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Vollständige Version anzeigen : Bestes Kino - "Black Swan"



Heinrich_Kraemer
02.02.2011, 10:08
Einer der besten Filme, wenn nicht sogar der beste, den ich bis jetzt gesehen habe.

„Black Swan“

Beeindruckende, perfektionierte Klarheit, die ,geschickt durch Ablenkungsmanöver verschleiert, auf einen Punkt hin kristallklar durchbricht: ein Hochgenuß, irritierend, stark beeindruckend, schwer aus dem Kopf zu bekommen.

Man kann den Film schön in mehrere Ebenen einteilen, wobei der Drehbuchautor offensichtlich eine excellente zeichentheoretische Ausbildung genoß – solche Zufälle gibt es sonst wohl kaum.

1.Vulgärebene, oder besser Rahmenhandlung:

Beschrieben wird die Geschichte einer Balletttänzerin die die berufliche Chance ihres Lebens erarbeitet: die Hauptrolle eines neu inszenierten Klassikers.
Somit gibt es Neidfaktoren und Eifersüchteleien, es wird gemobbt; einerseits zwischen Mutter (welche die Tochter hart auf Leistung erzog) und Tochter (Heldin), andererseits zwischen direkter Kontrahentin und Heldin.
Dabei leidet die Heldin bereits an psychischen Störungen, wohl aufgrund der Härte ihrer Erziehung, ihres Berufs, ihrer gesamten Entwicklungsumgebung (offensichtlich ohne Vater aufgewachsen, keine Freunde usw.).
Es stellt sich die Frage nach sexueller Belästigung durch Vorgesetzten oder aber nach schwärmerischer Verliebtheit in diesen.

Keine Sorge, das dient nur zur Ablenkung!


2. sekundäre Symbolebene:

Der Film ist exakt über Oppositionspaare aufgebaut, welche sich analog auf allen Ebenen durchziehen, und läuft deshalb auch so prächtig.

Es wird ungeschönt die Dichotomie zwischen Ästhetik und den Folgen harter Arbeit zur Verwirklichung dieser in höchster Form dargestellt: psychisch wie physisch.


2.1. erste Phase:

Heldin (gut):
Psychisch: wohl noch Jungfrau, argwöhnisch, aber doch naiv vertrauensselig bei entscheidenden Dingen, hart asketisch zur Perfektion im Beruf, ehrlich, erfahrungsarm, weltfremd
Physisch: perfekte Technik

Kontrahentin (böse):
Psychisch: Sexuell salopp, intrigierend, niederträchtig, abgezockt berechnend - schön zusätzlich symbolisiert mit tätowierten schwarzen Flügeln auf dem Rücken -, liebt den Exzess (Alk, Drogen usw.), lügend, falsch
Physisch: weniger perfekte Technik

Problem: Heldin soll beide Figuren in den Hauptrollen verkörpern: die gute, rein liebende Unschuld (weißer Schwan) UND die niederträchtige, berechnende Bösartigkeit (schwarzer).
Klappt selbstverständlich neben Technik bestens auch im Ausdruck für das Gute, wird aber problematisch im Ausdruck des Gegenparts: hölzern, nicht verführerisch usw.. DENN problematisch ist selbstverständlich die Darstellung (selbst neben höchst perfektionierter Technik) eines anderen Charakters, der dem eigenen völlig abweichend entspricht, weil sich dieser im Handlungsstil des Individuums niederschlägt. Man kann aus seiner Haut eben schlecht raus. Der Gegenpart des Bösen könnte sofern bestens von der Kontrahentin verwirklicht werden.


2.2. zweite Phase:

Heldin kommt vom ersten Drogentrip des Lebens nicht runter (naiv vertrauend), sie halluziniert und ihre falsche Wahrnehmung verändert ihren Charakter. Interessant dabei für den Zuschauer, daß auch er zwischen Fiktion und Realität nicht sofort unterscheiden kann.

Sie verschmilzt sofern mit einem Teil ihrer Psyche mit der ihrer Kontrahentin (auch über die Bettszene symbolisiert), was sich im Ausdruck ihres Tanzes bei der Premiere niederschlägt: Sie tanzt die Niedertracht perfekt, jetzt auch im Ausdruck.


2.3. dritte Phase:

Das Finale des weissen übersteigt dann nochmal alles im Ausdruck, alles dargewesene. Die Metapher der Schwanenrolle wird aufgelöst, indem die Heldin nichtmehr diese Rolle tanzt/spielt als Abbild für etwas anderes, sondern sich selbst: Sie ist die körperlich und psychisch gewordene tatsächliche Schwanenfrau, als realisiertes Ideal.

Sie hat somit die absolute Perfektion des ästhetischen Ausdrucks erreicht: die blanke Wahrheit in höchster ästhetischer Perfektion dargestellt. Sie wurde unsterblich – ein Mythus!
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Unglaublich beeindruckend, weil, mit ein bisschen Empfinden für das Schöne und die Wahrheit, sich der Moment der Wahrheit in seiner reinsten ästhetischen Form zeigt. Wirkt extrem lange und tief nach.

Kurz: Unbeschreibbarer Eindruck.

- Habs mir im Adria hier in Berlin angeschaut (dieser Film gehört auf gar keinen Fall in einen Unterschichtententempel wie z.B. Cinemaxx o.ä., in welchem Rambo von Harry Potter abgelöst wird, sondern in ein klassisches; für so einen Kracher muß der Rahmen schon auch passen): Ungelogen ist keiner der c.a. 400 (ausverkauft) Besucher aufgestanden, bevor nicht zwei drittel des Abspanns vorbei waren. Ich selber konnte nicht. -

Empfehlung nur für Ästheten: unbedingt anschauen!!!

Der Augenblick
04.02.2011, 09:46
Nix für mich, ich mag solche schnulzige romanzen gepaart mit Tanzeinlagen nicht!

Schwarzer Rabe
04.02.2011, 09:50
Nix für mich, ich mag solche schnulzige romanzen gepaart mit Tanzeinlagen nicht!

Der Inhalt ist das Ziel, nicht das Offensichtliche!

Suppenkasper
04.02.2011, 10:56
Wenn man den Film als das begreift was er ist, dann ist er vermutlich recht unterhaltsam und aufschlussreich, ich werde ihn mir wahrscheinlich ansehen. Die wahre Metaebene liegt allerdings ganz woanders als der Strangersteller dies vermutet, sie ist mit wadenbeissender Offensichtlichkeit eine rein okkulte. Es würde mich wundern, sollte Natalie Portman nicht den Oscar für ihre Rolle erhalten.

Janne25
04.02.2011, 18:52
Ich hasse Hollywoodkino, vor allem das pseudokritische Gesülz. Ist doch alles Mainstream.

Einzig Natalie Portman ist sehenswert, würd ich sagen.

romeo1
04.02.2011, 19:09
Die Einschätzung des Strangerstellers kann ich bestätigen. Mußte mir zwar den Film auf Drängen meines Frauchens anschauen - es war aber trotzdem eine Überraschung. Auch habe ich es noch nie erlebt, daß das Publikum nach dem Ende des Films noch minutenlang sitzengeblieben ist. Erst nach dem Abspann und dem Anschalten der Beleuchtung leerte sich der Saal allmählich.

marc
04.02.2011, 23:07
Die wahre Metaebene (...) ist mit wadenbeissender Offensichtlichkeit eine rein okkulte.

Inwiefern?

Suppenkasper
04.02.2011, 23:09
Dafür ist's mir heute zu spät, ich erläuetere es aber gerne bei Gelegenheit. ;)

Heinrich_Kraemer
05.02.2011, 11:27
Nix für mich, ich mag solche schnulzige romanzen gepaart mit Tanzeinlagen nicht!

Das Gegenteil ist der Fall: nichts Schnulze, weil z.T. die ungeschönte Realität abgebildet wird. Auch nichts mit Liebesgeschichte.

Allerdings gibt es keine Explosionen, Schießereien, Verfolgungsjagden usw. - nichts für Actionfreunde.

Heinrich_Kraemer
05.02.2011, 12:27
Wenn man den Film als das begreift was er ist, dann ist er vermutlich recht unterhaltsam und aufschlussreich, ich werde ihn mir wahrscheinlich ansehen. Die wahre Metaebene liegt allerdings ganz woanders als der Strangersteller dies vermutet, sie ist mit wadenbeissender Offensichtlichkeit eine rein okkulte. Es würde mich wundern, sollte Natalie Portman nicht den Oscar für ihre Rolle erhalten.

Esoterisches, Phantastisches hab ich zumindest dort nicht gesehen. Die Handlung ist völlig klar, nichts bleibt im Ungewissen. Herr Arnofsky ist zudem Anthropologe, wobei in USA zeichentheoretische Ansätze hoch im Kurs stehen (vgl. Simpsons z.B.), ganz im Gegensatz zu Deutschland. Dieser Film ist perfekt konstruiert, über Oppositionspaare.

Kirmes31
11.02.2011, 22:20
Sorry, da bin ich anderer Meinung.
Hier wurde versucht im Stile eines Brian De Palma und David Lynch Regie zu führen ohne auch nur annähernd die Güte dieser beiden Topregisseure zu erreichen.

P.S.
Der letzte Film der mich faszinierd hat war Der Antichrist von Lars von Trier.
http://de.wikipedia.org/wiki/Antichrist_%28Film%29

Ausonius
11.02.2011, 23:01
P.S.
Der letzte Film der mich faszinierd hat war Der Antichrist von Lars von Trier.
http://de.wikipedia.org/wiki/Antichrist_%28Film%29

Ein schockierender Film, zweimal musste ich sogar weggucken, obwohl ich bei Filmen hartgesotten bin. Trotzdem sehr gut, wobei ich sagen muss, dass mir hier ausnahmsweise mal die Kameraarbeit + Nachbearbeitung besser gefiel als Schauspieler, Story und Regie. Faszinierende Bilder. Dann noch die Story, dass Lars von Trier damit seine Depressionen verarbeiten wollte. Wenn das dabei rauskamen, möchte ich wirklich niemals in seinem Kopf stecken.

Bellerophon
12.02.2011, 18:56
Ein schockierender Film, zweimal musste ich sogar weggucken, obwohl ich bei Filmen hartgesotten bin. Trotzdem sehr gut, wobei ich sagen muss, dass mir hier ausnahmsweise mal die Kameraarbeit + Nachbearbeitung besser gefiel als Schauspieler, Story und Schauspieler. Faszinierende Bilder. Dann noch die Story, dass Lars von Trier damit seine Depressionen verarbeiten wollte. Wenn das dabei rauskamen, möchte ich wirklich niemals in seinem Kopf stecken.

Trier ist einfach derbe.

Hat ja auch den (!) Antigutmenschfilm überhaupt, Dogville gemacht.

Bzw. die bislang 2 Antigutmenschfilme überhaupt - Dogville und Manderlay.

Marathon
27.03.2011, 14:10
Fast alle Tanzszenen wurden von Sarah Lane gedoubled.
Anschließend hat man das Gesicht von Natalie Portman digital draufkopiert.



Natalie Portman 'only did five percent' of full-body shots in Black Swan, claims dancing double
[...]
Lane says she performed many of the incredible dance sequences and Portman's face was then digitally placed onto the professional dancer's body.

http://www.dailymail.co.uk/tvshowbiz/article-1370314/Natalie-Portman-did-percent-body-shots-Black-Swan-claims-dancing-double.html