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12.12.2012, 15:50
EGON FLAIG Wie die Hautfarbe zum Rassismus fand Überlegungen zur kulturellen Genese eines Untermenschentums
Levi-Strauss hielt es für normal, daß man den anderen das Menschsein absprechen könne; doch der einzige Grund, der dies bewirke, soll die gegenseitige Abstoßung von Kulturen sein. Wenn diese Vorstellung, wonach die anderen keine vollwertigen Menschen seien, jedoch auftreten kann, ohne sich auf feindliche Abstoßung zurückführen zu lassen? Wenn sie etwa aus übergroßer sozialer, politischer und kultureller Überlegenheit herrührte? Nun war Levi-Strauss keineswegs blind dafür, daß eine krasse kulturelle und politische Asymmetrie zwischen Völkern oder Kulturen bei den Überlegenen den Eindruck erzeugt, die anderen seien »minderwertig«; doch er erachtete dies als ein temporäres Phänomen: Es würde verschwinden, sobald die westliche Dominanz nachließe. Was Levi-Strauss aus allen seinen Überlegungen ausschloss, war die Möglichkeit, daß es radikale Asymmetrien innerhalb ein und derselben Gesellschaft geben könnte.
Angenommen es gebe ein soziales Verhältnis zwischen menschlichen Gruppen, welches dermaßen asymmetrisch ist und so erhebliche Differenzen schafft, daß die Differenzen sich auf keinem Gebiet mehr kompensieren lassen: Dann müßte unweigerlich die Vorstellung hochsteigen, die Unterlegenen seien von Natur minderwertige Menschen, quasi einer anderen Gattung zugehörig. Ein solches Verhältnis hat allerdings jahrtausendelang existiert; es ist die Sklaverei. Claude Meillassoux und Orlando Patterson halten diese Formen des Rassismus für überall dort nachweisbar, wo die Sklaverei die Gesellschaft unwiderruflich in zwei Teile spaltet. (2)
Beide zeigen, daß in unterschiedlichsten sklavistischen Gesellschaften die freien Herren über ihre Sklaven in Ausdrücken reden, die den Sklaven das Menschsein überhaupt verweigern – Sklaven als »lebende Güter« oder »sprechende Herde« – oder sie zu einer differenten, minderwertigen Rasse machen, zu Untermenschen.
...
Die arabische Philosophie übernahm diesen hautfarblichen Rassismus. Der große Avicenna (gestorben 1037), in dessen Namen heute in Deutschland Preise vergeben werden, behauptet umstandslos: Extremes Klima produziert »Sklaven von Natur«, »denn es muss Herren und Sklaven geben«; »Türken und Schwarze« sind »Sklaven von Natur«. Im Liber Canonis, einer Schrift, die für das Studium der Medizin an abendländischen Universitäten wichtig wurde, wiederholt er, die Schwarzafrikaner seien intellektuell min-derwertig.
Und wie sieht es mit den großen jüdischen Gelehrten in der islamischen Welt aus? Dieser Punkt ist noch nicht hinlänglich erforscht. Aber klar liegt der Fall beim jüdischen Philosophen Moses Maimonides (gestorben 1204) aus Cördoba. Selbst bei ihm finden wir den klassischen hautfarblichen Rassismus vor. Er schreibt in seinem Hauptwerk Führer der Unschlüssigen: »Einige von den Türken und die Nomaden im Norden, und die Schwarzen sowie die Nomaden im Süden ebenso wie jene, die in unseren Klimazonen jenen ähneln: … ihre Natur ist wie die Natur der stummen Tiere und … sie sind nicht auf dem Stand von menschlichen Wesen, und ihr Stand inmitten von allem Seienden ist unterhalb des Menschen und oberhalb des Affen«. Maimonides war hochgebildet, er schrieb arabisch und dachte in den Begriffen der hellenistisch-arabischen Philosophie. Er wußte, was er schrieb.
http://www.mesop.de/2010/09/13/egon-flaig-wie-die-hautfarbe-zum-rassismus-fand-uberlegungen-zur-kulturellen-genese-eines-untermenschentums/
Levi-Strauss hielt es für normal, daß man den anderen das Menschsein absprechen könne; doch der einzige Grund, der dies bewirke, soll die gegenseitige Abstoßung von Kulturen sein. Wenn diese Vorstellung, wonach die anderen keine vollwertigen Menschen seien, jedoch auftreten kann, ohne sich auf feindliche Abstoßung zurückführen zu lassen? Wenn sie etwa aus übergroßer sozialer, politischer und kultureller Überlegenheit herrührte? Nun war Levi-Strauss keineswegs blind dafür, daß eine krasse kulturelle und politische Asymmetrie zwischen Völkern oder Kulturen bei den Überlegenen den Eindruck erzeugt, die anderen seien »minderwertig«; doch er erachtete dies als ein temporäres Phänomen: Es würde verschwinden, sobald die westliche Dominanz nachließe. Was Levi-Strauss aus allen seinen Überlegungen ausschloss, war die Möglichkeit, daß es radikale Asymmetrien innerhalb ein und derselben Gesellschaft geben könnte.
Angenommen es gebe ein soziales Verhältnis zwischen menschlichen Gruppen, welches dermaßen asymmetrisch ist und so erhebliche Differenzen schafft, daß die Differenzen sich auf keinem Gebiet mehr kompensieren lassen: Dann müßte unweigerlich die Vorstellung hochsteigen, die Unterlegenen seien von Natur minderwertige Menschen, quasi einer anderen Gattung zugehörig. Ein solches Verhältnis hat allerdings jahrtausendelang existiert; es ist die Sklaverei. Claude Meillassoux und Orlando Patterson halten diese Formen des Rassismus für überall dort nachweisbar, wo die Sklaverei die Gesellschaft unwiderruflich in zwei Teile spaltet. (2)
Beide zeigen, daß in unterschiedlichsten sklavistischen Gesellschaften die freien Herren über ihre Sklaven in Ausdrücken reden, die den Sklaven das Menschsein überhaupt verweigern – Sklaven als »lebende Güter« oder »sprechende Herde« – oder sie zu einer differenten, minderwertigen Rasse machen, zu Untermenschen.
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Die arabische Philosophie übernahm diesen hautfarblichen Rassismus. Der große Avicenna (gestorben 1037), in dessen Namen heute in Deutschland Preise vergeben werden, behauptet umstandslos: Extremes Klima produziert »Sklaven von Natur«, »denn es muss Herren und Sklaven geben«; »Türken und Schwarze« sind »Sklaven von Natur«. Im Liber Canonis, einer Schrift, die für das Studium der Medizin an abendländischen Universitäten wichtig wurde, wiederholt er, die Schwarzafrikaner seien intellektuell min-derwertig.
Und wie sieht es mit den großen jüdischen Gelehrten in der islamischen Welt aus? Dieser Punkt ist noch nicht hinlänglich erforscht. Aber klar liegt der Fall beim jüdischen Philosophen Moses Maimonides (gestorben 1204) aus Cördoba. Selbst bei ihm finden wir den klassischen hautfarblichen Rassismus vor. Er schreibt in seinem Hauptwerk Führer der Unschlüssigen: »Einige von den Türken und die Nomaden im Norden, und die Schwarzen sowie die Nomaden im Süden ebenso wie jene, die in unseren Klimazonen jenen ähneln: … ihre Natur ist wie die Natur der stummen Tiere und … sie sind nicht auf dem Stand von menschlichen Wesen, und ihr Stand inmitten von allem Seienden ist unterhalb des Menschen und oberhalb des Affen«. Maimonides war hochgebildet, er schrieb arabisch und dachte in den Begriffen der hellenistisch-arabischen Philosophie. Er wußte, was er schrieb.
http://www.mesop.de/2010/09/13/egon-flaig-wie-die-hautfarbe-zum-rassismus-fand-uberlegungen-zur-kulturellen-genese-eines-untermenschentums/