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Vollständige Version anzeigen : Staatsfernsehen: Äpfel, Birnen und ARD-Moderatoren



Kreuzritter2685
27.11.2010, 21:46
DGB kratzt an der Existenzgrundlage von Dritte-Welt-Näherinnen

Wenn es um die Medien meines Heimatlandes Italien geht, dann wird in Ländern wie Deutschland immer schnell geschimpft, Berlusconi habe so viel Macht und beeinflusse die öffentliche Meinung. Andererseits hinterfragt hier in Deutschland kaum einer die Macht der öffentlich-rechtlichen Sender mit ihrem Milliardenetat.

Erst in dieser Woche habe ich wieder einen TV-Beitrag gesehen, der mir den Atem stocken ließ: Am Mittwoch lief im ARD-Morgenmagazin ein Bericht mit dem Titel „Besuch der Näherinnen“. Darin ging es um die aus Bangladesch stammende Näherin namens Jessmin Begum, die „weit gereist ist, um aufzuklären.“ Zu sehen ist, wie die 26-jährige durch die Hannoveraner Einkaufspassage schlendert und vor Schaufenstern von Modeläden steht. In ihrer Heimat herrschten miese Arbeitsbedingungen, heißt es. Sofort wird über die Textilindustrie und den Handel gemeckert. Motto: Weil wir im Westen niedrige Preise zahlen, kriegen die armen Arbeiterinnen in Dhaka nur einen Hungerlohn.

Nun ja. So ein Flug von Bangladesch nach Deutschland kostet knapp 1000 Euro. Frau Begum müsste annähernd dreißig Jahresgehälter gespart haben, um sich so eine Reise leisten zu können. Es sieht also ganz danach aus, als habe eine finanzstarke und mächtige Organisation die Frau aus der Dritten Welt nach Deutschland geholt, um hier mit ihr Propaganda gegen den Welthandel zu machen.

Und siehe da: In der nächsten Szene tritt dann auch gleich eine Vertreterin einer nicht näher vorgestellten Organisation namens „Kampagne für saubere Kleidung“ auf. Deren Sprecherin erklärt über die Discounter: „Im Einkauf haben sie eine solch große Macht, dass sie damit die Möglichkeit haben, die Preise zu drücken.“

Dies habe zur Folge, dass die Preise in Bangladesch um ein Drittel gefallen seien. Dazu werden Bilder von einer Lidl- und einer Aldi-Filiale gezeigt.

Wir haben ein Wort dafür: Marktwirtschaft. Was wäre denn, wenn die Firmen nicht in Bangladesch die Textilien herstellen lassen würden? Dann müssten wir vielleicht höhere Preise bezahlen, und in Bangladesh wären sie arbeitslos. Jessmin wäre vielleicht längst verhungert.

Die Kampagne Saubere Kleidung gehört zu einem Netzwerk, „in dem über 300 Gewerkschaften und NRO, Verbraucherorganisationen, kirchliche Gruppen, Eine-Welt-Läden, Recherche-Institutionen und Frauenrechtsorganisationen zusammenarbeiten.“

Es wäre die Aufgabe der ARD, zumindest darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Kampagne um eine gewerkschaftsnahe Propagandaorganisation handelt. Stattdessen wurde die Sprecherin wie eine Expertin herangezogen, die mit der Näherin nichts zu tun hat. Ungefiltert wird DGB-Propaganda verbreitet. Natürlich haben die Frau Begum wie ein Zootier hergeholt und tingeln jetzt mit ihr durchs Land. Zwölf Städte in zwei Wochen. Am heutigen Montag tritt Frau Begum zum Beispiel im Bremer Informationszentrum für Menschenrechte und Entwicklung auf einer DGB-Veranstaltung auf, 19.00 Uhr.

Der Zuschauer erfuhr aber nichts über den von langer Hand vorbereiteten Propagandafeldzug der Kampagne Saubere Kleidung. Angekündigt wurde der Beitrag auf tendenziöse Weise von Sven Lorig, der fragte: „Wollen Sie so leben? Mit einem Monatslohn von 35 Euro oder einer Arbeitszeit von 90 Stunden in der Woche, ohne ärztliche Unterstützung, ohne eine Gewerkschaft?“

Also ohne eine Gewerkschaft möchte ich in jedem Fall schon mal arbeiten. Ohne ärztliche Betreuung am Arbeitsplatz arbeiten auch in den westlichen Industrienationen die meisten Menschen. Aber wenden wir uns mal dem Kern der Sache zu: 35 Euro Monatslohn – natürlich hört sich das für uns angesichts unserer Lebenshaltungskosten nach sehr wenig Geld an. Andererseits würden die Arbeiterinnen ja wohl nicht dort arbeiten, wenn es ein zu niedriger Lohn wäre, schließlich handelt es sich nicht um Zwangsarbeit. Auf der linken Webseite „Graswurzelrevolution“ habe ich folgenden Hinweis gefunden: „Der monatliche Durchschnittslohn in der Branche liegt bei 12,50 Euro für ungelernte beziehungsweise 28 bis 34 Euro für berufserfahrene Näherinnen.“ So gesehen wäre ein Monatslohn von 35 Euro angemessen. Das gilt auch, wenn wir das Bruttoinlandsprodukt zugrunde legen. Es beträgt pro Kopf pro Monat knapp 28 Euro. Wenn wir das Gehalt einer Näherin in Bangladesch – gemessen am Bruttoinlandsprodukt – auf Deutschland umrechnen, dann bekäme sie 2.600 Euro monatlich. Immer noch zu wenig?

Das herauszufinden dauert nicht einmal zehn Minuten. Ein Journalist, der die Grundversorgung an Information gewährleisten soll, hätte sich ja mal durchrechnen können, bevor er seine Zuschauer mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zahlen konfrontiert. Lorig behauptet auch noch, die westlichen Textilfirmen würden die Löhne in Bangladesch „gnadenlos drücken“. Aber wie wir gesehen haben, sind die Löhne gar nicht so schlecht. Im Tagesspiegel wurde der 39jährige vor kurzem so beschrieben: „Fernseh-Moderatoren wie Sven Lorig sind die Repräsentanten eines neuen Biedermeier. Sie bieten Wellness für die Zuschauerseele.“

Sicherlich gibt es beim Publikum auch eine Nachfrage nach Moderatoren mit diesen Eigenschaften. Aber in einer politischen Sendung? Soll das die Grundversorgung sein? Wen ja, womit? Mit Beeinflussung und Propaganda von Big Labour? Das angeblich unabhängige, neutrale Fernsehen in Deutschland ist eine Farce.

http://ef-magazin.de/2010/11/15/2672-staatsfernsehen-aepfel-birnen-und-ard-moderatoren

-jmw-
27.11.2010, 22:08
Stimmt so!
Es wird viel Geld und Macht angehäuft auf dem Rücken von benachteiligten Menschen und solchen in Notsituationen und dies dann zum Schaden derjenigen, denen geholfen werden soll und denen, die das auch tatsächlich tun wollen.

Anders: Wenn es Arschlöcher gibt, die andere ausbeuten, warum dann nicht Arschlöcher, die die Ausbeutung durch Arschlöcher ausbeuten?

(Nebenbei: Man sollte vorsichtig sein mit Begriffen wie "Marktwirtschaft" und "Zwangsarbeit", was insbesondere Staaten der 3. Welt angeht.
Vielleicht sollte sich eifrei da mehr abgucken von den Graswurzelrevoluzern? :) )

Systemhandbuch
27.11.2010, 22:40
Stimmt so!
Es wird viel Geld und Macht angehäuft auf dem Rücken von benachteiligten Menschen und solchen in Notsituationen und dies dann zum Schaden derjenigen, denen geholfen werden soll und denen, die das auch tatsächlich tun wollen.

Anders: Wenn es Arschlöcher gibt, die andere ausbeuten, warum dann nicht Arschlöcher, die die Ausbeutung durch Arschlöcher ausbeuten?

(Nebenbei: Man sollte vorsichtig sein mit Begriffen wie "Marktwirtschaft" und "Zwangsarbeit", was insbesondere Staaten der 3. Welt angeht.
Vielleicht sollte sich eifrei da mehr abgucken von den Graswurzelrevoluzern? :) )

So in der Art:

http://de.academic.ru/pictures/dewiki/80/Pyramid_of_Capitalist_System.png

Systemhandbuch
27.11.2010, 22:46
http://ef-magazin.de/2010/11/15/2672-staatsfernsehen-aepfel-birnen-und-ard-moderatoren

Aus dem Artikel:


[...]Im Tagesspiegel wurde der 39jährige vor kurzem so beschrieben: „Fernseh-Moderatoren wie Sven Lorig sind die Repräsentanten eines neuen Biedermeier. Sie bieten Wellness für die Zuschauerseele.“[...]

Jip, ... aber nicht nur Der ! :D

The Dude
28.11.2010, 00:38
„Wollen Sie so leben? Mit einem Monatslohn von 35 Euro oder einer Arbeitszeit von 90 Stunden in der Woche, ohne ärztliche Unterstützung, ohne eine Gewerkschaft?“

Öh, der Germanistinnen-Tarif 2020. Es sei diesem "eifreien" italienschen Gerät vergönnt.

BRDDR_geschaedigter
28.11.2010, 00:40
Diese Gutmensch_innen kapieren eben nicht, dass es Zeit braucht, bis dort der Wohlstand steigt. Das ist ähnlich wie bei der Industrialisierung des Westens, dort hat es auch eine Zeit gebraucht.

Ein Mindestlohn dort würde diese Entwicklung stoppen und extremen Schaden anrichten.

The Dude
28.11.2010, 00:56
Diese Gutmensch_innen kapieren eben nicht, dass es Zeit braucht, bis dort der Wohlstand steigt. Das ist ähnlich wie bei der Industrialisierung des Westens, dort hat es auch eine Zeit gebraucht.

Das hat nicht "Zeit gebraucht", du Arschloch, das wurde erkämpft. U.a. von den Gewerkschaften.

heide
28.11.2010, 06:21
aus dem verlinkten Artikel:
.."Der Zuschauer erfuhr aber nichts über den von langer Hand vorbereiteten Propagandafeldzug der Kampagne Saubere Kleidung. Angekündigt wurde der Beitrag auf tendenziöse Weise von Sven Lorig, der fragte: „Wollen Sie so leben? Mit einem Monatslohn von 35 Euro oder einer Arbeitszeit von 90 Stunden in der Woche, ohne ärztliche Unterstützung, ohne eine Gewerkschaft?“"...

Lorig vergleicht hier in der Tat Äpfel mit Birnen.....

-jmw-
28.11.2010, 11:27
So in der Art:
Ein bisschen, ja.
Aber nicht ganz.
V.a. deshalb nicht, weil "Kapitalismus" ja eher ein Kampfbegriff ist - je nach Definition kann man dafür und gleichzeitig dagegen sein.

Menetekel
28.11.2010, 12:41
Es gibt halt immer noch und wieder genügend Menschen, welche alles Dargebotene als "die Realität" hinnehmen, ohne zu hinterfragen.
Die Trägheit der Masse läßt eine derartge Beeinflussung durch die Medien zu.
Zu den Moderatoren erspare ich mir einen Kommentar.

Tosca
28.11.2010, 13:18
http://ef-magazin.de/2010/11/15/2672-staatsfernsehen-aepfel-birnen-und-ard-moderatoren

Und die kleine Näherin hat sich vorgenommen, im fernen Deutschland, wo all die Drecksäcke wohnen, die sich billig kleiden wollen, mal einfach so nachzuschauen?

Interessant.

Wie wäre es, wenn das gar keine Näherin, sondern eine Schauspielerin wäre? So kommen wir der Wahrheit wohl eher ein Stückchen näher. Wie du richtig bemerkt hast, müsste das arme, kleine, ausgebeutete Geschöpf viele Jahre sparen um sich den Flug leisten zu können. Und dann gleich an die richtigen stellen, also Gewerkschaften zu geraten, das sage ich doch "Hut ab".

Ist es der ARD bekannt, dass es bei Call Centern eher die Norm ist, die Leute in Deutschland so mies zu bezahlen, dass sie auf HartzIV angewiesen sind?

Aber zurück zu dem armen Hascherl. Wieviel Geld braucht man in Bangladesh um über die Runden zu kommen? ist es in Bangladesh Sitte, die Angestellten ärztlich zu versorgen?

Oder erwarten da irgendwelche Leute, dass sich die Gewerkschafter in Bangladesh ebenso die Taschen stopfen können, wie es bei uns der Fall ist?

Systemhandbuch
28.11.2010, 19:46
Ein bisschen, ja.
Aber nicht ganz.
V.a. deshalb nicht, weil "Kapitalismus" ja eher ein Kampfbegriff ist - je nach Definition kann man dafür und gleichzeitig dagegen sein.

Dieses "je nach Definition" ist vielleicht eine Frage des eigenen Wiederfindens innerhalb der Grafik.

Bist du in der Mitte der Grafik, dann kann ich Dein "dafür UND gleichzeitig dagegen" nachvollziehen. Bist du ganz Unten oder ganz Oben trifft dies meines Erachtens nicht zu.

-jmw-
28.11.2010, 20:33
Ich bin ganz unten und kapitalistischer Antikapitalist. :]