PDA

Vollständige Version anzeigen : Deutsch-Englische Ausgleichsbemühungen im Sommer 1939



Guilelmus
22.10.2012, 11:50
Helmut Metzmacher
Deutsch-Englische Ausgleichsbemühungen im Sommer 1939

I.
Die deutsch-englischen Beziehungen, die im Herbst 1938 zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht so hoffnungsvoll intensiviert worden waren1, hatten durch die Besetzung Prags am 15. März 1939 und die nachfolgenden Maßnahmen sowohl der britischen wie der deutschen Regierung2 einen empfindlichen Rückschlag erlitten. In England hatte sich eine starke deutsch-feindliche Stimmung ausgebreitet, der sich auch die britische Regierung nicht ganz entziehen konnte. Die britische Öffentlichkeit drängte auf entschiedene Haltung gegenüber Deutschland und forderte, um der eigenen Sicherheit, vor allem aber um des Prinzips, der Ehre und des Ansehens willen jeder weiteren Aggression Hitlers mit Gewalt entgegenzutreten. In Deutschland ergingen sich nationalsozialistische Führung und Diplomatie, Presse und Rundfunk in Anklagen und Schimpftiraden gegen die angeblich antideutsche kriegerische britische „Einkreisungspolitik". Nach über zweimonatiger Abkehr der britischen Regierung von der Politik des Appeasement zeigte sich jedoch im Frühsommer 1939 erneut die Möglichkeit einer deutsch-englischen Verständigung. Die britische Regierung gab trotz der wiederholt ausgesprochenen Versicherung, sie werde gegen jedes gewaltsame Vorgehen von deutscher Seite alle militärischen Mittel einsetzen, wieder Zeichen der Bereitschaft zur Aufnahme deutsch-englischer Gespräche, um auf diesem Wege vielleicht doch noch zu einer Lösung der strittigen politischen Fragen zu gelangen. Dem Wunsch der britischen Regierung nach einer friedlichen Lösung aller politischen Probleme und nach deutsch-englischen Verhandlungen gab Außenminister Dem Wunsch der britischen Regierung nach einer friedlichen Lösung aller politischen Probleme und nach deutsch-englischen Verhandlungen gab Außenminister Halifax im Juni 1939 wiederholt Ausdruck. Am 8. Juni erklärte er, daß „jeglicher deutsche Anspruch für eine Erörterung am Runden Tisch offen" sei.

Großbritannien sei nur darauf bedacht, „daß die widersprechenden Ansprüche auf einer Grundlage gelöst werden, die einen dauernden Frieden sichert". Halifax betonte nachdrücklich, der britischen Regierung liege daran, „daß diese Forderungen durch Verhandlungen und nicht durch Gewalt geregelt werden"3. Und am 29. Juni führte der britische Außenminister vor dem Chatham House aus, daß man - wenn „alle wirklich friedliche Lösungen" wünschten — „die Probleme besprechen" könnte, „die heute der Welt Angst bereiten". In einer derartigen „neuen Atmosphäre"
könnte man „das Kolonialproblem, die Fragen der Rohstoffe, der Handelsschranken, das Problem des Lebensraumes, die Beschränkung der Rüstungen" und alle anderen, das Leben „aller europäischen Bürger" berührenden Probleme „untersuchen " 4. Die Verhandlungsbereitschaft Londons gegenüber Berlin brachte auch der britische Botschafter Henderson in einem Gespräch mit Staatssekretär Weizsäcker am 13. Juni zum Ausdruck. Henderson legte die Auffassung seiner Regierung dar, „daß man dem heutigen Spannungszustand im Wege der Aussprache ein Ende machen könne und müsse. Inhalt eines Gesprächs London-Berlin könne sein, den Rüstungswettlauf zu stoppen und den Wirtschaftsaustausch zu beleben. Auch über die Kolonialfrage könne gesprochen werden"5 [...]

http://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1966_4_2_metzmacher.pdf