Felix Krull
18.05.2012, 22:38
Hätte mir jemand noch vor wenigen Tagen erzählt daß es tatsächlich Typen gibt, deren Beruf es ist "Demonstrant" zu sein, dann hätte ich den Kopf geschüttelt und das als lächerliche VT abgetan.
Gibt's aber wirklich.
Auszug:
Die Demonstrantin und ihr Sponsor
12.05.2012
Cécile Lecomte ist leidenschaftliche Demonstrantin, riskiert dafür viel. Richtig so, findet Ive Hauswald und unterstützt sie finanziell.
Cécile Lecomte schmiss ihren Job als Lehrerin und klettert auf Bäume, um zu protestieren. Dafür riskiert sie viel. Richtig so, findet Ive Hauswald. Er will seine bürgerliche Existenz nicht verlieren. Dafür unterstützt er die Aktivistin als Sponsor.
Zum Beispiel die Aktion beim Castor-Transport. Die Polizei bewacht die Schienen, aber nicht die Luft. Cécile Lecomte steht oben auf der Fuldatalbrücke, sie weiß, dass es 70 Meter in die Tiefe geht, unter ihr die Gleise. Der Strahl ihrer Taschenlampe verliert sich irgendwo in der Nacht. Es regnet, der Wind zerrt an ihrer Kletter-Kleidung. Und dennoch seilt sie sich ab; schwebt acht Meter über den Gleisen, kopfüber, enthüllt ihr Plakat: "Castor stoppen". Und dann steht der Castor, die Polizei hält ihn an. Wegen Cécile Lecomte.
"Lustig, oder?" Cécile Lecomte kichert heute noch, wenn sie von ihrer Aktion aus dem Jahr 2010 erzählt. In solchen Momenten wirkt die zierliche 30-Jährige mit den strubbeligen Haaren wie ein freches kleines Kind.
Cécile Lecomte lebt in einem Bauwagen am Stadtrand von Lüneburg, der Strom kommt von einer kleinen Solaranlage, im Winter heizt sie mit ihrem Holzofen. 23 Erwachsene und vier Kinder leben in der Siedlung, sie teilen sich eine Dusche und eine Waschmaschine, es soll ein Leben ohne Fundament sein. Von hier aus bricht Cécile Lecomte auf zu ihren Aktionen in ganz Deutschland. Und kehrt zurück, mit blauen Flecken, Bußgeldbescheiden und Vorstrafen. Sie hat ihre bürgerliche Existenz aufgegeben. Das gehört zu ihrem Beruf. "Ich bin Aktions-Kletterkünstlerin und Bewegungsarbeiterin", sagt sie. Wenn sie auf die Bäume klettert, kopfüber herunterhängt, den Spagat macht, rufen manche Passanten: "Geh doch arbeiten!" Sie antwortet dann, dass sie doch gerade auf Arbeit sei.
Ive Hauswald wohnt in einem Gartenhaus in einem Hinterhof von Eilbek. Ein verschlungener Pfad führt zu ihm. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, Hauswald bittet in den Wintergarten. Vor wenigen Tagen hat er die Pflanzen raus in seinen Garten gestellt, damit sie blühen können. "Cécile kann etwas, was ich nicht kann. Und wenn ich es könnte, wüsste ich nicht, ob ich es mich trauen würde." Ive Hauswald hat eine sanfte Stimme.
Er ist 71 Jahre alt und seit sechs Jahren in Pension. Früher war er Lehrer am Gymnasium, unterrichtete Deutsch und Religion.
Vor drei Jahren hat Ive Hauswald 10 000 Euro an eine Stiftung gegeben, die mit dem Geld Proteste fördert: die Bewegungsstiftung. Seitdem zahlt er darüber hinaus pro Jahr 2700 Euro an fünf Paten, eine davon ist Cécile Lecomte. Sie soll damit die Welt verändern, hauptberuflich. Sein Auto hat Ive Hauswald schon lange verkauft, zusammen mit seiner Frau führt er ein bescheidenes Leben. Vom Lehrergehalt blieb immer etwas übrig. "Ich möchte das nicht alles meiner Tochter vererben. Ich finde, dass andere es noch nötiger brauchen. Leute wie Cécile."
Cécile Lecomte wurde im französischen Epinal geboren. Ihre Eltern trennten sich, da war sie noch klein. Ihre Mutter, eine Lehrerin, war gegen Atomkraft und Aufrüstung. Und sie war Bergsteigerin. Cécile wurde französische Meisterin im Sport-Klettern. Sie studierte Außenwirtschaft und Fremdsprachen, ihr Auslandsjahr führte sie nach Bayreuth. Lehrerin sein, das gefiel ihr, und so studierte sie in Deutschland Französisch auf Lehramt. Ihren ersten Job suchte sie sich in Lüneburg. Weil Gorleben nicht weit von hier ist.
Ive Hauswald geht seit den 70er-Jahren auf Demos. Er war in Brokdorf, Kalkar, Bonn, Gorleben. Er reiste mit einer Lehrergruppe nach Nicaragua, gründete an seiner Schule eine Eine-Welt-Gruppe. "Ich bekenne gern Farbe, gehe auf Demonstrationen, spreche auch mit Polizisten über ihre Einstellung und ihren Einsatz und versuche, meinen Standpunkt zu erklären. Aber was Cécile tut, ist einfach mutiger. Und auch in einem Grade konsequent, wie ich es nie in meinem Leben gewesen bin. Ich habe eine bürgerliche Existenz", sagt Hauswald.[...]
Quelle (http://referer.us/mobil.abendblatt.de/politik/deutschland/article2274687/Die-Demonstrantin-und-ihr-Sponsor.html;jsessionid=DojriTHizwMzk1Mdd0nkWNcK?e mvcc=0&nborh=http%3A%2F%2Fmobil.abendblatt.de%2Fpolitik%2 Fdeutschland%2Farticle2274687%2FDie-Demonstrantin-und-ihr-Sponsor.html%3Bjsessionid%3DzgCDUzitrwt9e8a1RhdxmX Lx%3Femvcc%3D0%26nborh%3Dhttp%253A%252F%252Fmobil. abendblatt.de%252Fpolitik%252Fdeutschland%252Farti cle2274687%252FDie-Demonstrantin-und-ihr-Sponsor.html%253Bjsessionid%253D4y0JQ59-sdvi5f4c6c0BBMcW%253Fpg%253D2%2526cid%253D%2526li% 253D1%2526emvcc%253D0%26pg%3D1%26cid%3D%26li%3D1&pg=0&cid=&li=1)
Fünf Teile einer Reportage im "Hamburger Abendblatt". Verlinkt ist oben nur Teil 1 der mobil-Version, da die reguläre Version nicht verlinkbar ist, aber auf der Seite ganz unten gibt es Links zum jeweils nächsten Teil.
Gibt's aber wirklich.
Auszug:
Die Demonstrantin und ihr Sponsor
12.05.2012
Cécile Lecomte ist leidenschaftliche Demonstrantin, riskiert dafür viel. Richtig so, findet Ive Hauswald und unterstützt sie finanziell.
Cécile Lecomte schmiss ihren Job als Lehrerin und klettert auf Bäume, um zu protestieren. Dafür riskiert sie viel. Richtig so, findet Ive Hauswald. Er will seine bürgerliche Existenz nicht verlieren. Dafür unterstützt er die Aktivistin als Sponsor.
Zum Beispiel die Aktion beim Castor-Transport. Die Polizei bewacht die Schienen, aber nicht die Luft. Cécile Lecomte steht oben auf der Fuldatalbrücke, sie weiß, dass es 70 Meter in die Tiefe geht, unter ihr die Gleise. Der Strahl ihrer Taschenlampe verliert sich irgendwo in der Nacht. Es regnet, der Wind zerrt an ihrer Kletter-Kleidung. Und dennoch seilt sie sich ab; schwebt acht Meter über den Gleisen, kopfüber, enthüllt ihr Plakat: "Castor stoppen". Und dann steht der Castor, die Polizei hält ihn an. Wegen Cécile Lecomte.
"Lustig, oder?" Cécile Lecomte kichert heute noch, wenn sie von ihrer Aktion aus dem Jahr 2010 erzählt. In solchen Momenten wirkt die zierliche 30-Jährige mit den strubbeligen Haaren wie ein freches kleines Kind.
Cécile Lecomte lebt in einem Bauwagen am Stadtrand von Lüneburg, der Strom kommt von einer kleinen Solaranlage, im Winter heizt sie mit ihrem Holzofen. 23 Erwachsene und vier Kinder leben in der Siedlung, sie teilen sich eine Dusche und eine Waschmaschine, es soll ein Leben ohne Fundament sein. Von hier aus bricht Cécile Lecomte auf zu ihren Aktionen in ganz Deutschland. Und kehrt zurück, mit blauen Flecken, Bußgeldbescheiden und Vorstrafen. Sie hat ihre bürgerliche Existenz aufgegeben. Das gehört zu ihrem Beruf. "Ich bin Aktions-Kletterkünstlerin und Bewegungsarbeiterin", sagt sie. Wenn sie auf die Bäume klettert, kopfüber herunterhängt, den Spagat macht, rufen manche Passanten: "Geh doch arbeiten!" Sie antwortet dann, dass sie doch gerade auf Arbeit sei.
Ive Hauswald wohnt in einem Gartenhaus in einem Hinterhof von Eilbek. Ein verschlungener Pfad führt zu ihm. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, Hauswald bittet in den Wintergarten. Vor wenigen Tagen hat er die Pflanzen raus in seinen Garten gestellt, damit sie blühen können. "Cécile kann etwas, was ich nicht kann. Und wenn ich es könnte, wüsste ich nicht, ob ich es mich trauen würde." Ive Hauswald hat eine sanfte Stimme.
Er ist 71 Jahre alt und seit sechs Jahren in Pension. Früher war er Lehrer am Gymnasium, unterrichtete Deutsch und Religion.
Vor drei Jahren hat Ive Hauswald 10 000 Euro an eine Stiftung gegeben, die mit dem Geld Proteste fördert: die Bewegungsstiftung. Seitdem zahlt er darüber hinaus pro Jahr 2700 Euro an fünf Paten, eine davon ist Cécile Lecomte. Sie soll damit die Welt verändern, hauptberuflich. Sein Auto hat Ive Hauswald schon lange verkauft, zusammen mit seiner Frau führt er ein bescheidenes Leben. Vom Lehrergehalt blieb immer etwas übrig. "Ich möchte das nicht alles meiner Tochter vererben. Ich finde, dass andere es noch nötiger brauchen. Leute wie Cécile."
Cécile Lecomte wurde im französischen Epinal geboren. Ihre Eltern trennten sich, da war sie noch klein. Ihre Mutter, eine Lehrerin, war gegen Atomkraft und Aufrüstung. Und sie war Bergsteigerin. Cécile wurde französische Meisterin im Sport-Klettern. Sie studierte Außenwirtschaft und Fremdsprachen, ihr Auslandsjahr führte sie nach Bayreuth. Lehrerin sein, das gefiel ihr, und so studierte sie in Deutschland Französisch auf Lehramt. Ihren ersten Job suchte sie sich in Lüneburg. Weil Gorleben nicht weit von hier ist.
Ive Hauswald geht seit den 70er-Jahren auf Demos. Er war in Brokdorf, Kalkar, Bonn, Gorleben. Er reiste mit einer Lehrergruppe nach Nicaragua, gründete an seiner Schule eine Eine-Welt-Gruppe. "Ich bekenne gern Farbe, gehe auf Demonstrationen, spreche auch mit Polizisten über ihre Einstellung und ihren Einsatz und versuche, meinen Standpunkt zu erklären. Aber was Cécile tut, ist einfach mutiger. Und auch in einem Grade konsequent, wie ich es nie in meinem Leben gewesen bin. Ich habe eine bürgerliche Existenz", sagt Hauswald.[...]
Quelle (http://referer.us/mobil.abendblatt.de/politik/deutschland/article2274687/Die-Demonstrantin-und-ihr-Sponsor.html;jsessionid=DojriTHizwMzk1Mdd0nkWNcK?e mvcc=0&nborh=http%3A%2F%2Fmobil.abendblatt.de%2Fpolitik%2 Fdeutschland%2Farticle2274687%2FDie-Demonstrantin-und-ihr-Sponsor.html%3Bjsessionid%3DzgCDUzitrwt9e8a1RhdxmX Lx%3Femvcc%3D0%26nborh%3Dhttp%253A%252F%252Fmobil. abendblatt.de%252Fpolitik%252Fdeutschland%252Farti cle2274687%252FDie-Demonstrantin-und-ihr-Sponsor.html%253Bjsessionid%253D4y0JQ59-sdvi5f4c6c0BBMcW%253Fpg%253D2%2526cid%253D%2526li% 253D1%2526emvcc%253D0%26pg%3D1%26cid%3D%26li%3D1&pg=0&cid=&li=1)
Fünf Teile einer Reportage im "Hamburger Abendblatt". Verlinkt ist oben nur Teil 1 der mobil-Version, da die reguläre Version nicht verlinkbar ist, aber auf der Seite ganz unten gibt es Links zum jeweils nächsten Teil.