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Vollständige Version anzeigen : Ist der (ethische) Anthropozentrismus eine Religion?



Revoli Toni
30.10.2012, 09:40
Das ethische Modell des Anthropozentrismus besagt, dass einzig der Mensch einen moralischen Eigenwert hat. Dieses ethische Modell ist unter anderen die Staatsethik der BRD und die Religionsethik der RKK und der EKD.

Aber jetzt erst mal zum eigendlichen Thema: Ich hatte eine Diskussion mit einer Person darüber ob es richtig ist, dass sämtliche Tiere, ob in menschlicher Gefangenschaft oder in Freiheit, der menschlichen Nutzung zugeführt werden; und ich wies auf die Problematik hin, dass nur auf sog. Gnadenhöfen Nichtmenschen die Chance haben, um ihrer selbst Willen zu leben, d.h. zu leben ohne, dass sie als Naturressource verfolgt und getötet (zwangsentleibt) werden oder eben gleich als Nutzwesen gehalten werden. Die Person verwies mich auf die These, dass "einzig der Mensch" moralischen Eigenwert habe, dass "einzig der Mensch" um seiner selbst willen lebe, usw. und dass die Kreatur zum nutzen und gebrauch durch den Menschen existiere. Ich zerpflückte diese These präzise.
Diese Person daraufhin sauer und fing mit billiger Polemik an und beharrte hartnäckig auf seinen anthropozentrischen Standpunkt. In etwa so wie ein Jemand, wenn man seine religiösen Gefühle verletzt.

Aber nun zu meiner Frage: Ist der (ethische) Anthropozentrismus eine Religion?

Der (ethische) Anthropozentrismus ist ja Teilprinzip anderer Religionen, wie z.b. des Christentums oder des Islam.
Oftmals bedarf es einer Religion um den (ethische) Anthropozentrismus zu Rechtfertigen.

-jmw-
30.10.2012, 11:34
Tiere (und Pflanzen und Pilze und Einzeller) können einen moralischen Eigenwert allerdings nur vom Menschen zugeschrieben bekommen.
Sie selbst geben ihn sich nicht, und sie zugestehen ihn anderen Lebewesen i.d.R. ja wohl auch nicht, v.a. mangels kognitiver Fähigkeit dazu.
Schreibt nun der Mensch anderen Wesen willkürlich einen moralischen Eigenwert vor, kann er das nur, in dem er sich ethnisch-moralisch über sie erhebt und sich zum alleinigen Schiedsrichter macht im Mensch-Tier-Verhältnis.
Das aber ist kein Ausweg aus dem ethischen Anthropozentrismus, sondern es ist ethischer Anthropozentrismus, hier dann in Form eines Paternalismus.

:)

Revoli Toni
30.10.2012, 13:14
Tiere (und Pflanzen und Pilze und Einzeller) können einen moralischen Eigenwert allerdings nur vom Menschen zugeschrieben bekommen.
Sie selbst geben ihn sich nicht, und sie zugestehen ihn anderen Lebewesen i.d.R. ja wohl auch nicht, v.a. mangels kognitiver Fähigkeit dazu.

Ob Tiere sich und ihren Artgenossen Rechte oder moralischen Eigenwert zugestehen wissen wir nicht.



Schreibt nun der Mensch anderen Wesen willkürlich einen moralischen Eigenwert vor, kann er das nur, in dem er sich ethnisch-moralisch über sie erhebt und sich zum alleinigen Schiedsrichter macht im Mensch-Tier-Verhältnis.
Das aber ist kein Ausweg aus dem ethischen Anthropozentrismus, sondern es ist ethischer Anthropozentrismus, hier dann in Form eines Paternalismus.


Hier geht es doch nicht darum mann, Hier geht es darum ob Speziesismus d.h. die Betrachtung der Tiere als Mittel zum Zweck nun eine Religion ist oder nicht.

Offenbar verstehst du von den Begrifflichkeiten bez. der Moralphilosophie wenig :(

Aber um es mal für dich verständlich zu formulieren:
Ist die Anti-Tierethik eine Religion?

Sauerländer
31.10.2012, 15:56
Aber um es mal für dich verständlich zu formulieren:
Ist die Anti-Tierethik eine Religion?
Schon der Begriff ist abwegig. Man hat ja nichts gegen Tiere.
Dafür munden einige von ihnen bei entsprechender Zubereitung viel zu köstlich.

Ich habe eher den Eindruck, dass der übliche Umgang mit Tieren, also der der Nutztierhaltung inklusive Tötung bedingender Verwertung, im Wesentlichen ein pragmatischer ist. Religiöse Züge entdecke ich eher bei den -bisweilen arg missionarischen- Gegnern dieser Nutzung vegetarischen und vor allem veganischen Zuschnitts. Und wenn ich mir dann noch anschaue, wie der Dalai Lama es ablehnt, selbst Mücken zu plätten, die ihn beim Schlafen stören...

-jmw-
31.10.2012, 17:11
Ob Tiere sich und ihren Artgenossen Rechte oder moralischen Eigenwert zugestehen wissen wir nicht.
Mir sind keine Hinweise bekannt, dass sie es täten.
Und solange man die nicht hat, sollte man - wir wollen ja wissenschaftlich bleiben - ausgehen davon, dass sie es i.d.R. nicht tun.
("i.d.R.", weil wir Bonobos, Elefanten und Keas nicht zum Masstab erheben dürfen.)


Hier geht es doch nicht darum mann, Hier geht es darum ob Speziesismus d.h. die Betrachtung der Tiere als Mittel zum Zweck nun eine Religion ist oder nicht.

Offenbar verstehst du von den Begrifflichkeiten bez. der Moralphilosophie wenig :(

Aber um es mal für dich verständlich zu formulieren:
Ist die Anti-Tierethik eine Religion?
1. ist Speziesmus nicht "die Betrachtung der Tiere als Mittel zum Zweck", sondern die Hierarchisierung von Lebewesen zum Zwecke der Diskriminierung. Von wegen Begrifflichkeiten und so...;
2. unterhielt ich mich hier schon über Moralphilosophie, als Du das Forum noch garnicht kanntest;
3. ist die Anti-Tierethik allein schon deshalb keine Religion, weil sie keine Transzendenz zum Thema hat. Bestenfalls (wortwörtlich gemeint) ist sie religiös, was aber (Von wegen Begrifflichkeiten und so...) ja durchaus noch was anderes ist (Teil, Ganzes, Aristoteles, blablabla usw. usf.);
4. meinst Du (Von wegen Begrifflichkeiten und so...) vmtl. "Anti-Tier-Ethik", nicht "Anti-Tierethik", wobei dieses ein nonethischer Standpunkt gegen die Tierethik, jenes ein ethischer Standpunkt wider das Tier ist. Letztlich stimmt beides nicht, weil, Sauerländer bemerkte es schon, es ja nicht gegen Tiere per se geht, sondern es geht (wiedermal) dagegen, dass wer den eigenen Aberglauben zu "Gesetzen" oder "Rechten" zu glorifiziert (wie Paula Mendoza bzw. Cecelia Holland es ausdrückten);
5. haben Tiere (Pflanzen, Pilze, Einzeller etc.), ich schrieb es schon mehrmals, keine "Rechte", weil sie keine wollen, keine beanspruchen, keine anerkennen und ihre Abwesenheit nicht als störend empfinden.

Revoli Toni
31.10.2012, 20:44
Mir sind keine Hinweise bekannt, dass sie es täten.
Und solange man die nicht hat, sollte man - wir wollen ja wissenschaftlich bleiben - ausgehen davon, dass sie es i.d.R. nicht tun.
("i.d.R.", weil wir Bonobos, Elefanten und Keas nicht zum Masstab erheben dürfen.)

Rehe, Ziegen, Pferde, ect.



5. haben Tiere (Pflanzen, Pilze, Einzeller etc.), ich schrieb es schon mehrmals, keine "Rechte", weil sie keine wollen, keine beanspruchen, keine anerkennen und ihre Abwesenheit nicht als störend empfinden.


Ich würde mal von höheren Säugetieren Sprechen.
Schon der Begriff "Tier" ist irreführend, da man wohl kaum ein Reh, eine Ziege oder ein Pferd mit Pilzen oder Mikroorganismen gleichmachen darf. Ein solches Wesen ist kein Mirkoorganismus/Einzeller, und man sollte auch nicht dieselben Maßstäbe für die Behandlung beider Gelten lassen.

Dazu Derrida: "Ich vermeide es es von 'Tieren' zu sprechen. Für mich sind sie keine 'Tiere'."

http://www.youtube.com/watch?v=Neu4kI_Yi0A


Es verwundert mich, dass ich es immer wieder mit 1000 Worten erklären muss, was gemeint ist. Schließlich ist neben den Begriff eine umfangreiche Textbeschreibung vorhanden.

Ich definiere es mal als das Prinzip, warum (Säuge-)Tiere nur um der Menschen willen "geschützt" werden, da es sich lediglich um eine "für Menschen sinnvolle" Norm handele, und nicht um ihrer selbst willen. Dieses Prinzip nenne ich jetzt einfach mal "Prinzip x".
Um "Prinzip x" kommen wir auf jeden Fall herum, da man z.b. tierisches Leid als generell schlecht definieren kann, und zwar unabhängig von dem eventuellen Schaden, den es für Menschen hätte.
In der Moralischen Entwicklungslinie wäre das "Prinzip x" der Vorgänger der sog. Tierethik, da beim "Prinzip x" zumindest schon mal die Menschen um ihrer Selbst willen behandelt werden, statt wie z.b. im Theozentrismus nur um der "Götter" willen gut oder schlecht behandelt zu werden. Die Tierethik wäre demnach der Nachfolger, bei dem nun auch Nichtmenschen um ihrer selbst willen behandelt werden.

In einem Thread namens Die Wunderlichen Kopien der CDU (http://www.politikforen.net/showthread.php?127865-Die-Wunderlichen-Kopien-der-CDU) habe ich dieses Thema auch mal angerissen.

Und der folgende Satz von Efna beschreibt das, was ich meinte:
"So sehe ich das auch, man tut ja so als wäre Tiere nur auf der welt um den Menschen zu dienen. Eine sehr befremdliche und eigentlich auch bösartige Ethik ja."

Falls du eine Offizielles Wort bzw. Bezeichnung für das "Prinzip x" bzw. das, was Efna als "befremdliche und eigentlich auch bösartige Ethik" beschrieben hat, kennst dann nenn ihn mir doch bitte, sodass ich diesen Thread unter Aussparung des Wortes "Anthropozentrismus" neu erstellen kann, damit es endlich zur eigentlichen Diskussion kommen kann.

Ausonius
31.10.2012, 21:12
Ich habe eher den Eindruck, dass der übliche Umgang mit Tieren, also der der Nutztierhaltung inklusive Tötung bedingender Verwertung, im Wesentlichen ein pragmatischer ist. Religiöse Züge entdecke ich eher bei den -bisweilen arg missionarischen- Gegnern dieser Nutzung vegetarischen und vor allem veganischen Zuschnitts

Das mag oberflächlich so erscheinen. Aber bei Ernährungsfragen befinden wir uns im Reich der Sitten und Alltagsverhaltensweisen, in dem jahrhundertealte Tabus und Gewohnheiten stärker durchschlagen, als im Bereich der Politik oder globaleren Gesellschaftsfragen. Um mal zu verdeutlichen, was ich meine:

http://de.wikipedia.org/wiki/Nahrungstabu