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Vollständige Version anzeigen : Kalifornien: Legalisierung scheitert knapp



Kreuzritter2685
05.11.2010, 16:20
Nach der Auszählung von 92% der Stimmen hat die Proposition 19 in Kalifornien mit 46% Ja-Stimmen eine Mehrheit knapp verfehlt. Trotzdem zeigt diese Abstimmung, dass Mehrheiten für eine Legalisierung von Cannabis inzwischen in Reichweite liegen.

Für Insider kam die Niederlage der Prop19 leider nicht überraschend. Trotz aller Unsicherheiten deuteten die letzten Meinungsumfragen ziemlich klar darauf hin, dass die Zeit für eine Legalisierung in Kalifornien noch nicht gekommen war. Die Initiatoren des Referendums zeigten sich trotzdem zufrieden mit dem Ergebnis, das nur einige Hunderttausende Stimmen von einem Sieg entfernt liegt.

Die Reaktionen

Bereits am Tag vor der Abstimmung erklärte David Borden, der Geschäftsführer von DRCnet, die Legalisierung von Cannabis zum Mainstreamthema:

"But win or lose this time, a page in history has turned -- drug policy reform is an issue who time has come, and time is on our side."

"Unabhängig davon, ob wir dieses Mal gewinnen oder verlieren, die Entwicklung ist nun ein Stück weiter - Eine Reform der Drogenpolitik ist ein Thema, dessen Zeit gekommen ist. und die Zeit ist auf unserer Seite"

NORML Deputy Director Paul Armentano sagte bei der Marihuanalegalisierung stellt sich nun nicht länger die Frage "Ob" sondern nur noch "Wann" sie kommt. Weiter schreibt er:

"Social change doesn’t happen overnight, and in this case we are advocating for the repeal of a criminal policy that has existed for over 70 years federally and for nearly 100 years in California"

"Soziale Veränderungen kommen nicht über Nacht und in diesem Fall treten wir für die Rücknahme eines strafbewehrten Verbotes ein, das über 70 Jahre auf bundesstaatlicher Ebene und fast 100 Jahre in Kalifornien existierte."

Auch Ethan Nadelmann, einer der führenden Köpfe der US-amerikanischen Drogenreformbewegung, zeigte sich überaus optimistisch:

"Prop. 19 has elevated and legitimized the discourse around marijuana policy like nothing ever before [...] This is the first time major elected officials and labor unions and civil rights organizations have endorsed a marijuana legalization measure. The debate is less about whether to legalize marijuana and increasingly about how to legalize marijuana" - Ethan Nadelmann, ABC News California's Proposition 19 Rejected by Voters

"Prop. 19 hat den Diskurs rund um die Cannabispolitik beflügelt und legitimiert, wie nichts jemals zuvor [...] Dies ist das erste Mal, dass gewählte Politiker, Gewerkschaften und Bürgerrechtsorganisationen zusammen eine Cannabislegalisierungsmaßnahme befürworten. Die Debatte geht nun weniger darum, ob man Cannabis legalisieren sollte, sondern eher um das Wie"

Der kalifornische Direktor des Drug Policy Projects, Stephen Gutwillig, wird in der einflussreichen linksliberalen Onlinezeitung Huffingtonpost mit dem Worten zitiert:

"It's still a historic moment in this very long struggle to end decades of failed marijuana prohibition [...] Unquestionably, because of Proposition 19, marijuana legalization initiatives will be on the ballot in a number of states in 2012, and California is in the mix."

"Es ist trotzdem ein historischer Moment in dem schon langwährenden Kampf, die gescheiterte Cannabisprohibition zu beenden [...] Zweifelsfrei wird es aufgrund der Prop 19 bei den Wahlen im Jahr 2012 in einigen Staaten Cannabislegalisierungsinitiativen geben, und Kalifornien wird mit dabei sein."

Richard Lee, Gründer der Oaksterdam University, einer Cannabiswirtschaftschule, zeigte sich im Guardian optimistisch, dass mit der hohen Zustimmung zur Prop 19 auch die (Rest-)Kriminalisierung zu Ende gehen wird:

"45% of people voting for it makes it hard to lock people up for it"

"Wenn 45% der Menschen dafür gestimmt haben, ist es schwer, jemand dafür einzusperren"

Pressespiegel

In der Süddeutschen durfte man die hanebüchenen Argumente der Gegenseite nachlesen, während die FAZ nochmal die finanziellen Aspekte der Cannabislegalisierung hervorhebt:

"Gemeinsam mit anderen Legalisierungsgegnern warnten zahlreiche Polizeiverbände vor einer wachsenden Zahl von Süchtigen, die über die weiche Einstiegsdroge zu härteren Stoffen greifen würden. [...] Bei einem Erfolg der Proposition 19, mahnten Kritiker im Vorfeld der Abstimmung, hätten Arbeitgeber ihren Angestellten den Marihuana-Konsum erlauben müssen, alles andere wäre Diskriminierung gewesen." - Süddeutsche Zeitung, Kalifornien: Freigabe von Marihuana - Kiffen bleibt illegal

"Der Verkauf des Rauschmittels auf einem legalen Marihuanamarkt hätte dem Staat nach Schätzungen jährlich über eine Milliarde Dollar an Steuern und Gebühren einbringen können." - Frankfurter Allgemeine Zeitung, Kalifornien - Kiffen bleibt verboten

Die meisten Zeitungen wie die Schweizer Blick erwähnen auch nicht, dass Cannabis in Kalifornien fast vollständig entkriminalisiert und medizinisches Cannabis für jedermann einfach zu haben ist oder es auch gewichtige Stimmen in Südamerika, wie die des ehemaligen mexikanischen Präsidenten Vicente Fox, für eine Legalisierung gibt:

"Seit 1996 ist in Kalifornien bereits der Marihuana-Konsum aus medizinischen Gründen gestattet. Mehrere lateinamerikanische Staaten hatten sich in der vergangenen Woche besorgt über den Vorschlag geäußert, da sie eine Zunahme der Drogenkriminalität befürchteten." - Blick.Ch, Schlappe für die Kiffer: Marihuana bleibt in Kalifornien illegal

"How great it would be for California to set this example. May God let it pass. The other US states will have to follow step." - Vicente Fox im Drug War Chronicle, Mexico Drug War Update vom 2.11.2010

Wer nicht immer nur die gleichen Tickermeldungen, wie sie in den meisten Zeitungen abgedruckt werden, lesen möchte, dem sei auch bei diesem Thema Telepolis empfohlen: Kalifornische Initiative zur Legalisierung von Marihuana scheitert.
Was noch abgestimmt wurde

Auch knapp abgelehnt wurden die Proposition 203 in Arizona, die Measure 74 in Oregon und die Measure 13 in Süd Dakota. Bei diesen drei Abstimmungen ging es um die Einführung oder Ausweitung der Programme für Cannabis als Medizin. Auch die Wahlen der Gouverneure und Generalstaatsanwälte sind entweder noch offen oder es wurden Cannabisfeinde gewählt bzw. Cannabisfreunde nicht gewählt. Zumindest in Massachusetts sagten die Wähler bei einer unverbindlichen Befragung ja zu medizinischem Marihuana und der Regulierung.

Bis zuletzt spannend blieb der Ausgang der Wahl des Generalstaatsanwaltes von Kalifornien, aktuell scheint der Demokrat Kamala D. Harris mit einem Vorsprung von nur 40.000 Stimmen gewonnen zu haben. Der Kandidat der Republikaner Steve Cooley gilt als rabiater Anti-Marihuana Fanatiker. Einige Legalizer sprachen sogar davon, dass die Frage, ob er gewählt wird oder nicht, wichtiger sei als der Ausgang der Proposition 19.

"This guy is as nasty a drug warrior as there is, and if he becomes California's top law enforcement official, it isn't going to be pretty," - Election 2010 - Pro-Medical Pot Group: Defeating Steve Cooley More Important Than Prop. 19

Der Standard berichtet ferner von der Nichtwahl einer republikanischen Alkoholprohibitionistin:

Reid gewann bei der Abstimmung am Dienstag gegen die Republikanerin Sharron Angle, die als eine der bekanntesten Vertreterinnen der konservativen Basisbewegung "Tea Party" ins Rennen gegangen war, wie mehrere US-Sender unter Berufung auf Nachwahlbefragungen meldeten. [...] Die 61-Jährige hatte im Wahlkampf durch radikale Vorschläge Furore gemacht: Unter anderem forderte sie ein gesetzliches Alkoholverbot sowie die Privatisierung der Sozialversicherung.

Ferner freute sich Ethan Nadelmann per Twitter über die Wahl von Gouverneur Pete Shumlin in Vermont, dem bundesweit einzigen Kandidaten, der Cannabis-Entkriminalisierung und Harm Reduction befürwortet, und von Eric Schneiderman in New York als Generalstaatsanwalt, der ihm ein Verbündeter im Kampf gegen das drakonische Rockefeller Drogengesetz ist.

http://hanfverband.de/index.php/nachrichten/aktuelles/1357-kalifornien-legalisierung-scheitert-knapp

Haspelbein
05.11.2010, 18:06
...]
"45% of people voting for it makes it hard to lock people up for it"

"Wenn 45% der Menschen dafür gestimmt haben, ist es schwer, jemand dafür einzusperren"
[...]

Das waren 45% in Kalifornien. Das Problem ist jedoch, dass diese Legalisierung letztendlich unter das US-Recht fallen duerfte, da alle Drogen bundesweit von der FDA reguliert werden. Bisher drueckt man ein Auge zu, da die Legalisierung offiziell nicht stattgefunden hatte.

Waere Prop 19 durchgekommen, haette es u.U. juristisch eine schwere Niederlage fuer die Legalisierung geben koennen.

-jmw-
05.11.2010, 18:10
Ggf. seitens Kalifornien die Argumentation der Unzuständigkeit des Bundes, vielleicht gar Nullifizierung...
Hätte interessant werden können!

Haspelbein
07.11.2010, 11:23
Ggf. seitens Kalifornien die Argumentation der Unzuständigkeit des Bundes, vielleicht har Nullifizierung...
Hätte interessant werden können!

Ich glaube nicht, dass sich der oberste Gerichtshof darauf eingelassen haette. Da die Zustaendigkeit auf der "commerce clause" beruht, waeren sehr viele Zustaendigkeiten des Bundes anfechtbar geworden, wenn man Kalifornien eine Eigenstaendigkeit in dieser Hinsicht zugestanden haette. Das faenge bei bundestaalichen Komponenten des Bildungswesen an, ginge ueber staatliche Kranken- und Rentenversicherungen, und hoerte beim Waffenrecht auf.

Will die Bewegung fuer die Legalisierung aus ihrem Schattendasein kommen, so muss sie es bundesweit tun.

-jmw-
07.11.2010, 11:38
waeren sehr viele Zustaendigkeiten des Bundes anfechtbar geworden
Da wäre eine mögliche Folge, ja - und eine sehr charmante obendrein! :]

Haspelbein
07.11.2010, 12:36
Da wäre eine mögliche Folge, ja - und eine sehr charmante obendrein! :]

Charmant vielleicht, nur extrem unwahrscheinlich. ;)

-jmw-
07.11.2010, 12:49
Hoffnung ist was schönes! :D