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Vollständige Version anzeigen : Graue Tage



frodo
13.02.2012, 20:00
Es gibt sie diese grauen Tage, wo man abends schon mit einem komischen Gefühl zu Bett geht,
in einen unruhigen Schlaf fällt und die Erinnerung einen quält.
Immer wieder die gleiche Szene, der kalte Hauch und der tiefe Fall in ein Loch.
Ich stehe vor einer großen weißen Wand mit vielen kleinen Türen gleich einem Kühlschrank.
Der Mann mit den traurigen Blick, dem weißen Mantel und den weißen Handschuhen öffnet eine davon. Er zieht eine lange Lade raus, blickt uns ins Gesicht, nimmt den weißen Vorhang weg und da liegt sie.
Ist sie das?
Diese Frage durchdringt das Schweigen, das Entsetzen und den Schock der uns ergriffen hat.
Ja sie ist es! Ja sie ist tot, tot, tot!
Meine kleine Schwester, kaum 23 Jahre alt geworden und so schneeweiß, bleich, starr.
15 Jahre sind vergangen seitdem sie so urplötzlich verstorben ist.
Endlich erlöst vom Leid, von der Sucht und von dem krankhaften Trieb es zu beschaffen.
Drogen.
An solchen Tagen kann ich nicht schlafen, stehe auf und lese ihre Briefe.
Briefe geschrieben im Knast, in einer Zeit wo es ihr trotz der Verhaftung noch gut ging.
Ach wie hofften wir, halfen ihr und nahmen soviel Mühsal, Belastung und Angst vor der Zukunft auf uns.
Alles vergebens, alles umsonst?
Nein! Sie ist gegangen, weg aber nicht verloren.
Ihr Körper wollte nicht mehr.

Bruddler
13.02.2012, 20:27
1977 starb mein älterer Bruder (Familienvater) im Alter von 26 Jahren. Im Jahre 2001 starb mein jüngerer Bruder (44J.) durch Selbstmord, was bleibt sind die Erinnerungen...

melamarcia75
13.02.2012, 20:31
1977 starb mein älterer Bruder (Familienvater) im Alter von 26 Jahren. Im Jahre 2001 starb mein jüngerer Bruder (44J.) durch Selbstmord, was bleibt sind die Erinnerungen...

Mutter Natur ist ungerecht und brutal, bin froh dass ich Atheist bin, andernfalls haette ich dem da oben zu viele Fragen zu stellen......

Klopperhorst
13.02.2012, 20:33
Das Unvollendete ist immer das Schlimmste.

Ich bin sicher, die Toten wollten nicht, dass man um sie trauert.

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Bruddler
13.02.2012, 20:37
Das Unvollendete ist immer das Schlimmste.

Ich bin sicher, die Toten wollten nicht, dass man um sie trauert.

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Genaugenommen ist die Totentrauer nichts anderes als Selbstmitleid....

LOL
13.02.2012, 20:38
nimmt den weißen Vorhang weg und da liegt sie.
Das Lüften dieses Schleiers brennt sich wie ein greller Lichtblitz ein....

Mütterchen
13.02.2012, 20:40
Das Unvollendete ist immer das Schlimmste.

Ich bin sicher, die Toten wollten nicht, dass man um sie trauert.

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Song ( Rosetti)


When I am dead, my dearest,
Sing no sad songs for me;
Plant thou no roses at my head,
Nor shady cypress tree:
Be the green grass above me
With showers and dewdrops wet;
And if thou wilt, remember,
And if thou wilt, forget.

I shall not see the shadows,
I shall not feel the rain;
I shall not hear the nightingale
Sing on, as if in pain:
And dreaming through the twilight
That doth not rise nor set,
Haply I may remember,
And haply may forget.


Übersetzung






Bin ich einst tot, mein Liebster,
sing keine Trauermessen;
pflanz mir zu Häupten Rosen nicht
noch schattige Zypressen:
Laß grünes Gras mich decken,
das Tau und Regen näßt;
und wenn ihr wollt, gedenket,
und wenn ihr wollt, vergeßt.

Ich sehe nicht die Schatten,
spür nicht des Regens Fall;
hör nicht den schwermutsatten
Gesang der Nachtigall;
und träumend lang im Dämmer,
der nimmer steigt noch fällt,
wer weiß, ob ich gedenke,
ob ich vergeß der Welt.

LOL
13.02.2012, 20:41
Genaugenommen ist die Totentrauer nichts anderes als Selbstmitleid....
Es leiden ja auch die Hinterbliebenen am Verlust.
Sie ist ein Abschied in der eigenen Erinnerung und das ist gut und richtig so.

Klopperhorst
13.02.2012, 20:45
Genaugenommen ist die Totentrauer nichts anderes als Selbstmitleid....

Gemischt mit Wut. Wut deswegen, weil derjenige so plötzlich verschwunden ist,
wobei man sich doch emotional an ihn gewöhnte, er einem gute Gefühle gab.
Diese Gefühle sind plötzlich weg, das ist wie ein Entzugssyndrom.
Man beginnt durchzudrehen.

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Ingeborg
13.02.2012, 20:52
Manchmal hilft es über ein Medium Kontakt aufzunehmen. Aber nach 15 Jahren ist sich sicher lange schon wieder inkarniert.

Geronimo
13.02.2012, 20:56
Dafür habe ich noch nie Worte gefunden. Und habe es schon viel zu oft erleben müssen.


http://www.youtube.com/watch?v=Vvy7kdziHYQ

MorganLeFay
14.02.2012, 08:35
Es gibt Straenge, die man nicht lesen sollte. Ploetzlich ist alles wieder da...

Stadtknecht
14.02.2012, 09:59
Ihr habt mein ehrliches Mitgefühl.

Ich wünsche Euch Kraft, mit dem Erlebten fertig zu werden.

frodo
14.02.2012, 18:22
Es ist wichtig sich zu erinnern, nicht zu vergessen und auch zu trauern.
Gestern hatte ich Tränen in den Augen, war wieder an den Punkt angelangt der so weh tut.
Ich weiß nicht ob es richtig war, das ich es geschrieben habe, aber ich war alleine und
musste es irgendwie verarbeiten.
Heute sieht die Welt schon wieder anders aus, aber sie fehlt mir.
Fehlt mir so wie alle anderen die gegangen sind, aber in der Erinnerung bleiben.
Nur bei ihr war es anders, so tragisch, so vorhersehbar und doch nicht zu verhindern.

frodo
17.02.2012, 20:30
http://www.youtube.com/watch?v=O17bUw8luHs