KaRol
29.07.2011, 21:36
Hallo zusammen,
wieder mal in der Stadt, wieder mal den Cappuccino genossen und etwas ziellos durch die schrillen, lauten, hektischen Ladenpassagen der "Galeria Kaufhof" gebummelt, ohne eigentliches Ziel, ohne Bestimmung - und irgendwie vor einem Restposten älterer Musik - CD´s gelandet.
Langsam bewegte mein Zeigefinger die akurat gestapelten Plastik-Hüllen der CD´s nach vorne, jedes mal eine kleine Erinnung an längst vergangene Zeiten.
Donovan...ja, der hatte es drauf...Cat Stevens...Tillerman...das ist wirklich, wirklich schon sehr lange her..., Cores...Simon und Garfunkel...OK, die CD habe ich schon....noch ein paar Oldies checken...dann wär´s mal wieder Zeit....Baez...Joan Baez..." The Best of the Vanguard Years".....5x Joni Mitchell...
Baez....Joan Baez - deren CD´s sind selten...sehr selten...
Den Stapel der durchsuchten CD-Hüllen etwas zurückgeschoben, gesucht - und Joan lächelte mir entgegen....wenn auch nur auf dem Cover.
Joan Baez...d i e Ikone meiner Jugend - endlos liefen ihre Songs auf meinem ersten, selbst zusammengesparten und letztlich von meiner geliebten Oma Emma gesponserten Bandmaschine - bis selbst meine Mutter - im Englischen mit Null-Talent gesegnet, die immer wieder gleichen Texte mitsummte.
Blowing in the Wind...Farewell Angelina.... Heaven help us all....
Zur Kasse geschlendert und für unglaublich günstige 8,99 Euro unglaublich intensive Erinnerungen an meine Jugend eingetauscht....
Sichtlich beschwingt und mit federndem Schritt zum Bus, Linie 10 und schnell nach Hause.
Hey - keiner da? Schulferien - alle ausgeflogen - Frauchen bei ihren Freundinnen- wenn das mal kein Wink des Schicksals ist....
Den Stereoturm angeworfen, CD-Wechsler in Wallung gebracht und den Kopfhörer auf die Ohren gepappt...
Fernbedienung in die Hand, Haxen auf den Lederhocker, nochmal in die Kissen geräckelt und zusammengefahren, als die Katz mit einem saloppen Sprung auf meinem Bauch landete und ihren Kopf unter meine Achsel drückte...automatisch kraulten die Finger das zarte, flauschige Fell und mit einem sanften Tastendruck startete der CD-Player...
...and now: "We shall overcome"....Joan Baez kündigte d e n Song meiner Jugend an...und ich lauschte den einfachen, aber so unendlich einprägsamen Zeilen dieses Liedes. ".......overcome....Deep in my heart.....I do believe....we shall overcome...."
Gedankenflash´s durchfluteten mich....wann hatte ich Joan Baez eigentlich bewußt wahrgenommen? In den späten 60ern, den Nachrichten um 20.00 Uhr im "Ersten" - schwarz-weiss, grieselig..- aber bewegte Bilder - immerhin.....
"Saigon: die Vietcong starteten eine neue Angriffswelle, die die Soldaten der Vereinigten Staaten erfolgreich abwehrten.....dabei wurden XX Vietcong getötet......" Winkende US-Soldaten tauchten in meinen Gedankenbildern auf, tote Viet´s....Gespreizte Finger - Victory - wo kein Sieg nahe war.....
....We walk Hand in Hand....We walk Hand in Hand....We walk Hand in Hand - some day.....and deep in my heart....I do believe....
Diese Stimme - The Voice of an Nation - dieser satte Sopran, die Vibration in der Stimme...diese Inbrunst.....
...we will overcome some day.....
Washington: Tausende und Abertausende Vietnam-Gegner versammelten sich zu einem Sitzstreik vor dem Weissen Haus".....
Menschenmassen in Schwarz-Weiss bewegten sich über den fast quadratischen Bildschirm des "Grundig" Fernsehers, dessen Gehäuse in mattem Dunkelbraun glänzte, wöchentlich poliert von meiner Mutter, nicht ohne zum Schluß das Häkeldeckchen mit der Konfirmationskerze ihres einzigen Kindes akurat zurechtzurücken....
Polizisten zu Pferde drängten die jungen US-Amerikaner zurück, die den Berittenen Blumen und ihre betenden Hände entgegenstreckten.....
..und inmitten einer riesigen Menschenmenge stand eine Friedensaktivistin, die Gewaltfreiheit predigte und strikt einhielt, sang und spielte Gitarre - und Zehntausende stimmten mit ein.......we shall overcome.... - selbst die schlechte Qualität der noch schlechteren Überspielung konnte die macht dieser Botschaft nicht verhindern.....
...We are not afraid....we are not afraid....we are not afraid this day....and deep in my heart....I do believe....we shall overcome.....
Automatisch suchte mein Finger wie Liedwiederholung, die ersten Takte erklangen....
...and now: we shall overcome.....
Dieses Lied war seit seiner Komposition um 1903 durch einen Pfarrer durch seinen einfachen, aber ungemein prägenden Text ein Meisterwerk der amerikanischen Musikgeschichte - aber erst die Stimme einer Joan Baez machte aus einem Meisterwerk eine nationale Hymne....
Tief bewegt lauschte ich diesem Werk....meine Gedanken schweiften ab...1968...
CVJM... mein erster Tag im CVJM-Club.....
Eine stahlgraue Wand auf Zigarettenrauch empfing mich, als ich in das CVimmler JuZi ( Jugendzimmer) eintrat, schüchtern, 14 Jahre alt, seit 2 Jahren aber immerhin Raucher hey - also schon fast erwachsen....
"Hast du ein Fahrtenbuch?"
Ähm - Fahrtenbuch?? "Ja, CVJM-Liederbruch, das Grüne, das alle hier in ihren Patschhändchen haben...
Hatte ich natürlich nicht ( merken: Mama anpumpen, Paps melken - Fahrtenbuch kaufen.
Singen...die singen hier....:eek: )
Dickie, wie ihn seine Freunde nannten, Ikku, wie wir ihn nennen mussten - Karl-Heinz, wie ihn seine Eltern riefen...schnappte sich seine Klampfe und zupfte die ersten Akkorde.....
Jetzt mal wieder Baez, ja - aber ohne die schiefen Töne der Mädels, ja.... ( Kichern der Jungs; böse Blicke - aber absolute Ruhe bei den Mädels...:D )
...Nicht schon wieder "Blowing in the Wind" - jaaaaaaa? Eine wagt sich immer.....:]
OK, ... We shall overcome......
Und zum Klampfenspiel bemühten sich gut 25 junge, hoffnungsvolle CVJMler krächzend und wenig harmonisch - aber voller Inbrunst bis nach USA-Land ( Vereinigte Staaten, bitte - so der offizielle korrekte Begriff ) den Song nach Freiheit und Gleichheit erklingen zu lassen.....
Mittlerweile erklang "Blessed are..." ein weiteres Highlight dieser CD....gefolgt von " The Night, they drove Old Dixie down..."
Will man die Seele des Südens der USA spüren, das Feeling des nationalen Traumas einer zerrissenen Nation, das bis heute nachwirkt....man muss dieses epochale Lied hören....
Ungewöhnlich schon der Beginn der ersten Strophe....ein konföderierter Soldat des Südens stellt sich vor....
"Virgil Caine is my name...I drove the Richmond -Trail......"
Ein Soldat, der die letzte freie Bahnstrecke nach Richmond, Virginia fuhr, im eiskalten Winter 1865... und gerade rechtzeitig kam, um zu sehen, wie sein Süden unterging....
"..and all the bells were ringing.....and all the peoples were singing....na,nananana na....the Night, they drove Old Dixie down....
Viele versuchten sich an diesem Lied, viele sangen dieses Lied - Joan Baez lebte dieses Lied....ihre ausergewöhnlich klare und prägnante Stimme machte auch aus diesem nationalen Epos eine Hymne...die Hymne des Südens...und damit unvergesslich für alle Zeit...
Schaudern, die Haare stellen sich leicht, der Kopfhörer verleiht dem Lied eine unheimliche Präsenz, man sieht Virgil Caine bei seinem Schwur - und fühlt mit ihm mit.....
"Like my Father, I´m a working man....Like my brother, I took the Rebel Stand...
He was 18, proud and brave, when the Jankees´s layed him in his grave....
I swore - by the blood on my feet.......
Der Schwur des Südens, einer tief getroffenen Nation, niemals aufzugeben, niemals zu knien....
...und Joan Baez verlieh diesem Schwur den Glanz ihrer Stimme.....
Viele Jahrzehnte sind seit 1968 vergangen; ihre LP´s sind im Keller archiviert, samt dem Plattenspieler, einer Ersatznadel und 400 weiteren LP´s aus dieser Zeit....
Eines Tages werden meine Kinder die sorgfältig verpackten Kartons öffnen und vielleicht die darin eingefangene Zeit meiner Jugend schnuppern, sie zu würdigen wissen ....und Joan, Joni, Bob und Peter,Paul and Mary zuhören, die aus einer längst vergangenen Zeit singen...von Liebe, Blumen und dem Zusammenhalt, von heroischem Kampf um Gerechtigkeit und dann sagen...
...they had overcome........today!
http://www.youtube.com/watch?v=RkNsEH1GD7Q
Joan Baez, die Stimme und das Gewissen einer Nation...
Love and Peace
KaRol
wieder mal in der Stadt, wieder mal den Cappuccino genossen und etwas ziellos durch die schrillen, lauten, hektischen Ladenpassagen der "Galeria Kaufhof" gebummelt, ohne eigentliches Ziel, ohne Bestimmung - und irgendwie vor einem Restposten älterer Musik - CD´s gelandet.
Langsam bewegte mein Zeigefinger die akurat gestapelten Plastik-Hüllen der CD´s nach vorne, jedes mal eine kleine Erinnung an längst vergangene Zeiten.
Donovan...ja, der hatte es drauf...Cat Stevens...Tillerman...das ist wirklich, wirklich schon sehr lange her..., Cores...Simon und Garfunkel...OK, die CD habe ich schon....noch ein paar Oldies checken...dann wär´s mal wieder Zeit....Baez...Joan Baez..." The Best of the Vanguard Years".....5x Joni Mitchell...
Baez....Joan Baez - deren CD´s sind selten...sehr selten...
Den Stapel der durchsuchten CD-Hüllen etwas zurückgeschoben, gesucht - und Joan lächelte mir entgegen....wenn auch nur auf dem Cover.
Joan Baez...d i e Ikone meiner Jugend - endlos liefen ihre Songs auf meinem ersten, selbst zusammengesparten und letztlich von meiner geliebten Oma Emma gesponserten Bandmaschine - bis selbst meine Mutter - im Englischen mit Null-Talent gesegnet, die immer wieder gleichen Texte mitsummte.
Blowing in the Wind...Farewell Angelina.... Heaven help us all....
Zur Kasse geschlendert und für unglaublich günstige 8,99 Euro unglaublich intensive Erinnerungen an meine Jugend eingetauscht....
Sichtlich beschwingt und mit federndem Schritt zum Bus, Linie 10 und schnell nach Hause.
Hey - keiner da? Schulferien - alle ausgeflogen - Frauchen bei ihren Freundinnen- wenn das mal kein Wink des Schicksals ist....
Den Stereoturm angeworfen, CD-Wechsler in Wallung gebracht und den Kopfhörer auf die Ohren gepappt...
Fernbedienung in die Hand, Haxen auf den Lederhocker, nochmal in die Kissen geräckelt und zusammengefahren, als die Katz mit einem saloppen Sprung auf meinem Bauch landete und ihren Kopf unter meine Achsel drückte...automatisch kraulten die Finger das zarte, flauschige Fell und mit einem sanften Tastendruck startete der CD-Player...
...and now: "We shall overcome"....Joan Baez kündigte d e n Song meiner Jugend an...und ich lauschte den einfachen, aber so unendlich einprägsamen Zeilen dieses Liedes. ".......overcome....Deep in my heart.....I do believe....we shall overcome...."
Gedankenflash´s durchfluteten mich....wann hatte ich Joan Baez eigentlich bewußt wahrgenommen? In den späten 60ern, den Nachrichten um 20.00 Uhr im "Ersten" - schwarz-weiss, grieselig..- aber bewegte Bilder - immerhin.....
"Saigon: die Vietcong starteten eine neue Angriffswelle, die die Soldaten der Vereinigten Staaten erfolgreich abwehrten.....dabei wurden XX Vietcong getötet......" Winkende US-Soldaten tauchten in meinen Gedankenbildern auf, tote Viet´s....Gespreizte Finger - Victory - wo kein Sieg nahe war.....
....We walk Hand in Hand....We walk Hand in Hand....We walk Hand in Hand - some day.....and deep in my heart....I do believe....
Diese Stimme - The Voice of an Nation - dieser satte Sopran, die Vibration in der Stimme...diese Inbrunst.....
...we will overcome some day.....
Washington: Tausende und Abertausende Vietnam-Gegner versammelten sich zu einem Sitzstreik vor dem Weissen Haus".....
Menschenmassen in Schwarz-Weiss bewegten sich über den fast quadratischen Bildschirm des "Grundig" Fernsehers, dessen Gehäuse in mattem Dunkelbraun glänzte, wöchentlich poliert von meiner Mutter, nicht ohne zum Schluß das Häkeldeckchen mit der Konfirmationskerze ihres einzigen Kindes akurat zurechtzurücken....
Polizisten zu Pferde drängten die jungen US-Amerikaner zurück, die den Berittenen Blumen und ihre betenden Hände entgegenstreckten.....
..und inmitten einer riesigen Menschenmenge stand eine Friedensaktivistin, die Gewaltfreiheit predigte und strikt einhielt, sang und spielte Gitarre - und Zehntausende stimmten mit ein.......we shall overcome.... - selbst die schlechte Qualität der noch schlechteren Überspielung konnte die macht dieser Botschaft nicht verhindern.....
...We are not afraid....we are not afraid....we are not afraid this day....and deep in my heart....I do believe....we shall overcome.....
Automatisch suchte mein Finger wie Liedwiederholung, die ersten Takte erklangen....
...and now: we shall overcome.....
Dieses Lied war seit seiner Komposition um 1903 durch einen Pfarrer durch seinen einfachen, aber ungemein prägenden Text ein Meisterwerk der amerikanischen Musikgeschichte - aber erst die Stimme einer Joan Baez machte aus einem Meisterwerk eine nationale Hymne....
Tief bewegt lauschte ich diesem Werk....meine Gedanken schweiften ab...1968...
CVJM... mein erster Tag im CVJM-Club.....
Eine stahlgraue Wand auf Zigarettenrauch empfing mich, als ich in das CVimmler JuZi ( Jugendzimmer) eintrat, schüchtern, 14 Jahre alt, seit 2 Jahren aber immerhin Raucher hey - also schon fast erwachsen....
"Hast du ein Fahrtenbuch?"
Ähm - Fahrtenbuch?? "Ja, CVJM-Liederbruch, das Grüne, das alle hier in ihren Patschhändchen haben...
Hatte ich natürlich nicht ( merken: Mama anpumpen, Paps melken - Fahrtenbuch kaufen.
Singen...die singen hier....:eek: )
Dickie, wie ihn seine Freunde nannten, Ikku, wie wir ihn nennen mussten - Karl-Heinz, wie ihn seine Eltern riefen...schnappte sich seine Klampfe und zupfte die ersten Akkorde.....
Jetzt mal wieder Baez, ja - aber ohne die schiefen Töne der Mädels, ja.... ( Kichern der Jungs; böse Blicke - aber absolute Ruhe bei den Mädels...:D )
...Nicht schon wieder "Blowing in the Wind" - jaaaaaaa? Eine wagt sich immer.....:]
OK, ... We shall overcome......
Und zum Klampfenspiel bemühten sich gut 25 junge, hoffnungsvolle CVJMler krächzend und wenig harmonisch - aber voller Inbrunst bis nach USA-Land ( Vereinigte Staaten, bitte - so der offizielle korrekte Begriff ) den Song nach Freiheit und Gleichheit erklingen zu lassen.....
Mittlerweile erklang "Blessed are..." ein weiteres Highlight dieser CD....gefolgt von " The Night, they drove Old Dixie down..."
Will man die Seele des Südens der USA spüren, das Feeling des nationalen Traumas einer zerrissenen Nation, das bis heute nachwirkt....man muss dieses epochale Lied hören....
Ungewöhnlich schon der Beginn der ersten Strophe....ein konföderierter Soldat des Südens stellt sich vor....
"Virgil Caine is my name...I drove the Richmond -Trail......"
Ein Soldat, der die letzte freie Bahnstrecke nach Richmond, Virginia fuhr, im eiskalten Winter 1865... und gerade rechtzeitig kam, um zu sehen, wie sein Süden unterging....
"..and all the bells were ringing.....and all the peoples were singing....na,nananana na....the Night, they drove Old Dixie down....
Viele versuchten sich an diesem Lied, viele sangen dieses Lied - Joan Baez lebte dieses Lied....ihre ausergewöhnlich klare und prägnante Stimme machte auch aus diesem nationalen Epos eine Hymne...die Hymne des Südens...und damit unvergesslich für alle Zeit...
Schaudern, die Haare stellen sich leicht, der Kopfhörer verleiht dem Lied eine unheimliche Präsenz, man sieht Virgil Caine bei seinem Schwur - und fühlt mit ihm mit.....
"Like my Father, I´m a working man....Like my brother, I took the Rebel Stand...
He was 18, proud and brave, when the Jankees´s layed him in his grave....
I swore - by the blood on my feet.......
Der Schwur des Südens, einer tief getroffenen Nation, niemals aufzugeben, niemals zu knien....
...und Joan Baez verlieh diesem Schwur den Glanz ihrer Stimme.....
Viele Jahrzehnte sind seit 1968 vergangen; ihre LP´s sind im Keller archiviert, samt dem Plattenspieler, einer Ersatznadel und 400 weiteren LP´s aus dieser Zeit....
Eines Tages werden meine Kinder die sorgfältig verpackten Kartons öffnen und vielleicht die darin eingefangene Zeit meiner Jugend schnuppern, sie zu würdigen wissen ....und Joan, Joni, Bob und Peter,Paul and Mary zuhören, die aus einer längst vergangenen Zeit singen...von Liebe, Blumen und dem Zusammenhalt, von heroischem Kampf um Gerechtigkeit und dann sagen...
...they had overcome........today!
http://www.youtube.com/watch?v=RkNsEH1GD7Q
Joan Baez, die Stimme und das Gewissen einer Nation...
Love and Peace
KaRol