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Vollständige Version anzeigen : Stolz auf Harz IV-Reformen? Stolz auf die Zerstörung der Arbeitslosenversicherung?



Rutt
17.08.2012, 09:07
Stolz auf Harz IV-Reformen? Stolz auf die Zerstörung eines wichtigen Teils der sozialen Sicherung: Die Arbeitslosenversicherung?


Zehn Jahre nach Präsentation der Vorschläge zur Reform des Arbeitsmarktes durch den damaligen VW-Manager Peter Hartz wird in den Medien und von den einschlägigen Verbänden Position bezogen. Wir erleben jetzt zum Jubiläum der Hartz-Vorschläge wie immer wieder in den letzten Monaten ein wahres Trommelfeuer von Meldungen und Kommentaren zur Verankerung der Botschaft, die so genannten Reformen seien ein großer Erfolg. Um diese Botschaft unter die Leute zu bringen werden verschiedene Methoden der Meinungsmache benutzt: es wird übertrieben, es wird verschwiegen, es wird geschönt, unsere europäischen Freunde werden bedauert, weil sie dieses Wunderwerk an Reformen noch nicht hinter sich hätten, und es sei höchste Zeit. Die wichtigste Wirkung, die gezielte Schwächung der Position der abhängig Arbeitenden durch die Drohung, im Falle ihrer Arbeitslosigkeit nach einem Jahr auf Hartz IV-Niveau abzustürzen, wird in der Regel in den Bilanzen verschwiegen. Ein kleiner Einordnungsversuch: Albrecht Müller.

Zunächst der Hinweis auf die Bilanz des Paritätischen Wohlfahrtsverbands:

In dieser Bilanz [PDF - 45,2 KB] der Sozialverbände, die direkt mit den Betroffenen der Reformen zu tun haben, heißt es: „Das Hartz-Paket ist gescheitert.“

Anders als in vielen anderen Bilanzen wird in dieser Schrift auch geschildert, was mit den einzelnen Paketen, also Hartz I und Hartz II geschehen ist. Die dort vorgeschlagenen Reformen, wie zum Beispiel die Personal-Service-Agenturen (PSA) und die Ich AGs, sind schlicht in der Versenkung verschwunden. Die meisten Medien und auch die verantwortlichen Politiker verschweigen diese Flops. Sie tun damit so, als wäre es eine lässliche Sünde, in einer Gesellschaft solche gravierenden Veränderungen einfach so mal einzuführen und wieder fallen zu lassen. Reformen im Trial-and-error-Verfahren an einer Gesellschaft auszuprobieren, das ist der reinste Irrsinn.

Wenn Sie sich über den angeblichen Erfolg von Hartz IV informieren wollen, dann lesen Sie die viereinhalb Seiten der Bilanz des Paritätischen Wohlfahrtverbandes. Dort wird beschrieben,

dass drei Viertel aller Betroffenen dauerhaft in Hartz IV Bezug bleiben,
dass ein beträchtlicher Qualitätsverlust auf dem Arbeitsmarkt eingetreten ist,
dass der Anteil der geringfügig Beschäftigten wächst;
dass 1,3 Millionen Menschen als so genannte Aufstocker gelten, deren Einkommen nicht reicht, um sich vom Arbeitslosengeld II unabhängig zu machen. Ihre Zahl wächst

Und dass insbesondere der öffentliche Beschäftigungssektor aufgrund der Sparversuche immer weiter schrumpft.

Zur Bilanz gehört auch die Tatsache eines hohen ungenutzten Arbeitskräftepotenzials. Das waren im Jahr 2011 7,4 Millionen Menschen. (Siehe die Hinweise von heute. Wenn es neben den 2,5 Millionen Erwerbslosen noch 2 Millionen Menschen unterbeschäftigt in Teilzeit, 1,7 Millionen unterbeschäftigt in Vollzeit und 1,2 Millionen Personen in der so genannten Stillen Reserve gibt (Quelle: Statistisches Bundesamt ), dann kann doch keine Rede davon sein, dass der Arbeitsmarkt bei uns im Gleichgewicht oder sonst in Ordnung sei. Es gibt einen großen Bedarf an Arbeitsplätzen.

Die gravierendste Folge von Hartz IV: Die Zerstörung der Arbeitslosenversicherung

Wenn abhängig arbeitende Menschen damit rechnen müssen, nach einem Jahr Arbeitslosigkeit auf das Niveau von Harz IV abzusinken und dann auch ihre Ersparnisse angreifen zu müssen, dann strahlt dies auf das Verhalten dieser Menschen in den Betrieben aus. Sie werden eher bereit sein, dem Druck der Unternehmen nachzugeben. Sie werden eher bereit sein, billiger und länger zu arbeiten und eine Verschlechterung ihrer Arbeitsverträge und Arbeitsbedingungen hin zu nehmen. Damit ändert sich die gesamte Situation auf dem Arbeitsmarkt.

Hartz IV hatte deshalb direkte Folgen für das Lohnniveau. Harz IV ist mitverantwortlich für den Ausbau des Niedriglohnsektors, für Leiharbeit und Minijobs. Es ist deshalb berechtigt, dass sich der frühere Bundeskanzler Schröder des Ausbaus des Niedriglohnsektors rühmt. Wie es zu bewerten ist, dass ein sozialdemokratischer Bundeskanzler sich dieser Untat rühmt, steht auf einem anderen Blatt.

Hartz IV half wegen der Entwertung der Arbeitslosenversicherung dem Kalkül der Neoliberalen und Rechtskonservativen, dass eine Reservearmee von Arbeitslosen auf die Löhne drückt und die Profite stark steigen lässt, erst richtig zum Durchbruch.

Der britische konservative Notenbanker Sir Alan Budd hat es als Erfolg der Monetaristen der Chicago Schule und ihrer politischen Anhänger vom schlage Thatchers gewertet, dass die Anwendung dieser neoliberalen Ideologie immerhin zum Aufbau einer Reservearmee von Arbeitslosen geführt habe und damit der genannte Druck auf Löhne und der Anstieg der Gewinne und Vermögenseinkommen erreicht werden konnte. In Deutschland ist dieser Prozess durch die Entwertung der Arbeitslosenversicherung beschleunigt worden.

Diese reale Lage unseres Landes wird durch das erwähnte Trommelfeuer an Propaganda zum angeblichen Erfolg der Hartz-Reform überlagert.

Dazu zwei einschlägige Äußerungen. Wir beschränken uns auf Medienorgane, von denen man etwas mehr Differenziertheit erwarten könnte:

Die Frankfurter Rundschau brachte am 15. August ein Interview mit Franz Müntefering zu Hartz-IV-Reformen. Müntefering war als Vorsitzender der SPD eine der wichtigsten Mitkämpfer von Bundeskanzler Gerhard Schröder. Er versteht viel von Propaganda und weiß deshalb, dass man überhöhen und übertreiben muss, um eine Botschaft unters Volk zu bringen. Die Überschrift über seinem Interview:

„Ich zumindest bin stolz darauf“

Müntefering hat nichts gelernt. Er übertreibt und beschönigt. Und die Frankfurter Rundschau betätigt sich als Stichwortgeber: FR-Redakteurin Vestring am 15.8. im Interview mit Müntefering:

„Viele Sozialdemokraten denken immer noch, dass Hartz IV ein großer Fehler war. Dabei könnte die Partei auch stolz auf diese Reform sein.“

Die Süddeutsche Zeitung kam schon am 13.8. mit einem unsäglichen Beitrag von Guido Bohsem:

“Zehn Jahre nach Schröders Reform: Warum Hartz IV gelungen ist”

Eine Kostprobe:

“Doch hat Hartz IV den Grundsatz verankert, dass es allemal besser sei, für weniger Geld zu arbeiten, als sein Leben in dauerhafter Abhängigkeit vom Staat zu fristen. Das ist ein Erfolg, den selbst die betroffenen Arbeitnehmer bescheinigen werden.”

Das schreibt ein Journalist einfach so dahin, obwohl er wissen müsste, dass es unter den 7,4 Millionen „ungenutzten Arbeitskräftepotenzials“ außer den statistisch erfassten 2,5 Millionen Erwerbslosen noch Millionen Menschen gibt, die als Aufstocker oder als Teil der Stillen Reserve in „dauerhafter Abhängigkeit“ vom Staat leben.

Noch eine Bemerkung zu den Methoden der Agitation pro Hartz-Reformen:

Es sind die üblichen billigen Methoden, die wir aus Untersuchungen zur „Meinungsmache“ kennen.

Wiederholung.
Affirmativ auftreten. Siehe Müntefering.
Auf Experten berufen.
Übertreibung. „Ich bin stolz“.
»Tina«: There is no alternative.

Mit der Botschaft B wird die Botschaft A transportiert. Botschaft B: Die anderen Völker Europas wären froh, wenn sie die Hartz IV Reformen bei sich schon eingeführt hätten. Damit wird die Botschaft A – Hartz Reformen sind ein Erfolg – indirekt transportiert.

Verschweigen, weglassen, ausblenden. Müntefering tut so, als hätte Harz IV keine Auswirkung auf die Marktmacht der Arbeitnehmerschaft, also auf alle die noch arbeiten.
Quelle:http://www.nachdenkseiten.de/?p=14179#more-14179

mfg
rutt

Helgoland
17.08.2012, 09:30
Statt des "Rechtes auf Arbeit" sollte eine Arbeitspflicht eingeführt werden, selbst wenn man das vorhandene Arbeitskontingent aufteilen muss, zu fairen, existenzsichernden Bedingungen selbstverständlich. So könnte man das Schmarotzertum beenden und jedem eine dem Allgemeinwohl und dem Selbstwertgefühl dienende Tätigkeit vermitteln. Schafft man dann noch die aus aller Herren Länder einströmenden Parasiten ausser Landes und setzt tatsächlich asylwürdige Personen zu gemeinnützigen Aufgaben ein, wäre der Anreiz, sich in ein gemachtes Netz zu setzen, drastisch reduziert. Natürlich hat auch automatisch jeder das Gastrecht verwirkt, der sich gegen die bestehende Ordnung stellt oder das vorhandene gutmenschliche Helfersyndrom strapaziert. Arbeitgeber, die in volksschädigender Gier mit der Vernichtung von Arbeitsplätzen drohen, wenn die Kapitalerwirtschafter (das arbeitende Volk) angemessen entlohnt werden möchten, sollten unverzüglich sanktioniert und einer für sie angemessenen Behandlung zugeführt werden. Das verstehe ich beispielsweise unter einem nationalen Sozialismus! Individualinteressen müssen immer dem Wohl des Volkes weichen! Selbstverständlich haben wirklich Bedürftige das Anrecht auf die Unterstützung der deutschen Solidargemeinschaft!

Mr.Smith
17.08.2012, 09:36
Statt des "Rechtes auf Arbeit" sollte eine Arbeitspflicht eingeführt werden, ...!

Vor 50 Jahren hätte man über so eine Idee noch ernsthaft nachdenken können. Heutzutage kommen die dummen Assis mit dem Spruch "Arbeit ist sch..." auf dem T-Shirt zum Vorstellungsgespräch, Schüler geben "Hartz4-Empfänger" als Berufswunsch an und wenn man Nachmittags von der Arbeit kommt muß man am Bahnhof über besoffene Systemschmarotzer steigen.

Wenn Parteien wie SPD oder GRÜNE so etwas fordern würden, könnten sie sich gleich mal von einem Viertel ihrer Wählerschaft verabschieden und für die SED-LINKE sind Systemschmarotzer sowieso die größte Zielgruppe.

Hauskatze
20.08.2012, 20:36
Wenn ich sehe, was man bei der Deutschen Bahn AG zerstört hat und wie viel Personal abgebaut worden ist, dann bekomme ich das Kotzen !!!!!!!!!!! Auch der öffentliche Dienst wurde kaputtgespart, - warum wird das heute nach der Idiologie "Schweigen ist Gold" total Tod geschwiegen ???????

Ich glaube man führt eher einen Kampf gegen Arbeitslose anstatt mal die eigentlichen Probleme zum Tagesthema zu machen....

opppa
22.08.2012, 17:41
Wenn ich sehe, was man bei der Deutschen Bahn AG zerstört hat und wie viel Personal abgebaut worden ist, dann bekomme ich das Kotzen !!!!!!!!!!! Auch der öffentliche Dienst wurde kaputtgespart, - warum wird das heute nach der Idiologie "Schweigen ist Gold" total Tod geschwiegen ???????

Ich glaube man führt eher einen Kampf gegen Arbeitslose anstatt mal die eigentlichen Probleme zum Tagesthema zu machen....

Nu ja, der Sind und Zweck einer Aktiengesellschaft ist nun mal nicht mehr - wie früher bei der Deutschen Bahn - das Bedürfnis der Bevölkerung nach Beförderung zu erfüllen, sondern einzig und allein Gewinn zu erwirtschaften!
Wenn es dem Bahn AG-Management gelingen würde, daß die heutigen Fahrgäste ihr Geld abliefern, ohne den (unverschämten) Wunsch zu äußern, dafür transportiert zu werden, gäbs dafür wohl noch höhere Gewinnbeteiligungen!

:D

Siegfriedphirit
23.08.2012, 07:28
...aus Arbeitgeber Sicht sicherlich. Man spart viel Geld, das man dann für Steuergeschenke an die herrschenden Eliten zur Verfügung hat.