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Vollständige Version anzeigen : Naturalistische Religionsgenese



Irratio
11.09.2011, 16:53
Unabhängig von der Existenz des Übernatürlichen sollte man auch eine diesseitige, naturalistische Erklärung für das Auftreten der Religionen haben, insbesondere auch für die Dominanz der Religionen, die letztlich dominant geworden sind.
Eine systematische Erklärung für die Entstehung der Religion findet man allerdings selten. Die meisten Atheisten geben sich mit "Aberglaube" zufrieden, als ob dieses proximale Indiz eine vollständige Erklärung wäre.
Für (nichtsäkulare) Anhänger der Religion stellt sich diese Frage oft gar nicht erst.
Da Religion aber in der Geschichte der Menschheit ein extrem relevantes und konsistent auftretendes Phänomen ist, hätte ich doch gerne eine etwas bessere Erklärung.

Warum also bilden sich Religionen, und warum haben genau diejenigen, die wir kennen es in unser Zeitalter geschafft?

Was die Entstehung angeht, fand ich die folgende Erklärung immer recht plausibel:
(1) Entstehung von Religion geht in den meisten Fällen mit der Bildung größerer, unübersichtlicher Gesellschaften einher; typischerweise ist die Entstehung eines gemeinsamen theologischen Überbaus eine erste stabiliserende Maßnahme gegenüber den zwangsläufig auftretenden Unruhen. Oder, evolutionär betrachtet: Die Überlebenschancen von Gesellschaften mit Religion waren höher, entsprechend hat sich das Modell durchgesetzt.
(Die Abgrenzung gegenüber anderen Religionen ist dabei zwar nicht logisch zwingend, aber durchaus naheliegend. Identität definiert sich genausosehr durch das, was man ist wie durch das, was man nicht ist.)

(2) Desweiteren haben wir eine Disposition zum Glauben; durch mangelnde Kenntnisse, aber die Fähigkeit Muster zu erkennen neigen wir dazu, auch gelegentlich Aberglauben in unsere Erklärung der Welt miteinzubeziehen. Wir glauben an Logos, ohne genau zu wissen, worin er besteht.

(3) Ebenso haben wir eine Neigung (oder zumindest die Fähigkeit) zu teleologischen Betrachtungen. Die Frage, wozu ein Ding da ist, ist a priori eine völlig sinnfreie. Naheliegend ist in diesem Kontext auch die Assoziation einer "Zielrichtung" von natürlichen Prozessen, was wiederum die Existenz "übernatürlicher" Entitäten nahelegt.

Punkt (1) ist dabei der relevante; (2) und (3) sind lediglich Überlegungen zu den Bedingungen unter denen sich überhaupt die Möglichkeit der Religion ergibt (sprich: Glaube).

Die Fragestellung nach dem Überleben der großen Religionen der Moderne finde ich wesentlich kompliziert, unter anderem wegen dem Mangel an gemeinsamen Nennern der einzelnen Religionen. Deswegen hier nur einige, einzelne Versuche systematischer Betrachtung:
(4) Religionen leben davon, dass Leute ihr eher beitreten als austreten. Diese Überlegung ist recht trivial, aber essentiell. Bei den großen monotheistischen Religionen finden sich Anreize, möglichst nicht auszutreten. Das Christentum droht Ungläubigen mit Höllenfeuer, im Islam (sowie im mittelalterlichen Christentum) steht auf Apostasie die Todesstrafe. Missionierung und die selbstverständliche Übernahme der Religion durch die Kinder sind weitere Maßnahmen in diesem Sinne.

Ich kann leider wenig über den Hinduismus sagen, und wäre dankbar wenn hier jemand dazu einige Worte schreiben könnte. Insgesamt bin ich für Kritik, Ergänzungen und weitere Gedanken zum Thema dankbar.

Irratio.

Nachbar
11.09.2011, 18:28
Vielleicht könnte dieser Thread eine Ergänzung sein:

Neurotheologie - "Gott" nur ein Hirngespinst?
(klick (http://www.politikforen.net/showthread.php?112906-Neurotheologie-quot-Gott-quot-nur-ein-Hirngespinst))

Nachbar3880