PDA

Vollständige Version anzeigen : 21 Wochen, 460 Gramm



harlekina
22.04.2011, 12:18
Europas jüngstes Frühchen. (http://www.abendblatt.de/vermischtes/article1864329/Europas-juengstes-Fruehchen-21-Wochen-alt-460-Gramm-schwer.html)


Die kleine Frieda, die am 7. November nach nur 21 Wochen und 5 Tagen Schwangerschaft zur Welt gekommen war, hatte bei der Geburt ganze 460 Gramm gewogen. Bei der Entlassung aus dem Krankenhaus waren es 3500 Gramm.

Ich weiß nicht, wie es euch geht. Ich bin einerseits immer ganz gerührt, wenn es doch gelingt, so ein kleines bisschen Mensch aufzupäppeln,andererseits bin ich unsicher über die Spätfolgen. (http://www.wdr.de/tv/quarks/sendungsbeitraege/2010/0525/005_medizin.jsp)

FranzKonz
22.04.2011, 12:22
Europas jüngstes Frühchen. (http://www.abendblatt.de/vermischtes/article1864329/Europas-juengstes-Fruehchen-21-Wochen-alt-460-Gramm-schwer.html)



Ich weiß nicht, wie es euch geht. Ich bin einerseits immer ganz gerührt, wenn es doch gelingt, so ein kleines bisschen Mensch aufzupäppeln,andererseits bin ich unsicher über die Spätfolgen. (http://www.wdr.de/tv/quarks/sendungsbeitraege/2010/0525/005_medizin.jsp)

Geht mir ähnlich. Nur allzu oft bewirkt die moderne Medizin mehr Schaden als Nutzen, weil sie das nackte Leben über das lebenswerte Leben stellt.

Besonders schlimm finde ich das bei den Alten. Da werden viele Menschen mit Gewalt am Leben erhalten, für die das Leben nur noch eine Qual ist.

harlekina
22.04.2011, 12:23
Geht mir ähnlich. Nur allzu oft bewirkt die moderne Medizin mehr Schaden als Nutzen, weil sie das nackte Leben über das lebenswerte Leben stellt.

Besonders schlimm finde ich das bei den Alten. Da werden viele Menschen mit Gewalt am Leben erhalten, für die das Leben nur noch eine Qual ist.
Meine Mutter war schon fast drüben, da haben sie sie in ihr (dementes) Dasein zurückgeholt.

bernhard44
22.04.2011, 12:23
bei dieser Art von Rekordsucht (wer bringt das kleinste/jüngste Frühchen durch) dürfen wir uns über explodierende Kosten im Gesundheitswesen nicht wundern! Das gleiche gilt übrigens für andere Medizinbereiche (wer hält die Körperhülle am längsten am funktionieren, Leben kann man dazu ja nicht mehr sagen) ebenso!
Von der ethischen Seite will ich das gar nicht erst beurteilen!

Doc Gyneco
22.04.2011, 12:25
Europas jüngstes Frühchen. (http://www.abendblatt.de/vermischtes/article1864329/Europas-juengstes-Fruehchen-21-Wochen-alt-460-Gramm-schwer.html)



Ich weiß nicht, wie es euch geht. Ich bin einerseits immer ganz gerührt, wenn es doch gelingt, so ein kleines bisschen Mensch aufzupäppeln,andererseits bin ich unsicher über die Spätfolgen. (http://www.wdr.de/tv/quarks/sendungsbeitraege/2010/0525/005_medizin.jsp)

Dank solchen Frühchen werden Medizin und Pharma ganz fette Gewinne einstreichen !

:rolleyes::rolleyes::rolleyes:

Doc Gyneco
22.04.2011, 12:26
Meine Mutter war schon fast drüben, da haben sie sie in ihr (dementes) Dasein zurückgeholt.

Meinen Kindern gab ich den Auftrag, misch "abschalten" falls zu krank

Sinnlos noch eine Ewigkeit dahinvegetieren !

:rolleyes::rolleyes::rolleyes:

FranzKonz
22.04.2011, 12:28
Meine Mutter war schon fast drüben, da haben sie sie in ihr (dementes) Dasein zurückgeholt.

Einer Tante meiner Freundin ging es kürzlich ähnlich. Nun bekommt sie regelmäßig Bluttransfusionen, weil ihr Körper alters- / krankheitsbedingt nicht genügend Blutkörperchen produziert.

Warum kann man einen Menschen nicht gehen lassen, wenn es an der Zeit ist?

Und warum muß man der Natur in's Handwerk pfuschen, die "mißlungene" Föten abgehen lässt?

Vermutlich ist die Grenze allzu schwer zu ziehen.

Sauerländer
22.04.2011, 12:33
bei dieser Art von Rekordsucht (wer bringt das kleinste/jüngste Frühchen durch) dürfen wir uns über explodierende Kosten im Gesundheitswesen nicht wundern! Das gleiche gilt übrigens für andere Medizinbereiche (wer hält die Körperhülle am längsten am funktionieren, Leben kann man dazu ja nicht mehr sagen) ebenso!
Von der ethischen Seite will ich das gar nicht erst beurteilen!
Wobei ich sagen muss, dass bei mir sämtliche Alarmglocken schrillen, wenn da die Frage nach der Legitimität solcher Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt der Kosten gestellt wird.

Adunaphel
22.04.2011, 12:38
Ich wünsche der kleinen Frieda und ihren Eltern alles Gute auf dem weiteren Weg.

Sauerländer
22.04.2011, 12:39
Einer Tante meiner Freundin ging es kürzlich ähnlich. Nun bekommt sie regelmäßig Bluttransfusionen, weil ihr Körper alters- / krankheitsbedingt nicht genügend Blutkörperchen produziert.

Warum kann man einen Menschen nicht gehen lassen, wenn es an der Zeit ist?
Ich schätze, es hat was damit zu tun, dass wir damit eingestehen würden, dass es diesen Zeitpunkt tatsächlich gibt, und damit auch, dass uns im Hinblick auf die Kernprobleme unserer Existenz all unser technischer Schnickschnack, der uns bisweilen in einen regelrechten Allmachtswahn verfallen lässt, am Ende kein Stück weiterbringt - und das ist nunmal eine Erkenntnis, die als Gegensatz zur Allmacht eine absolute OHNmachtserfahrung darstellt. Und deshalb gerne solange es nur geht verdrängt wird. Mit handfesten Auswirkungen auf Handlungsentscheidungen.
Unter anderem deshalb haben ja auch viele Leute, die rein intellektuell durchaus für Organspende sind und auch sagen, dass sie ihre eigenen Organe ja nicht mehr brauchen, wenn sie hin sind, trotzdem keinen Organspendeausweise - weil sich mit dem Gedanken, dass dieser Zustand irgendwann real sein könnte, dann letztlich doch kaum jemand konfrontieren möchte.

Davon abgesehen ist da natürlich auch die Frage nach dem Willen des Patienten selbst. Jedenfalls solange der sich dazu äußern kann oder das vorher getan hat, hat in meinen Augen niemand das Recht, diese Entscheidung für ihn zu treffen, wie auch immer sie laute.

FranzKonz
22.04.2011, 12:40
Wobei ich sagen muss, dass bei mir sämtliche Alarmglocken schrillen, wenn da die Frage nach der Legitimität solcher Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt der Kosten gestellt wird.

Bernhard hat diese Frage im Zusammenhang mit der "Nachzucht" chronisch Kranker gestellt. In dem Zusammenhang ist diese Frage durchaus gerechtfertigt.

harlekina
22.04.2011, 12:41
Wobei ich sagen muss, dass bei mir sämtliche Alarmglocken schrillen, wenn da die Frage nach der Legitimität solcher Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt der Kosten gestellt wird.

Jein. Würde es sich um mein Kind handeln, dass da vor der Zeit auf die Welt geschubst wurde, würde ich selbstredend erwarten, dass Himmel und Erde in Bewegung gesetzt würden, um das Menschlein zu retten.

Andererseits können wir in der Zeit der explodierenden Pflege- und Krankheitskosten nicht die Augen verschließen, wo diese Quellen liegen.
Wenn man berechnet, was ein Vollpflegeplatz kostet, um jemanden mit Gerätemedizin am Leben zu erhalten, der das gar nicht will, es aber nicht mehr äußern kann, muss man zumindest darüber geredet können.
Von der Qual der Angehörigen, die hilflos daneben stehen, ganz zu schweigen.

Sauerländer
22.04.2011, 12:42
Bernhard hat diese Frage im Zusammenhang mit der "Nachzucht" chronisch Kranker gestellt. In dem Zusammenhang ist diese Frage durchaus gerechtfertigt.
Ich für meinen Teil habe ein großes Problem damit, wenn Menschen, die als chronisch Kranke sicherlich einen Kostenfaktor darstellen, nur oder weit vorrangig unter diesem Aspekt gesehen werden. Ein SEHR großes.
Ansonsten müssten wir konsequenterweise auch wieder z.B. in Bereich der Eugenik vorstoßen.

harlekina
22.04.2011, 12:48
Mal etwas Statistik. (http://de.wikipedia.org/wiki/Fr%C3%BChgeburt#Probleme_des_Fr.C3.BChgeborenen)

Aufgrund diverser medizinisch-technischer Fortschritte steigt die Zahl der Kinder, die auch eine erheblich zu frühe Geburt überleben. Doch je unreifer ein Kind geboren wird, desto höher ist sein Risiko, eine bleibende Körperbehinderung oder kognitive Beeinträchtigungen zu bekommen. Auch das Risiko, eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung zu bekommen, ist durch eine Frühgeburt, unabhängig von einer genetischen Disposition, erhöht. So werden bei durchschnittlich vier von fünf Kindern, die vor der 26. Schwangerschaftswoche geboren wurden, im Alter von sechs Jahren entsprechende Schädigungen nachgewiesen, die eindeutig auf die unüblich frühe Geburt zurückgeführt werden können. Studien weisen darauf hin, dass langfristig gesehen Kinder, die bei ihrer Geburt weniger als 1.000 Gramm wogen, häufiger gesundheitliche Beeinträchtigungen entwickeln als andere Kinder: Eine amerikanische Studie, bei der 219 ehemals frühgeborene Kinder im Alter von acht Jahren untersucht wurden, fanden sich bei 21 % Asthmaerkrankungen (im Gegensatz zu 9 % in der Kontrollgruppe), bei 47 % motorische Störungen (im Gegensatz zu 10 % in der Kontrollgruppe) und bei 38 % ein Intelligenzquotient von weniger als 85 (im Gegensatz zu 15 % in der Kontrollgruppe). In einer weiteren Studie wurde statistisch nachgewiesen, dass frühgeborene Männer und Frauen weniger Nachkommen haben. Bei frühgeborenen Frauen ist zudem das Risiko erhöht, selbst eine Frühgeburt zu erleiden. 25 % aller extremen Frühgeburten (Geburtsgewicht < 1.000g) zeigen im Kindesalter Anzeichen von Autismus. Auch eine Lernbehinderung oder mehrere (wie beispielsweise eine Lese-Rechtschreib-Schwäche oder/und Rechenschwäche) kommen bei extremen Frühgeburten sehr viel häufiger vor als unter Reifgeborenen. Von den ehemaligen Frühchen mit einem oder weniger als einem Kilo Geburtsgewicht ist laut US-Statistik jedes Zweite im Alter von acht Jahren lernbehindert. Auch psychische Störungen (wie z. B. Depressionen und Angststörungen) und Verhaltensauffälligkeiten kommen unter extremen Frühgeburten häufiger vor.

Sauerländer
22.04.2011, 12:49
Jein. Würde es sich um mein Kind handeln, dass da vor der Zeit auf die Welt geschubst wurde, würde ich selbstredend erwarten, dass Himmel und Erde in Bewegung gesetzt würden, um das Menschlein zu retten.

Andererseits können wir in der Zeit der explodierenden Pflege- und Krankheitskosten nicht die Augen verschließen, wo diese Quellen liegen.
Wenn man berechnet, was ein Vollpflegeplatz kostet, um jemanden mit Gerätemedizin am Leben zu erhalten, der das gar nicht will, es aber nicht mehr äußern kann, muss man zumindest darüber geredet können.
Von der Qual der Angehörigen, die hilflos daneben stehen, ganz zu schweigen.
Der entscheidende Satz hier ist "der das gar nicht will". Ja, in diesem Fall sollten sich Mittel und Wege finden lassen. Sei es nun dadurch, dass im Fall des Falles nicht reanimiert wird, oder entscheidende Apparate ausgeschaltet werden. (Was was anderes ist als aktive STerbehilfe, die ich nochmal gesondert problematisieren würde).
Im Falle des Patienten, der sich nicht mehr äußern kann und vorher keine Willenserklärung abgegeben hat, ist es natürlich doppelt schwierig, denn da wird den Angehörigen ein Entscheidungsbrocken auferlegt, den man niemandem wünschen möchte. Den ihnen aber letztlich niemand abnehmen kann. In meiner Familie gibt es daher entsprechende Absprachen.

Das sind aber Aspekte, die ich strikt vom finanziellen Aspekt getrennt sehen würde. Wir sind eines der führenden Länder dieser Welt. Es KANN hinten und vorne nicht angehen, wenn da aus finanziellen Gründen weniger passiert, als möglich wäre.

harlekina
22.04.2011, 12:55
Der entscheidende Satz hier ist "der das gar nicht will". Ja, in diesem Fall sollten sich Mittel und Wege finden lassen. Sei es nun dadurch, dass im Fall des Falles nicht reanimiert wird, oder entscheidende Apparate ausgeschaltet werden. (Was was anderes ist als aktive STerbehilfe, die ich nochmal gesondert problematisieren würde).
Im Falle des Patienten, der sich nicht mehr äußern kann und vorher keine Willenserklärung abgegeben hat, ist es natürlich doppelt schwierig, denn da wird den Angehörigen ein Entscheidungsbrocken auferlegt, den man niemandem wünschen möchte. Den ihnen aber letztlich niemand abnehmen kann. In meiner Familie gibt es daher entsprechende Absprachen.

Das sind aber Aspekte, die ich strikt vom finanziellen Aspekt getrennt sehen würde. Wir sind eines der führenden Länder dieser Welt. Es KANN hinten und vorne nicht angehen, wenn da aus finanziellen Gründen weniger passiert, als möglich wäre.

Wir sind vielleicht führend, aber wie gesund der Gesundheitssektor ist, muß ich Dir nicht erläutern, das weißt Du selber.

Sauerländer
22.04.2011, 12:59
Wir sind vielleicht führend, aber wie gesund der Gesundheitssektor ist, muß ich Dir nicht erläutern, das weißt Du selber.
Sicher.
Und das gereicht uns zur Schande.
Milliardenteure Technik in den Orbit schießen können - aber der Kassenpatient kann mitunter Wochen auf einen Arzttermin warten.

Manchmal möchte man den ganzen Mist hier einfach nur noch in die Luft jagen. :(

FranzKonz
22.04.2011, 13:23
Ich für meinen Teil habe ein großes Problem damit, wenn Menschen, die als chronisch Kranke sicherlich einen Kostenfaktor darstellen, nur oder weit vorrangig unter diesem Aspekt gesehen werden. Ein SEHR großes.
Ansonsten müssten wir konsequenterweise auch wieder z.B. in Bereich der Eugenik vorstoßen.

Damit werden wir uns unabhängig von den Kosten wegen der fortgeschrittenen Medizin aus ethischen Gründen befassen müssen, z.B. im Bereich prenataler Diagnostik.

Auf mein Verständnis von Bernhards Aussage bist Du nicht eingegangen. Darf sich die Medizin ihre chronisch Kranken züchten, um künftig Umsatz zu generieren?

Sauerländer
22.04.2011, 13:32
Damit werden wir uns unabhängig von den Kosten wegen der fortgeschrittenen Medizin aus ethischen Gründen befassen müssen, z.B. im Bereich prenataler Diagnostik.

Auf mein Verständnis von Bernhards Aussage bist Du nicht eingegangen. Darf sich die Medizin ihre chronisch Kranken züchten, um künftig Umsatz zu generieren?
Ich muss feststellen, dass ich diesen Satz so nicht verstehe.
Es ist ja keineswegs so, dass da gezielt Menschen gewissermaßen künstlich erzeugt werden, die beabsichtigterweise entsprechende Macken aufweisen, nur um die dann als möglichst dauerhaft möglichst teure Versorgung benötigende Gewinnquellen sicher zu haben. Was, wenn es so zu sehen wäre, nur wieder ein Argument gegen profitorientierte Privatwirtschaft wäre.
Es geht eben vielmehr darum, dass Menschen bereits da sind, und vor diesem Hintergrund entschieden werden muss, wie mit ihrer Existenz umzugehen ist.

harlekina
22.04.2011, 13:33
Damit werden wir uns unabhängig von den Kosten wegen der fortgeschrittenen Medizin aus ethischen Gründen befassen müssen, z.B. im Bereich prenataler Diagnostik.

Auf mein Verständnis von Bernhards Aussage bist Du nicht eingegangen. Darf sich die Medizin ihre chronisch Kranken züchten, um künftig Umsatz zu generieren?

PND ist auch ein Thema, bei dem ich heißwerden könnte.
Es wird von vorneherein unterstellt, dass man ein Designerbaby züchten will, aber die Grundidee, nämlich Krankheiten auszuschließen, wird nicht ernst genommen.

harlekina
22.04.2011, 13:34
Ich muss feststellen, dass ich diesen Satz so nicht verstehe.
Es ist ja keineswegs so, dass da gezielt Menschen gewissermaßen künstlich erzeugt werden, die beabsichtigterweise entsprechende Macken aufweisen, nur um die dann als möglichst dauerhaft möglichst teure Versorgung benötigende Gewinnquellen sicher zu haben. Was, wenn es so zu sehen wäre, nur wieder ein Argument gegen profitorientierte Privatwirtschaft wäre.
Es geht eben vielmehr darum, dass Menschen bereits da sind, und vor diesem Hintergrund entschieden werden muss, wie mit ihrer Existenz umzugehen ist.

Vor noch nicht allzulanger Zeit hätte es dieses Thema nicht gegeben, da man der Natur ihren Lauf gelassen hat.
Dadurch, dass man mit aller Gewalt leben retten will und kein Augenmerk auf die Spätfolgen wirft, wird "chronisch gezüchtet."

MorganLeFay
22.04.2011, 13:39
Ich weiss nciht, was ich von sowas halten soll. Wie harlekina sagte, wenn's mein eigenes waere, wuerde ich sicher wollen, dass alles menschenmoegliche getan wird, zumindest auf der emotionalen Ebene.

Generell finde ich allerdings beaengstigend, dass immer kleinere Wuermchen irgendwie durchgebracht werden, egal, was die Spaetfolgen sind.

Sauerländer
22.04.2011, 13:44
Vor noch nicht allzulanger Zeit hätte es dieses Thema nicht gegeben, da man der Natur ihren Lauf gelassen hat.
Dadurch, dass man mit aller Gewalt leben retten will und kein Augenmerk auf die Spätfolgen wirft, wird "chronisch gezüchtet."
Die Forderung, "der Natur ihren Lauf zu lassen", hat für mich immer einen äußerst brisanten Beigeschmack. Denn konsequent läuft das eine Position hinaus, die zwar nicht an sich selbst sozialdarwinistisch ist, dem jedoch recht nahe steht.
Eine solidarische Gesellschaft hat geradezu zum Grundprinzip, der Natur NICHT ihren Lauf zu lassen. Ansonsten würde es nämlich für Alte, Kranke, Schwache, Krüppel, Geistig Behinderte, Minderintelligente oder sonstwie in der Konkurrenzsituation an allen Ecken und Ende richtig bitter. Radikal zuendegedacht wäre dann Medizin überhaupt von Übel.
Nochmals: Es geht nicht darum, unter allen Umständen Leben in die Länge zu ziehen. Es gibt so einige Fälle, vor allem solche, wo die betreffenden Personen selber einen entsprechenden Willen erklärt haben, wo ich es für legitim halte, es gut sein zu lassen.
Aber der hiesige Fall fällt nicht darunter.

marc
22.04.2011, 15:29
Geht mir ähnlich. Nur allzu oft bewirkt die moderne Medizin mehr Schaden als Nutzen, weil sie das nackte Leben über das lebenswerte Leben stellt.

Besonders schlimm finde ich das bei den Alten. Da werden viele Menschen mit Gewalt am Leben erhalten, für die das Leben nur noch eine Qual ist.

Salüte Franz,

Das will ich mal als Aufhänger nehmen, weil ich glaube, daß der Ruf nach Euthanasie auch dehalb lauter wird, weil viele Menschen berechtigte Angst davor haben, um jeden Preis am nur biologischen Leben erhalten zu werden - also aktive Sterbehilfe als Kehrseite des medizinischen "Aktivismus". Wer Euthanasie auf demokratischen Wege verhindern will, wird also nicht darum herukommen, den Menschen diese berechtigte Sorge zu nehmen.

Und: Wer keine Angst vor dem Dahinvegetieren und dem Sterbeprozess haben muss, kann sich auch mutiger gegen seine Unterdrücker zur Wehr setzen, was einer der Gründe dafür ist, warum so viele Politiker und Kirchenführer die aktive Sterbehilfe ablehnen.

Bei Eugenik und "Eugenik" bin ich skeptischer, weil es hier nicht um das "Recht auf Tod" geht, sondern um das Recht auf Leben und die Kernaussage ist, daß man dieses Recht nur erhält, wenn man sich in bestimmten Zuständen befindet und bestimmte Funktionen potentiell erfüllen kann. Die logische Konsequenz davon wäre, so wie es diverse Philosophen ja vorgeschlagen haben, die Menschenrechte durch "Personenrechte" zu ersetzen - denn ein Mensch ist man durch die Zugehörigkeit zu einer biologischen Gattung (bzw. Art), eine "Person" ist man nur, wenn man sich in Zustand X befindet und Funktion Y ausüben kann.

Ich gebe zu, daß das Abstraktionsniveau dieses Gedankens so hoch ist, daß dessen praktischen Konsequenzen möglicherweise gar nicht so dramatisch wären - aber: es wird ja i.d.R. kombiniert mit dem finanziellen Argument, das auch hier schon ins Spiel gebracht wurde. Und letztlich sind die Würfel immer dann gefallen, wenn jemand die Frage stellt, was "uns" das kostet. Das ist dann wie in diesem Theaterstück über den "Besuch der alten Dame", in dem die Würfel auch gefallen sind, als sich die Menschen überlegt haben, was sie das Überleben des Mannes eigentlich kostet.

Wir hätten also Argument A ("Personenrechte" nur bei Zustand X und Funktion Y) kombiniert mit Argument B (Ökonomisches Kalkül) und als Resultat von A+B?
Was ziemlich Häßliches, will ich meinen...

Das ist auch die Schwierigkeit bei der Sterbehilfe - denn gegenwärtig ist es ja so, daß die Verantwortung für das Weiterleben auf das System abgewälzt wird und werden kann. Es mag zwar mühselig und kostspielig sein, aber es geht halt nicht anderes. Wird die aktive Sterbehilfe aber legalisiert, kehrt sich die Verantwortlungslast um und wird auf die Betroffenen abgewälzt: sie wissen, daß sie ihren Angehörigen all die Mühen und all die Kosten ganz legal und ganz schmerzlos ersparen könnten. Und dieser Gedanke mag für den einen oder anderen so bedrückend sein, daß er dann tatsächlich nicht mehr leben möchte...

Aber letztlich spricht natürlich mehr für als gegen die aktive Sterbehilfe, zumal die Möglichkeit, X zu mißbrauchen, kein Argument dafür ist, X zu verbieten.

Lilly
22.04.2011, 15:59
Europas jüngstes Frühchen. (http://www.abendblatt.de/vermischtes/article1864329/Europas-juengstes-Fruehchen-21-Wochen-alt-460-Gramm-schwer.html)



Ich weiß nicht, wie es euch geht. Ich bin einerseits immer ganz gerührt, wenn es doch gelingt, so ein kleines bisschen Mensch aufzupäppeln,andererseits bin ich unsicher über die Spätfolgen. (http://www.wdr.de/tv/quarks/sendungsbeitraege/2010/0525/005_medizin.jsp)

Mir treibt es die Tränen in die Augen. Meine Tochter hatte versucht, in der 24. Woche zur Welt zu kommen. Es gab die übliche Prozedur mit Wehenhemmer, Liegen usw.... (ich weiß noch, dass gerade "Dallas" lief, als ich ins KH kam:cool:). Es ging gut und sie kam dann sogar nach dem errechneten Zeitpunkt. Der Arzt sagte mir hinterher, sie hätte nicht die geringste Chance gehabt. Das war vor 25 Jahren, inzwischen hat die Medizin erstaunliche Fortschritte gemacht.

Natürlich kann man sich fragen, ob es sinnvoll ist, so ein Menschlein künstlich am Leben zu erhalten, vor allem auch im Hinblick auf Spätfolgen, aber wenn es sich um das eigene Kind handelt, denkt man darüber anders.

Meine Schnecke wollte sogar schon in der 11. Woche ans Licht der Welt und da machte der Arzt gar nichts. Er sagte, dass er zu diesem Zeitpunkt nichts unternehmen werde, da würde er ganz alleine die Natur entscheiden lassen und das fand und findeich in Ordnung.

Meine Tochter ist übrigens kerngesund!

Bei alten Menschen und unheilbar Krankien bin ich immer ein bisschen in der Zwickmühle. Ich glaube, da kann man nicht generell sagen, so und so, das muß wohl von Fall zu Fall entschieden werden.

harlekina
22.04.2011, 16:04
Mir treibt es die Tränen in die Augen. Meine Tochter hatte versucht, in der 24. Woche zur Welt zu kommen. Es gab die übliche Prozedur mit Wehenhemmer, Liegen usw.... (ich weiß noch, dass gerade "Dallas" lief, als ich ins KH kam:cool:). Es ging gut und sie kam dann sogar nach dem errechneten Zeitpunkt. Der Arzt sagte mir hinterher, sie hätte nicht die geringste Chance gehabt. Das war vor 25 Jahren, inzwischen hat die Medizin erstaunliche Fortschritte gemacht.

Natürlich kann man sich fragen, ob es sinnvoll ist, so ein Menschlein künstlich am Leben zu erhalten, vor allem auch im Hinblick auf Spätfolgen, aber wenn es sich um das eigene Kind handelt, denkt man darüber anders.

Meine Schnecke wollte sogar schon in der 11. Woche ans Licht der Welt und da machte der Arzt gar nichts. Er sagte, dass er zu diesem Zeitpunkt nichts unternehmen werde, da würde er ganz alleine die Natur entscheiden lassen und das fand und findeich in Ordnung.

Meine Tochter ist übrigens kerngesund!

Bei alten Menschen und unheilbar Krankien bin ich immer ein bisschen in der Zwickmühle. Ich glaube, da kann man nicht generell sagen, so und so, das muß wohl von Fall zu Fall entschieden werden.
Lilly, es ist mit allem so: sobald man persönlich involviert ist, hat die logische Seite keine Chance mehr, aber genau dann kämpft man.

FranzKonz
22.04.2011, 16:21
Ich muss feststellen, dass ich diesen Satz so nicht verstehe.
Es ist ja keineswegs so, dass da gezielt Menschen gewissermaßen künstlich erzeugt werden, die beabsichtigterweise entsprechende Macken aufweisen, nur um die dann als möglichst dauerhaft möglichst teure Versorgung benötigende Gewinnquellen sicher zu haben. Was, wenn es so zu sehen wäre, nur wieder ein Argument gegen profitorientierte Privatwirtschaft wäre.
Es geht eben vielmehr darum, dass Menschen bereits da sind, und vor diesem Hintergrund entschieden werden muss, wie mit ihrer Existenz umzugehen ist.


...
Die logische Konsequenz davon wäre, so wie es diverse Philosophen ja vorgeschlagen haben, die Menschenrechte durch "Personenrechte" zu ersetzen - denn ein Mensch ist man durch die Zugehörigkeit zu einer biologischen Gattung (bzw. Art), eine "Person" ist man nur, wenn man sich in Zustand X befindet und Funktion Y ausüben kann.

Ich gebe zu, daß das Abstraktionsniveau dieses Gedankens so hoch ist, daß dessen praktischen Konsequenzen möglicherweise gar nicht so dramatisch wären - aber: es wird ja i.d.R. kombiniert mit dem finanziellen Argument, das auch hier schon ins Spiel gebracht wurde. Und letztlich sind die Würfel immer dann gefallen, wenn jemand die Frage stellt, was "uns" das kostet.

...

Aber letztlich spricht natürlich mehr für als gegen die aktive Sterbehilfe, zumal die Möglichkeit, X zu mißbrauchen, kein Argument dafür ist, X zu verbieten.

Beides wesentliche Gedankengänge, die den ethischen Teil betrachten.

Ich sehe aber auch die Kosten als einen sehr wesentlichen Bestandteil der Diskussion. Warum muß die Lebensqualität gesunder Personen hinter der künstlichen Verlängerung des Lebens kranker Menschen zurückstehen?

Jede Mark, die ich für die Verlängerung (Achtung: bitterböses Wort!) unwerten Lebens ausgebe, steht nicht mehr für die Verbesserung der Qualität aktiven Lebens zur Verfügung. Man kann eine Mark eben nur einmal ausgeben. Zumindest solange man kein Finanzminister ist.

Cash!
22.04.2011, 16:32
Wer findet den Kommentar des Chefarztes auch so komisch, wie ich?


"Ihr Leben hing bisweilen am seidenen Faden, aber sie biss sich durch", berichtete der Chefarzt

:D :D :D

Parker
22.04.2011, 16:35
Beides wesentliche Gedankengänge, die den ethischen Teil betrachten.

Ich sehe aber auch die Kosten als einen sehr wesentlichen Bestandteil der Diskussion. Warum muß die Lebensqualität gesunder Personen hinter der künstlichen Verlängerung des Lebens kranker Menschen zurückstehen?

Jede Mark, die ich für die Verlängerung (Achtung: bitterböses Wort!) unwerten Lebens ausgebe, steht nicht mehr für die Verbesserung der Qualität aktiven Lebens zur Verfügung. Man kann eine Mark eben nur einmal ausgeben. Zumindest solange man kein Finanzminister ist.

Ein bißchen erinnert mich das ans alte Ägypten, wo ungeheuerliche Ressourcen in Verstorbene investiert wurden.

sibilla
22.04.2011, 16:47
dazu paßt auch dieses sehr gut

www.tim-lebt.de

in etwa die kehrseite der medaille


ich finde, frühchen hochzupäppeln und lebensverlängerung von alten durch geräte und strippen sind testversuche oder übungen, was ärztlich alles mach- und durchführbar ist innerhalb der gesetze (oder manchmal auch darüber hinaus?).

wie es dabei dem kleinen menschen oder dem alten menschen innerlich geht, ist nebensache - nicht erforschenswürdig.

für mich unter dem aspekt grausam.

grüßle s.

marc
22.04.2011, 17:15
Ich sehe aber auch die Kosten als einen sehr wesentlichen Bestandteil der Diskussion. Warum muß die Lebensqualität gesunder Personen hinter der künstlichen Verlängerung des Lebens kranker Menschen zurückstehen?

Jede Mark, die ich für die Verlängerung (Achtung: bitterböses Wort!) unwerten Lebens ausgebe, steht nicht mehr für die Verbesserung der Qualität aktiven Lebens zur Verfügung. Man kann eine Mark eben nur einmal ausgeben. Zumindest solange man kein Finanzminister ist.

Naja, wenn dein theoretisches Ziel darin besteht, die Lebensqualität von Menschen zu verbessern und du auf der praktischen Ebene dann abwägen willst, wie und wo man Geld am besten einsetzt, um dieses Ziel zu erreichen, habe ich ja kein Problem damit.

(Wenn jetzt zum Beispiel das Gesundheitsministerium Geld für eine Medienkampagne bereitstellt, die daran erinnern soll, daß Impotenz leicht behandelbar ist und Männer sich nicht schämen sollen, zum Arzt zu gehen, dann muss man ja auch abwägen, ob man von dem Geld für Anzeigen, Werbeleute etc. nicht lieber für irgendeinen afrikanischen Stamm Nahrungsmittel hätte kaufen sollen. Und nur ganzganz wenige Menschen würden daraus den Schluß ziehen, daß man dann auf die Kampagne verzichten sollte.)

Es ist aber die Frage, ob hinter diesem ökonomischen Argument immer der Gedanke steckt, abzuwägen, wo man die Lebensqualität von Menschen verbessern könnte, denn offensichtlich werden gegenwärtig doch viele Ressourcen in Dinge investiert, die die Lebensqualität der Menschen nicht verbessern und diese teilweise sogar verschlechtern. In einem hypothetischen System mit "weisen Männern" an der Spitze des Staates wäre die Einbeziehung des wirtschaftlichen Abwägens nicht das Problem, in der gegenwärtigen Situation ist es aber schwieriger.

Mir fällt da gerade diese Floskel ein, wonach dieses oder jenes "gut für die Wirtschaft" sei - wohlgemerkt: nicht gut für einen klar definierbaren Akteur wie Immobilienbesitzer, Staatsrentner, Besitzer von Industriekapital, Lohnabhängige etc., sondern "gut für die Wirtschaft." Ich habe kurz gegooglet und diverses gefunden: Frauen in Führungspositionen gut für die Wirtschaft, Warum der christliche Glaube gut für die Wirtschaft ist, Schneller Atomausstieg ist gut für die Wirtschaft, Krieg ist gut für die Wirtschaft, EU-Osterweiterung gut für die Wirtschaft, Grün ist gut für die Wirtschaft etc. etc. etc.

Also was angeblich "gut für die Wirtschaft" sei, muss sich nicht unbedingt positiv auf die Lebensqualität der Menschen (incl. derjenigen, die glauben, besser zu wissen, was in Wirklichkeit "gut für die Wirtschaft" sei) auswirken, und die Einbeziehung von ökonomischen Interessen muss sich ebenfalls nicht positiv auf das Ziel, das größtmögliche Glück für die größtmögliche Anzahl an Menschen zu erreichen, auswirken.

JensVandeBeek
22.04.2011, 17:27
Europas jüngstes Frühchen. (http://www.abendblatt.de/vermischtes/article1864329/Europas-juengstes-Fruehchen-21-Wochen-alt-460-Gramm-schwer.html)



Ich weiß nicht, wie es euch geht. Ich bin einerseits immer ganz gerührt, wenn es doch gelingt, so ein kleines bisschen Mensch aufzupäppeln,andererseits bin ich unsicher über die Spätfolgen. (http://www.wdr.de/tv/quarks/sendungsbeitraege/2010/0525/005_medizin.jsp)

Wenn sie gut versogt wird, Spätfolgen müssen nicht sein. Ich wünsche ihr viel Glück, Kraft und beste Gesundheit

FranzKonz
22.04.2011, 19:21
Naja, wenn dein theoretisches Ziel darin besteht, die Lebensqualität von Menschen zu verbessern und du auf der praktischen Ebene dann abwägen willst, wie und wo man Geld am besten einsetzt, um dieses Ziel zu erreichen, habe ich ja kein Problem damit.

(Wenn jetzt zum Beispiel das Gesundheitsministerium Geld für eine Medienkampagne bereitstellt, die daran erinnern soll, daß Impotenz leicht behandelbar ist und Männer sich nicht schämen sollen, zum Arzt zu gehen, dann muss man ja auch abwägen, ob man von dem Geld für Anzeigen, Werbeleute etc. nicht lieber für irgendeinen afrikanischen Stamm Nahrungsmittel hätte kaufen sollen. Und nur ganzganz wenige Menschen würden daraus den Schluß ziehen, daß man dann auf die Kampagne verzichten sollte.)

Es ist aber die Frage, ob hinter diesem ökonomischen Argument immer der Gedanke steckt, abzuwägen, wo man die Lebensqualität von Menschen verbessern könnte, denn offensichtlich werden gegenwärtig doch viele Ressourcen in Dinge investiert, die die Lebensqualität der Menschen nicht verbessern und diese teilweise sogar verschlechtern. In einem hypothetischen System mit "weisen Männern" an der Spitze des Staates wäre die Einbeziehung des wirtschaftlichen Abwägens nicht das Problem, in der gegenwärtigen Situation ist es aber schwieriger.

Mir fällt da gerade diese Floskel ein, wonach dieses oder jenes "gut für die Wirtschaft" sei - wohlgemerkt: nicht gut für einen klar definierbaren Akteur wie Immobilienbesitzer, Staatsrentner, Besitzer von Industriekapital, Lohnabhängige etc., sondern "gut für die Wirtschaft." Ich habe kurz gegooglet und diverses gefunden: Frauen in Führungspositionen gut für die Wirtschaft, Warum der christliche Glaube gut für die Wirtschaft ist, Schneller Atomausstieg ist gut für die Wirtschaft, Krieg ist gut für die Wirtschaft, EU-Osterweiterung gut für die Wirtschaft, Grün ist gut für die Wirtschaft etc. etc. etc.

Also was angeblich "gut für die Wirtschaft" sei, muss sich nicht unbedingt positiv auf die Lebensqualität der Menschen (incl. derjenigen, die glauben, besser zu wissen, was in Wirklichkeit "gut für die Wirtschaft" sei) auswirken, und die Einbeziehung von ökonomischen Interessen muss sich ebenfalls nicht positiv auf das Ziel, das größtmögliche Glück für die größtmögliche Anzahl an Menschen zu erreichen, auswirken.

Eben weil das Problem so vielschichtig ist, wird es sich im Rahmen des Forums nur schwer diskutieren lassen und selbst die allerbeste Lösung wird sich in der Praxis nicht durchsetzen lassen, weil allzuviele Egoismen, allzuviel Sendungsbewusstsein und allzuviel Dummheit regiert.

So wird weiterhin jeder versuchen müssen, für sich eine Lösung zu finden, mit der er leben kann.

FranzKonz
22.04.2011, 19:24
Ein bißchen erinnert mich das ans alte Ägypten, wo ungeheuerliche Ressourcen in Verstorbene investiert wurden.

Volker Pispers hat mal vorgerechnet, daß die letzte Woche im Leben eines Menschen so teuer sei, wie die Aufwendungen für den Rest des Lebens.

Sollte das richtig sein, sind wir auf einem ähnlichen Niveau.

Brotzeit
22.04.2011, 19:34
Wenn sie gut versogt wird, Spätfolgen müssen nicht sein. Ich wünsche ihr viel Glück, Kraft und beste Gesundheit

Dem kann ich mich nur anschliessen!

wobbels
22.04.2011, 22:22
Eben weil das Problem so vielschichtig ist, wird es sich im Rahmen des Forums nur schwer diskutieren lassen und selbst die allerbeste Lösung wird sich in der Praxis nicht durchsetzen lassen, weil allzuviele Egoismen, allzuviel Sendungsbewusstsein und allzuviel Dummheit regiert.

So wird weiterhin jeder versuchen müssen, für sich eine Lösung zu finden, mit der er leben kann.
Na das wäre doch ein schönes Schlußwort gewesen
(wenn der Thread geschlossen worden wäre).

Da es für mich kein unwertes Leben gibt, steht in einer Solidargemeinschaft die Frage gar nicht im Raum. Das Wissen, daß im Fall der Fälle alles getan wird, um das Leben des Individuums zu retten dürfte schließlich ein grundlegender Bestandteil des persönlichen Wohlbefindens aller Individuen sein.

Da das Leben an sich ein ständiger Kampf ums Überleben ist, den wir nur durch unsere Solidargemeinschaft so erfolgreich gegen die natürlichen Umstände bestehen, sollte der Überlebenskampf eines Individuums gegenüber jedweder interner Güterverteilung absolute Priorität genießen.

Ein Beispiel aus einem anderen Bereich:
Ich empfinde es als absolute Selbstverständlichkeit, daß eine Zeche die Produktion unterbricht und alle Verfügbaren Mittel bereitstellt, eine kleine Anzahl verschütteter Bergleute (ob lebendig oder tot) herauszuholen. Wirtschaftliche Gesichtspunkte sind hier irrelevant (haben irrelevant zu sein!).

Der Mensch ist (hat) schlicht kein singuläres Wesen.

Insofern stellt jede Bemühung der Gemeinschaft zum Schutze des Individuums eine Verbesserung der Lebensqualität aller anderen Individuen dar (auch wenn viele das nicht mehr erkennen).


Die Forderung, "der Natur ihren Lauf zu lassen", hat für mich immer einen äußerst brisanten Beigeschmack. [..] Radikal zuendegedacht wäre dann Medizin überhaupt von Übel.[..]

Genau. Dies ist zwar ein legitimer Ansatz, den ich aber auch nicht teile.

Man kann sicherlich der Ansicht sein, daß die Anwendung der Medizin den Genpool der Menschheit auf Dauer schädigt (ich sehe das allerdings anders). Aber dann muß in Konsequenz auch auf jegliche das Leben unterstützende Maßnahme verzichtet werden (inclusive Taschentücher bei Schnupfen), da jedwede Einmischung in den natürlichen Prozeß die genetische Entwicklung beeinträchtigt. In Konsequenz heißt das übrigens auch, daß wir uns unserer Kleidung entledigen und wieder aus den selbstgebauten Höhlen ausziehen - denn unsere Lebensspanne ist in dieser zivilisierten Zeit völlig unnatürlich lang.



PND ist auch ein Thema, bei dem ich heißwerden könnte.
Es wird von vorneherein unterstellt, dass man ein Designerbaby züchten will, aber die Grundidee, nämlich Krankheiten auszuschließen, wird nicht ernst genommen.
Hier jedoch liegt meines Erachtens ein schweres Mißverständnis vor:

Du kannst keine Krankheit ausschließen!
Du kannst nur ausschließen ein krankes Baby zur Welt kommen zu lassen!

PND zur frühzeitigen Behandlung wäre diskutabel, ohne Behandlung ist es Euthanasie.

Weiter_Himmel
22.04.2011, 22:39
Mal etwas Statistik. (http://de.wikipedia.org/wiki/Fr%C3%BChgeburt#Probleme_des_Fr.C3.BChgeborenen)

Aufgrund diverser medizinisch-technischer Fortschritte steigt die Zahl der Kinder, die auch eine erheblich zu frühe Geburt überleben. Doch je unreifer ein Kind geboren wird, desto höher ist sein Risiko, eine bleibende Körperbehinderung oder kognitive Beeinträchtigungen zu bekommen. Auch das Risiko, eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung zu bekommen, ist durch eine Frühgeburt, unabhängig von einer genetischen Disposition, erhöht. So werden bei durchschnittlich vier von fünf Kindern, die vor der 26. Schwangerschaftswoche geboren wurden, im Alter von sechs Jahren entsprechende Schädigungen nachgewiesen, die eindeutig auf die unüblich frühe Geburt zurückgeführt werden können. Studien weisen darauf hin, dass langfristig gesehen Kinder, die bei ihrer Geburt weniger als 1.000 Gramm wogen, häufiger gesundheitliche Beeinträchtigungen entwickeln als andere Kinder: Eine amerikanische Studie, bei der 219 ehemals frühgeborene Kinder im Alter von acht Jahren untersucht wurden, fanden sich bei 21 % Asthmaerkrankungen (im Gegensatz zu 9 % in der Kontrollgruppe), bei 47 % motorische Störungen (im Gegensatz zu 10 % in der Kontrollgruppe) und bei 38 % ein Intelligenzquotient von weniger als 85 (im Gegensatz zu 15 % in der Kontrollgruppe). In einer weiteren Studie wurde statistisch nachgewiesen, dass frühgeborene Männer und Frauen weniger Nachkommen haben. Bei frühgeborenen Frauen ist zudem das Risiko erhöht, selbst eine Frühgeburt zu erleiden. 25 % aller extremen Frühgeburten (Geburtsgewicht < 1.000g) zeigen im Kindesalter Anzeichen von Autismus. Auch eine Lernbehinderung oder mehrere (wie beispielsweise eine Lese-Rechtschreib-Schwäche oder/und Rechenschwäche) kommen bei extremen Frühgeburten sehr viel häufiger vor als unter Reifgeborenen. Von den ehemaligen Frühchen mit einem oder weniger als einem Kilo Geburtsgewicht ist laut US-Statistik jedes Zweite im Alter von acht Jahren lernbehindert. Auch psychische Störungen (wie z. B. Depressionen und Angststörungen) und Verhaltensauffälligkeiten kommen unter extremen Frühgeburten häufiger vor.

Das sind aber letztendlich alles nur sehr leichte Schädigungen die darüberhinaus nicht mal bei allen auftreten sondern nur bei einen % Satz der unter 50 liegt.

Deswegen wird ein Leben nicht unwert.Wir reden hier nicht über schwerste Schädigungen die nur leid mit sich bringen.

Hrafnaguð
23.04.2011, 01:17
Besonders schlimm finde ich das bei den Alten. Da werden viele Menschen mit Gewalt am Leben erhalten, für die das Leben nur noch eine Qual ist.

Wenn man es richtig anstellt, dann kann man schon dafür Sorgen, das den geliebten Angehörigen ein würdevoller Tod im heimischen Bett gesichert ist.
Man muß dann eben die fraglichen LebenumjedenPreis Ärzte übergehen und sich an eine Palliativstation, bzw Palliativmediziner wenden, die ermöglichen würdevolles Sterben an einem angenehmen Ort.
Man hat ja, so man nächster Angehöriger ist, die Verfügungsgewalt und nicht ein irrer LebenverlängernumjedenPreis "Arzt".

Daphne
24.04.2011, 17:58
Aus persönlicher Erfahrung kann ich versichern dass kein Frühgeborenenmediziner ein Kind um jeden Preis am Leben erhalten wird.
Tatsächlich wird jedem Kind nach der Geburt durch maximale Intensivversorgung eine Chance gegeben zu kämpfen.
Ein großer Fortschritt war die künstliche Herstellung von Surfactant ... ein eigentlich körpereigener Stoff der nur ein einzigesmal im Leben vom Organismus gebildet wird. Er hilft beim ersten Atemzug die Lungenbläschen zu entfalten und verhindert dass sie wieder zusammenfallen können. Das künstliche Surfactant, das zu Beginn der Beatmung mehrmals in die kleinen Lungen gepresst wird hat die Beatmung der Frühchen signifikant verbessert, die Beatmungsdauer verkürzt, den Sauerstoffgehalt schnell auf Raumgehalt gesenkt und den Beatmungsdruck schnell verringert. Darüber gibt es seit 20 Jahren aussagekräftige Studien. Die Ärzte sehen auch bald wo das Kind steht, laufende Kontrolluntersuchungen verschaffen einen lückenlosen Verlauf über Komplikationen wie Hirnblutungen, Infektionen und bereits eingetretene Schädigungen. Auf den neonatologischen Stationen des Landes werden jeden Tag mit den Eltern Entscheidungen für die Kinder getroffen ... und damit meine ich die Entscheidung die maximale Versorgung nicht weiter zu verfolgen und der Natur ihren Lauf zu lassen.
Ein sehr wichtiger Punkt in dem die Ärzte in den letzten Jahren viel dazugelernt haben .... den auch die Kinder signalisieren wenn sie gehen wollen, wenn sie nicht mehr kämpfen können. Auch wenn das angesichts eines so winzigen Geschöpfes seltsam klingt .... aber sie kämpfen wirklich ... oder sie wollen gehen.
Und dann sollte man sie auch friedlich einschlafen lassen ....

Noch was .... ich denke jedes Frühchen hat diese Chance verdient den sonst müsste auch darüber nachgedacht werden ob dem Extremsportler seine Knochen wieder verschraubt werden dürfen oder dem Alkoholiker sein Leberleiden behandelt werden darf.

Lilly
24.04.2011, 18:15
Aus persönlicher Erfahrung kann ich versichern dass kein Frühgeborenenmediziner ein Kind um jeden Preis am Leben erhalten wird.
Tatsächlich wird jedem Kind nach der Geburt durch maximale Intensivversorgung eine Chance gegeben zu kämpfen.
Ein großer Fortschritt war die künstliche Herstellung von Surfactant ... ein eigentlich körpereigener Stoff der nur ein einzigesmal im Leben vom Organismus gebildet wird. Er hilft beim ersten Atemzug die Lungenbläschen zu entfalten und verhindert dass sie wieder zusammenfallen können. Das künstliche Surfactant, das zu Beginn der Beatmung mehrmals in die kleinen Lungen gepresst wird hat die Beatmung der Frühchen signifikant verbessert, die Beatmungsdauer verkürzt, den Sauerstoffgehalt schnell auf Raumgehalt gesenkt und den Beatmungsdruck schnell verringert. Darüber gibt es seit 20 Jahren aussagekräftige Studien. Die Ärzte sehen auch bald wo das Kind steht, laufende Kontrolluntersuchungen verschaffen einen lückenlosen Verlauf über Komplikationen wie Hirnblutungen, Infektionen und bereits eingetretene Schädigungen. Auf den neonatologischen Stationen des Landes werden jeden Tag mit den Eltern Entscheidungen für die Kinder getroffen ... und damit meine ich die Entscheidung die maximale Versorgung nicht weiter zu verfolgen und der Natur ihren Lauf zu lassen.
Ein sehr wichtiger Punkt in dem die Ärzte in den letzten Jahren viel dazugelernt haben .... den auch die Kinder signalisieren wenn sie gehen wollen, wenn sie nicht mehr kämpfen können. Auch wenn das angesichts eines so winzigen Geschöpfes seltsam klingt .... aber sie kämpfen wirklich ... oder sie wollen gehen.
Und dann sollte man sie auch friedlich einschlafen lassen ....

Noch was .... ich denke jedes Frühchen hat diese Chance verdient den sonst müsste auch darüber nachgedacht werden ob dem Extremsportler seine Knochen wieder verschraubt werden dürfen oder dem Alkoholiker sein Leberleiden behandelt werden darf.

Danke für diesen tollen, fundierten Beitrag.

meiermitm
24.04.2011, 19:05
Wenn jemand derartig früh "geboren" wird, hat das einen Grund. Anscheinend "meint" die Natur, dieses Leben ist aufgrund irgendwelcher Schäden nicht erhaltenswert.

Bei einem 460 Gramm Frühchen ist alles noch unterentwickelt. In Anbetracht der extremen Risiken halte ich es für grundfalsch, dieses Leben mit Gewalt weiterzuentwickeln. Das kann nur schiefgehen.

Bei "normalen" Frühchen, vielleicht 2-3 Wochen zu früh, dürfte dies anders aussehen. Sie sind im Prinzip schon ausreichend entwickelt und entsprechend gering ist das Risiko von lebenslangen Schäden.

Wo ist die Grenze? Ich würde sagen da, wo eine Mutter das Kind ohne ärztliche Hilfe hochpäppeln kann.

Daphne
25.04.2011, 09:02
Wenn jemand derartig früh "geboren" wird, hat das einen Grund. Anscheinend "meint" die Natur, dieses Leben ist aufgrund irgendwelcher Schäden nicht erhaltenswert.

Bei einem 460 Gramm Frühchen ist alles noch unterentwickelt. In Anbetracht der extremen Risiken halte ich es für grundfalsch, dieses Leben mit Gewalt weiterzuentwickeln. Das kann nur schiefgehen.

Bei "normalen" Frühchen, vielleicht 2-3 Wochen zu früh, dürfte dies anders aussehen. Sie sind im Prinzip schon ausreichend entwickelt und entsprechend gering ist das Risiko von lebenslangen Schäden.

Wo ist die Grenze? Ich würde sagen da, wo eine Mutter das Kind ohne ärztliche Hilfe hochpäppeln kann.


Glaub mir .... wenn es Dein Kind ist wirst Du nicht mehr nach einer Grenze fragen.
Da geht Dir nur noch der Arsch auf Grundeis und Du wirst die Ärzte um diese eine Chance für Dein Kind anbetteln.
Als ich vor über 20 Jahren meine Frühgeburt hatte und wochenlang nicht zur Ruhe gekommen bin habe ich oft genug zu hören bekommen "so eine Unvernunft .... es wäre doch besser für ihn .... Du kannst doch noch viele "richtige" Kinder bekommen" .... Sprüche von Leuten die selber das unverdiente Glück hatten ihre Kinder nach über 40 Wochen und zum Teil 4000 gr. Geburtsgewicht zu bekommen.
Es ist ziemlich einfach von Vernunft oder Unvernunft zu sprechen wenn es einen nicht selber betrifft.

wobbels
25.04.2011, 19:31
[...]
Als ich vor über 20 Jahren meine Frühgeburt hatte und wochenlang nicht zur Ruhe gekommen bin habe ich oft genug zu hören bekommen "so eine Unvernunft .... es wäre doch besser für ihn .... Du kannst doch noch viele "richtige" Kinder bekommen" [...]

Die Zeiten waren halt damals doch nicht besser.

Ich kann mir vorstellen, was Du damals durchgemacht hast.

harlekina
26.04.2011, 05:43
Die Zeiten waren halt damals doch nicht besser.

Ich kann mir vorstellen, was Du damals durchgemacht hast.

Medizinisch waren die Zeiten auf gar keinen Fall besser, da hast Du recht.