sprach (Einsteins Glaubensbekenntnis).

Im Sommerhaus selbst herrschte eine geistig produktive Atmosphäre vor, nicht zuletzt, weil Einstein hier viele namhafte Gäste aus aller Welt empfing, wodurch auch Caputh weltbekannt wurde.

DIE GÄSTE

Es gibt wohl kaum eine Privathaus, in dem sich so viele Nobelpreisträger aufgehalten haben wie in Einsteins Sommerhaus in Caputh. Es würde zu weit führen, an dieser Stelle auf einzelne Besucher näher einzugehen. Darum soll hier nur eine alphabetisch geordnete Auflistung einiger berühmter Gäste, zu denen u.a. Naturwissenschaftler, Künstler, Schriftsteller und Politiker gehörten, genügen. Die Namen der Nobelpreisträger, zu denen Einstein ja selbst auch gehörte, sind kursiv dargestellt.

Zu Einsteins Gästen in Caputh gehörten u.a.:

Max Born, Gustav Bucky, Paul Ehrenfest, Felix Ehrenhaft, Abraham Flexner, Philipp Frank, Fritz Haber, Otto Hahn, Gerhart Hauptmann, Alfred Kerr, Käthe Kollwitz, Max von Laue, Max Liebermann, Heinrich Mann, Walther Nernst, Max Planck, Erwin Schrödinger, Anna Seghers, Arnold Sommerfeld, Leo Szilard, Rabindranath Tagore, Chaim Waizmann, Paul Wigner, Arnold Zweig.

Einer der Besucher war der Amerikaner Abraham Flexner. Er führte in Caputh Gespräche mit Einstein und gewann ihn für das noch zu gründende "Institute for Advanced Study" in Princeton, USA, wo Einstein dann ab 1933 bis zu seinem Tod im April 1955 lebte und arbeitete.

Zu den weniger berühmten Gästen, die ebenfalls in großer Zahl zugegen waren, gehörte auch Einsteins Schwester Maja. Sie war mehrmals draußen in Caputh, und wenn sich die Gelegenheit bot, unternahmen Bruder und Schwester gemeinsame Spaziergänge in der schönen Landschaft.


Einstein legte in seinem Sommerhaus ein Gästebuch an, in das sich die Gäste eintragen sollten. Dies hatte nach Wunsch des Hausherrn nur in Versform zu geschehen. Eine Ausnahme von dieser Regel machte Einstein bei dem indischen Schriftsteller Tagore. Der erste und auch der letzte Eintrag in diesem Buch stammten von dem Physiker Max von Laue. Das Original des Gästebuchs befindet sich heute im Leo-Beack-Institute in New York.

Neben den Gesprächen, die er mit seinen Gästen in seinem Sommerhaus führte, unternahm er mit ihnen auch oft gemeinsame Spaziergänge. Als besondere Ehre galt es, wenn Einstein seine Gäste zum Segeln auf die Havelseen einlud. Diese Ehre wurde u.a. Max von Laue zu teil, der sich mit Einstein nicht nur "wissenschaftlich" sondern auch privat sehr gut verstand.

DAS SEGELN

"Beim Segeln, das er leidenschaftlich gern betrieb, hatte er keinen sportlichen Ehrgeiz", sagte Max von Laue zu Einsteins liebster Freizeitbeschäftigung.

Einstein, der schon in der Schweiz u.a. auf dem Zürichsee segelte, fand in Caputh ideale Voraussetzungen vor. Die Anlegestelle seines Jollenkreuzers lag, nur etwa 10 Minuten Fußweg von seinem Haus entfernt, am Templiner See neben dem Bootshaus Schumann. Wohlhabende Freunde hatten den Jollenkreuzer Einstein zu dessen 50. Geburtstag, geschenkt. Obwohl das Boot den Namen "Tümmler" trug, nannte es Einstein liebevoll sein "dickes Segelschiff".

Der Jollenkreuzer wurde von dem Schiffbau-Ingenieur Adolf Harms entworfen und in der Werft von Berkholz & Gärsch in Friedrichshagen als Unikat gebaut. Gefordert war eine leichte Bedienbarkeit des Bootes, ohne jede Anstrengung. Es war auf Einsteins Wunsch mit einem Hilfsmotor ausgestattet, den man von außen nicht erkennen konnte, und hatte eine Länge über Alles von 7 m bei einer Breite auf Planken von 2,35 m. Der Tiefgang betrug 0,33 m bzw. der Tiefgang mit Schwert 1,25 m. Die Segelfläche betrug 20 m2. Das Boot hatte Schlafgelegenheiten für zwei Personen; die Inneneinrichtung, ausgeführt in Mahagoni, war recht komfortabel.

Einstein hat sein "dickes Segelschiff" geliebt, und er verbrachte sehr viel Zeit mit seinem Boot auf den angrenzenden Havelseen. Er, der ein guter Segler war, segelte am liebsten allein, und obwohl er nicht schwimmen konnte, lehnte er es strikt ab, eine Schwimmweste anzulegen. Das führte dazu, dass sich seine Familie immer große Sorgen machte, wenn er mit seinem Boot unterwegs war. Oft nahm er aber auch Gäste mit zu einem Segelausflug.

Auf seinem Segelboot fand Einstein die Ruhe und Erholung, die er brauchte, um ungestört seinen Gedanken nachgehen zu können. Da er auf dem Boot oft über seine physikalischen Theorien nachdachte, befanden sich an Bord auch immer Papier und Bleistift für seine Notizen.

DIE PHYSIK

Während Einsteins Berliner Zeit, 1914 bis 1932, war er Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften und Professor an der Friedrich-Wilhelm-Universität ohne Lehrverpflichtung. Obwohl er das Recht hatte, Vorlesungen zu halten, machte er nicht allzu oft Gebrauch davon. Daneben war er Direktor des neugegründeten Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik, das am 1. Oktober 1917 seine Arbeit aufnahm. In den Jahren 1916 bis 1918 war Einstein Max Plancks Nachfolger als Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.

Auf dem Gebiet der theoretischen Physik "plagte" sich Einstein während der Caputher Zeit u.a. mit der einheitlichen Feldtheorie und der Quantenmechanik.

Bei der einheitlichen Feldtheorie suchte er nach einer Erweiterung seiner Gravitationstheorie, der allgemeinen Relativitätstheorie (Einsteins Theorien), um das Gravitationsfeld und das Elektromagnetische Feld zusammenfassend zu beschreiben. An dieser Erweiterung, deren Grundgedanken er schon 1923 in seinem Nobelvortrag in Göteborg erläutert hatte, arbeitete er bis an sein Lebensende vergeblich.

Die neue Theorie des Mikrokosmos, die Quantenmechanik, wurde von Einstein nie als vollwertige Theorie akzeptiert, da in ihr Zufälligkeiten zur Anwendung kamen. Für Einstein war der Begriff "Zufall" in der Physik undenkbar, und er bezeichnete ihn als "eine Schwäche der Theorie". Darum übte er beharrlich Kritik an ihr, die aber physikalisch fundiert und konstruktiv war. Im Oktober 1930 fand der 6. Solvay-Kongress in Brüssel statt. Bei den Solvay-Kongressen, die durch den belgischen Großindustriellen Ernest Solvay finanziert wurden, kam ein kleiner Kreis international führender Physiker zusammen, um über aktuelle physikalische Theorien zu diskutieren. Auf diesem 6. Kongress, an dem Einstein zum letzten Mal teilnahm, kam es auch wieder zu lebhaften Auseinandersetzungen zwischen Einstein und dem dänischen Physiker Niels Bohr, einem der Wegbereiter der Atom- und Kernphysik, über die Quantenmechanik.

Parallel zu den beiden genannten Arbeitsgebieten beschäftigte sich Einstein mit den unterschiedlichsten physikalischen Problemen. Dies bezeugen seine zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen aus dieser Zeit (Einsteins wissenschaftliche Publikationen).

Neben den Reisen, um Ehrungen entgegenzunehmen, war Einstein auch viel unterwegs, um Vorlesungen über seine Theorien zu halten. In den Jahren 1930 bis 1932 verbrachte er jeweils den Winter in Amerika, um u.a. am California Institute of Technology (CalTech) in Pasadena, Kalifornien, Gastvorlesungen zu halten und um auf dem Mount Wilson Astronomical Observatory mit dem berühmten Astronomen Edwin Hubble zusammen zu arbeiten.

VERSCHIEDENES

Mehrmals begab sich Einstein auf den Telegrafenberg in Potsdam, um sich über den Stand der Untersuchungen zur, von der allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagten, Gravitations-Rotverschiebung zu informieren, die am dortigen Einstein-Turm durchgeführt wurden. 1920 bis 1924 wurde der Einstein-Turm auf Anregung des Astronomen E. F. Freundlich auf dem Gelände des Astrophysikalischen Observatoriums errichtet. Der Architekt war Erich Mendelsohn. Finanziert wurde der Bau durch die Aktion "Einstein-Spende". Der Einstein-Turm wurde im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört, aber später wieder aufgebaut, und er wird auch heute noch von der Wissenschaft u.a. zur Sonnenforschung genutzt.

Parallel zur Physik beschäftigte sich Einstein in den Jahren 1929 bis 1932 aber auch sehr intensiv mit anderen, allgemeineren, Themen. Neben dem schon erwähnten Glaubensbekenntnis ist an dieser Stelle noch seine beeindruckende Rede, anlässlich der Eröffnung der 7. Deutschen Funkausstellung und Phonoschau in Berlin, am 22. August 1930 zu nennen (Einsteins Rede zur Eröffnung der Funkausstellung).

Er schrieb weit beachtete Gedenkaufsätze, z.B. im November 1930 zum 300. Todestag von Johannes Kepler sowie Nachrufe z.B. auf den am 3. Oktober 1929 verstorbenen deutschen Außenminister Gustav Stresemann.

Da Einstein dem Zionismus nahe stand, nahm er im August 1929 an einem Zionistenkongress in Zürich teil. Nicht zuletzt durch die politischen Verhältnisse in Europa und besonders in Deutschland setzte er sich ab 1930 verstärkt für den Pazifismus ein. Er verfasste und unterzeichnete zahlreiche Aufrufe und Petitionen.

Im Sommer 1932 begann er einen Briefwechsel mit dem Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud. Diese Briefe beinhalten einen Gedankenaustausch über die Ursachen des Krieges sowie dessen Verhinderung und wurden 1933 in einer Broschüre unter dem Titel "Warum Krieg?" veröffentlicht.

Daneben beteiligte sich Einstein an politischen Aktionen. 1932 versuchte er gemeinsam mit seinem Freund und Kollegen, dem französischen Physiker Paul Langevin, andere Wissenschaftler und Kriegsgegner aufzurufen, um sich gegen den wachsenden Militarismus und den Faschismus zu organisieren. Mit Heinrich Mann, Ernst Toller, Arnold Zweig, Käthe Kollwitz und anderen rief er im gleichen Jahr zur Bildung einer Einheitsfront gegen den anwachsenden deutschen Faschismus auf. Aber das drohende Unheil war nicht mehr aufzuhalten.

DER NATIONALSOZIALISMUS

Als Einstein im September 1929 nach Caputh kam, waren die Nationalsozialisten in Deutschland, mit Hitler an ihrer Spitze, schon längst auf dem Weg zur Macht. Was 1923 mit dem Hitlerputsch in München begann und in einem massenwirksamen Kampf weitergeführt wurde, fing nun an, Früchte zu tragen. Bei den Reichstagswahlen im September 1930 stieg die Anzahl der Mandate der NSDAP schon auf 107 und bei der Wahl im Juli 1932 sogar auf 230 an. Damit war die NSDAP die stärkste Partei in Deutschland. Hitler wurde am 30. Januar 1933 von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt und übernahm damit endgültig die Macht. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Einstein auf einer Vorlesungsreise in Amerika.

Nach dieser "Machtergreifung" rief die Führung der NSDAP am 1. April 1933 zu einem nationalen Judenboykott auf, und die Anfeindungen der Nazis konzentrierten sich nicht zuletzt auf Albert Einstein. Schon einige Tage vorher, am 20. März, wurde Einsteins Sommerhaus in Caputh von den Nazis durchsucht, da sie dort ein Waffenlager der Kommunistischen Partei vermuteten. Seine Berliner Stadtwohnung in der Haberlandstraße 5 wurde Mitte April ebenfalls durchsucht. Das Haus, in dem sich Einsteins Stadtwohnung befand, wurde im Krieg zerstört.

Bei der von Goebbels organisierten "öffentlichen Verbrennung undeutschen Schrifttums" am 10. Mai 1933 wurden auch Einsteins Schriften mit verbrannt. Im August 1933 wurde Einsteins Segelschiff und 1935 sein Sommerhaus nebst Gartenhaus beschlagnahmt und zu Gunsten des preußischen Staates eingezogen. Sein geliebtes "dickes Segelschiff" wurde dann, nachdem es von der Gemeinde Caputh im Februar 1934 zum Verkauf angeboten wurde, an eine Privatperson verkauft. Auf die wechselvolle Geschichte seines Sommerhauses wird in dem Kapitel DIE ZEIT DANACH noch näher eingegangen. Im Juli 1933 wurde Einstein die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt und sein Vermögen beschlagnahmt.

Seinerseits reagierte er auf die Geschehnisse in Deutschland in der Art, dass er zum einen am 28. März 1933 brieflich seinen Austritt aus der Preußischen Akademie der Wissenschaften erklärte, seine deutsche Staatsangehörigkeit niederlegte und alle Kontakte zu offiziellen deutschen Institutionen abbrach. Einstein, der die Wintermonate 1932/33 in Amerika verbracht hatte, teilte am 10. März 1933 kurz vor seiner Rückreise nach Europa der Öffentlichkeit mit, dass es für ihn unmöglich sei, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Wörtlich sagte er: "Solange mir eine Möglichkeit offen steht, werde ich mich nur in einem Land aufhalten, in dem politische Freiheit, Toleranz und Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz herrschen. [...] Diese Bedingungen sind gegenwärtig in Deutschland nicht erfüllt". Einstein hat, nachdem er im Dezember 1932 Deutschland verlassen hatte, danach nie wieder deutschen Boden betreten.

DER ABSCHIED

Um, wie in den beiden Jahren zuvor, in Amerika Gastvorlesungen zu halten, verließen Einstein und seine Frau am 6. Dezember 1932 Caputh, um am 10. Dezember von Antwerpen aus mit dem Schiff nach Kalifornien zu fahren.

Einsteins Biograph, Philipp Frank, der 1912 auch sein Nachfolger auf dem Lehrstuhl für theoretische Physik an der Deutschen Universität Prag geworden war, berichtet in seiner Einstein-Biographie, dass, als Einstein und seine Frau am 6. Dezember ihr Sommerhaus in Caputh verließen, er zu seiner Frau gesagt haben soll: "Bevor du unsere Villa diesmal verlässt, schau sie dir sehr gut an." "Warum?", fragte seine Frau. Darauf antwortete Einstein: "Du wirst sie niemals wieder sehen".

Einstein hat die Entwicklung in Deutschland vorausgeahnt, aber ob er wirklich vor seiner Abreise auch daran glaubte, nicht mehr nach Deutschland bzw. nach Caputh zurückzukehren, ist fraglich. Zwei Beispiele mögen diese Annahme belegen. Warum kaufte Einstein noch im November 1932 das Gartenhaus in Caputh und warum verhandelte er im Februar 1933, von Pasadena aus, mit der Preußischen Akademie der Wissenschaften über eine Neuregelung seines Anstellungsverhältnisses?

Eine Antwort auf diese Fragen werden wir wohl nie erhalten. Sicher ist nur, dass Albert Einstein auch in Princeton, wo er ab 1933 lebte und arbeitete, sehr oft an sein "dickes Segelschiff", sein Sommerhaus und die wunderbare Zeit der "relativen Ruhe" in Caputh dachte. Auch wird er manch einen Gedanken an die Caputher verwendet haben, die sicherlich auch ihrerseits nach dem freundlichen Herrn Professor mit den kindlich leuchtenden Augen und den langen Haaren Ausschau gehalten haben; aber vergebens.

kettnhnd
13.10.2003, 11:05
Original von John Donne
@kettnhnd: Worin besteht denn Deiner Meinung nach momentan die französische Aggression?
Grüße
John


sie besteht darin, mit einer kompromisslosigkeit seine interessen innerhalb der EU zu vertreten, die oftmals im widerspruch zu deutschen interessen stehen. oftmals wird uns das aber von unseren politikern, als im deutschen interesse stehend, verkauft.

französische subventionspolitik z.b. steht im widerspruch zu europäischen vorgaben. hier wird nach nationalistischen gesichtspunkten entschieden. deutschland als netto-zahler ist hier sehr willkommen, deren subventionen indirekt mitzufinanzieren.

momentane französische aggression besteht in erster linie darin, deutschland finanziell (EU-melkkuh) und politisch "klein" zu halten !



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Klaus E. Daniel
13.10.2003, 11:09
Und jetzt noch einen Ausschnitt über das Kapitel der Freikorps nach 1918 ff.


....Die einzigen Personen, die dem polnischen Terror entgegenwirken konnten waren in den Freikorps u.a. Organisationen zu suchen. So gründeten Teile der III. Marinebrigade u.a. mit finanzieller Unterstützung durch das Generalkommnado VI eine sog. Spezialpolizei (Führer Heinz Hauenstein), deren Aufgabe einerseits Informationsbeschaffung und Waffenschmuggel war, zum anderen aber auch der "Krieg im Dunkeln gegen die unsichtbaren Insurgenten-Stoßtrupps". Diese "Stadtguerilla" bekämpfte den Terror mit Gegenterror und vermittelten den deutschen Oberschlesiern das Gefühl, nicht mehr vollkommen allein zu stehen.
Das am 20.März abgehaltene Plebiszit brachte schließlich eine Mehrheit von 60% für den Verbleib bei Deutschland, wobei sich die deutschen Schwerpunkte eindeutig auf den Norden und Westen konzentrierten, die polnischen auf den Osten und Südwesten des Abstimmungsgebietes. Die Folge dieses Ergebnisses waren erneute polnische Gewaltakte gegen die deutsche Bevölkerung, gegen die London offiziell in Warschau Protest einlegte. Innerhalb der IAK konnte man sich nicht über das oberschlesische Problem bzw. eine Demarkationslinie einigen. Die deutsche Regierung, ohnehin machtlos, forderte ganz Oberschlesien und verwies auf das Abstimmungsergebnis.
Inmitten dieser Verwirrung, am 3.Mai 1921, brach der 3. Polnische Aufstand aus, wiederum gut vorbereitet und organisiert. Von regulären polnischen Verbänden unterstützt, befand sich bereits am Abend des 5.Mai das gesamte Industriegebiet in polnischer Hand.

Während die Regierung in Berlin in einer Reihe von Protestnoten an die Alliierten darum ersuchte, entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten und der Reichswehr die Hände gebunden waren, begann ein massenhafter Zustrom von Freiwilligen aus dem gesamten Reichsgebiet, aus Österreich und Südtirol nach Oberschlesien.
Neben den Angehörigen verschiedener Freikorps wie Oberland, Roßbach, Hubertus und Arnim organisierte sich auch der Selbstschutz Oberschlesien (S.S.-O.S.). Die militärische Leitung des S.S.-O.S. übernahm General Hoefer, der die ursprünglich in drei Gruppen unterteilte Front in Gruppe Nord und Gruppe Süd gliederte. Mitte Mai standen die Einheiten des Selbstschutzes wie die Bataillone Eberhardt, Hindenburg, Guttentag, Wasserkante, Heydebreck, Haßfurther im Norden; im Bereich des Annaberges standen die drei Oberland-Bataillone mit der Sturmkompanie v. Eicke, die Bataillone Gogolin, Heinz (Hauenstein), Oderschutz, Marienburg, May, Bergerhoff, Winkler (beide Detachement v. Chappius) sowie Graf Strachwitz. Im Süden waren Bataillone wie Ehrenfeucht, v.d. Decken und Kosch disloziert.

In der komplizierten Lage, in der Hoefer sich befand, rang er sich schließlich dazu durch, einem begrenzten Angriff der Gruppe Süd auf den Annaberg zuzustimmen. Trotz der Vielzahl der am Annaberg stehenden Einheiten überstieg deren Stärke kaum 3.000 Mann. In den frühen Morgenstunden des 21. Mai begann deren Angriff, der zum Mythos werden sollte. Am Mittag des selben Tages war der Annaberg, das "Nationalheiligtum des oberschlesischen Landes", in deutscher Hand. Die polnische Gegenoffensive von 23. Mai konnte in verbissenen Kämpfen abgewehrt werden, so daß die Deutschen Herr der Lage blieben.
Der Freudentaumel der Eroberer machte jedoch breiter Ernüchterung und Enttäuschung Platz, als am folgenden Tag bekannt wurde, daß Reichspräsident Ebert eine Verordnung erlassen hatte, nach welcher es unter Androhung von Gefängnis- oder Geldstrafe verboten wurde, Freiwilligenverbände aufzustellen bzw. ihnen anzugehören.
Ähnlich der Entwicklung im Baltikum kämpften die Freikorps auch in Oberschlesien, abgeschnitten vom Nachschub, weiter; freilich erneut auf verlorenem Posten. Hoefer trug der hoffnungslosen Gesamtsituation Rechnung, indem er, als sich IAK-Truppen zwischen die Fronten schoben, Feuereinstellung anordnete. Ein von Deutschen gebildetes ‚Politisches Direktorium von Oberschlesien' nahm mit der IAK Verhandlungen auf, in deren Verlauf man eine Einigung erzielen konnte. Nachdem sich die polnischen Aufständischen am 20.Juni aus Ratibor zurückgezogen hatten, befahl Hoefer die Räumung des Annaberges. Mit Unterbrechungen war die Abstimmungszone bis zum 5.Juli 1921 frei und der dritte Polnische Aufstand beendet.

Unterdessen war die Frage der Aufteilung Oberschlesiens ebenso ungeklärt geblieben wie vor den Kämpfen. Die Alliierten sahen sich außerstande eine Einigung herbeizuführen. Insbesondere konnten die von Frankreich und England vorgeschlagenen Linien nicht zur Deckung gebracht werden. Auch der Vorschlag des italienischen Außenministers Graf Sforza, nach welchem das Industriegebiet geteilt werden sollte, hatte keinen Erfolg. Letztlich blieb nur noch der Völkerbund, um das Problem zu lösen. Dieser ernannte am 1.September 1921 eine Kommission, die ihrerseits zwei Sachverständige bestellte. Der Schiedsspruch der Kommission entsprach bis auf geringe Abweichungen dem Vorschlag Sforzas und entsprach ungefähr den Frontlinien, welche Freikorps und S.S.-O.S. zuletzt besetzt hatten. (..)

Es waren "wilde" Zeiten. Die Freikorps, die nebenbei von den Briten (!!)unterstützt wurden (gegen Rußland) mußten aufgelöst werden.

Quelle u.a. Ernst v. Salomon "Der Fragebogen" und andere.

Klaus E. Daniel
13.10.2003, 11:22
Darauf Heinz, dessen lustige Antwort ich gerne zitiere:


Zitat:
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Original geschrieben von Klaus E. Daniel
So, Heinz,

jetzt sind wir ganz schön von Thema abgekommen. Aber gerne. Außerdem mache ich gerne meine Beiträge von handelden Personen abhängig, es bringt einfach mehr.

Herzlich

Klaus
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Danke fuer die Muehe Klaus,

habe wieder viel dazu gelernt.

Vielleicht sollte ich es eigentlich auch so machen wie Einstein ,den ganzen Elektronikschrott einfach mal rausschmeissen und stattdessem dem Nachbarn 'ne Trompete geben. Keine schlechte Idee eigentlich.

Setzt natuerlich voraus, dass man sich mit seinem Nachbarn noch gruen ist, von wegen ueberhaengender Aeste und Katzen die im Radieschenbeet
ihre Visitenkarte hinterlassen...

Have fun

Auch herzlich :-:

Bis dann...Heinz
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So, jetzt halte ich hier inne.

KED