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Vollständige Version anzeigen : Ökonomischer Sachverstand in PF gefragt



Pirx
05.06.2005, 09:24
Hallo allerseits!
Ich zitiere einmal aus dem Thema Euro/Wachstumsbremse:
"... Deutschland habe mit der Euro-Einführung seinen Realzins-Vorteil gegenüber den anderen Staaten der Währungsunion verloren. Der Euro habe für die früheren Hochzinsländer Griechenland, Irland, Portugal und Spanien «enorme Finanzierungsvorteile gebracht, die praktisch wie Steuersenkungen wirken ... allein für Spanien mache der Effekt 3,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus, während für Deutschland der Nachteil 1,4 Prozent betrage."
Kann hier vielleicht jemand einem belämmerten ;( Nichtökonomen erklären, was "Realzinsvorteil" bedeutet und wie das mit dem Euro in Zusammenhang steht?

Tausend Dank im voraus!

obwohlschon
05.06.2005, 10:34
Bei einer Inflationsrate von 1,6% und einem Kapitalmarktzins von 3% betrüge der Realzins 1,4%.

Wenn nun die Euro-weite Inflation 2% beträgt und der Kapitalmarktzins 3%, beträgt der Euro-weite Realzins 1%.

Liegt die Inflation in D bei 1,6% beträgt der Realzins 1,4% in D. Und liegt die Inflation in I bei 2,5% beträgt der Realzins in I 0,5%.

Schlecht für deutsche Unternehmen, gut für italienische.

Pirx
05.06.2005, 11:29
Aj ja! So langsam beginnt es zu dämmern. Und der Kapitalzins wird von der EZB oder so festgelegt?

obwohlschon
05.06.2005, 11:49
Aj ja! So langsam beginnt es zu dämmern. Und der Kapitalzins wird von der EZB oder so festgelegt?
Die EZB legt den Leitzeins fest. Derzeit bei 2%. Der Kapitalmarktzins richtet sich u.a. danach, liegt aber höher und ergibt sich auf dem Markt. Im Prinzip nach Angebot und Nachfrage.

Sinkt der Leitzins, dann sinkt in der Regel auch der Kapitalmarktzins und umgekehrt.

Pirx
05.06.2005, 12:16
Meister, ich danke für die Belehrung (tiefe asiatische Verbeugung :D )! Ist es angemessen, dass ich mich jetzt irgendwie ein wenig enteignet und ausgeplündert vorkomme, oder ist das nur die übliche schlechtmenschliche neonazistisch-rassistisch-sexistisch-verschwörungstheoretische Paranoia?

obwohlschon
05.06.2005, 13:37
Meister, ich danke für die Belehrung (tiefe asiatische Verbeugung :D )! Ist es angemessen, dass ich mich jetzt irgendwie ein wenig enteignet und ausgeplündert vorkomme, oder ist das nur die übliche schlechtmenschliche neonazistisch-rassistisch-sexistisch-verschwörungstheoretische Paranoia?
Wie meinen?

Pirx
05.06.2005, 15:03
Na ja, als deutschem Otto Normalverbraucher wird einem dann doch euromäßig ganz schön das Fell über die Ohren gezogen, oder? Und wenn ich dann an die organisierten Jubelfeiern zur letzten EU-Erweiterung zurückdenke - das war schon ziemlich DDR-stylish. Auf jeden Fall läuft da etwas, mit dem ich nicht so wirklich einverstanden sein kann. Ach was! Wahrscheinlich nur wieder so eine paranoid schizophrene Episode. Wo ist mein Prozak?

obwohlschon
05.06.2005, 19:33
So einfach kann man das nicht sagen. Der Euro hat Vor- und Nachteile.

ortensia blu
05.06.2005, 20:11
So einfach kann man das nicht sagen. Der Euro hat Vor- und Nachteile.

Die deutsche Bevölkerung hatte aber keinen Vorteil durch den Euro. Für sie bedeutete die Einführung eine Geldentwertung.
Vorteilhaft war die Abschaffung der starken Deutschen Mark doch hauptsächlich für die Exportindustrie.

Für Länder wie Italien, Griechenland oder Portugal, war die Einführung des Euro sicherlich ein Gewinn.

obwohlschon
05.06.2005, 23:32
Die deutsche Bevölkerung hatte aber keinen Vorteil durch den Euro. Für sie bedeutete die Einführung eine Geldentwertung.
Inwieweit?

Manfred_g
05.06.2005, 23:47
Die deutsche Bevölkerung hatte aber keinen Vorteil durch den Euro. Für sie bedeutete die Einführung eine Geldentwertung.
Vorteilhaft war die Abschaffung der starken Deutschen Mark doch hauptsächlich für die Exportindustrie.

Für Länder wie Italien, Griechenland oder Portugal, war die Einführung des Euro sicherlich ein Gewinn.

Nur weil ein Vorteil nicht so unmittelbar hervortritt, heißt das nicht, daß er nicht da ist. Alle Wirtschaften (Export und Import) haben durch den innereuropäisch festen Wechselkurs einen nicht zu unterschätzenden Vorteil der Zuverlässigkeit, der auch an die Arbeitnehmer weitergereicht wird.

Von der Annehmlichkeit als Urlauber kein Geld mehr tauschen müssen, will ich mal ganz schweigen.

Abgesehen davon ist der Euro eigentlich nicht gerade schwach.

Was die Geldentwertung betrifft wurde der Verbraucher doch lediglich durch einige inländische Händler und Firmen übers Ohr gehauen, weil man die Kopfrechenschwäche der Leute ausgenutzt hat. ;)

Manfred_g
05.06.2005, 23:56
Meister, ich danke für die Belehrung (tiefe asiatische Verbeugung :D )!

Dein Dankbarkeits-Ritual will ich nicht kommentieren :D


Ist es angemessen, dass ich mich jetzt irgendwie ein wenig enteignet und ausgeplündert vorkomme, oder ist das nur die übliche schlechtmenschliche neonazistisch-rassistisch-sexistisch-verschwörungstheoretische Paranoia?

Eher letzteres würde ich sagen :) Denn Obwohlschon's Beispiel ist ja im Prinzip auch umkehrbar und nicht grundsätzlich auf Deutschland festgeschrieben. Ausserdem haben höhere Zinsen auch Vorteile, nämlich für Sparer und Anleger. Es hängt eben auch jeweils von der Wirtschaftslage ab.

mentecaptus
06.06.2005, 01:04
Die deutsche Bevölkerung hatte aber keinen Vorteil durch den Euro. Für sie bedeutete die Einführung eine Geldentwertung.
Vorteilhaft war die Abschaffung der starken Deutschen Mark doch hauptsächlich für die Exportindustrie.

Für Länder wie Italien, Griechenland oder Portugal, war die Einführung des Euro sicherlich ein Gewinn.
Abgesehen davon, dass auch in der deutschen Exportindustrie deutsche Arbeitsplätze vorhanden sind und diese Teile der Bevlkerung also indirekt profitierten, haben die Reiseweltmeister in den Staaten der EUROzone den Vorteil, dass sie mit der gleichen Währung bezahlen können (und darüber hinaus die Wechselgebühren sparen).

Pirx
06.06.2005, 06:17
Nun wurden die Differenzen beim Realzins aber durchaus als Wachstumsbremse für Deutschland aufs Tapet gebracht. Der Welle-Teilchen-Dualismus gilt nur im Mikrokosmos, nicht für EU-Bürger. Ich bin nicht Deutscher und Ire gleichzeitig, sondern für mich gelten nur die deutschen Parameter. Und wenn Euro heißt, dass auf lange Sicht kein Wachstum für Deutschland zu erwarten ist, sondern nur für Länder, die aus eigener Kraft kaum den Status eines Schwellenlandes überwunden hätten, dann fühle ich mich durch den Euro-Sozialismus enteignet.

obwohlschon
06.06.2005, 06:29
Nun wurden die Differenzen beim Realzins aber durchaus als Wachstumsbremse für Deutschland aufs Tapet gebracht. Der Welle-Teilchen-Dualismus gilt nur im Mikrokosmos, nicht für EU-Bürger. Ich bin nicht Deutscher und Ire gleichzeitig, sondern für mich gelten nur die deutschen Parameter. Und wenn Euro heißt, dass auf lange Sicht kein Wachstum für Deutschland zu erwarten ist, sondern nur für Länder, die aus eigener Kraft kaum den Status eines Schwellenlandes überwunden hätten, dann fühle ich mich durch den Euro-Sozialismus enteignet.
Es gibt noch andere Parameter, die den Kapitalmarktzins für ein Land bestimmen. Z.B. die Bonität des Landes, die politische Stabilität etc.

Wie groß die Kapitalmarktzinsen zwischen den einzelnen Ländern schwanken und wie groß bei gegebenen Inflationsraten die Realzinsunterschiede tatsächlich sind, wäre zu prüfen.

Und es ist ja nicht so, daß bei einem höheren Realzins in einem Lande alle benachteiligt sind. Benachteiligt sind die Kreditgeber, die Kreditgeber, also auch die Sparer und Kapitalanleger profitieren von höheren Realzinsen. Durch höhere Realzinsen wird die Sparneigung gestärkt, die ja wiederum ein Voraussetzung für Kapitalbildung und Investitionen ist.

Diese Fragen sind höchst diffizil und entziehen sich platter Polemik und holzschnittartiger Argumentation.